Protocol of the Session on February 28, 2018

(Dr. Andreas Dressel SPD: Richtig! Das ist auch möglich!)

Wenn man sich auf einen Feiertag einigt, es solle ein Datum sein, wäre nach unserem Verständnis eine Sinnstiftung dann eine gemeinsame Sinnstiftung und nicht eine völlig frei interpretierbare Sinnstiftung. Das lehnen wir ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Flocken.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Volksvertreter! Der Reformationstag ist nicht von der Person Martin Luthers zu trennen – eine problematische Person, Frau von Berg. Dazu sechs Punkte.

Erstens: Er hat im wahrsten Sinne des Wortes den Hexenwahn befeuert. Zweitens: Er hat die Bauernaufstände bekämpft, somit für die Leibeigenschaft gehetzt, die in Deutschland damals vorherrschende Form der Sklaverei. Drittens: Er hat befürwortet, Behinderte zu töten, und zwar gegen die damalige frühe christliche Lehre und im Einklang mit Platon, dem Propagandisten eines totalitären Staates. Noch in den Sechzigerjahren haben sich die Euthanasie-Verantwortlichen vor Gericht mit den Äußerungen Luthers gerechtfertigt. Viertens: Juden, antisemitische Tendenzen. Wie gestern auf dem Rathausmarkt dargestellt, hat er konkrete Maßnahmen propagiert, die von den Nationalsozialisten umgesetzt wurden. Fünftens: Er hat den Obrigkeitsstaat propagiert. Seine Auslegung des 13. Kapitels des Römerbriefes hat die Grundlage gelegt für die Idee des Gottesgnadentums bis zum Deutschen Kaiserreich, bis zur Unterwerfung im Nationalsozialismus und der Bekämpfung von Kritik an der Herrscherin heute. Sechstens: Wissenschaft. Er hat den größten Wissenschaftler bis zur damaligen Zeit, Aristoteles, bekämpft, Kopernikus natürlich sowieso, aber das sei ihm verziehen. Die Vernunft war für ihn die Hure des Satans.

Was steht dagegen? Seine Bekämpfung des Ablasshandels, eine perfide Betrugsmasche, die die Römische Kirche vor 450 Jahren verboten und seitdem hart bestraft hat, der Schulzwang vor 300 Jahren, also 200 Jahre nach Luther, der in Preußen formell propagiert war. Da ging es nicht um die Bildung der Kinder, sondern um die Unterwerfung der Menschen unter Kirche und Staat. Luther war ein antirationaler und antihumanistischer Agitator.

Zum Grundgesetz: Wir alle schätzen die freiheitliche Verfassung Deutschlands hoch, sehr hoch. Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Im Jahr 1 des Meinungsfreiheitsvernichtungsgesetzes nach Maas ist es obszön, sich hinzustellen und das Grundgesetz feiern zu wollen.

(Kazim Abaci SPD: Was?)

Ja, wir haben schlicht keinen Grund, das Grundgesetz zu feiern, wenn es zwar formuliert, bei uns aber nicht umgesetzt ist.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ermöglicht auch, dass Sie hier reden!)

Welche Alternativen gibt es? Ich würde vorschlagen, Wissenschaft und Kunst. Bleiben wir beim heutigen Tag. Heute ist der Geburtstag von Linus Pauling, der für seine Forschung über chemische Bindungen, die vielen Menschen geholfen haben, den Nobelpreis und einen zweiten Nobelpreis für sein Engagement gegen Atomwaffentests bekommen hat. Auch er war nicht unfehlbar und hat im Alter eine schräge Methode, die orthomolekulare Medizin, entwickelt, die seit 50 Jahren eines wissenschaftlichen Beweises harrt.

Haben Sie noch ein bisschen Geduld.

(Zurufe von der SPD und der CDU: Nein!)

Morgen hat Sandro Botticelli Geburtstag. Sie alle kennen das Bild von der Geburt der Venus, Aphrodite aus dem Schaum des Meeres, mit der die Prüderie der damaligen Zeit überwunden wurde – ein hochaktuelles Thema.

Und wenn es, Herr Wersich, um die Religionsfreiheit geht: Die hat Konstantin der Große 1 200 Jahre vor Luther erfunden. Wenn Ihnen der norddeutsche Bezug bei diesen Leuten fehlt, dann schlage ich Heinrich Hertz aus Hamburg vor, der in seinem kurzen Leben als erster Mensch elektromagnetische Wellen experimentell nachgewiesen hat.

Das sind Menschen, auf die wir alle uns einigen können, bei denen es keine Konflikte gibt und deren Leistungen, die allen Menschen zugutekommen, gewürdigt würden. – Vielen Dank.

(Kazim Abaci SPD: Und tschüs!)

Meine Damen und Herren! Damit haben nun alle Initiatoren ihre Anträge vorstellen können und auch diejenigen, die sich keinem Antrag angeschlossen haben, haben bereits in der ersten Runde das Wort ergreifen können.

Wir kommen nun zur zweiten Runde und zur Aussprache über alle Anträge. Hierzu wurde eine Gesamtredezeit von 75 Minuten vereinbart, wobei jeder Rednerin und jedem Redner jeweils drei Minuten Redezeit zur Verfügung stehen. Wir beginnen auch hier wieder in der Reihenfolge mit dem Antrag mit den meisten Unterstützenden und wir werden versuchen sicherzustellen, dass die unterschiedlichen Gruppen rotierend das Wort bekommen. – Die zweite Runde beginnt mit Herrn Dr. Tjarks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Immer wenn man in der zweiten Runde nach Herrn Flocken reden muss, ist es so, dass man auch bei Sternstunden des Parlaments feststellen muss, dass es Höhen und auch Tiefen gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der CDU)

Weil es hier um eine persönliche Entscheidung geht, möchte ich meinen Entscheidungsprozess kurz darlegen. Zunächst habe ich mich gefragt, ob wir in Hamburg einen zusätzlichen Feiertag brauchen. Ich habe für mich festgestellt – um das Brimborium, welcher Tag es denn eigentlich sein soll, einmal wegzulassen –, dass ich das gut finde, weil ein zusätzlicher Feiertag für mich auch ein Symbol ist, ein Symbol gegen die fortschreitende Durchkommerzialisierung unseres eigenen Lebens. Es ist ein Schutz der Privatheit. Es ist etwas für die Familie. Es ist etwas für die eigene Freiheit. Genau deswegen bin ich froh, dass wir über einen zusätzlichen Feiertag in Hamburg diskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Michael Westenberger CDU)

Dann fand ich in der Tat, dass diese Debatte viele gute Reden hervorgebracht hat. Frau Arndt hat sehr gut begründet, warum der Tag des Deutschen Grundgesetzes ein würdiger Feiertag wäre. Frau Schneider hat in einer lebendigen Rede gut begründet, warum es vielleicht die andere Seite der Medaille ist, wenn man den Tag der Befreiung vom Faschismus auch zum Feiertag erklären würde. Das alles sind Tage, zu denen als Feiertage ich mich durchaus hingezogen fühle. Aber es ist auch so, dass der Tag des Grundgesetzes aus meiner Sicht – der erste Redner hat es schon gesagt – ein sehr klarer Feiertag in einem nationalen Rahmen ist. Den muss aus meiner Sicht der Deutsche Bundestag beschließen. Umso mehr gilt das für den Tag der Befreiung. Auch das wäre ein Feiertag für Deutschland oder sogar für ganz Europa, denn das wäre aus meiner Sicht der würdige geografische Rahmen dafür.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Michael Westenberger CDU)

Ich finde, als erster Redner in der zweiten Runde, lieber Herr Kruse, kann ich eine Sache nicht so stehen lassen, das ist der Antrag der AfD zum Tag des Grundgesetzes. Sie schreiben in diesem Antrag – ich lese das einmal vor –:

"Der Tag sollte positiv besetzt sein."

Das sehe ich auch so. Dann kommt aber:

"Das gilt zum Beispiel nicht für den 8. Mai als Markierung des Kriegsendes."

Da muss ich Ihnen schon sagen, dass der 8. Mai das Ende der Shoah, das Ende des Holocausts mit 6 Millionen Toten, das Ende des Krieges in Europa mit 50 Millionen Toten markiert. Ich weiß nicht, warum man diesen Tag nicht als positiv begreifen kann. Das, muss ich sagen, und auch Ihr sonstiger Umgang mit dem Grundgesetz stellt mich vor ein großes Rätsel.

(Dr. Ludwig Flocken)

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN und vereinzelt bei der CDU)

Da mir aber nur noch 18 Sekunden bleiben und ich eigentlich sagen wollte, warum ich zum Tag der Reformation gekommen bin, möchte ich noch sagen, dass wir uns, glaube ich, stärker von pragmatischen Erwägungen leiten lassen müssen. Das ist die Frage: ein norddeutscher Bezug, Ein- und Auspendler. Das ist die Frage des Feiertages in der zweiten Jahreshälfte, denn es gibt auch einen Lebensrhythmus in diesem Jahr.

(Glocke)

Ich glaube, viele dieser Gründe und andere inhaltliche Gründe, die andere Redner genannt haben, führen mich dazu, am Ende für den Tag der Reformation zu werben. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Lein.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag zur Einführung des Internationalen Tages der Frauen als 9. gesetzlichen Feiertags ist es wert, dass auch wir Männer uns zu ihm bekennen. In Wirklichkeit ist er ein Tag der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, von der wir bei allem Fortschritt der letzten 100 Jahre nach wie vor ein beträchtliches Stück entfernt sind.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der LINKEN)

Gleiches Wahlrecht, das scheinbar so kleine Recht auf Entscheidung für eine Berufstätigkeit, auf ein eigenes Konto – ich könnte die kleinen und großen gesellschaftlichen Durchbrüche noch lange aufzählen –, diese Rechte sind in der Regel gegen den Widerstand der Männer erkämpft worden.

Vielen jungen Leuten im Land ist dies heute völlig selbstverständlich. In vielen Ländern unserer Erde ist das jedoch anders. Gerade für Länder und Kulturen, in denen Religionen und feste Traditionen noch die Gesellschaft dominieren und die ihre in der Regel patriarchalischen Strukturen hartnäckig verteidigen, ist der Internationale Frauentag ein Tag besonderer Herausforderungen. Deshalb wäre ein solcher gesetzlicher Feiertag auch ein Signal für Anhänger dieser Strukturen. Wir sind stolz auf die Entwicklung bei uns im Land und wollen dies jedes Jahr neu feiern, wohl wissend, dass wir noch mitten auf dem Weg zu diesem Ziel sind.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der LINKEN)

Zur Begründung unseres Antrags haben meine Vorrednerinnen und Vorredner genug gesagt. Las

sen Sie mich persönlich ein paar Anmerkungen zu anderen Anträgen machen, besonders zu dem Antrag, der heute wohl die Mehrheit finden wird. Er soll heißen: Tag der Reformation.

Um Religion, individuelle und verfasste, um Luther als Dreh- und Angelpunkt dieses geplanten Tages geht es aber tatsächlich. Dabei will ich mich nicht an Luthers fatalem und geschichtlich wirklich mächtigem Antisemitismus abarbeiten. Mir geht es um sein Menschenbild, genauer, um seine Erbsündenlehre, die er von der Lehre Augustins und der katholischen Kirche übernommen hat: Der Mensch ist von Natur aus schlecht und kann nur mithilfe des Glaubens an einen Gott gut werden. Was sagt denn das der Mehrheit unserer säkularen Menschen in der Stadt? Unser früherer Bürgermeister Henning Voscherau hat einmal einen Vortrag "Gut ohne Gott" gehalten. Dem kann ich persönlich tatsächlich nur zustimmen.

(Beifall bei der SPD und bei Michael Kruse FDP)

Die religiöse Konnotation dieses neuen Festtages schließt die Hälfte unserer Bürger aus und die Zahl der Säkularen hingegen nimmt in der Stadt zu. Die kurze Geschichte des breiten Feiertagskonsenses: Es waren die Ministerpräsidenten – das ist schon lange gesagt worden –, die den Maßstab gesetzt haben.

Bleibt das Argument des DGB: Egal an welchem Tag, Hauptsache, es kommt ein gemeinsamer arbeitsfreier Feiertag. So wird es allem Anschein nach kommen. Ich möchte die Prognose wagen, dass der Tag der Reformation zur Freude der Vergnügungswirtschaft und sehr vieler im Norden in ein paar Jahren Halloween heißen wird.

(Glocke)