Protocol of the Session on December 13, 2016

Tatsächlich ist es allerdings so: Verglichen mit 2010 haben wir 1 965 zusätzliche Vollzeitstellen für Lehrerinnen und Lehrer und für Pädagoginnen und Pädagogen geschaffen, über 1 000 für die gestiegenen Schülerzahlen – und es ist durchaus nicht in jedem Bundesland so, dass bei steigenden Schülerzahlen einfach Lehrerstellen auf gleichem Niveau dazukommen – und weitere 900, um die Qualität zu verbessern, das heißt für kleine Schulklassen, für mehr Doppelbesetzungen im Rahmen der Inklusion, für kostenlosen Nachhilfeunterricht und Ganztagsangebote. Und dabei habe ich noch vergessen, dass wir noch einmal 1 000 zusätzliche Stellen über die Träger des Ganztags finanziert haben. Das ist ein wirklich gewaltiges Programm. Bei den Lehrerzahlen zählt Hamburg bundesweit zur Spitzengruppe. Gute Bildung ist uns lieb und, wenn es sein muss, auch teuer. Entscheidend ist aber, dass es gute Bildung ist und dass wir gute Pädagoginnen und Pädagogen haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

(Dr. Alexander Wolf)

Geld allein macht allerdings noch keine gute Bildung, wir müssen auch das Richtige tun. Darüber lässt sich trefflich streiten.

Wir setzen folgende Schwerpunkte. Erstens: Guter Ganztag. Ich will einmal daran erinnern, dass wir in nur drei Jahren die Zahl der Ganztagsgrundschulen vervierfacht haben. Für die ersten 50 Ganztagsgrundschulen haben sich rote, grüne, schwarze und gelbe Senate 30 Jahre Zeit gelassen, für die anderen 150 haben wir uns drei Jahre Zeit gegeben. Das Angebot ist kostenlos, es ist gut gelungen und 80 Prozent der Kinder nehmen daran teil. Das gilt es erst einmal festzuhalten, wenn wir über den Ganztag reden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich können und wollen wir besser werden und wir werden zusammen mit der Volksinitiative vieles tun; dazu ist schon eine Menge gesagt worden.

Zweitens: die Stadtteilschule. Ich will daran erinnern, dass es die 2010 noch gar nicht gab und dass es keineswegs so einfach ist, mal eben eine Schulform aus dem Boden zu stampfen mit allem, was dazugehört, mit Fusionen, mit Raumproblemen, mit jeder Menge Lehrerkollegien, die sich nicht kennen und die plötzlich zusammenarbeiten müssen. Ich finde, dafür, dass hier vieles gemacht werden musste, ist die Stadtteilschule eine hervorragende Schule. Sie führt – der Bürgermeister hat es gesagt – immer mehr Jugendliche zu guten Schulabschlüssen. Sie hat die Zahl der Schulabbrecher gesenkt und sie leistet hervorragende Arbeit in der Integration von Flüchtlingen und in der Inklusion. Dafür aber haben wir die Stadtteilschulen auch sehr gut ausgestattet. Bei gleicher Schülerzahl hat eine Stadtteilschule fast 40 Prozent mehr Personal als ein gleich großes Gymnasium. Das sind Bedingungen, die vermutlich in Deutschland einmalig sind für die zweite Säule.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt geht es darum, die Stadtteilschule wie alle anderen Schulen Schritt für Schritt zu verbessern und weiterzuentwickeln. Das werden wir tun. Aber eines werden wir garantiert nicht tun, und das sage ich auch in Richtung CDU, AfD und FDP: Wir werden unsere Stadtteilschulen nicht wieder zu Hauptund Realschulen zurückkürzen. Das Abitur ist Teil guter Bildung an der Stadtteilschule und es bleibt an der Stadtteilschule. Da ist es gut aufgehoben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Drittens: Was bei vielen Vorrednern eher am Rande eine Rolle spielte,

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

nehme ich sehr ernst. Der Übergang von der Schule in die Berufswelt muss besser werden. Wir haben dort vieles getan, die Jugendberufsagentur

gegründet, ein Schulfach Berufsorientierung eingeführt, aber hier gibt es noch viel zu tun. Denn wir haben ein Versprechen abgegeben. Wir wollen, dass jeder Schulabgänger entweder studiert oder eine gute Berufsausbildung macht. Ein guter Beruf ist soziale Teilhabe, Lebensperspektive, Lebensorientierung und Lebenssinn. Daran werden wir weiter konzentriert arbeiten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der vierte und vorletzte Punkt betrifft die Integration der Flüchtlinge. In der Tat, Hamburgs Schulen haben in den letzten zwei Jahren rund 10 000 Jugendliche und Kinder, die geflüchtet oder zugewandert sind, aufgenommen. Wir haben das ordentlich begleitet mit Hunderten zusätzlichen Lehrern, mit Hunderten zusätzlichen Schulklassen. Aber die Arbeit ist erst am Anfang. Wir müssen den Übergang gut gestalten und wir wollen dafür sorgen, dass diese jungen Menschen bestmögliche Schulabschlüsse erreichen. An dieser Stelle darf noch einmal gesagt werden: Es ist und war großartig, wie Hamburgs Pädagoginnen und Pädagogen gehandelt haben. Sie haben gehandelt, wie gute Hamburger handeln, den Menschen zugewandt, optimistisch und zupackend. Das war großartig und dafür können wir alle unseren Schulen sehr dankbar sein.

(Beifall bei der SPD und bei Karin Prien CDU)

Damit komme ich zum letzten Punkt. Er ist mir der wichtigste, und es ist meistens ein Punkt, über den niemand schreibt und den keiner richtig ernst nimmt. Ich glaube, wir streiten uns in der Schulpolitik mit viel zu großer Leidenschaft über Methoden, über offenen oder Frontalunterricht, über Strukturen, die Schule für alle und vieles mehr. Doch eine Frage, die entscheidende Frage, stellen wir viel zu selten: Was lernen die Schülerinnen und Schüler eigentlich in der Schule? Was kommt am Ende dabei heraus? Diesen Paradigmenwechsel, endlich einmal die Schulpolitik vom Kopf auf die Füße zu stellen und diese entscheidende Frage zu stellen, haben wir vollzogen, zum Beispiel mit regelmäßigen Lernstandsuntersuchungen, zum Beispiel mit zentralen Abschlussprüfungen, auch mit dem Abitur auf Bundesniveau. Dieser Blick auf das Ergebnis lässt uns dann auch zielgenau handeln. Er zeigt uns übrigens, was wir tun müssen.

Hamburgs Schülerinnen und Schüler können hervorragend Englisch, aber sie können nicht gut Mathe. Ja, das stimmt. Deswegen muss man daran arbeiten. Dafür brauchen wir Ideen und das ist ein schwieriges Unterfangen. Die Mathe-Tradition von 20 Jahren mal eben zu ändern, ist nicht einfach. Wir haben eine Offensive für Mathematikunterricht auf den Weg gebracht.

Oder: Hamburgs Schülerinnen und Schüler können ordentlich lesen, aber mit der Rechtschreibung ste

(Senator Ties Rabe)

hen sie auf Kriegsfuß – in allen Schulformen, das hat nichts mit Stadtteilschule und Gymnasium zu tun. Deshalb haben wir hier einen Impuls gesetzt.

Oder: Hamburgs Schüler haben sich in den Leistungstests verbessert, aber die Spitze lahmt. Und anders, als es Frau Prien dargestellt hat – Sie haben leider an der Sitzung im Schulausschuss nicht teilgenommen, Frau Prien, vielleicht liegt es daran –, haben wir eine Begabungsinitiative auf den Weg gebracht und das dort auch diskutiert.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das nennen Sie ja wohl nicht Initiati- ve!)

Diese Schulpolitik verzichtet vielleicht auf Showeffekte nach dem Motto, hier ein paar Stellen und dort ein neuer Pilotversuch, aber wir setzen auf nachhaltige Verbesserung von Schule und Unterricht. Dabei sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Beim letzten bundesweiten Vergleichstest konnten sich Hamburgs Schülerinnen und Schüler erstmals kräftig verbessern und in das Mittelfeld vorschieben. Das sollte uns Mut machen. Wir sollten uns in der Schulpolitik auf das Ergebnis konzentrieren und die richtigen Maßnahmen ergreifen. Wir sagen allen Schülern: Lernen macht Spaß. Du schaffst das. Gib dir Mühe. Wir helfen mit einem hervorragenden Schulsystem, mit vielen guten Pädagoginnen und Pädagogen, mit vielen Steuergeldern und mit einer vernünftigen Schulpolitik, die sich auf das Wichtige konzentriert: gute Schule und guten Unterricht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Senator. – Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor.

(Zurufe)

Entschuldigung. Bitte, Frau von Treuenfels-Frowein von der FDP-Fraktion.

Sie interessieren sich doch alle bestimmt genauso wie ich für gute Schulpolitik und gute Bildung. Das heißt, eine zweite Runde wird vielleicht gerade noch drin sein. Es wird auch nicht lange dauern.

(Zuruf)

Das muss drin sein, ganz genau, um mit der LINKEN zu sprechen.

Ich finde es relativ bezeichnend, wenn der Schulsenator sich nach sechs Jahren im Amt die Frage stellt: Wie sieht es aus, was müssen Hamburgs Kinder lernen? Ich könnte jetzt eigentlich schon Schluss machen. Wer sich diese Frage nach sechs Jahren als Schulsenator noch stellt … Da fehlen

einem doch die Worte. Diese Frage hätten Sie sich ehrlich gesagt etwas früher stellen können.

(Beifall bei der FDP und bei Richard Seel- maecker CDU)

Natürlich schauen wir als Opposition eher auf die Testergebnisse, wenn Hamburg weiter unten steht, weil wir uns Sorgen machen. Der Schulsenator interessiert sich für sämtliche Arten von Tests, PISA und ähnliche, recht wenig, aber wenn wir dann einmal im Mittelfeld landen, breitet er plötzlich aus, wir seien jetzt ganz weit vorn.

(Wolfgang Rose SPD: Was ist das denn für ein Quatsch!)

Wir dürfen uns niemals damit zufrieden geben,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Machen wir ja nicht!)

wenn wir unteres Mittelmaß erreichen, auch wenn das natürlich gut ist. Klar, wir haben uns verbessert. Aber wir dürfen trotzdem nicht vergessen, dass wir in den MINT-Fächern und in Rechtschreibung immer noch weit unten sind, und wir als Opposition werden das so lange vorbringen, ob Sie das hören wollen oder nicht, bis Sie das endlich abgestellt haben.

(Beifall bei der FDP)

Einen Punkt habe ich noch. Ich will einmal mit einem kleinen Vorurteil aufräumen; wahrscheinlich muss ich das noch fünfmal sagen, damit es ankommt. Sowohl der Bürgermeister als auch Senator Rabe haben heute wieder gesagt, die FDP habe etwas dagegen, dass in den Stadtteilschulen Abitur gemacht wird. Ganz ehrlich, das hat noch nie einer von uns gesagt, und das werden wir auch nie sagen. Wir haben immer wieder gebetsmühlenartig betont, auch wenn Sie es vielleicht nicht glauben wollen, dass uns die Stadtteilschule als zweite Säule wirklich wichtig ist, und selbstverständlich gehört dazu, dass dort die Möglichkeit besteht, Abitur zu machen. Gerade als hier die G9-Initiative durch die Stadt fegte, waren wir diejenigen, die das sehr verteidigt haben – im Gegensatz zu vielen anderen, die aus lauter Angst vor Volksentscheiden geschwankt sind. Das möchte ich noch einmal klar sagen.

(Beifall bei der FDP)

Nur weil wir fordern – und das mit aller Berechtigung, das ist doch eine Selbstverständlichkeit –, dass die mittleren Abschlüsse in den Stadtteilschulen gestärkt werden, heißt das doch nicht im Umkehrschluss, dass wir nicht wollen, dass auf der Stadtteilschule Abitur gemacht wird. Wer das denkt, der muss sich vielleicht selbst noch ein bisschen weiterbilden. Viel Spaß dabei. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

(Senator Ties Rabe)

Vielen Dank. – Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Frau Prien von der CDU-Fraktion für 1:55 Minuten, bitte.

Glück gehabt, vielen Dank, Herr Präsident. – Nur eine Bemerkung, Herr Schulsenator. Worauf Sie keine Antwort gefunden haben, ist die Tatsache, dass sämtliche Studien der letzten Zeit ergeben haben, dass in Hamburg nach wie vor die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft außerordentlich groß ist und dass wir in diesem Punkt überhaupt nicht weitergekommen sind. Ich habe auch heute wieder keine Antwort von Ihnen auf die Frage gehört, wie Sie diesem Problem begegnen wollen.

(Zuruf von Kazim Abaci SPD)

Und wenn es weiterhin so ist, dass viel zu wenig Schülerinnen und Schüler unmittelbar nach der zehnten Klasse einen Platz in der dualen Ausbildung finden, dann müssen Sie doch darüber nachdenken, was an der Stadtteilschule falsch läuft. Falsch läuft, dass viel zu viele Kinder an den Stadtteilschulen auf das Abitur hin ausgebildet werden,