Protocol of the Session on March 8, 2001

und am 20. Dezember vorigen Jahres ist das Problem auf die Tagesordnung gekommen. Und das sind die Probleme, die noch heute im Land sind. Und Sie tun so, als wenn Sie davon nichts wissen, meine Damen und Herren.

(Andreas Bluhm, PDS: Sie tun so, als ob Sie die Realität nicht kennen.)

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich freue mich ja über die Lebhaftigkeit der Diskussion, aber das Wort hat hier der Redner.

(Andreas Bluhm, PDS: Manchmal ist der Kanal eben voll. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke, Herr Glawe.

(Harry Glawe, CDU: 7,5 Millionen Mark haben Sie gestrichen. Das sagen Sie mal! – Andreas Bluhm, PDS: O Mann, eh! – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Ich bitte jetzt um Aufmerksamkeit.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Sozialministerin Frau Dr. Bunge. Bitte, Frau Ministerin.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte beim Thema, beim SGB IX bleiben. Ich meine, dieses Thema ist

zu ernst, um jetzt auf andere Schlachtfelder auszuweichen.

Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der CDU, trägt Eulen nach Athen,

(Harry Glawe, CDU: Was?)

denn für das darin formulierte Ziel, nämlich keine zusätzliche Kostenbelastung für Jugend- und Sozialhilfeträger des Landes als Rehabilitationsträger durch das SGB IX, haben wir uns seitens der Landesregierung gegenüber dem Bund von Anfang an eingesetzt. Das ging von den Vorentwürfen über Referentenentwürfe bis hin zu den jetzigen Ausschussberatungen im Bundesrat. Wir haben diese Ziele auch in den Besprechungen in den Bundesministerien verfolgt und in den für uns zur Verfügung stehenden Gremien wie beispielsweise der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger.

An dieser Stelle möchte ich aber einmal betonen, dass ich froh bin, dass es nach Jahren von Absichtserklärungen – Absichtserklärungen vor allen Dingen der KohlRegierung zuhauf – endlich zum Gesetzgebungsverfahren des SGB IX kommt. Vieles, was dringend regelungsbedürftig ist zur besseren Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, wird angepackt, leider oft nicht konsequent genug und im finanziellen Teil – da stimme ich Ihnen zu – unbefriedigend.

(Harry Glawe, CDU: Danke.)

Deshalb lässt sich das Anliegen im Kern in einer zentralen Forderung zusammenfassen: Die Leistungen, die in dem vorliegenden Gesetzentwurf zu Kostenbelastungen der Jugend- und Sozialhilfeträger führen, müssen vom Bund getragen werden. Am besten gelänge dies in einem Leistungsgesetz für Menschen mit Behinderungen, aber ein solches liegt uns nicht vor. Damit würde es sich erübrigen, die Jugend- und Sozialhilfeträger zu Rehabilitationsträgern für die medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation zu machen. Eine solche Forderung lässt sich jedoch auf Bundesebene nur durchsetzen, wenn man dafür Mehrheiten bei den Ländern und im Bundestag findet. Das ist bisher leider nicht gelungen.

Mecklenburg-Vorpommern war in dieser Richtung aktiv. Da es sich um den ersten Durchgang handelt – Sie haben ja netterweise, Herr Glawe, uns hier den Zeitplan genannt, dann müssen Sie auch respektieren, dass es im Moment der erste Durchgang im Bundesrat war –,

(Harry Glawe, CDU: Richtig.)

werden wir uns bis zur endgültigen Verabschiedung weiter für unser Ziel einsetzen. Ich sehe durchaus Chancen, zumindest in Teilbereichen Verbesserungen zu erzielen. Die Forderungen, die die Ausschüsse des Bundesrates aufgestellt haben, gehen in wichtigen Punkten genau in diese Richtung. Bei vielen der Anträge gab es im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales kein parteipolitisch bestimmtes Vorgehen, es gab keine Abstimmungsfronten. Dies gilt auch für die Vorbesprechungen. Auch diese nicht selbstverständliche Erfahrung aus den Beratungen gibt mir Hoffnung, dem angestrebten Ziel näher zu kommen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch sagen, dass ich deshalb hoffe, dass wir in der weiteren Debatte nicht nur hier, sondern auch an anderer Stelle, wenn wir gemeinsam mit Verbänden und Trägern darüber beraten, hier keine parteipolitische Konfrontation in den Vordergrund

stellen, das Thema diskutieren, wo die besten machbaren Lösungen sitzen unter den bestimmten Konstellationen. Ich meine, das Thema ist zu wichtig für Menschen mit Behinderungen als auch für die Kommunen. Ein anderes Vorgehen verbietet sich meines Erachtens von Anfang an.

In der Sache zu diskutieren, verhärtete Fronten zu vermeiden, das darf nicht dazu führen, dass wir bestimmte Verbesserungen, die durch das Gesetz hervorgebracht werden, wieder in Frage stellen. Hier sehe ich in Ihrem Antrag Gefahren und deshalb bitte ich, dass wir auch darüber in Ruhe diskutieren.

Was wir weiterhin unterstützen werden, ich sage es Ihnen, wo wir gemeinsam vorwärts gehen können, sind die Vereinfachungen für die Antragsteller in der Rehabilitation, gemeinsame Beratungen durch alle Rehabilitationsträger, Verkürzung der Antragsbearbeitungszeiten, bessere Abstimmung zwischen den Rehabilitationsträgern sowie Leistungsverbesserungen für Menschen mit Behinderungen. Meines Engagements können Menschen mit Behinderungen und ihre Interessenvertretungen gewiss sein.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Seemann von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Die Schaffung eines eigenen Sozialgesetzbuches Rehabilitation bietet die Chance, erforderliche Anpassungen und Fortentwicklungen auf rechtlicher Ebene vorzunehmen und damit Verbesserungen beim Zugang zu Rehabilitationsleistungen zu erreichen sowie die Abwicklung der Leistungen zügiger zu gestalten. Diese bereits seit vielen Jahren bestehende Absicht, das gesamte Rehabilitationsrecht in einem Gesetzbuch zusammenzufassen, wird auch uneingeschränkt von der Politik und grundsätzlich auch von den einzelnen Sozialleistungsträgern unterstützt“, so Christa Stewens, bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen.

Im Mittelpunkt des SGB IX steht die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen. Ziel der Sozialleistungen soll in Anlehnung an die Begriffe der Weltgesundheitsorganisation die Förderung der Teilhabe der behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen an der Gesellschaft, insbesondere am Arbeitsleben sein. Gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe soll möglich sein, indem Benachteiligungen durch besondere Leistungen zur Teilhabe ausgeglichen werden.

Meine Damen und Herren, von Gleichschaltung zwischen der Eingliederungshilfe mit den Sozialversicherungsträgern kann hierbei aber keine Rede sein. Das SGB IX trifft keine Regelungen über die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen.

(Harry Glawe, CDU: Ist ja schlimm.)

Hierfür sind nach wie vor die besonderen Leistungsgesetze maßgebend, denn Zuständigkeiten und Voraussetzungen lassen sich bei Beibehaltung des gegliederten Systems und unter Berücksichtigung der jeweiligen

Besonderheiten der Rehabilitationsträger nicht einheitlich regeln. Aus diesem Grunde bleiben auch für jeden Träger spezifische abweichende Bestimmungen hinsichtlich Gegenstand, Umfang und Ausführung der Leistungen in den für sie geltenden Leistungsgesetzen möglich. Das müssten Sie eigentlich wissen, meine Damen und Herren von der CDU.

(Harry Glawe, CDU: Wir wissen das.)

Für die Betroffenen ist es ein großer Fortschritt, dass zukünftig die Bedürftigkeitsprüfung entfällt. Gerade für Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten bedeutet es nämlich, dass sie ihren eigenen Arbeitsplatz in der Werkstatt nicht mehr selbst mitfinanzieren müssen. Als Sozialpolitikerin kann ich es nur begrüßen, dass die häufig als entwürdigend empfundene Antragstellung und Überprüfung persönlicher Lebensverhältnisse entfällt und endlich die bestehende Ungerechtigkeit hinsichtlich der Differenzierung zwischen Menschen, die von Geburt an behindert sind, und Menschen, die im Laufe ihres Lebens behindert werden, wegfällt.

Im Hinblick auf die Finanzierung wird die medizinische und berufliche Rehabilitation, die aus der Eingliederungshilfe bezahlt wird und bisher dem Bedürftigkeitsprinzip unterworfen war, von der Heranziehung von Einkommen und Vermögen freigestellt. Die sich hieraus ergebenden Mindereinnahmen der Sozialhilfeträger sollen durch andere Regelungen des SGB IX, vor allem durch den verbesserten Übergang von Beschäftigten aus Werkstätten für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt oder Entlastungen bei Kosten für Gebärdensprachdolmetscher langfristig kompensiert werden. Besonders erfreulich ist für mich, dass Menschen mit Hörbehinderungen zukünftig, soweit es zumindest den Sozialbereich betrifft, im Verkehr mit öffentlichen Einrichtungen die Gebärdensprache anwenden können. Über den Sozialbereich hinausgehende Regelungen sollen im Antidiskriminierungsgesetz getroffen werden – eine Forderung, meine Damen und Herren, die die Koalitionsfraktionen auch bereits in diesem Hohen Hause gestellt hatten.

Künftig soll jeder behinderte Mensch im Bedarfsfall unabhängig von seinem Einkommen und Vermögen Leistungen der medizinischen Rehabilitation und der Teilhabe am Arbeitsleben einschließlich der Leistungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen als Leistungen der Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen können. Im Übrigen ist die Landesregierung im Bundesrat bezüglich der Kostenregelung, die aus meiner Sicht zu Recht diskutiert wird, bereits tätig geworden. Frau Ministerin Dr. Bunge hat auf die Aktivitäten der Landesregierung gerade hinsichtlich der Finanzierung bereits hingewiesen.

Ein wesentlicher Nachteil der bisherigen Regelung war die fehlende Einbeziehung der Träger der Sozialhilfe in den Kreis der Rehabilitationsträger, obwohl sie Eingliederungshilfe erbringen und somit in der Sache auch Rehabilitationsträger sind. Das Gleiche gilt für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Durch das SGB IX werden die Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe wie seit langem gefordert in den Kreis der Rehabilitationsträger einbezogen. Dabei werden grundsätzliche Unterschiede der Leistungen der Sozialhilfe und der Leistungen der übrigen Leistungsträger sowie trägerspezifische Besonderheiten berücksichtigt. Damit wird zugleich klargestellt, dass zu einer vollen Teilhabe am Leben in der

Gesellschaft neben medizinischen und beruflichen Leistungen zur Rehabilitation in vielen Fällen weitere Leistungen gehören. Insbesondere die Einbeziehung dieser Träger ermöglicht eine enge Zusammenarbeit im Interesse der behinderten Menschen, die zu ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft Leistungen und sonstige Hilfe mehrerer Träger benötigen. Der Nachrang der Leistungen der Träger der Sozialhilfe gegenüber den Leistungen der übrigen Rehabilitationsträger bleibt unberührt. Ebenso bleibt der Status der Träger der Sozialhilfe unverändert.

Meine Damen und Herren von der CDU, hier geht es nicht darum, die Träger der Sozialhilfe und die öffentlichen Träger zu zwingen, sich an der Errichtung gemeinsamer Servicestellen zu beteiligen. Vielmehr geht es um die Bündelung vorhandener Ressourcen. Die Zusammenfassung des Rehabilitationsrechts macht nämlich nur dann Sinn, wenn auch eine einheitliche Praxis der Rehabilitation und der Leistungen zur Teilhabe besteht. Daher ist es ein Hauptanliegen, die Koordination der Leistungen und die Kooperation der Leistungsträger durch wirksame Instrumente sicherzustellen. Diesem Zweck soll das neue Instrument der gemeinsamen Servicestellen der Rehabilitationsträger dienen. Sie sollen für die Betroffenen Anlaufstelle sein, bei der sie trägerübergreifend und anbieterneutral verlässlich beraten und unterstützt werden.

Eine umfassende und qualifizierte Beratung behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen ist in dieser Phase ganz besonders wichtig, denn schon beim Zugang zur Rehabilitation fallen Vorentscheidungen über Verlauf und Erfolg der Gesamtmaßnahme und ihrer einzelnen Phasen. So haben die gemeinsamen Servicestellen beispielsweise über die Leistungen und ihre Voraussetzungen zu informieren und den zuständigen Rehabilitationsträger zu ermitteln. Sie sollen nicht nur bei der Antragstellung helfen, sondern sollen die Betroffenen auch während des Verfahrens bis zur Entscheidung begleiten und dabei möglichst die Entscheidung des Rehabilitationsträgers umfassend vorbereiten. Die gemeinsamen Servicestellen sollen aber auch während der Leistungserbringung Ansprechpartner für die Betroffenen bleiben, wenn es etwa darum geht, zwischen mehreren Rehabilitationsträgern und anderen Beteiligten zu koordinieren und zu vermitteln. Bei der Errichtung dieser gemeinsamen Servicestellen sollen bestehende Strukturen wie zum Beispiel die Auskunfts- und Beratungsstellen der Reha-Träger genutzt werden. Es ist nicht daran gedacht, neue Behörden aufzubauen. Durch die Nutzung bestehender Strukturen sowie den Einsatz moderner Informationstechnologie soll sichergestellt werden, dass zusätzliches Personal nicht vorgehalten werden muss, um nicht unnötig zusätzliche Kosten entstehen zu lassen.

Meine Damen und Herren von der CDU, Ihre Partei hat es in der langen Zeit Ihrer Regierung nicht geschafft, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu fördern und dem im Grundgesetz verankerten Benachteiligungsverbot für Menschen mit Behinderungen Geltung zu verschaffen. Ich zitiere: „Ich bedauere es sehr, dass es in unserer Regierungszeit nicht gelungen ist, ein SGB IX auf den Weg zu bringen. … Wir hatten einfach zu hohe Ansprüche“,

(Harry Glawe, CDU: Das hat Frau Nolte gesagt.)

so die CDU-Bundestagsabgeordnete Nolte. Meine Damen und Herren, eine dümmlichere Erklärung

(Dr. Ulrich Born, CDU: Jaja.)

für Untätigkeit und Blockade kann es doch wohl kaum geben. Die CDU sollte also etwas zurückhaltender in ihrer Kritik sein.

(Harry Glawe, CDU: Überhaupt nicht.)

Wir sind uns bewusst, dass wir nicht alle Hoffnungen, die mit dem SGB IX verbunden sind, erfüllen können. Das liegt zum einen daran, dass sich das SGB IX auf den Sozialbereich beschränkt. Wichtige Bereiche wie Bauten, Verkehr, Schule und Ausbildung müssen in späteren Gesetzen berücksichtigt werden. Zum anderen liegt es aber auch daran, dass finanzielle Grenzen gesetzt sind, hervorgerufen durch den gewaltigen Schuldenberg, den uns die CDU hinterlassen hat. Dennoch bedeutet das SGB IX meines Erachtens einen gewaltigen Schritt nach vorne