Protocol of the Session on November 26, 2015

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Bleib da. Was ist denn mit der Schlussfrage des Kollegen Schaus? – Bleib da. – Kollege Schaus, bitte.

(Nicola Beer (FDP): Ob das jetzt der Versöhnung nützt?)

Frau Beer, das liegt ganz bei Ihnen. – Frau Beer, empfinden Sie es nicht geradezu als zynisch, wenn die Rhön-Kliniken in ihren Mitteilungen der letzten Jahre immer wieder betont haben, dass die doch in Deutschland entwickelte und vielen schwerst Krebskranken neue Hoffnung gebende Behandlungsmethode deshalb nicht eingeführt wird, weil sie sich kostenmäßig nicht rechnet?

Frau Kollegin Beer.

Herr Kollege Schaus, genau diese Problematik habe ich doch angesprochen. Deswegen bin ich sehr froh, dass es eine 25-prozentige Investitions- und damit auch Kostenbeteiligung eines privaten Betreibers an dieser Anlage gibt. Denn wir wissen doch: An anderen Standorten ist diese neue Technologie gescheitert. Schleswig-Holstein hat es versucht, eine solche Anlage in Lübeck, in Kiel zu installieren. In einem rein öffentlichen Modell ist das nicht gelungen. Offensichtlich würde es auch in einem rein privatrechtlichen Modell nicht gelingen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Was ist mit Heidelberg?)

Daher ist die Kombination, die wir jetzt gefunden haben – einen Privaten in das Investitionsrisiko einzubeziehen, gleichzeitig aber die Erfahrungswerte von öffentlichen Kliniken zu kombinieren –, der Weg, der meines Erachtens zum Erfolg geführt hat, zumindest schon einmal zu dem Erfolg, dass diese Behandlungen jetzt begonnen haben. Wir hoffen, dass durch die Kombination beider Erfahrungsschätze und der Risikobereitschaft des privaten Investors das noch besser zum Erfolg geführt werden kann, indem möglichst bald noch mehr Patientinnen und Patienten als jetzt im ersten Jahr in dieser Anlage behandelt werden mögen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Es gibt keine Zusatzfragen. Dann kommt der nächste Redner. Das Wort hat der Kollege May, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir zurückschauen, dann war es im Herbst 2013 keineswegs ausgemacht, dass die Partikeltherapieanlage in Marburg tatsächlich in Betrieb gehen würde. Zwar hatte die frühere Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann im April 2013 eine wichtige Weichenstellung vorgenommen, als sie die Verhandlungen in Richtung einer Kooperation mit Heidelberg öffnete – das wurde von unserer Seite her auch sehr begrüßt –, aber sicher war das alles noch nicht.

Desto wichtiger war es den jetzigen Koalitionsparteien, in den Koalitionsverhandlungen festzulegen, dass die Inbetriebnahme der Partikeltherapieanlage in Marburg oberste Priorität haben wird. Deswegen haben wir das im Koalitionsvertrag von CDU und GRÜNEN so verankert. Heute musste ich feststellen: Die schwarz-grüne Koalition hat geliefert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Und Heidelberg!)

An dieser Stelle möchte ich mich auch persönlich bei Minister Boris Rhein bedanken, auch beim Ministerpräsidenten, die in persönlichem Einsatz die Verhandlungen dort vorangetrieben und letztendlich zu einem erfolgreichen Ende gebracht haben.

Sehr geehrter Herr Kollege Grumbach, Ihre Ankündigung und die Rede des Kollegen Spies hätten auch etwas in diese Richtung gehen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU))

Ich finde es sehr bedauerlich, dass Sie die Chance verpasst haben, heute tatsächlich Stellung zu dem zu nehmen, was auf der Tagesordnung steht,

(Marjana Schott (DIE LINKE): Das haben wir doch getan!)

nämlich die Inbetriebnahme der Partikeltherapieanlage. Stattdessen haben Sie im Hauptteil Ihrer Rede über vieles gesprochen, teilweise auch Spekulationen geäußert. Sie haben sogar von einer möglicherweise drohenden Schließung des Standorts Marburg gesprochen. Das halte ich für keinen würdigen Beitrag zu der guten Entwicklung, die wir doch haben. Sie sollten noch einmal über das nachdenken, was Sie heute hier dargestellt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Sie hätten auch die Chance ergreifen können, um über die Rolle Ihrer Fraktion, aber auch Ihrer Person in diesem ganzen Prozess nochmals nachzudenken. Die war nämlich nicht so rühmlich. Denn Sie haben nicht den langen, steinigen Verhandlungsweg gewählt, sondern – das wurde von den Vorrednern, Dr. Bartelt und auch Frau Beer, schon an

gesprochen – Sie haben darauf gedrängt, den Verhandlungspfad zu verlassen. Dazu kann ich auch ein paar Zitate liefern, etwa vom 02.01.2013 in der „Frankfurter Rundschau“: „Das Land muss nun umgehend eine Rechnung schreiben“; 03.01.2013: „Wir fordern die Landesregierung auf, dem Rhön-Klinikum umgehend eine Rechnung zu stellen und die 107 Millionen € einzufordern“; oder hier am 27.02.2014 – das ist so groß gedruckt, dass man es wahrscheinlich auch von Ihrem Platz aus sehen kann –:

(Der Redner hält ein Blatt hoch.)

„SPD fordert die Landesregierung zur Klage auf“.

Das zeigt doch, dass Sie den Verhandlungsweg, den wir gewählt haben und der uns letztendlich zu dem heutigen Ergebnis geführt hat, verlassen wollten und dass Sie eben nicht auf die Verwirklichung der Partikeltherapie drängen wollten, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege May, der schon sehr oft zitierte und heute mit viel Beifall bedachte Kollege Dr. Spies möchte eine Zwischenfrage stellen. Da kann man eigentlich nicht Nein sagen, oder?

(Heiterkeit)

Also, dann lassen wir ihn einmal.

Herr Kollege May, würden Sie mir denn zustimmen, dass die Einreichung einer Klage auf Zahlung von 100 Millionen € die Verhandlungsbereitschaft für eine Leistung, die am Ende einen Bruchteil davon gekostet hat, spürbar beschleunigt hätte oder jedenfalls diese Option geboten hätte und wir somit schon seit einem Jahr Patienten behandeln würden, statt so lange gewartet zu haben?

Vielen Dank. – Kollege May.

Sehr geehrter Herr Dr. Spies, Fragen, die mit „Würden Sie mir zustimmen …“ anfangen, kann ich grundsätzlich nicht bejahen.

(Unruhe bei der SPD – Lachen der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Glockenzeichen des Präsidenten)

Aber vielleicht können Sie mir ja zustimmen, dass das Beschreiten des Klageweges anstelle von Verhandlungen nicht dazu geführt hätte, dass wir ein komplexes Vertragswerk, wie wir es jetzt haben, erreicht hätten, sondern dass wir, wenn wir in einen Rechtsstreit eingetreten wären, heute eben keine Partikeltherapieanlage hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielleicht denkt ja der zukünftige Oberbürgermeister von Marburg eingedenk der Debatten der letzten Jahre insge

heim: Gut, dass sich die SPD an dieser Stelle nicht durchsetzen konnte, sondern Schwarz und Grün Kurs gehalten haben, was meiner Stadt und dem ehrgeizige Projekt für Forschung und Lehre und für die Patientenversorgung zum Erfolg verholfen hat. – Ich glaube, darüber sollten Sie noch einmal nachdenken.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der CDU)

Die Inbetriebnahme hat schon ein großes mediales Echo hervorgerufen. Es ist ja auch eine faszinierende Technik, von der wir hier reden, die, nebenbei gesagt, auch in Hessen, nämlich von der GSI in Darmstadt, entwickelt wurde. In den Presseartikeln kommt auch Erleichterung darüber zum Tragen, dass die Politik an dieser Stelle so beherzt zugegriffen hat und dass sie es bei dieser Technologie nicht nur bei der abstrakten Forschung belassen, sondern auch dafür gesorgt hat, dass diese Technologie für die Hilfe am Menschen eingesetzt werden kann.

Von daher denke ich, dass man das auch im Kontext mit dem Standort Marburg sehen muss. Diesbezüglich möchte ich eine ganz andere Lesart aufzeigen als der Kollege Dr. Spies. Vielleicht ist unter anderem dies Anlass, Dinge, die es am Universitätsklinikum Marburg im Bereich der Versorgung von und der Forschung für Krebspatienten gibt, zusammenzuführen. Aus diesem Grund haben wir in unseren Antrag die Bitte und die Forderung an die Landesregierung aufgenommen, den Standort Marburg als Kompetenzzentrum für die Krebstherapie weiter zu stärken, weil wir sehen, dass es durch die neue Technologie jetzt alle Therapiemöglichkeiten an einem Ort gibt und es daher nur schlüssig ist, dass man den Standort Marburg stärkt.

Das zeigt, dass diese Landesregierung alles andere vorhat, als den Medizinstandort Marburg zu schwächen. Die Stärkung von Marburg ist vielmehr das Ziel, und das ist auch das Signal, das wir heute an diesem Ort geben wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich darf zum Schluss feststellen: Es war ein steiniger Weg, bis hierhin zu kommen. Es hat sich ausgezahlt, einen langen Atem zu haben und auf Verhandlungen zu setzen. Wir GRÜNE freuen uns darüber, dass die Partikeltherapie nun endlich in Betrieb geht, weil sie vielen Menschen helfen kann, weil sie die Forschung in Marburg stärken kann.

Im Übrigen, Herr Dr. Spies – auch das haben Sie ja problematisiert – wird dies von der Universitätspräsidentin in Marburg ganz anders gesehen, als Sie das dargestellt haben. Wir sehen für den Medizinstandort Marburg große Entwicklungschancen und freuen uns, dass wir diesen Erfolg heute hier im Plenum begehen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Kollege May. – Das Wort hat der Staatsminister Boris Rhein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Spies, ich weiß nicht, ob ich Ihre freundliche kommunale Ankündigung als Drohung empfinden soll.

(Günter Rudolph (SPD): Das war ein Angebot!)

Nein, ich empfinde die nette Einladung nicht als Drohung, sondern in der Tat als Angebot. Wir werden in der Zukunft wohl noch mehr als bisher miteinander zu tun haben, weil es ja auch so ist, dass man immer wieder sagt: Viele Städte haben eine Universität; dieses wunderschöne Marburg ist eine einzige große Universität. Insoweit haben natürlich der Oberbürgermeister von Marburg und der Wissenschaftsminister immer einen engen Kontakt. So halte ich das mit Ihrem Vorgänger, und so werde ich es selbstverständlich auch mit Ihnen halten.

Ich denke, dass das, was Herr May gesagt hat, eintreten wird: dass Sie sich freuen werden, dass diese Landesregierung Kurs gehalten hat. Denn der 11. November ist wirklich ein guter Tag für Marburg und vor allem für den Standort Marburg gewesen. Er ist natürlich auch ein guter Tag für den Forschungsstandort Hessen gewesen. Auch das will ich nicht verschweigen. Aber er ist vor allem eines gewesen – ich glaube, das war auch der Grund, warum wir Kurs gehalten haben –: ein ganz besonders wichtiges Signal an die vielen schwer kranken Menschen, die große Hoffnungen in diese faszinierende hessische Technologie setzen.

Diese Technologie wird jetzt ein Team aus Wissenschaftlern, aus Experten einsetzen, die aus Marburg, aus Heidelberg kommen, die auf höchstem Niveau arbeiten. Sie werden sich insbesondere für Patienten einsetzen, denen keine Behandlung durch Operation oder durch konventionelle Bestrahlung angeboten werden kann. Das Faszinierende ist ja nicht die Technologie, sondern das Faszinierende ist, dass diese Menschen jetzt eine neue Perspektive für ihr Leben erhalten. Das gilt vor allem – ich denke, schon alleine deswegen haben sich diese Mühen gelohnt – für an Krebs erkrankte Kinder und junge Erwachsene. Die Strahlen dieser Marburger Anlage sind ganz besonders schonende Strahlen. Was es bedeutet, wenn man gerade die Prognose für junge Menschen, für Kinder, die an dieser schrecklichen Krankheit erkrankt sind, deutlich verbessert, muss ich an diesem Ort wohl nicht näher erläutern.

Die Universitätsmedizin in Marburg – ich bin Herrn May und Herrn Dr. Bartelt sehr dankbar dafür, dass sie das deutlich hervorgehoben haben – hat sich in den vergangenen Jahren, nein, man muss sagen, Jahrzehnten, zu Recht den Ruf einer exzellenten Adresse in der Krebstherapie erarbeitet. Das ist in allererster Linie das außerordentliche Verdienst des couragierten ärztlichen wie pflegerischen Personals vor Ort, aber es hat auch mit den richtigen politischen Weichenstellungen zu tun. Ich spreche Stefan Grüttner, den Gesundheitsminister, dabei an: Denken Sie an das hessische Onkologiekonzept, das entwickelt worden ist. Denken Sie – damit bin ich bei der gestrigen Debatte zum Haushalt – an den LOEWE-Schwerpunkt Tumor und Entzündung, den wir von 2008 bis 2012 entwickelt haben und der die Grundlage für die anschließende Entscheidung gebildet hat, in Marburg ein neues Zentrum für Tumor- und Immunbiologie, das ZTI, zu errichten, eine Anlage, deren Bau und Ausstattung Bund und Länder zusammen mit 49 Millionen € finanziert haben.