Protocol of the Session on April 21, 2016

Diese beiden Verfahren sind nach den Kriterien, die die Justizministerin erläutert hat, zusammengeführt worden.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Daran gibt es nichts zu diskutieren. Dass das so auch richtig ist, Herr Kollege Rudolph, und uns nichts Falsches erzählt worden ist, dafür streitet aus meiner Sicht zunächst einmal die Wahrheitsvermutung. Wenn sich herausstellen sollte, was ich mir nicht vorstellen kann, dass nicht stimmt, was die Justizministerin hier dargelegt hat, dann würden wir zu gegebener Zeit darauf zurückkommen müssen.

Aber auch das will ich sehr deutlich sagen: Das, was wir heute hier gehört haben, war verdammt spät. Es geht um das, was Frau Kühne-Hörmann uns heute hier gesagt hat.

(Beifall bei der FDP)

Es war allerhöchste Zeit, dass diese Klarstellung endlich erfolgte. Nach den Berichten sind Tage verstrichen, in denen es immer wieder nebulöse Antworten und nebulöse Andeutungen gab. Das geschah in einer Umgebung, in der zu Recht Aufregung herrschte und jetzt vielleicht noch herrscht, bis sich der Sachverhalt entsprechend geklärt hat.

Das muss man sich klarmachen: Wir leben in Zeiten, in denen wir täglich von Angriffen auf die Pressefreiheit, auf die Meinungsfreiheit und auf die Satirefreiheit lesen. Das ist heute an der Tagesordnung. Wir leben in Zeiten, in denen ein ARD-Korrespondent, Volker Schwenck, bei der Einreise in die Türkei festgesetzt und dann weggeschickt wird, ohne dass es eine Angabe der Gründe gibt. Wir leben in Zeiten, in denen eine deutsche Kanzlerin den Kotau vor einem ausländischen Autokraten vollzieht. Wir leben in Zeiten, in denen eine Kanzlerin die Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen Majestätsbeleidigung erteilt, anstatt Herrn Erdogan darauf zu verweisen, er möge sich davon überzeugen, wie Gewaltenteilung funktioniert. Bei uns wird die Justiz diesen Sachverhalt aufgrund der vorliegenden Anzeige des Herrn Erdogan aufarbeiten und dann eine freie Entscheidung treffen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Ich weiß nicht, wie sie aussehen wird.

Ich halte auch nichts von dem Gedicht des Herrn Böhmermann. Ich finde es unsäglich. Aber ob das etwas ist, das den Beleidigungstatbestand erfüllt oder nicht, das haben wir hier nicht zu entscheiden. Dafür haben wir in unserem Staat ein System, das auch ohne die Kanzlerin funktioniert. Das wäre die Botschaft gewesen, die ich mir von der deutschen Bundeskanzlerin gewünscht hätte.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist meine abschließende Feststellung und mein Hinweis: Diese erhöhte Sensibilität erwarte ich gerade von dem Verfassungsminister unseres Landes. Lieber Herr Kollege Beuth, da muss ich sagen, da war eine zügige Reaktion gerade vom Verfassungsminister geboten. Dass wir die bis zum heutigen Tage, bis zu der Erklärung der Frau Kühne-Hörmann, nicht bekommen haben, ist schon etwas, was sich zu thematisieren hier lohnt. Insofern ist es richtig, dass wir diese Aktuelle Stunde hier heute haben.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Frömmrich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wie hier zurückgerudert wird und wie man langsam merkt, in welcher Art und Weise man sich bei diesem Verfahren vergaloppiert hat.

Herr Kollege Rudolph, ich sage das gerade an Ihre Adresse: Wie dünn das Eis ist, merkt man daran, wie Sie hier vorgegangen sind. Sie haben einen Minister angegriffen. Sie haben versucht, die Regierung zu stellen. Das ist alles geschenkt. Das gehört zum Geschäft dazu. Dass Sie aber die persönliche Entscheidung des Marco Krause, der im Winter schon entschieden hat, dass er aus dem Amt des Pressesprechers ausscheiden will, hier in die Öffentlichkeit gezerrt haben und so tun, als habe das etwas mit dem Fall zu tun, ist ganz schön schäbig. Das ist einfach nur schäbig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielleicht sollte man in der Diskussion etwas abschichten und sich die Frage stellen, ob es wirklich angezeigt ist, jedes Ereignis zu skandalisieren. Natürlich muss die Opposition versuchen, die Regierung anzugreifen und die Regierungsmitglieder zu stellen. Natürlich muss die Opposition kritische Fragen stellen. Das ist nach der Verfassung ihre Aufgabe. Das ist auch in Ordnung so. Aber nicht jeder Bericht in einer Zeitung und nicht jedes Gerücht, das irgendwo herumwabert, ist angetan, einer Skandalisierung im Hessischen Landtag Vorschub zu leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wer es wollte, hätte sich schon schlau machen können. Wie hat doch gleich die „Frankfurter Rundschau“ schon am 15. April 2016 getitelt?

Skandal um staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen „Bild“-Redakteur ist wahrscheinlich gar keiner

Im Text heißt es dann:

Trotz der enormen Resonanz gibt es derzeit also außer „Bild“ keine Quelle, die Beuth mit den aktuellen Ermittlungen gegen Schneider in Verbindung bringt.

Die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit sind in unserem Land hohe Güter. Sie sind verfassungsrechtlich geschützt. Das ist gut so. Wir sollten alles dafür tun, dass das auch so bleibt. Das ist der Fakt.

Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft Frankfurt hat eine Privatperson, die mit der Berichterstattung der „Bild“-Zeitung nicht einverstanden war, gegen den „Bild“-Redakteur Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft sagt auf Nachfrage dann – Herr Kollege Greilich, das war im Übrigen die Staatsanwaltschaft, ich sagte das schon –, dass das nicht das Geringste mit dem hessischen Innenministerium zu tun habe und dass das absurd sei. So ist die Faktenlage. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo ist da der Skandal?

(Zuruf: Im Kopf des Herrn Rudolph!)

Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt ermittelt aufgrund einer Anzeige einer Privatperson. Wie in der Presse zu lesen war, wird gegen einen Journalisten wegen des Verdachts des Verrats von Geheimnissen und wegen Verleumdung ermittelt. Nach Eingang einer Anzeige ist das die Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Politiker sind gut beraten, sich in solche Ermittlungen nicht einzumischen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in eigener Verantwortung. Ich war schon einigermaßen darüber erstaunt, dass im Zusammenhang mit den Ermittlungen in diesem Fall Vergleiche mit Russland und der Türkei gezogen wurden. Das ist geradezu abenteuerlich und absurd. Das ist abenteuerlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

In Russland werden Journalisten ermordet. In Russland werden Journalisten in den Kerker gesperrt. In der Türkei werden Fernsehsender geschlossen. Das mit der Situation in Hessen oder in der Bundesrepublik Deutschland zu vergleichen ist geradezu absurd. Meine Damen und Herren, Sie sollten bei solchen Sachen nicht immer derart überziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie nutzen jede Gelegenheit, die rechtsstaatlichen Institutionen unseres Landes zu diskreditieren. Nachmittags stellen Sie sich dann hin und beklagen, dass das Vertrauen der Menschen in diese Institutionen sinkt. Das ist nicht gut. Das passt nicht zusammen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich bin sehr dafür, dass wir offen und hart debattieren. Angriffe auf die Regierung gehören zum Geschäft. Ich finde aber, dass man die Kirche im Dorf lassen sollte. Man sollte nicht jeden noch so absurden Vorwurf zum Skandal erheben. Das schadet dem Ansehen des Rechtsstaates insgesamt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Schaus fordert in der „Frankfurter Rundschau“, dass sich Beuth distanzieren soll. Von was soll er das eigentlich? – Herr Kollege Greilich erklärt, Hessen liege nicht in der Türkei. Geht es denn eigentlich noch? – Der Vorsitzende der FDP, Herr Lindner, spricht von der Erdoganisierung der Bundesrepublik Deutschland. Dann ist er noch nicht einmal bereit, sich im Magazin „ZAPP“ vor die Kamera zu stellen und zu argumentieren.

Herr Kollege Frömmrich, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Ich komme sofort zum Schluss meiner Rede. – Kollegin Faeser hat zwei Sachen miteinander verrührt und behauptet, dass sie in einem sächlichen Zusammenhang stehen würden. Nicht jeder Skandal, der vermeintlich auf der Straße liegt, bietet sich zur Skandalisierung an. Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Wir sollten uns hart und energisch auseinandersetzen. Wir sollten die Pressefreiheit dieses Landes verteidigen. Aber wir sollten nicht jedes Ding, das auf der Straße liegt, im Hessischen Landtag zum Skandal hochziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Staatsminister Beuth.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rudolph, ich erlaube mir diese Vorbemerkung: Die Vorwürfe, die Sie gerade eben am Rednerpult vorgetragen haben, sind erkennbar falsch.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Er hat keine vorgetragen! Er hat Fragen gestellt!)

Sie sind erkennbar falsch. Sie sind ungehörig. Ich sage dazu: Sie sind auch ehrabschneidend – Herr Kollege Rudolph, Sie sind ehrabschneidend.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Günter Ru- dolph (SPD): Für wen halten Sie sich eigentlich? Das ist unglaublich! – Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Es gibt natürlich keinen Kontakt zum Anzeigeerstatter. Nach meiner Erkenntnis wird das Verfahren wegen Geheimnisverrats gegen unbekannt und eben gerade nicht gegen den Journalisten geführt. Der Pressesprecher des hessischen Innenministeriums hat im Dezember 2015 aufgrund privater Fragestellungen darum gebeten, von seiner Aufgabe entpflichtet zu werden.

Mit dem Begriff „schäbig“, den Kollege Frömmrich gerade eben hier eingeführt hat, hat er wirklich die niedrigste Aggregatstufe gefunden, die man dafür nehmen kann. Ich finde das, was Sie hier gemacht haben, ist wirklich sehr ungehörig.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vizepräsidentin Ursula Hammann über- nimmt den Vorsitz.)

Der Verrat von Dienstgeheimnissen durch Polizeibeamte ist eine Straftat, und die Polizei ist verpflichtet, Straftaten zu verfolgen. Dass der Verrat von Dienstgeheimnissen unter Strafe gestellt wird, hat gute Gründe, die eigentlich jedem einleuchten müssten. Nicht nur der Staat hat ein Recht darauf, dass die Personen, denen er Geheimnisse anvertraut, diese auch bewahren. Das geschieht übrigens nicht aus einem Selbstzweck heraus. Das Ganze hat einen Grund und eine Funktion.

Das besondere Verhältnis, das den Rechtsstaat mit seinen Repräsentanten verbindet, denen er besondere Befugnisse und Informationen anvertraut und anvertrauen muss, beruht auf Vertrauen. Dieses Vertrauen muss auch der Bürger in unserem Rechtsstaat gegenüber dessen Repräsentanten haben können, die mit seinen Informationen umgehen. Dieses Vertrauen muss nicht zuletzt der Polizeibeamte gegenüber seinen Kollegen haben, der in einen Einsatz wie bei der Festnahme des Terrorverdächtigen in Oberursel geschickt wird. Denn es geht um sein Leben und seine Gesundheit, wenn diese Geheimnisse verraten werden.

In meinem Amt als hessischer Innenminister kann ich keine Ermittlungen der Polizei stoppen. Die Polizei wird aufgrund der ihr vorgegebenen gesetzlichen Verpflichtung eigenständig tätig.