Protocol of the Session on July 13, 2016

Oh, Entschuldigung, das habe ich dann falsch verstanden. – Dann spricht zuerst für die Landesregierung Herr Staatsminister Beuth. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf der FDP zielt auf eine Änderung von § 12 Abs. 1 der Gemeindehaushaltsverordnung ab. Diese Vorschrift regelt derzeit, dass Kommunen, bevor sie wirtschaftlich bedeutsame Investitionen beschließen, durch einen Wirtschaftlichkeitsvergleich mit Berücksichtigung der Folgekosten die für sie wirtschaftlichste Lösung ermitteln sollen.

Nach dem Vorschlag der FDP sollen diese Vorschrift verschärft und die Kommunen zukünftig verpflichtet werden, stets einen Wirtschaftlichkeitsvergleich durchzuführen.

Zudem schlägt die FDP vor, den Anwendungsbereich auf jegliche „finanzwirksame Maßnahmen von erheblicher finanzieller Bedeutung“ – und damit auch auf Sanierungsund Unterhaltungsmaßnahmen – zu erweitern.

Meine Damen und Herren, die Abteilung Überörtliche Prüfung des Hessischen Rechnungshofs hatte sich mit dieser Problematik, die Herr Hahn gerade vorgestellt hat, in der 178. Vergleichenden Prüfung beschäftigt. Der Kommunalbericht 2015 enthält dazu einige kritische Anmerkungen und weist insbesondere auf Versäumnisse von Kommunen bei den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen hin.

Im Rahmen der Anhörung im Unterausschuss für Finanzcontrolling und Verwaltungssteuerung des Landtags – Herr Dr. Hahn hat eben darüber gesprochen – am 11. Mai hat der Präsident des Hessischen Rechnungshofs bereits eine konkrete Änderung vorgeschlagen, die hier aufgenommen worden ist. Das hat der Kollege Hahn ebenfalls dargestellt.

Die derzeit gültige Gemeindehaushaltsverordnung ist bis zum 31.12.2016 befristet und befindet sich derzeit in einem Evaluationsverfahren. Ein erster Änderungsentwurf wurde bereits im Herbst 2015 unter anderem den Kommunalen Spitzenverbänden, dem Hessischen Rechnungshof und dem Finanzministerium zur Anhörung zugeleitet. Demnächst wird ein fortgeschriebener Änderungsentwurf erneut unter anderem den Spitzenverbänden sowie dem Hessischen Rechnungshof zur Stellungnahme zugeleitet. Darin enthalten ist unter anderem der Vorschlag des Hessischen Rechnungshofs für eine Änderung von § 12 Abs. 1 der Gemeindehaushaltsverordnung. Die Stellungnahmen der weiteren zu Beteiligenden werden wir dann in den weiteren Verfahren entgegennehmen müssen.

Herr Kollege Hahn, der Fairness halber wollte ich das gleich zu Anfang dieser Debatte hier sagen. Wir haben sozusagen die Überlegungen, die der Rechnungshof hier angestellt hat, in einen diesbezüglichen Entwurf aufgenommen.

Rein formal weise ich noch darauf hin, dass es sich um eine Rechtsverordnung handelt und es nach der einschlägigen Rechtsprechung dem Landtag nicht obliegt, diese Rechtsverordnung zu ändern. Aber ich glaube, am Ende kommen wir gemeinsam zu einem Ziel, wenn es um § 12 Abs. 1 der Gemeindehaushaltsverordnung geht.

Das wollte ich, wie gesagt, am Anfang der Debatte sagen, damit sich auch alle anderen darauf beziehen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Beuth. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun Frau Kollegin Goldbach. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Feststellungen, die der Rechnungshof in seinem Kommunalbericht getroffen hat, sind schon erheblich. Natürlich haben wir uns das sehr genau angeschaut. Beim Baumanagement und Bauprojektmanagement sind in 20 geprüften Städten Ergebnisverbesserungspotenziale von 10,9 Millionen € festgestellt worden. Das ist eine Hausnummer, an der man sehen kann: Da ist noch einiges mehr zu machen.

Konkret geht es um den Ressourceneinsatz. Es geht um Baukostenüberschreitung und um Bauzeitenüberschreitung. Was nach wie vor in den Planungen für größere Investitionen fehlt, gerade für Bauten, ist sicherlich eine Betrachtung der Gesamtkosten – also nicht nur der Investitionskosten: „Was müssen wir davon ausgeben, um ein Gebäude zu errichten?“, sondern: Was kostet das denn im gesamten Lebenszyklus?

Wenn man sich das einmal anschaut, dann ergibt sich ein interessantes Bild. Der Großteil der gesamten Kosten eines Gebäudes entsteht nicht durch die Herstellung, sondern in der gesamten Lebensphase durch die Unterhaltungskosten, Heizkosten, Reinigungskosten usw.

Das heißt, es ist durchaus sinnvoll, diese Betrachtung anzustellen und zu sagen: Wie sehen die Kosten insgesamt aus, bei einer Nutzungsdauer von 30 bis 50 Jahren? Die Investitionsentscheidungen, die heute getroffen werden, müssen genau das mit beachten, um die zukünftigen Haushalte nicht übermäßig zu belasten.

Es gibt jedoch Gründe, warum das in einigen Gemeinden, Kommunalparlamenten oder in den Planungsabteilungen der Verwaltung auf kommunaler Ebene noch nicht so konsequent gemacht wird. Die müssen wir uns einmal genauer anschauen.

Alle hessischen Kommunen haben auf die Doppik umgestellt. Aber das Denken findet noch nicht in der Doppik statt, das Denken an die Abschreibungen: Wir müssen immer den Werteverzehr unseres Anlagevermögens mit be

trachten. Wir müssen auch die langfristigen Finanzierungen und die Folgen der Finanzierung betrachten. – Das beginnt jetzt, und daran müssen wir noch arbeiten.

Zum anderen haben wir kleine Gemeinden, in denen diese Fach- und Sachkompetenz vielleicht gar nicht vorhanden ist. Es kommen immer neue Aufgaben auf die Kommunen, die Verwaltungen zu, gerade bei den Planungen: Ausschreibungen nach Vergaberecht, internationalem, EUVergaberecht, deutschem Vergaberecht. Dazu kommen eben diese langfristigen Planungen der Investitionen.

Es gibt aber auch Lösungsansätze. Die könnten darin bestehen, dass in diesem Bereich mehr fremdvergeben wird.

Zum Beispiel hat der Rechnungshof dargestellt, dass in der Stadt Herborn ein relativ hoher Prozentsatz von Fremdvergaben in diesem Bereich stattfindet: 28 %. Die haben aber auch die höchste Umsetzungsquote im Baumanagement, d. h. sie konnten durch diese Fremdvergabe sehr viel umsetzen.

Für Kommunen ist eine Investitionsentscheidung und das, was im Vorfeld stattfindet, noch einmal etwas anderes als für Private und für Wirtschaftsunternehmen. Herr Hahn, Sie sind Jurist, ich bin Betriebswirtin mit Schwerpunkt Rechnungswesen, und Sie sprachen eben die Investitionsrechnung an. Man kann aber die Investitionsrechnung aus der Privatwirtschaft nicht 1 : 1 übertragen; denn in der Privatwirtschaft haben wir zukünftige Erträge, die wir mit in die Betrachtung einbeziehen. Bei kommunalen Gebäuden bzw. Investitionen haben wir einen Nutzen, den wir oft nicht einmal quantifizieren oder in Zahlen darlegen können. Deswegen ist es auch viel schwieriger, dort alles zu betrachten: die Kosten, aber auch den Nutzen, der nicht in Zahlen darstellbar ist. Also müssen wir andere Instrumente finden, mit denen man hier eine vernünftige Betrachtung und Berechnung anstellen kann.

Ich bin sehr dankbar, dass der Innenminister eben dargestellt hat, dass diese Änderung stattfinden soll, und möchte noch kurz auf den Gesetzentwurf der FDP eingehen. Dort gibt es zwei Probleme, von denen eines schon angesprochen wurde. Zunächst aber besteht ein Problem der Rechtsauffassung. Ich zitiere einmal den Kollegen Greilich aus dem letzten Plenum zum Thema „Lehrerfortbildung“. Dabei ging es um eine Soll-Vorschrift, zu der er Folgendes gesagt hat:

Der Herr Minister wird mir als gelernter Jurist zustimmen: Man sagt flapsig, „soll“ heißt „muss“. Wenn es also keine konkreten Begründungen für Ausnahmen gibt, dann ist das ein Gesetzesbefehl, der strikt zu befolgen ist, und zwar – das sage ich sehr deutlich – auch von der Kultusbürokratie im Lande Hessen.

Das heißt, bei diesem Gesetz sagt die FDP, „soll“ heißt „muss“. Es spielt überhaupt keine Rolle: Dieser Gesetzesbefehl ist unbedingt zu befolgen. Hier sagen Sie jetzt, wir müssten aus einem „soll“ ein „muss“ machen, weil es eben zwei ganz unterschiedliche Dinge seien. Das ist eine etwas schwierige, um nicht zu sagen, elastische Rechtsauffassung.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Ich komme zum Ende. – Der andere Punkt betrifft die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, der zufolge wir eine Rechtsverordnung, die in ein Ressort gehört, eben nicht durch die Legislative ändern können, ohne das zugrunde liegende Gesetz ebenfalls zu ändern. Das werden wir genau betrachten, und ich denke, wir werden uns auch den Entwurf der neuen geänderten Verordnung vom Innenminister genau anschauen und gemeinsam im Ausschuss beraten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Goldbach. – Als nächster Redner hat sich schon Kollege Holschuh von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Goldbach hat schon sehr viele wichtige und richtige Punkte angesprochen, und in einigen Bereichen gehe ich damit wirklich konform, allerdings komme ich auch in verschiedenen Bereichen zu anderen Schlüssen.

Bevor ich Landtagsabgeordneter wurde, habe ich in einer kleinen Kommunalverwaltung in der Finanzabteilung gearbeitet. Immer, wenn man dort einen Gesetzentwurf der FDP auf den Tisch bekommen und drübergeschaut hat, war man schon sehr skeptisch und tat dies mit erhöhter Aufmerksamkeit. Aber wenn es in diesem Bereich auch noch um die Überprüfung von Wirtschaftlichkeit in Verwaltungen geht und der gleiche Antragsteller dort Veränderungen fordert, dann ist die Skepsis bei allen in der Verwaltung Tätigen besonders groß. Das hatten wir bei der Diskussion um § 121 HGO, also die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen, aber auch bei vielen ÖPP-Projekten.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Da habt ihr euch gestört gefühlt, oder?)

Die FDP traut an dieser Stelle den Städten und Gemeinden keine Fähigkeit zu wirtschaftlichem Handeln zu; das haben wir schon in vielen Fällen bemerkt, und das sehen wir auch beim vorliegenden Antrag.

(Beifall bei der SPD)

Das bedient zwar wahrscheinlich die eine oder andere Stammtischmeinung, hat aber mit der Wirklichkeit in den Verwaltungen von heute recht wenig zu tun.

Natürlich wird heute schon, allein schon um den Anforderungen der Doppik gerecht zu werden, umfänglich dargestellt, welche Kosten detailliert für die jeweilige Maßnahme entstehen und auch folgen. Anders macht das heute auch gar keine Kommunalaufsicht bei der Genehmigung einer Maßnahme mehr mit, und selbst wenn Sie das nicht einreichen, gibt es endlose Diskussionen mit der Aufsicht, bis Sie eine solche Maßnahme überhaupt in den politischen Gang bringen.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Der Rechnungshof spinnt?)

So würde ich es nicht formulieren, Herr Hahn. Aber man kann schon die eine oder andere Äußerung auch des Hessi

schen Rechnungshofs im Umgang mit den Verwaltungen sehr kritisch betrachten.

Vielleicht liegt es daran – Ihre Initiative begründet sich ja mit dem Vorschlag aus dem Bericht des Rechnungshofs –, dass der Rechnungshof nicht die gleiche Betrachtungsweise wie die Verwaltungen hat. Vielleicht liegt es auch daran, dass der Rechnungshof als Institution oft selbst da ist, aber gar nicht in den Verwaltungen prüft, sondern dies an Wirtschaftsprüfer vergibt, die natürlich ihre ganz eigene Sicht der Dinge in den Verwaltungen haben.

Wir kennen es aus vielen Prüfungsgesprächen: Die Welt des Rechnungshofs und der von ihm beauftragten Wirtschaftsprüfer ist eine andere als die der öffentlichen Hand und oft auch nicht kompatibel. Blindes Anwenden von Verfahren, die gerne und oft von den Prüfern ins Spiel gebracht werden, hilft da nur bedingt.

Meine Damen und Herren, als Maßstab der öffentlichen Hand ist in aller Regel nicht vorrangig Gewinnstreben und Steuervermeidung zu betrachten – Frau Goldbach ist hierauf eingegangen –, sondern es geht in der öffentlichen Verwaltung auch darum, den Gesamtnutzen der Maßnahmen zu sehen. Dazu aber ist nicht jedes Verfahren geeignet.

(Beifall bei der SPD)

Aber das Problem bei der Entscheidung, ob ich eine Maßnahme umsetze oder nicht, hängt doch im ersten Schritt gar nicht von den Verfahren einer Wirtschaftlichkeitsberechnung ab, sondern es hängt davon ab, ob ich eine solche Baumaßnahme oder eine Investition überhaupt in Betracht ziehen kann. Jeder von uns, der auch kommunalpolitisch aktiv ist, weiß, dass sich die Gebäude oft in einem schlechten Zustand befinden. Aber auch die Finanzausstattung – wir haben es heute Morgen im Zusammenhang mit den Investitionen diskutiert – lässt es in den Städten und Gemeinden oft gar nicht zu, in wichtige Instandhaltungsmaßnahmen zum Vermögenserhalt oder zur Vermeidung bzw. Senkung von Folgekosten zu investieren. Die für Instandhaltungsmaßnahmen, notwendige Sanierungen oder gar für Ersatzinvestitionen notwendigen Ressourcen stehen doch gar nicht zur Verfügung.

Natürlich zerbrechen sich die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, die Kolleginnen und Kollegen landauf, landab den Kopf, wie sie es mit den Mitteln hinbekommen, die sie aus den Haushalten herausquetschen, unterschiedliche Beschaffungsvarianten und individuelle Strategien zu entwickeln, mit denen sie den maximalen Nutzen für ihre Stadt oder für ihre Gemeinde erreichen. Wir können gerne im Ausschuss darüber diskutieren. Der Minister hat es angesprochen, dass wir die ganze GemHVO bis Ende des Jahres noch einmal diskutieren. Da gibt es sicher noch viele, viele Ansatzpunkte, künftig mit der Frage umzugehen, wie die Verwaltungen mit der GemHVO arbeiten können.

Die Aussage der Städte und Gemeinden in der Prüfung gegenüber dem Rechnungshof, die Ermittlung der Folgekosten sei zu aufwendig und stehe in keinem Verhältnis zum erwartenden Nutzen, kann man natürlich nicht generell teilen. Aber in vielen Fällen gibt es schon die Neigung dazu. Der vorgelegte Entwurf geht unserer Ansicht nach an dieser Stelle natürlich zu weit: Eine Istvorschrift benötigen wir nicht, eine Sollvorschrift reicht an dieser Stelle vollkommen aus. Wir sehen keinen Änderungsbedarf. Ich glaube, es ist durch meine Äußerungen deutlich geworden, dass der Vorschlag der FDP bzw. des Rechnungshofs an der Stelle viel zu weit geht. Die bisherige Regelung lässt

den Verwaltungen die notwendige Flexibilität, die Vorschrift anzuwenden, und entlässt die Kommunalpolitiker nicht aus ihrer Verantwortung

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

jawohl, Frau Präsidentin –, die entsprechenden Parameter für ihre Entscheidungen heranzuziehen. Ich glaube eher, der Gedanke, diesen Paragrafen an der Stelle zu ändern, ist dem geschuldet, dass die Wirtschaftsprüfer – auch die Fremdvergabe ist angesprochen worden – künftig mehr Arbeit in den kleinen Verwaltungen bekommen. Allein durch die Tagessätze der Wirtschaftsprüfer wird dann die Wirtschaftlichkeit der einen oder anderen Maßnahme sehr stark infrage gestellt. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))