Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und PDS ist die Ablehnung des Transrapids formuliert. Diese Vereinbarung zwischen den Koalitionspartnern und die entsprechenden öffentlichen Äußerungen vieler Landespolitiker haben ganz sicher als Signale aus dem Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern zur politischen und öffentlichen Meinungsbildung beigetragen. Doch wir sollten unseren Einfluss auch nicht überschätzen. Ich bin sicher, dass zum heutigen Zeitpunkt die Entscheidung über den Transrapid Hamburg–Berlin ohne neuerliche Kommentare aus Mecklenburg-Vorpommern getroffen wird. Ganz im Gegenteil, die noch heute als nahezu unlösbar verbliebenen Probleme zwischen den Akteuren der Erstanwendungsstrecke Hamburg–Berlin, also zwischen Politik, Wirtschaft und Deutsche Bahn AG, waren von vornherein, faktisch als Geburtsfehler des Vorhabens, vorhanden und haben das Vorhaben in einer endlosen kontroversen Diskussion begleitet. Die vereinbarte Mischfinanzierung zwischen dem Bund und privaten Investoren ist inkonsequent. Verkehrsinfrastruktur, also die Errichtung von Straßen, Bahnanlagen, Häfen und Großflughäfen, ist in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich Sache der öffentlichen Hand. Beim Transrapid dürfte es nicht anders sein. Schließlich ist der Transrapid ein spurgeführtes öffentliches Verkehrsmittel ebenso wie die Eisenbahn. Der Bund hat die Finanzierung des Fahrweges auf 6,1 Milliarden DM begrenzt. Dieser Betrag ist eine aus der Luft gegriffene Größe. Sie wurde vom damaligen Verkehrsminister Wissmann ohne einen ausreichenden Planungsvorlauf fixiert
Da eine Anpassung der Finanzierung an den heutigen Erkenntnis- und Kostenstand vom Bund abgelehnt wird, ist der Konflikt unvermeidlich. Dabei ist der Transrapid gar nicht zu teuer. Die bisher in Deutschland gebauten ICEStrecken haben einen Betrag von 34 bis 47 Millionen DM pro Kilometer vom Bund erhalten. Der Transrapid erhält vom Bund nur 20 Millionen DM pro Kilometer. Da liegt also ein wesentliches Problem dieses Streitpunktes von Anfang an.
Die Wirtschaft und weitere private Investoren finanzieren in Anlehnung an andere Verkehrsträger die verkehrstechnische Komplettierung und die Fahrzeuge, das kann auch nicht anders sein. Betreiber der Magnetschwebebahn Hamburg–Berlin soll die Deutsche Bahn AG sein und das ist der eigentliche Pferdefuß. Die Deutsche Bahn AG befindet sich in Konkurrenz zu ihrer eigenen Bahntrasse zwischen Hamburg und Berlin, deren Fahrgäste, so diese dann nicht anderweitig mobil sind, der DB AG ohnehin ausgeliefert sind. Das größte Problem ist jedoch das Betreiberrisiko, also das Risiko für die Verkehrsprognose, die Betriebskosten und damit die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens unter Maßgabe einer vereinbarten Refinanzierung des Fahrweges. Diese Risiken sollen bisher allein der Bahn auferlegt werden und damit schließlich allen Bahnreisenden in Deutschland und letztlich dem Steuerzahler. Das geht so nicht. Hier ist gleichfalls das Herstellerkonsortium, also Thyssen-Krupp, Siemens und Adtranz, gefordert.
Die Wirtschaft stellt sich mit einer hochmodernen Verkehrstechnik auf der Erstanwendungsstrecke Hamburg– Berlin dem weltweiten Wettbewerb. Sie erhält für das Produkt Magnetschwebetechnik von der Entwicklung bis zur Inbetriebsetzung eine weitgehende staatliche Unterstützung. Aber ohne eine eigene Risikobeteiligung durch die Wirtschaft sehe ich den Transrapid für unser Land tatsächlich entschwinden.
Wir kommen deshalb nicht umhin, über diesen Worst Case nachzudenken. Jahrelang haben wir über die Chance gestritten, ob wir mit der weltweit innovativsten Verkehrstechnologie die westmecklenburgische Region erschließen und an die Metropolen Hamburg und Berlin anbinden wollen oder nicht. Noch gibt es diese Chance, endlich die Fehlentscheidung des Großherzogs aus dem Jahre 1841 wettmachen zu können, der damals in gleicher Relation eine Eisenbahnführung über Schwerin verhindert hat. Vielleicht war sogar er insgeheim vom neuen dampfschnaubenden Stahlross begeistert, aber seinen geruhsamen Kreisen sollte sich diese Entwicklung lieber nicht nähern. Auch heute besteht die Gefahr, Hightech an Bahntechnik zu verpassen und bei dritt- oder viertklassigen Bahnen zu landen – kein Transrapid im Land, kein ICE, kein IC. Was wir bis jetzt haben, sind Mogelpackungen auf dieser Strecke. Uns bleiben einige wenige Interregioverbindungen.
Nach der Konzeption der Deutschen Bahn AG sollen diese auch abgebaut werden, ansonsten also nur Schienenpersonennahverkehrsangebote in Mecklenburg-Vorpommern. Das ist keine Schwarzmalerei. Fast täglich lesen oder hören wir Kritik an den unzureichenden durchgehenden Verbindungen auf den wichtigsten Fernstrecken unseres Landes, ob das nun die Verbindung Rostock–Berlin ist, Schwerin–Berlin oder andere. Wir müssen uns klarmachen, dass nach der Unternehmensstrategie der Deutschen Bahn AG Mecklenburg-Vorpommern im Fernverkehr nicht interessant ist. Es fehlen die Menschen, also Fahrgastzahlen entsprechender Größenordnung. Aber darauf abgestimmte kapazitätsflexible Angebote gibt es seitens der DB AG auch nicht.
Anstelle des Transrapids Hamburg–Berlin wird oft von einer ICE-Lösung gesprochen. Aus unserer Sicht müsste dies zumindest die Strecke Hamburg–Ludwigslust–Wittenberge–Berlin sein und nicht etwa die Trasse über Uelzen–Stendal. In Ludwigslust werden wir einen Regelhalt für ICT-Züge – das sind diese hochmodernen Züge in Weiterentwicklung der bisherigen IC-Traktion –, die bis zu 2 3 0 Kilometer pro Stunde fahren, kaum durchsetzen können. Eine direkte Einbindung der Landeshauptstadt Schwerin in die Relation Hamburg–Berlin wäre ohnehin passé.
Auf das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit Nummer 1“, die Eisenbahnstrecke Lübeck–Hagenow-Land–Rostock– Stralsund, möchte ich heute nicht eingehen. Unsere Position hierzu ist bekannt.
Eine weitere berechtigte Forderung besteht aber darin, die Ertüchtigung folgender Strecken für Geschwindigkeiten von 160 Kilometern pro Stunde in den nächsten Bundesverkehrswegeplan verbindlich aufzunehmen. Ich meine die Strecken Berlin–Neustrelitz–Rostock und Berlin–Pasewalk–Stralsund. Diese beiden Trassen können in Fortführung nach Skandinavien zu einer wettbewerbsfähigen Alternative zum Konzept einer festen Landverbindung über den Fehmarnbelt entwickelt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns bleibt also über die Entscheidung zum Transrapid hinaus sehr viel für die Verkehrsinfrastruktur in unserem Land zu erstreiten.
Doch jetzt zum vorliegenden CDU-Antrag auf Drucksache 3/1055. Die SPD-Fraktion wird bis auf wenige Ausnahmen diesem Antrag die Zustimmung verweigern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Born hat mich gereizt, hier noch einmal in die Bütt zu treten. Er hat ja praktisch wie ein religiöser Eiferer hier gesprochen
für den Transrapid. Unter Umständen, das ist ja auch möglich, ist vielleicht die Gesellschaft Ihr Mandatar, dann verstehe ich dieses leidenschaftliche Plädoyer auch. Aber, Herr Dr. Born, Sie haben eine Frage nicht beantwortet, die ich an Sie, an die CDU, gerichtet habe. Diese Frage lautete: Was halten Sie davon, wenn diese ganzen Vorzüge da sind, die Sie beschrieben haben, wenn Sie auch wieder Äpfel mit Birnen verglichen haben? Man kann den Bau eines Streckenkilometers im dichtbesiedelten Ruhrgebiet natürlich nicht mit den Baukosten eines Streckenkilometers im dünnbesiedelten MecklenburgVorpommern und Brandenburg vergleichen. Einer Frage sind Sie ausgewichen: Welche Verpflichtungen hätte die Industrie, wenn es das Zukunftsprojekt
das Industrieprojekt ist, das es überhaupt gibt? Wenn die Vorteile so sind, wie Sie sie nennen, Herr Dr. Born, dann würde doch jeder Konzern sagen, wir machen das, obwohl die Politiker nicht bereit sind, mehr Geld als die 6,1 Milliarden DM zu geben.
Und einen interessanten Aspekt hatte Ihre Rede noch: Sie haben gesagt, es kommt auf die Wirtschaftlichkeit bei einem so modernen Projekt überhaupt nicht an.
Sie haben gesagt, es kommt überhaupt nicht drauf an. Das ist ein Pilotprojekt, davon wurde auch von Ihrer Seite gesprochen. Ich frage Sie aber: Warum hat sich die CDU-geführte Bundesregierung denn immer so viel Mühe gegeben, dieses Projekt als wirtschaftlich hinzustellen, und warum haben Sie mit Zahlen operiert, die der Realität nicht standhalten? Wer einmal lügt – da gibt es so ein gewisses Sprichwort, Herr Dr. Born –, dem traut man nicht mehr so sehr. Können wir dem denn trauen, was Sie hier vorgetragen haben, wenn Sie sich ursprünglich so viel Mühe gegeben haben, die Wirtschaftlichkeit dieses Projektes vorzurechnen? Ich denke, hier sind noch einige Fragen offen und Sie sollten etwas solider und sachlicher mit dem Thema umgehen. Es ehrt uns im Übrigen, wenn Sie der Landesregierung von MecklenburgVorpommern so viel Einfluss auf Industrie und Politik in Europa zuschreiben, dass wir auch letzten Endes entscheiden, wie ein Konsortium, beispielsweise das Airbuskonsortium, zu entscheiden hat. Es ehrt uns. Machen Sie weiter so, dass Sie uns so viel Einfluss zutrauen, Herr Dr. Born.
Herr Ministerpräsident, ich will ja gern gestehen, dass es Fragen gibt, die man auch diskutieren muss, aber jetzt bitte ich Sie mal, sich zu fragen,
ob Sie sich vorstellen können … oder ich würde fragen, so ist es ja richtig. Jetzt will ich Sie fragen, ob Sie sich vorstellen können, dass es vielleicht auch wenig Spaß macht, mit jemandem über ein Projekt zu diskutieren, das er definitiv in einer Koalitionsvereinbarung ablehnt,
ein Projekt, was ja nicht irgendetwas ist, sondern was in Mecklenburg-Vorpommern in Größenordnungen Leistungsanteile bringen könnte. Können Sie sich vorstellen, dass es da auch wirklich nicht viel Spaß macht zu diskutieren?
Herr Abgeordneter Seidel, ich habe Ihnen klargemacht, welche Aufgaben das Land hatte und welche Aufgaben das Land erfüllt hat. Ich habe immer wieder deutlich gemacht, dass für die Entwicklung des gesamten Landes andere Verkehrsprojekte wichtiger sind als der Transrapid. Der Transrapid, das habe ich auch schon öfter gesagt, hat zweifellos eine große Bedeutung für die Region Schwerin, obwohl ich die Zahlen der Passagiere, die von hier aus einsteigen und fahren, nach wie vor bezweifle, die man genannt hat.
Ja, ja, 14.000 am Tag. Das war die Zahl und bei den ersten Zahlen, die vorgelegt wurden, hat der Sohn eines Staatssekretärs, der noch in die Schule ging, ausgerechnet, dass der Transrapid weit über 400 Tage im Jahr voll besetzt fahren müsste, um die angegebene Passagiermenge zu befördern. Also solche simplen Fehler waren da gemacht worden.
Also, Herr Seidel, glauben Sie mir, Schleswig-Holstein hat geklagt gegen dieses Projekt und die Planungen sind gelaufen. Glauben Sie nicht, dass Mecklenburg-Vorpommern das entscheidende Rädchen bei diesem Transrapid war?
Die Tendenzen im Konsortium waren seit langem ziemlich klar. Man sucht nur den schwarzen Peter, um seinen Rückzug begründen zu können. Und wir können einfach nicht so verantwortungslos mit Geld umgehen, wie es einige tun, denen die Herkunft des Geldes völlig egal ist, wenn sie praktisch ihre Vorstellungen realisieren können. Wir haben verantwortungsbewusst auch mit Geldern oder gerade mit den Geldern des Steuerzahlers umzugehen und ich bitte Sie, Herr Seidel, noch mal an die Industrie zu appellieren, angesichts dieses Jahrtausendprojektes, wie es hingestellt wurde von Dr. Born, dann doch etwas mehr für die Finanzierung zu tun, als sie bisher bereit ist zu tun.
Im Übrigen wird in allen anderen Bereichen für einen Rückzug des Staates plädiert. Wir reden auch über Privatisierung von Autobahnen, wir haben das erste privat finanzierte Verkehrsprojekt von Mecklenburg-Vorpommern in Rostock. Und ausgerechnet hier, bei dem Projekt, das so viel Profit verspricht nach allen Aussagen, die wir hören, wird nach mehr Geld des Steuerzahlers verlangt. Ich glaube, hier sollte man etwas redlicher sein in der Diskussion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bretschneider stellt die Frage: Muss das sein? Frau Bretschneider, wir sind im Parlament, und das zeichnet sich durch Rede und Gegenrede aus.
Herr Dr. Ringstorff, gestatten Sie mir zunächst eine persönliche Bemerkung. Ich schätze es durchaus, wenn Sie sich als Abgeordneter auch scharfzüngig und polemisch mit der Opposition auseinandersetzen. Nur wenn Sie als Ministerpräsident sprechen, dann bitte ich Sie doch zu überlegen, ob es wirklich angemessen ist, einem Abgeordneten dieses Hauses zu unterstellen, dass er möglicherweise wirtschaftliche Interessen hat, wenn er sich hier für ein Projekt einsetzt. Sie hatten ja gesagt, vielleicht Mandatar.