Protocol of the Session on April 4, 2001

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Sylvia Bretschneider, SPD: Vielleicht sollten Sie öfter mal zu den Sitzungen gehen, dann wüssten Sie auch, was wir gemacht haben.)

Aber bei dem Thema „Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche“ bewegt sich etwas, vor allem geht das aber von Jugendlichen von unten aus, von selbst aus.

Im Vorfeld von „Jugend im Landtag“ hat es einige Unstimmigkeiten gegeben und die Erwartungshaltungen waren sehr groß. Aber das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Darüber haben wir schon ausführlich im Januar diskutiert. In diesem Zusammenhang werde ich den Eindruck nicht los, dass auch Sie das Gefühl hatten und haben, dass die von Ihnen verfasste Beschlussempfehlung zur Beteiligungskampagne den Makel hatte, dass Sie aus den Beschlüssen der Beteiligungskampagne für den Landtag keine Schlussfolgerungen ziehen wollten und es lieber der Verwaltung in der Landesregierung überlassen, die Forderungen der Jugendlichen umzusetzen. Schon im Januar sagte ich Ihnen: So schaffen Sie es tatsächlich, in Ihrer Beschlussempfehlung mit keinem Wort auf die nunmehr vorgelegten Ergebnisse von „Jugend im Landtag“ einzugehen. Sie legten ausführlich dar, dass Beteiligungsverfahren eine Chance sind. Wozu sie genutzt werden, sagten Sie nicht. Dabei ist es bis heute geblieben. Jedenfalls habe ich bisher auch nichts Neues gehört.

Die Aktualität Ihrer Aktuellen Stunde erschließt sich auch mir nicht, vor allem angesichts der Tatsache, dass Sie eben im Januar Ihrer Regierung einen Berichtsauftrag erteilt haben, in dem Ihre Regierung über die mögliche Umsetzung der Forderungen der Beteiligungskampagne berichten soll – Termin: September. Warum dann heute die Aktuelle Stunde? Wesentliche Aspekte von Mitwirkungen von Kindern und Jugendlichen haben wir im Januar ausführlich miteinander diskutiert und gemeinsam festgestellt, dass es Defizite gibt. Ebenso mussten auch Sie feststellen, dass die Einladung, Forderungen aufzustellen, leicht ausgesprochen ist. Die Forderungen zu formulieren ist schon etwas schwieriger. Die Forderungen dann aber auch umzusetzen, das ist hohe politische Kunst, denn alles ist ja nicht umsetzbar.

(Volker Schlotmann, SPD: Und das haben Sie eben nicht gekonnt. – Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)

Das alles haben wir bereits im Mai vergangenen Jahres diskutiert und wiederholt im Januar.

(Heinz Müller, SPD: Wir denken, nicht.)

Was hat sich seitdem verändert? Haben Sie nun endlich ein Rezept für die Kinder und Jugendlichen, wie sie ihre Interessen und Wünsche durchsetzen können oder bleibt es wiederum bei blumigen Sonntagsreden, was wir Politiker alles machen müssten,

(Angelika Gramkow, PDS: Warum haben Sie mich jetzt angeguckt? Meine Rede war nicht blumig und auch nicht Sonntag.)

damit – Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen?

(Sylvia Bretschneider, SPD: Er meint sich selbst.)

Ich habe nicht Sie angeguckt, ich habe einen Herrn angeguckt, der gerade beschäftigt war.

Und dann, wenn es wie bei der Beteiligungskampagne konkret wird, dann machen Sie wieder einen Rückzieher und fühlen sich nicht als Adressat von Forderungen eben derer, für die Sie sich heute wieder einmal wortgewandt einsetzen. Unterschätzen Sie nicht die Kinder und Jugendlichen! Sie haben ein außerordentlich entwickeltes Gefühl dafür, ob Sie es ehrlich meinen oder nicht. Von keinem Politiker der Regierungskoalition habe ich in der Vergangenheit gehört, dass wir im Falle Jugendpolitik vielleicht Fehler machen, über die wir nachdenken, und einiges verändern müssen. Ich kann nur sagen und das bestätigen,

(Angelika Gramkow, PDS: Sie haben mir nicht zugehört. – Zurufe von Sylvia Bretschneider, SPD, und Andreas Bluhm, PDS)

was Herr Meyer, Generalsekretär der CDU-Fraktion, am Wochenende gesagt hat: Natürlich hat die CDU in 16 Jahren Regierungszeit Fehler in der Familien- und Jugendpolitik gemacht.

(Volker Schlotmann, SPD: Und trotzdem hat er sich noch nicht entschuldigt für dieses blöde Plakat. – Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

Und natürlich haben auch wir Fehler in der Familienund Jugendpolitik gemacht in der Zeit, als wir in der Koalition waren. Darüber reden wir doch gar nicht. Sie machen aber auch derzeit im Land und im Bund gravierende Fehler in der Familien- und Jugendpolitik sowie in der Kinderpolitik. Es würde auch Ihnen gut zu Gesicht stehen, wenn Sie diese Fehler zugeben würden und die richtigen Konsequenzen ziehen. Diese Ehrlichkeit ist ein erster Schritt, um Kindern und Jugendlichen mehr Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten einzuräumen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Ministerin Dr. Martina Bunge: Na, dann lesen Sie mal das „Amtsblatt“ vom 14.04.! Dann werden Sie’s wissen. – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Danke schön, Herr Caffier.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schädel von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Caffier,

(Lorenz Caffier, CDU: Ja, ich hör’ zu.)

das Vorhalten von Fehlern,

(Unruhe bei Lorenz Caffier, CDU)

hallo, Herr Caffier, das gegenseitige Vorhalten von Fehlern bringt uns überhaupt nicht weiter.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Und auch das Darauf-Pochen, sich für das eine oder das andere zu entschuldigen, bringt uns überhaupt nicht weiter. Was passieren muss, ist, dass wir Jugendliche mitbeteiligen an Entscheidungsfindungen. Es ist jetzt bereits länger als ein halbes Jahr her, dass hier in Schwerin „Jugend im Landtag“ als Start der Beteiligungskampagne des Landesjugendrings stattgefunden hat und 100 junge Leute aus unserem Land sich mit ihrer Meinung

in Politik eingemischt haben. Wenn Sie sich erinnern, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben über 40 Abgeordnete, vier Minister und selbst der Ministerpräsident die jungen Leute besucht, haben sich auf den Fußboden gesetzt und miteinander diskutiert, aber vor allem haben sie auch mit zugehört, wie sich Jugendliche die Zukunft vorstellen.

Ein halbes Jahr ist eine lange Zeit für Jugendliche und da komme ich auf das monatelange Pochen von Erwartungen, dass man sich entschuldigt oder dass man Fehler eingesteht. Für Jugendliche ist ein halbes Jahr eine lange Zeit, wie wir alle über unsere E-Mail-Briefkästen auch erfahren konnten. Dort schlugen regelmäßig Nachfragen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, aber auch interessierten anderen Jugendlichen zu den Ergebnissen und der Umsetzung von „Jugend im Landtag“ auf. Für uns, die wir den parlamentarischen Alltag kennen, ist die Beantwortung innerhalb eines halben Jahres eher eine schnelle Bearbeitung. Die Jugendlichen erwarten dies schneller und wollen sich einbringen, wie auch Gespräche nach „Jugend im Landtag“ zeigten. Und das ist gut so, denn auch Politik muss sich in dieser schnelllebigen Zeit ändern und auf die Jüngsten der Gesellschaft eingehen, sie zum Mitmischen motivieren und sie vor allem einbinden in die Umsetzung der Ergebnisse.

Meine Fraktion hat wie auch die der SPD pünktlich ihre Antworten zum Forderungskatalog von „Jugend im Landtag“ fertiggestellt und – genau, wie damals vom Sprecher des Landesjugendrings Björn Richter gefordert wurde – zu den Fragen eine deutliche Antwort gefunden. Zum 26.06.2001 hat der Landtagspräsident Hinrich Kuessner die Teilnehmer von „Jugend im Landtag“ in den Landtag eingeladen, um die Ergebnisse zu veröffentlichen und den Jugendlichen die Möglichkeit für Nachfragen an uns Politiker zu geben. Lassen Sie uns diese Chance nutzen und lassen Sie uns möglichst vielzählig auf diesem parlamentarischen Abend erscheinen, um zu zeigen, wie wir es ernst meinen mit Jugendbeteiligung und den Schwung der jungen Leute in die Politik mitnehmen.

Wenn ich sage, dass wir Ideen der Zusammenarbeit in die Politik mitnehmen sollten, dann meine ich auch deren konkrete Umsetzung. Ich danke deshalb dem Landtagspräsidenten für die Übernahme der Schirmherrschaft der Beteiligungskampagne und dem Sozialministerium und auch dem Bundesjugendministerium für die finanzielle Unterstützung des Moderatorenkonzeptes in diesem Zusammenhang.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Nun sind die umsetzenden Jugendverbände gefragt, Ergebnisse vorzuweisen und durch den Moderator Beteiligungsprozesse in den Kommunen durchzuführen und Verwaltung und Kommunalpolitik, aber auch andere Entscheidungsträger in Jugendbeteiligungsprozessen zu schulen und einzubinden. Ich habe gerade in der letzten Zeit rege Kontakte mit dem Jugendparlament-Förderverein aus Wismar gehabt und erfahren können, wie engagiert Jugendliche ihre Ideen für die Stadt Wismar in Jugendfragestunden mit der Politik austauschen und die Politik dann durch die verschiedenen Ämter die Erledigung zusagt und auch wirklich umsetzt. Auch dieses gibt es in unserem Land. So konnten zum Beispiel die Jugendclubs auf ihre Wirksamkeit geprüft und verbessert werden, konnten rechtsextremistische Zustände in Jugendclubs unterbunden werden und wurden öffentliche Plätze durch junge Gestaltung einfach schöner.

Schon durch diese benannten Erfahrungen glaube ich, dass junge Leute sich selber beteiligen können und dieses auch wollen, wenn man sie denn lässt. Wenn wir über ein Demokratiedefizit sprechen und damit die radikale Abwendung von Jugendlichen von der Demokratie meinen – immerhin sind nach einer Studie des örtlichen Präventionsrates 60 Prozent der Jugendlichen der Stadt Rostock der Meinung, dass Demokratie nicht die beste Staatsform ist –, dann wird es Zeit, nicht nur über die Aktuellen Stunden und parlamentarischen Gespräche zu handeln, sondern langfristig Möglichkeiten zur Partizipation von Jugendlichen zu schaffen.

Ich möchte deshalb zum Schluss nochmals konkret werden und die Fraktionen auffordern, folgende Punkte gemeinsam zu diskutieren und zu Ergebnissen zu führen:

Unterstützung von Jugendbeteiligungsprojekten in den Kommunen Allein durch die Besuche von Landtagsabgeordneten fühlen sich die engagierten Jugendlichen schon ernst genommen, andere motiviert es zum Mitmachen.

Teilnahme auch von uns Landtagsabgeordneten an den Moderationsschulungen der Beteiligungskampagne, damit auch wir Beteiligungsprozesse moderieren können

Einrichtung eines Kinder- und Jugendausschusses nach den nächsten Wahlen, da die Belange von Kindern und Jugendlichen ressortübergreifend behandelt werden müssen und wir Jugendlichen eine gesicherte Zukunft in Mecklenburg-Vorpommern bieten können, um nicht weiter zu vergreisen

Erweiterung der Kommunalverfassung, damit Jugendbeteiligung auch in den Kommunen echt umgesetzt werden kann und wir nicht solche Erlebnisse wie in Neubrandenburg haben, damit es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt und Kinder- und Jugendparlamente auch Sitz und Stimme in Jugendlichen betreffenden Fragen haben

Das gilt es in der nächsten Zeit genauso mit anzugehen. Das geht nur gemeinsam, so dass wir alle für die Jugendbeteiligung in unserem Land streiten. Lassen Sie uns Jugendbeteiligung bei den nächsten Wahlen stattfinden und unsere Reihen hier ein bisschen auffrischen. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke, Herr Schädel.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schildt von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! „Jugend im Landtag“ ist deshalb so interessant, weil junge Leute selbst und am besten klarmachen können, wo sie der Schuh drückt. Und wir alle begegnen jeden Tag in unserem Wirken jungen Leuten.

Für mich war es sehr interessant, ihre Meinungen zu hören. Ich habe an Gesprächen zur Drogenpolitik teilgenommen, ein Thema, wo ich nicht unbedingt Fachfrau bin. Aber auch die meisten Jugendlichen in dieser Gruppe hätten sich, so haben sie sich zumindest geäußert, lieber mit den für sie wichtigsten Themenschwerpunkten, nämlich berufliche Zukunft und Freizeit, eingebracht. Kaum

Jugendliche waren aus dem ländlichen Raum vertreten. Und ich habe im Nachhinein bei uns in der Region die Werbetrommel gerührt, dass sie sich nächstes Mal beteiligen, und das sollten wir alle tun.

Unsere Jugend im ländlichen Raum ist bodenständig, aber trotzdem verlassen viele junge Leute unser Land, weil sie bei uns ihre persönliche Perspektive nicht erkennen. Ländlicher Raum bietet Perspektiven. Unsere Landund Ernährungswirtschaft produziert auf hohem technischen und technologischen Niveau. Auch wenn wir gegenwärtig über einen Wandel in der Agrarpolitik diskutieren, steht Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht in Frage. Ein Kriterium dafür ist ein ständiger Personalaufwuchs. Aber wie sieht es bei uns im Land damit aus?

Wenn im Durchschnitt acht von zehn Handwerksbetrieben Facharbeiter ausbilden, sind es in der Landwirtschaft lediglich drei von zehn. Damit ist das Missverhältnis eindeutig ausgedrückt. Die Verknappung junger Facharbeiter im ländlichen Raum wird in spätestens vier Jahren zu einem Engpass für die Agrarwirtschaft führen, wenn die Gesellschaft nicht reagiert. Zur Gesellschaft zähle ich die landwirtschaftlichen Unternehmen, die Bildungsträger, die Arbeitsämter, die Politik und die jungen Leute.

Wie können junge Leute begeistert werden? Zunächst ist die Imagepflege durch die Landwirtschaft selbst zwingend notwendig. Niemand geht freiwillig in einen Beruf, von dem die Unternehmen selbst nicht müde werden zu behaupten, dass man davon nicht leben kann, dass Bauerntod bevorsteht. Viel Geld haben die Unternehmen in den vergangenen Jahren benötigt, um materielle Voraussetzungen ihrer Existenz zu sichern. Grundfesten sind erreicht. Für diesen Prozess hatten die Arbeitnehmer Verständnis und haben manche Lohnforderung zurückgestellt. Wer heute gute Fachkräfte will, muss sie auch so bezahlen. Über Generationen hat der Bauer Berufsstolz auf sein Wirken, Liebe zur Natur entwickelt. Wo bleiben heute diese Aussagen? Wer spricht über das gute Gefühl, das ein Bauer hat, Teil der Natur zu sein? Nicht alles lässt sich mit Geld ausdrücken. Wenn das Image der Landwirtschaft nicht stimmt, geht keiner in einen solchen Beruf. Aber das müssen die Bauern selbst richten.