Protocol of the Session on April 4, 2001

was aber sagt, Frau Bretschneider, dass zwischen eingeräumten Rechten und dem, wie sie genutzt werden, deutliche Unterschiede bestehen. Auf einige erkannte Erfordernisse hat, wie Sie wissen, die SPD- und PDS-Landesregierung reagiert und zum Beispiel das Wahlalter – wir haben es eben, sehr kritisch bemerkt, gehört – auf 16 Jahre gesenkt, an den Schulen die Drittelparität bei der Zusammensetzung der Schulkonferenzen eingeführt, die Zensur von Schülerzeitungen abgeschafft und das Schulsozialarbeiterprogramm auf den Weg gebracht, Ausbildungsplätze für jeden gesichert, die Beteiligungskampagne für junge Leute angeschoben, „Jugend im Landtag“ unterstützt. Anderes verharrt auf unserer Wunschliste, weil es dafür hier noch keine Mehrheiten gibt, zum Beispiel Dauerarbeitsplätze unabhängig von ABM in den Jugendklubs. Und zum Teil wird mit Entrüstung zurückgewiesen, wenn wir endlich über die Entkriminalisierung im Umgang mit so genannten weichen Drogen nachdenken.

(Beifall Monty Schädel, PDS)

Geht es wirklich um die Frage von mehr Rechten und Mitwirkungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern? Sollten wir uns nicht vielmehr mit der Frage nach dem Verhältnis von jungen Leuten zu demokratischen Rechten und Mitwirkungsmöglichkeiten und umgekehrt von Demokratie zu den Jugendlichen unterhalten? Demokratische Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten sollen doch die jungen Leute ermutigen, selbstbewusst zu handeln, ihre Rechte zu nutzen, zu verteidigen, aber auch ihre Pflichten einzuhalten.

Und, Frau Schnoor, muss es uns dann wirklich verwundern, dass Jugend nicht wählt, wenn Eltern und Großeltern auch nicht wählen gehen?!

(Volker Schlotmann, SPD: Tja.)

Das bedingt, demokratische Rechte und Pflichten zu nutzen, dass wir junge Leute in die Lage versetzen, dieses auch tun zu können, gesellschaftliche Werte zu erkennen und für sich zu bestimmen. Und erscheint es an dieser Stelle sinnvoll, dass Politikerinnen und Politiker während der Wahlzeiten aus den Schulen verbannt werden?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Dies bedingt, dass wir unterstützen oder zumindest ernsthaft prüfen, was Mädchen und Jungen für erstrebenswert halten. Das bedingt, dass wir gestatten, dass sie möglichst alles in Frage stellen können und an alternativen Vorstellungen arbeiten. Und das schließt ein, dass sie eine wirkliche Gleichstellung und Gleichberechtigung notwendig haben.

Ich sage, ohne Zweifel bietet der Zustand unserer Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland manche Voraussetzung für eine solche Entwicklung, ist aber doch um Etliches von dem entfernt, was ein solidarisches Gemeinwesen, so, wie wir als PDS es auch verstehen, ausmachen sollte.

Ein Beispiel: Individualisierung ist an sich eine positive Entwicklung. Schon Kinder und Jugendliche nehmen heute kulturelle und geistige Freiheiten mehr wahr als noch vor ein oder zwei Generationen. Zugleich beobachten oder empfinden sie damit verbundene negative Erscheinungen, zunehmende Egozentrik und Vereinzelung, Ellenbogenmentalität. Sie bemerken zunehmende Verunsicherungen auch bei uns, ihren Eltern und anderen Erwachsenen, ja selbst Ohnmächtigkeit, die von den tiefgreifenden Veränderungen in unserem Land, in unserem Leben geprägt sind. Sie erleben die hergebrachten Hierarchien und deren Unbeweglichkeit und Folgelosigkeit, die Nichtakzeptanz und Unverbindlichkeit von Entscheidungen, besonders wenn es um junge Leute geht.

Vieles, was an politischen Debatten läuft, ruft nur noch Kopfschütteln hervor, das haben wir heute Morgen gesehen, weil es an den eigentlichen Fragen, die die Menschen, ob Jung oder Alt, bewegen, vorbeigeht. Viele Jugendliche, und natürlich nicht nur sie, bemerken doch fast immer und in zunehmender Ausschließlichkeit: Von unserer so genannten großen Politik wird das Gewinnstreben vor allem von Konzernen und Banken bedient, während die Mittel für Jugendklubs oder die vertraute Kinder- und Jugendarbeiterin (außer wenn sie rechtsgerichtet sind) anscheinend nicht vorhanden sind.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Dementsprechend wachsen autoritäre Neigungen und die Hoffnungen auf einfache Lösungen komplexer Art. Dies fördert Populismus, meine Damen und Herren, und den dürfen wir gemeinsam mit den Jugendlichen nicht zulassen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke, Frau Gramkow.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Bretschneider von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im heutigen „Nordkurier“ war unter der Überschrift „Aktuelle Stunde soll wieder aktueller werden“ unter anderem zu lesen – und das hat Frau Schnoor hier auch noch mal vorgetragen: „Beantragten die Koalitionsparteien SPD und PDS eine Aktuelle Stunde, würden zudem regelmäßig keine aktuellen Themen behandelt. So werde heute auf Antrag der SPD über Rechte für Kinder und Jugendliche debattiert.“ Hört, hört! Rechte von Kindern und Jugendlichen sind also nicht aktuell in diesem Land für die CDU. Äußerst bemerkenswert.

(Volker Schlotmann, SPD: So ist es.)

Vielleicht sollte die Überschrift des heutigen „Nordkurier“ eher heißen: Aktuelle Stunde soll wieder Tummelplatz der CDU für Populismus, für Aktionismus und für unsachliche Debatten werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Lorenz Caffier, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht war es auch nur die Angst der CDU davor, hier heute hören oder sich damit befassen zu müssen, dass unter anderem das, was hier so theoretisch von der CDU geäußert wurde, in der Praxis ganz anders aussieht.

Ich will dafür ein Beispiel anführen: Wir haben in der Stadt Neubrandenburg ein Kinder- und Jugendparlament. Und wir waren im Stadtparlament der Auffassung, dass es durchaus legitim ist, dass ein Mitglied dieses Kinder- und Jugendparlamentes als beratendes Mitglied an den Sitzungen des Jugendhilfeausschusses der Stadt Neubrandenburg teilnehmen sollte. Verhindert wurde das durch Intervention der CDU.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

So viel zum Thema, wie die CDU sich für die Rechte von Kindern und Jugendlichen einsetzt, nur mal als Beispiel am Rande.

(Heinz Müller, SPD: Aha, so viel zum Thema Ehrlichkeit.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vom 19. bis 21. September 2001

(Harry Glawe, CDU: Wer regiert denn in Neubrandenburg?)

führen die Vereinten Nationen in New York eine große Konferenz durch,

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

um darüber zu beraten, wie die Lage aller Kinder auf der Welt verbessert werden kann. Grundlage ist die UN-Kinderrechtskonvention, die weltweit für alle Kinder im Alter von 0 bis 18 Jahren gilt und von 191 Staaten ratifiziert wurde. Ziel ist es, zu überprüfen, inwieweit der Aktionsplan, der 1990 auf dem Weltkindergipfel verabschiedet wurde, erfüllt wurde. Zum ersten Mal sollen Kinder und Jugendliche aus der ganzen Welt die Möglichkeit haben, sich an der Konferenz zu beteiligen und ihre Meinung einzubringen. Auch aus Deutschland werden vier Kinder und Jugendliche als Mitglieder der Regierungsdelegation nach New York fliegen. Ebenso in unserem Bundesland sollen aufgrund der UN-Kinderrechtskonvention, der Agenda 21 sowie der Aussagen des SGB VIII Grundsätze und Methoden der Beteiligung bekannt und erlebbar gemacht werden. Dies war und ist Ziel der Beteiligungskampagne.

Einen triftigen und aktuellen Grund, das Thema „Mehr Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern“ auf die Aktuelle Stunde zu setzen, sieht meine Fraktion darin, dass die Veranstalter von „Jugend im Landtag“ uns Politiker gebeten hatten, innerhalb von sechs Monaten eine Stellungnahme zu ihren Beschlüssen zu erarbeiten. Die Frist ist abgelaufen und deshalb ist es wichtig, dass der Landtag sich nun auch damit befasst.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU: Das war der Grund der Aktuellen Stunde. Das ist ja hochinteressant.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Jugend ist unser wichtigstes Zukunftspotential.

Ich finde es überhaupt nicht witzig, Herr Glawe,

(Harry Glawe, CDU: Die Frist ist abgelaufen, haben Sie gerade gesagt.)

dass Sie sich über Kinder und Jugendliche mokieren.

(Harry Glawe, CDU: Die Frist ist abgelaufen, haben Sie gerade gesagt.)

Das finde ich unanständig von Ihnen und ich bitte Sie, sich zurückzuhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Jugend ist unser wichtigstes Zukunftspotential. Es ist daher zentrale Aufgabe der Kinder- und Jugendpolitik, Zukunftsperspektiven zu entwickeln und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich alle Kinder und Jugendlichen entfalten können. Mehr denn je sehe ich es als erforderlich an, Kinder- und Jugendpolitik im Sinne einer querschnittartigen Zielsetzung in den verschiedenen Politikfeldern zu verankern. Nur durch eine Bündelung unter gemeinsamen Zielen können die Interessen von Kindern und Jugendlichen wirkungsvoll vertreten werden.

Durch die Veranstaltung „Jugend im Landtag“ ist deutlich geworden, dass für Kinder und Jugendliche nur etwas sinnvoll getan werden kann, wenn diese selbst beteiligt sind. Das hat sich auch in der „Kinderkarawane“ sowie in der „Shell-Studie“ gezeigt. Und es ist endlich an der Zeit, dies auch umzusetzen. Es muss uns klar sein, dass die Jugendlichen nicht nur schöne Worte von uns hören, sondern auch Taten sehen wollen. Wir müssen den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeiten geben und sie befähigen mitzuwirken. Glaubwürdigkeit der Politik spielt als Voraussetzung dafür eine große Rolle und somit auch die Beschäftigung mit den Forderungen der Kinder und Jugendlichen in unserem Land. Und diesen Satz, meine Damen und Herren von der CDU, sollten Sie sich vielleicht mal hinter Ihre Ohren schreiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jugendliche wollen sich aktiv und qualifiziert in die Politik einmischen. Hierzu müssen wir ihnen Raum, Gelegenheit und Anreize bieten.

Ich habe nachher, glaube ich, noch mal Gelegenheit zu sprechen, deshalb werde ich später meine Rede fortsetzen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke, Frau Bretschneider.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Caffier von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich hoffe, die Aktuelle Stunde ist nicht nur dazu da, damit die Koalitionsfraktionen hinter Ziffer 182 ihres Koalitionsvertrages ein Häkchen machen können im Sinne von „erledigt“.

(Reinhard Dankert, SPD: Das haben wir nicht gemacht.)

Viel mehr, als das Kommunalwahlrecht auf ein Alter von 16 Jahren abzusenken, ist ja aus unserer Sicht in Ihrer jetzigen Regierungszeit bisher noch nicht passiert zu dem Thema.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Sylvia Bretschneider, SPD: Vielleicht sollten Sie öfter mal zu den Sitzungen gehen, dann wüssten Sie auch, was wir gemacht haben.)