Protocol of the Session on October 13, 2016

Vielen Dank, Frau Demirel. – Herr Giffei von der SPDFraktion, Sie haben nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Demirel hat bereits sehr viel Richtiges gesagt. Die Integrationskurse sind eine wichtige und in den meisten Fällen unverzichtbare Basis für eine gelingende Integration.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Neben der Vermittlung von Grundkenntnissen unserer gesellschaftlichen Ordnung kommt dabei vor allem dem Spracherwerb eine Schlüsselrolle zu. Wer Deutsch lernt, erhöht nicht nur seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt oder eine Wohnung zu finden; er erweitert vor allem seinen eigenen Handlungsspielraum und kann Abhängigkeiten reduzieren, seien es Abhängigkeiten von der eigenen Community oder von Ratgebern oder Übersetzern. Integration im Sinne umfassender selbstbestimmter Teilhabe kann ohne Spracherwerb also kaum gelingen. Gleichzeitig wissen wir alle, dass die deutsche Sprache schwer zu erlernen ist. Deshalb ist es elementar wichtig, damit so früh wie möglich zu beginnen. Daher befassen wir uns heute mit diesem Antrag. Für die Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots an Integrationskursen ist

(Phyliss Demirel)

der Bund zuständig. Auch wenn wir uns heute mit Problemen auf diesem Gebiet beschäftigen, möchte ich einleitend für die SPD-Fraktion betonen, dass es uns keineswegs um Schuldzuweisungen geht oder darum, mit dem Finger auf Berlin zu zeigen. Im Gegenteil, die Bundesregierung und das BAMF haben erhebliche Anstrengungen unternommen und dies gilt es auch zu würdigen. Die Integrationskurse wurden für Asylsuchende aus Staaten mit guter Bleiberechtsperspektive schon während des laufenden Asylverfahrens geöffnet. Wir hätten uns mehr gewünscht, aber dennoch ist das ein substanzieller Fortschritt.

(Beifall bei der SPD)

Die Mittel für Integrationskurse wurden deutlich aufgestockt, die Mindestvergütungen für Honorarlehrkräfte, Frau Demirel hat das erwähnt, wurden, wenn auch zu spät, substanziell erhöht. Das Bundesamt hat auch bereits im vergangenen Herbst erkannt, dass bei Weitem nicht genügend Integrationslehrkräfte vorhanden sind, die über die vom BAMF üblicherweise geforderte Zusatzqualifikation im Bereich Deutsch als Zweitsprache verfügen. Es hat deshalb die schon von Frau Demirel erläuterte Ausnahmeregelung geschaffen. Damit verbunden war die Hoffnung, dass es bis Ende 2016 gelingen würde, genügend Nachqualifizierungen durchzuführen. Heute müssen wir feststellen, dass sich diese Hoffnung nicht erfüllt hat. Der Ausbau des Nachqualifizierungsangebots stößt dabei nicht nur an finanzielle, sondern auch an personelle Grenzen. Es gibt schlicht nur eine begrenzte Zahl geeigneter Trainerinnen und Trainer, die solche Kurse leiten können. Dies gilt im Übrigen auch für das Onlineangebot. Mit dieser Situation müssen wir nun unaufgeregt und verantwortungsbewusst umgehen.

Dabei sind für die SPD-Fraktion folgende Überlegungen maßgeblich. Erstens: Läuft die Ausnahmeregelung aus, wird es nicht möglich sein, das Angebot an Integrationskursen im bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten, geschweige denn wie vorgesehen und dringend erforderlich auszubauen. Die Leidtragenden werden die Flüchtlinge mit guter Bleiberechtsperspektive sein. Zweitens: Die bisherige Ausnahmeregelung hat sich, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, im Großen und Ganzen bewährt. Drittens: An der Analyse des letzten Herbstes, dass ein möglichst frühzeitiger Beginn des Integrationsprozesses von größter Bedeutung ist, hat sich nichts geändert. Deshalb ist es sachgerecht und vernünftig, die Ausnahmeregelung zu verlängern, bis eine ausreichende Anzahl an Lehrkräften mit der geforderten Zusatzqualifikation zur Verfügung steht,

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

und gleichzeitig das Weiterbildungsangebot im Rahmen des Möglichen und selbstverständlich oh

ne Abstriche im Hinblick auf die Qualität der Weiterbildung auszubauen. Darauf zielt unser gemeinsamer Antrag und dafür bitten wir um Ihre Unterstützung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Hamann von der CDU-Fraktion hat nun das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Frau Kollegin Demirel, lieber Kollege Giffei, da sind wir sachlich gar nicht so fürchterlich weit auseinander. Bei dem, was Sie beide gesagt haben, war viel Gutes und Richtiges dabei. Ich frage mich nur, warum Sie uns das heute alles erzählen und diesen Antrag stellen. Diese Diskussionen haben wir doch schon zu Beginn des Jahres geführt. Zu Beginn des Jahres gab es eine Schriftliche Kleine Anfrage der FDP und von uns gab es im Mai einen Antrag, in dem wir genau das alles gefordert haben.

(Kazim Abaci SPD: Was stand denn drin?)

Genau das Petitum, das Sie jetzt stellen, nahezu wörtlich.

(Dennis Thering CDU: Nahezu identisch! Das hat System!)

Sie nicken. Ich könnte es jetzt noch einmal vorlesen. Sie fordern genau dasselbe, mit dem Unterschied, dass fast ein halbes Jahr vergangen ist. Nun fordern Sie, dass das für das nächste Jahr schnell glattgezogen und geregelt werden soll. Was haben Sie denn im letzten halben Jahr gemacht? Was hat denn Ihr Senat im letzten halben Jahr gemacht? Die Probleme standen doch vor der Tür; sie waren doch allen bekannt.

(Beifall bei der CDU)

Insofern hätte ich gedacht, wenn Sie jetzt Ende des Jahres noch einmal mit dem Thema kommen, dann, um uns die Lösung zu präsentieren und um uns zu sagen, Sie hätten etwas getan, Sie hätten Erfolge zu verzeichnen, CDU, wir brauchen euren Antrag nicht, FDP, wir brauchen eure Anfrage nicht. Stattdessen fordern Sie jetzt das, was in jeder Hinsicht kalter Kaffee und überholt, andererseits aber auch brandaktuell ist, bisher aber scheinbar versäumt wurde. Also, liebe Frau Kollegin, bei aller Sympathie und all dem, was wir sonst in der Sache bei dem Thema gemeinsam haben, ist das einfach verpennt. Dann sollte man als Regierungsfraktion auch sagen: Mensch, tut uns leid, das haben wir verpennt. Aber was dieser Antrag soll, erschließt sich mir überhaupt nicht.

(Beifall bei der CDU)

Na gut, dann hoffe ich einmal, dass Sie es jetzt irgendwie vielleicht noch hinkriegen und es doch noch funktioniert und Sie sagen, auf den letzten

(Uwe Giffei)

Drücker hätten Sie es dann geschafft, denn es geht um die Sache. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Hamann. – Frau Boeddinghaus von der Fraktion Die LINKE, Sie haben nun das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Demirel, Herr Giffei, ich kann Ihren Ausführungen folgen. Der Anlass ist klar und offensichtlich findet er im ganzen Haus Konsens. Warum wir unseren Zusatzantrag geschrieben haben, ist der Tatsache geschuldet, dass wir mit vielen Kursleiterinnen und Kursleitern vor Ort gesprochen haben, dass diese Ausnahmeregelungen

(Kazim Abaci SPD: Wir sprechen auch!)

Herr Abaci, Sie sprechen natürlich auch sehr viel mit den Leuten, das ist doch vollkommen klar – dazu führen können, dass die Zulassungskriterien auf Dauer aufgeweicht und auch die Qualitätsstandards abgesenkt werden. Diese Debatte haben wir schon bei den Unterkünften geführt, unter anderem, dass wir aufgrund des Zeitdrucks nicht auf den Mindeststandard achtgeben. Aber wenn so eine Ausnahmeregelung jetzt zu Recht weiterhin eingefordert wird und zu Recht auf den großen Bedarf an Integrationskursen reagiert werden muss, dann muss man erst recht Wert auf die Qualität der Ausbildung der Kursleiterinnen und Kursleiter legen, aber auch auf die Qualität der Unterrichtssituation der Gruppen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist unsere Motivation, diesen Zusatzantrag eingereicht zu haben, und ich würde Sie wirklich bitten, das zu bedenken. Denn wenn man mit den Kursleiterinnen und Kursleitern spricht, was Herr Abaci und wir tun, dann erfährt man, dass natürlich die Honoraranhebung stattgefunden hat, sie aber bei Weitem nicht reicht und angemessen ist. Sie fordern zum Beispiel 60 Euro die Stunde, sie tragen immer noch das unternehmerische Risiko, wenn Kurse ausfallen, und im Krankheitsfall gibt es keine Lohnfortzahlung. Die Module sind von fünf auf sieben erhöht worden, die Kursgrößen sind vom BAMF erhöht worden, also alle Rahmenbedingungen und die Arbeitsbedingungen sind so erschwert worden, dass es wirklich schwierig ist, das außen vor zu lassen. Wir bitten darum wirklich sehr, auch jetzt aus Ihrer Sicht darauf zu achten, dass mit der Ausnahmeregelung, mit der Bereitstellung von mehr Kursen besonders auch auf die Qualität der Ausbildung, der Angebote der Integrationskurse Wert gelegt wird. Denn es hilft doch nichts, wenn wir ausreichend Integrationskurse anbieten, aber die Qualität dem gar nicht gerecht wird und wir die vielen Menschen, die darauf angewie

sen sind, in unserer Stadt klarzukommen, und die wirklich die Integrationskurse brauchen, um sich existenzsichernd weiterzubilden, dann im Regen stehen lassen. Daher gehört das eine zum anderen und deswegen bitte ich Sie sehr um Zustimmung für unseren Zusatzantrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Boeddinghaus. – Frau von TreuenfelsFrowein von der FDP-Fraktion hat nun das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann es sehr kurz machen, weil eigentlich schon alles gesagt wurde. Wir sind für die Ausweitung der Qualitätsstandards, wir wollen das und finden das sehr gut. Was wir nicht wollen und warum wir auch einen Punkt ablehnen, ist die Aushebelung der Qualität; die unterstützen wir nicht. Die Ausnahmeregelung, die Sie weiterhin beantragen, werden wir nicht unterstützen, weil wir nicht dafür sind, dass der Qualitätsanspruch in der Ausbildung weiter abgesenkt bleibt. Deswegen werden wir das nicht unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau von Treuenfels-Frowein. – Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion hat nun das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Prämissen Ihrer Flüchtlingspolitik teilt, erscheint Ihr Antrag angemessen und erforderlich.

(Ksenija Bekeris SPD: Da haben Sie recht!)

Das muss man zugeben. Aber Ihre Prämissen sind nicht unsere und sie sind auch nicht richtig. Ihre Politik basiert darauf, alle Flüchtlinge in unser Land dauerhaft integrieren zu wollen.

(Kazim Abaci SPD: Wie kommen Sie da- rauf?)

Unsere Prämisse basiert darauf, Flüchtlingen in existenzieller Not zu helfen, ihnen temporären Schutz zu bieten und nach Wegfall der Fluchtgründe, die in den meisten Fällen eines Tages eintreten werden, eine Rückkehrperspektive in ihre Heimatländer zu bieten. Dort werden sie gebraucht und dort sind sie beheimatet. Zur Klarstellung: Deutsch für die Integration zu lernen ist sinnvoll und das unterstützen wir. Aber jeder Vorschlag von Ihnen, der darauf abzielt, alle Flüchtlinge von Beginn an als Neubürger anzuerkennen und mit teuren Sprach- und Integrationskursen darauf vorzubereiten, sich dauerhaft hier niederzulassen, kann und wird nicht unsere Zustimmung finden.

(Jörg Hamann)

Ihre Politik wird in dieser Frage auch von der Mehrheit unserer Bevölkerung nicht mitgetragen, übrigens auch von den hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund nicht. Aber Sie wollen lieber mit Ihrer Mehrheit im Parlament Fakten schaffen, als die gesamte Bürgerschaft unserer Stadt mitzunehmen und über Alternativen nachzudenken. Denn es gibt Alternativen, die die Interessen der einheimischen Gesellschaft und der flüchtenden Migranten im Blick haben. Nur ein Beispiel, was man in der Zeit des temporären Schutzes sinnvoll tun könnte: Es wäre sinnvoll, zunächst einzelne qualifizierte Flüchtlinge als zweisprachige Multiplikatoren auszubilden und einzusetzen. Diese könnten dann wiederum ihre Landsleute mit der Unterstützung deutschen Know-hows in handwerklichen Berufen aus- und weiterbilden. Diese Qualifikationen werden in wenigen Jahren in Syrien und in Afghanistan dringend gebraucht. Wohlgemerkt, nicht als einzige Lösung, aber als eine sinnvolle Alternative.

Denken Sie doch einmal über derartige Alternativen nach, anstatt alternativlos nur Ihren Prämissen zu folgen, und nehmen Sie die Leute hier im Land mit. Wenn Sie aber weiterhin gegenüber relevanten Teilen der Bevölkerung den Weg des alternativlosen Faktenbeschaffens beschreiten, dann wird sich die Polarisierung unserer Gesellschaft immer weiter zuspitzen und die Zustimmung zu Ihren Parteien immer weiter sinken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung.

Wir beginnen mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE aus Drucksache 21/6323.

Wer möchte diesem seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zum Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD aus Drucksache 21/6157. Diesen möchte die Fraktion DIE LINKE ziffernweise abstimmen lassen.