Ich will noch einmal mit der Legende von Bayern aufräumen, Frau Prien, die Sie heute verbreitet haben. Also, ehrlich gesagt, außer Schmunzeln blieb mir nicht viel. Es gab einen bayerischen Gesetzentwurf, einen Vorstoß im Bundesrat, der hatte keine Mehrheit. Und nur dank Hamburg und Schleswig-Holstein gab es auf einmal einen Vorschlag, dem dann auch Bayern zugestimmt hat, der so eine Mehrheit im Deutschen Bundesrat einschließlich Bayern und anderer Länder gefunden hat. Und das war die Basis dafür, dass der Bundestag dann mit Ihnen und auch der SPD überhaupt tätig geworden ist in dieser Frage.
Da muss man nichts umdrehen, da muss man auch keine Handlungsvollmacht in einer Oppositionshand auf einmal entwickeln, die gar nicht da war, und uns müssen Sie nicht vorwerfen, wir wären hier die Getriebenen. Ich habe das Gefühl, Sie springen ein bisschen rechts von der Seite auf eine Debatte drauf, erfinden irgendwelche Dinge, die hier in dieser Stadt angeblich nicht passieren. Wir können froh sein und dankbar, dass die wenigen Fälle, die wir in dieser Stadt hatten, auch einfach und ohne Schaum vor dem Mund von den Menschen in unserer Verwaltung, in den Gerichten gut gelöst wurden. Ja, darauf können wir stolz sein. Das muss man so handhaben, das wollen wir auch in Zukunft so handhaben.
Sie wollen aus dieser Debatte nicht nur eine Haltungsdebatte machen, das ist in Ordnung, der stellen wir uns heute und dazu werden wir auch abstimmen. Und wir hoffen, dass Sie unserem Antrag zustimmen. Aber Sie wollen noch mehr. Sie wollen aus dieser Haltungsdebatte eine zielgerichtete Debatte machen, wo man bestimmte Teile in dieser Bevölkerung gegen andere aufhetzt. Das machen wir nicht mit.
Und ich würde mir wünschen, dass bei diesem sensiblen Thema wir alle in dieser Frage uns nicht auseinanderdividieren lassen, dass wir da handeln, wo es notwendig ist, aber nicht den Rechten hinterherlaufen mit dem Schielen darauf, da könnte man noch einmal ein paar Stimmen abbekommen, wenn man rhetorisch ein bisschen mithält. Das geht so nicht.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren! Zur von der AfD angemeldeten Debatte liegen zwei Anträge und ein Zusatzantrag vor, um welches Problem eigentlich zu regeln? Die AfD will Frauen mit Burkas oder Niqabs aus dem öffentlichen Raum verbannen.
Liest man die Begründung des Antrags, dann wird es auch deutlich, was die AfD in Wirklichkeit umtreibt. Sie regt sich da nämlich vor allem über das Kopftuch auf und darüber, dass mit dem Kopftuch der Islam, islamisch geprägte Kultur und Muslime in der Öffentlichkeit sichtbar sind. Sie erregt sich allgemein darüber, dass ein großer Teil muslimischer Migrantinnen – und sicher nicht nur muslimischer Migrantinnen – weiter die Kultur ihrer Herkunftsländer pflegen will, und hält das für integrationsfeindlich. Erneut zeigt sie sich als Gegner kultureller Vielfalt. Burkas sind ihr nur ein Vorwand. Sie redet über Burka und meint den Islam und Menschen muslimischen Glaubens, als wäre das ein und dasselbe. So produziert man die Vorurteile, von denen der Rechtspopulismus lebt.
Leider hat die AfD nicht ganz unrecht, wenn sie darauf besteht, dass die CDU mit ihrem Antrag ein von der AfD gesetztes Thema als eigenen Inhalt zu verkaufen versucht.
Statt sich kritisch mit rechtspopulistischen Kampagnen auseinanderzusetzen, statt mit Argumenten dagegenzuhalten, geben Sie gegenüber der AfD ein Stück weit nach. Auch in der Rede, die wir eben hörten, haben Sie nicht deutlich machen können, welches real existierende Problem, Frau Prien, Sie eigentlich gesetzlich regeln wollen.
In Hamburg gibt es eine so winzige Anzahl von Frauen, die ihr Gesicht verhüllen, dass man sie wirklich nur sehr selten antrifft. Und wo sind die Konfliktfälle in sensiblen öffentlichen Bereichen hier in Hamburg, die ohne das von Ihnen geforderte Gesetz nicht geklärt werden konnten? Internetrecherche ergibt einen einzigen öffentlich gewordenen Konflikt im Jahr 2011 im öffentlichen Dienst in Frankfurt, der dann schließlich nach langem Hin und Her mit der einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses beigelegt wurde. Und auf eine Frage des grünen Abgeordneten Mutlu, in wie vielen Fällen in den letzten fünf Jahren in Bundesbehörden und ihnen nachgeordneten Behörden das Tragen von Burka oder Niqab Probleme bereitet haben, antwortete die Bundesregierung, dass sie das nicht wisse.
Sie wollen ein Gesetz auf Vorrat, ein sinnloses Sondergesetz, das, gerade weil es praktisch keine nennenswerten Konfliktfälle gibt, von den allermeisten Musliminnen als Ausdruck wachsender Islamfeindlichkeit verstanden werden muss, und zwar auch und gerade dann, wenn sie die Vollverschleierung für sich ablehnen, wie es die überüberübergroße Mehrheit doch tut. Wir lehnen deshalb den CDU-Antrag ebenso wie den AfD-Antrag ab.
Der Sinn des Zusatzantrags von SPD und GRÜNEN hat sich uns nicht erschlossen. Sie sagen in der Begründung selbst, dass der rechtliche Rahmen bislang durchaus ausgereicht habe, um vollständige Gesichtsverhüllung in sensiblen öffentlichen Bereichen zu verhindern. Warum das jetzt anders sein soll, sagen Sie nicht.
Sie beziehen sich auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Ich habe die zu Protokoll gegebenen Reden nachgelesen und festgestellt, dass weder der Redner der SPD, Herr Castellucci, noch der Redner der GRÜNEN, Herr Beck, einen Bedarf für diesen Gesetzentwurf feststellen konnten. Vielleicht hätten Sie die Reden nachlesen sollen, dann hätten Sie sich Ihren Zusatzantrag geschenkt.
Da Sie aber außer einer Prüfung nichts weiter wollen, werden wir uns unterhalten und wir werden dann mit Ihnen über die Prüfungsergebnisse sprechen.
Um es deutlich zu sagen: Wir haben keinerlei Sympathie für Vollverschleierung. Mir persönlich ist es absolut unverständlich, warum sich Frauen voll verschleiern und sich damit als Person,
als einzigartiges Individuum verstecken und unkenntlich machen. Ich erinnere mich an einen Kommentar von Heribert Prantl zur Forderung des Burka-Verbots, den ich dank des Internets wiederfand. Er schrieb schon 2014 – ich zitiere –:
"Die Verschleierung der muslimischen Frau ist eine verstörende Angelegenheit. Noch verstörender aber ist ihre gewaltsame Entschleierung."
"Die Bestrafung der Frauen, die den Ganzkörperschleier tragen, führt dazu, dass es zu einem Akt weiblicher Selbstbestimmung werden kann, dem Verbot die Stirn zu bieten."
Wenn wir etwas für die Selbstbestimmung tun wollen, dann sollten wir sicherstellen, dass es ausreichend ausfinanzierte Beratungsstellen gibt, dass Frauen über ihre Rechte aufgeklärt werden und dass ihnen Schutz gewährt wird, wenn sie in ihrer Freiheit und Selbstbestimmung bedrängt werden, egal, von wem.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir Freien Demokraten lehnen die vollständige Gesichtsverschleierung ab. Sie widerspricht unserem Selbstverständnis einer offenen Gesellschaft und der Gleichberechtigung der Frau zutiefst. Sie ist selbst bei Achtung der Traditionen anderer Religionen und Kulturen ein Sinnbild rückwärtsgewandten Denkens.
Allerdings, durch rigiden Erlass von Kleidervorschriften, wie die AfD es will, würde man es unserer Ansicht nach nicht sehr viel besser machen als die Steinzeit-Taliban in Afghanistan, nur unter umgekehrten Vorzeichen.
Überhaupt, wie haben Sie sich das jetzt eigentlich vorgestellt? Soll jetzt die Polizei mit Hundertschaften durch die Bezirke und durch die Straßen patrouillieren, um Kleidervorschriften durchzusetzen?
(Dirk Nockemann AfD: Das werde ich Ihnen gleich sagen! Ich bin gleich dran! Gucken Sie einmal nach Frankreich! Sie werden noch viel lernen!)
Sie wollen ein Gesichtsverhüllungsverbot für alle an allen Orten einführen. Aber das kann genau an speziellen Orten das Gegenteil bewirken. Das kann an den Orten, die der Integration dienen sollen, nämlich zum Problem werden, im Bildungsbereich, in Kindergärten oder bei Sprachkursen. Die Konsequenz eines solchen Verbotes wäre doch nicht, dass die Frauen unverhüllt beispielsweise zum Sprachkurs kommen. Nein, sie würden gleich zu Hause bleiben. Wer also den Zugang zur Integration durch ein Verschleierungsverbot verhindert, der betreibt das Gegenteil von Integration.
Wir wollen gelungene Integration, und dafür braucht es nun einmal einen langen Atem. Wir müssen erreichen, und das ist wirklich unser Ziel, dass jede Frau, die nach Deutschland einwandert, sich integriert und dann später aus Überzeugung von ihrer Verschleierung absieht. So weit zum AfDAntrag.
Die CDU wiederum, das haben wir heute doch schon erfahren – das finde ich, ehrlich gesagt, auch –, hat einfach eine schnelle Kopie des AfDAntrags versucht und sich eigentlich gar nicht so richtig festgelegt. Ich finde, wir müssen bei diesem Thema unbedingt sehr differenziert darüber diskutieren, in welchen Situationen die Gesichtsverschleierung zeitweise unterbunden werden darf und kann.
Erstens: Klar ist, dass eine Frau ihr Gesicht nicht bei der Ausübung hoheitlicher Aufgaben verhüllen darf, sei es als Ehrenamtler im Wahllokal oder als Polizistin oder Lehrerin.
Wer unmittelbar den Staat repräsentiert, darf sich nicht verhüllen. Der Staat ist weltanschaulich zu religiöser Neutralität verpflichtet, da gibt es überhaupt nichts zu diskutieren.