Protocol of the Session on December 12, 2017

Eines ist in der Anhörung immer wieder deutlich geworden. Wir waren mit Anträgen und mit Gesetzentwürfen im Hessischen Landtag schon einmal weiter. Im Jahr 2011 wurde ein Gesetzentwurf zu dieser Thematik diskutiert. Dieser ist bezogen auf viele Fragen – Sozialkonzept, Abstandsregelung, qualitative Kriterien usw. – gelobt worden. Die Anzuhörenden haben sich gewünscht, dass diese Kriterien aufgenommen werden. Das war der Gesetzentwurf der seinerzeitigen Oppositionsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Nun bringen Sie einen Änderungsantrag ein, mit dem Sie genau diese Ansätze, die gut sind, wieder zurückdrehen wollen.

Meine Damen und Herren, das ist der völlig falsche Weg. Wir möchten Ihnen gerne Gelegenheit geben, darüber und über andere Themen noch einmal ein paar Minuten nachzudenken, in der Hoffnung, dass Sie vielleicht doch diesen Weg einschlagen. Deswegen beantragen wir dazu eine dritte Lesung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Eckert. – Für die Linksfraktion hat sich Herr Schaus zu Wort gemeldet.

Überall Glücksspiel. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich spreche zum dritten Mal zu einem Gesetzentwurf in Sachen Glücksspiel. Offensichtlich hat das etwas mit der Zeit zu tun, dass wir heute so geballt darüber reden. Das setzt sich auch noch fort in Form einer dritten Lesung, wie ich vorhin zur Kenntnis genommen habe.

Die dem Spielhallengesetz zugrunde liegende Problematik der Spielautomaten ist – wie in der ersten Lesung und auch in der Anhörung bereits verdeutlicht wurde – nur bedingt auf Landesebene zu lösen. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, weil das ein großes Thema ist, auch wenn es um Glücksspielsucht geht, wenn es um Kinder und Jugendliche geht, die das in Gaststätten mitbekommen. Dennoch müssen wir alle Möglichkeiten ergreifen, die zur Verringerung und letztlich zur Vermeidung der von Spielautomaten ausgehenden Gefahren führen.

In der Anhörung zum Spielhallengesetz wurde vonseiten der Suchtberatung die Gefahr der Glücksspielautomaten klar aufgeführt. 82 % der Klientinnen und Klienten in den Suchtberatungen benennen nämlich das Spiel am Automaten als problemverursachendes Glücksspiel. Es ist daher unerlässlich, die Zahl der Glücksspielautomaten nachhaltig und spürbar zu senken.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir begrüßen es, dass die Koalition in ihrem Änderungsantrag – damit meine ich den Änderungsantrag Drucks. 19/5507, aber nicht den heute eingebrachten Änderungsantrag – endlich auch eines der Hauptprobleme, nämlich den Glücksspielautomaten in Gaststätten bzw. in den sogenannten Spielbistros, erkannt hat. Vor dem Hintergrund der Debatten in den vergangenen Jahren ist dies ein Fortschritt in Sachen Spieler- und Jugendschutz.

Die Alltäglichkeit oder auch die ständige Verfügbarkeit von Glücksspielautomaten, auch außerhalb von Spielhallen, stellt für viele Spielsüchtige ein großes Problem dar. Zum einen bieten sie ein hohes Rückfallpotenzial, zum anderen gaukeln sie auch eine gewisse Normalität von Glücksspiel in der Gesellschaft vor. Glücksspiel ist aber gerade an Glücksspielautomaten eine große Gefahr und keine Normalität.

Allein in Hessen sind etwa 25.000 und damit die absolute Mehrheit der 34.000 Menschen, die als problematische oder pathologische Spielerinnen und Spieler gelten, Spieler an Glücksspielautomaten.

Der gesamte volkswirtschaftliche Schaden, der durch Glücksspiel und seine Folgen pro Jahr entsteht, liegt schätzungsweise bei 6,6 Milliarden €. Die Tendenz ist steigend, da auch die Zahl der Spielautomaten in den vergangenen zehn Jahren erheblich gestiegen ist, und zwar um 131 % auf inzwischen fast 12.000 Geräte.

Vor diesem Hintergrund hoffe ich sehr darauf, dass die Landesregierung aufgrund ihrer neuen Erkenntnisse nun aktiv entsprechende Regelungen zum Spielerschutz gerade im Bereich der Spielautomaten über den Bundesrat anstoßen wird, damit die dringend notwendigen Regelungen auf Bundesebene endlich angegangen werden; denn das geht über den hessischen Rahmen weit hinaus.

(Beifall bei der LINKEN – Unruhe)

Augenblick einmal, Herr Schaus. – Ich möchte dringend anregen, Herrn Schaus zuzuhören und die Nebengespräche einzustellen.

Vielen Dank, Herr Präsident. Insbesondere auf der rechten Seite war es besonders laut.

Ebenfalls begrüßen wir grundsätzlich die Aufnahme eines Mindestabstandes von 300 m zwischen den Spielhallen im Änderungsantrag, auch wenn wir uns einen deutlich höheren Abstand von 500 m zu Kinder- und Jugendeinrichtungen gewünscht hätten, so wie es im ursprünglichen Entwurf vorgesehen war.

Wenn ich mir Ihren Änderungsantrag einmal anschaue, den Sie heute eingebracht haben, dann muss ich feststellen, dass Sie an dieser Stelle vor der Automatenwirtschaft vollkommen eingeknickt sind.

(Beifall der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Sie schreiben, dass es „eine Befreiung von dieser Anforderung für einen angemessenen Zeitraum“ geben soll. Herr Minister, ich wüsste gern, wie dieser angemessene Zeitraum zu bemessen ist. Ist das ein Jahr? Sind das drei Jahre? Sind das fünf Jahre? Sind das zehn Jahre oder vielleicht noch mehr?

Letztendlich belegen Sie mit Ihrem heute eingebrachten Änderungsantrag, dass Sie nicht bereit sind, der Spielsucht konsequent entgegenzutreten, sondern Sie vielmehr nach wie vor daran interessiert sind, willfährig die Interessen der Automatenindustrie zu vertreten. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf und auch den Änderungsantrag ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Schaus. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kasseckert das Wort.

Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen! Glücksspiel zum Dritten. Herr Schaus hat es eben schon gesagt. In den zurückliegenden Monaten haben wir uns schon mehrfach mit diesem Thema beschäftigt. Zum 30.06. hatten wir den Wegfall der Mehrfachkonzessionen, zurückgehend auf den Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahr 2012 mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren. Das Auslaufen des Spielhallengesetzes zum 31.12. macht es notwendig, dass wir uns mit diesem Gesetz beschäftigen. Insofern müssen wir verschiedene Dinge deutlich besser regeln – im Sinne des Ziels, das wir alle verfolgen, nämlich den Spielerschutz zu erhöhen und die Spielsucht einzudämmen.

Ich will aber vorwegschicken, dass ich der Überzeugung bin – das war im Übrigen auch ein Ergebnis der wissenschaftlichen Diskussion während der Anhörung –, dass wir mit der bloßen Reduzierung von Spielhallen weder Spielsucht entschärfen noch Spielerschutz betreiben können – ganz im Gegenteil. Ich glaube, die bloße Reduzierung von Spielhallen führt dazu, dass es ein Abwandern in die Ille

galität oder eben ein Abwandern in den Bereich der Internetspiele gibt.

(Beifall des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Das ist ein Bereich, der unkontrolliert und unserem Zugriff entzogen ist und der insbesondere bisher auch keinerlei spielschützende Maßnahmen darstellt.

Deshalb gibt es bei diesem Thema auch nicht schwarz und weiß, sondern es ist angebracht, ein Stück weit genauer auf die unterschiedlichen Zielsetzungen zu schauen.

Wir haben – das ist richtig, und deshalb gehen der Gesetzentwurf und auch der Glücksspielstaatsvertrag darauf zurück – eine übergeordnete Prägung von Spielhallen in den Innenstädten, insbesondere in den größeren Innenstädten. Da hat die Automatenindustrie möglicherweise überzogen. Das ist etwas, was wir nicht wollen. Deshalb sind der Wegfall der Mehrfachkonzessionen und auch das Abstandsgebot zwischen zwei Spielhallen der richtige Schritt dorthin.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Mit den 300 m Abstand dürfte das in den meisten Fällen dann auch unterbunden werden können.

Wir haben mit dem Gesetz Spielerschutz erhöhen wollen. Hessen ist – das will ich an dieser Stelle auch deutlich machen – derzeit das einzige Bundesland, das die Sperrabfrage beim Zutritt zu den Spielhallen einsetzt, das sogenannte OASIS-Programm. Ich muss an dieser Stelle auch sagen – das kam bei der Anhörung deutlich zum Ausdruck –, dass es in Hessen eben keine Jugendschutzverstöße gibt, die uns dazu führen, das Gesetz zu ändern, sondern dass wir andere Ziele hatten, beispielsweise Prävention. Deshalb sind mit dem Sozialkonzept die Schulung des Personals, auch die Dokumentation und verschiedene Maßnahmen in dem Gesetz aufgenommen worden, die genau dies zum Ziel haben: Spielerschutz auf der einen Seite und Prävention auf der anderen Seite.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, offen aber ist, dass wir verschiedene Maßnahmen im Gesetz leider nicht regeln können. Das ist die Situation, dass wir in Gaststätten oftmals Automaten haben, dass in Gaststätten Alkohol ausgeschenkt wird und dass es keine Sperrzeiten gibt, zumindest nicht diese Sperrzeiten, wie wir sie in den Spielhallen haben. Wir können hier keinerlei Kontrolle vornehmen. Insofern ist der Spieler völlig frei unterwegs, ohne dass er sich der Kontrolle des Gesetzgebers unterziehen muss.

Das ist etwas, was wir ändern wollen, aber in diesem Gesetz nicht ändern können. Dafür muss das Gaststättengesetz in Angriff genommen werden.

Die Spielerkarte ist heute auch schon diskutiert worden. Das ist eine Maßnahme, die sinnvoll und notwendig ist, die wir nur nicht allein in Hessen einführen können. Deshalb ist es notwendig, dass wir hierzu auf Bundesebene weiterhin tätig werden. Das finden Sie auch im Vorwort unseres Antrages.

Der Wegfall der Mehrfachkonzessionen, Verbesserung des Sozialkonzeptes – das waren die Dinge, die wir in die Diskussion eingebracht haben, ebenso eine weitere Verbesserung, nämlich die zusätzliche Abstandsregelung von 300 m zu Einrichtungen und Örtlichkeiten der Kinder- und Jugendhilfe.

Anders, als Sie es dargestellt haben, Herr Eckert, kam neben der Suchtseite auch von der wissenschaftlichen Seite die Feststellung, dass die bloße Abstandsregelung das Thema Spielsucht nicht wird auffangen können. In der Diskussion kam auch deutlich zum Vorschein, dass wir bei den Einrichtungen und Örtlichkeiten der Kinder- und Jugendhilfe ein Mehr an Definition brauchen. Denn – ich glaube, dass das nicht diskussionswürdig ist – an Kindergärten kann beispielsweise die Problematik der Spielsucht gar nicht erst entstehen. Das betrifft dreijährige, vierjährige und fünfjährige Kinder.

Anders ist es in Jugendzentren. Ich sehe die Gefahr auch nicht bei Grundschulen. Anders ist es aber bei weiterführenden Schulen, anders ist es auch in der Oberstufe. Von daher braucht es nähere Ausführungen. Neben dem, was wir hier im Gesetz ausgeführt haben, braucht es auch Ausführungsbestimmungen, die man den Kommunen präzise an die Hand geben kann, wo und wann die 300 m einzuhalten sind.

Ich sage es noch einmal: Uns geht es nicht darum, generell Spielhallen auszukehren, sondern hier qualitative Kriterien einzuführen. Dafür sind meiner Meinung nach beispielsweise Schulen ab der 5. Klasse, Jugendzentren und andere Plätze, wo sich Minderjährige und Jugendliche überwiegend aufhalten, auf keinen Fall ein Platz, wo eine Spielhalle entstehen sollte. Deshalb ist das in dem Gesetz noch einmal konkretisiert.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben auch diskutiert – Sie wissen, ich bin selbst lange Jahre Bürgermeister gewesen –: Wir haben auch einen Vertrauensschutz gegenüber denjenigen einzuhalten, die sich an die Rechtslage und die Übergangsfristen des Glücksspielstaatsvertrages gehalten und zum 30.06. ihre Anträge gestellt haben, wo aber die Anträge in vielen Fällen bis heute nicht entschieden sind.

Deshalb haben wir in unseren Änderungsantrag einen Vertrauensschutz aufgenommen, der besagt, dass diejenigen, die ihre Hausaufgaben gemacht und Anträge fristgerecht gestellt haben – im Übrigen, wie ich meine, auch diejenigen, die bisher gesetzeskonform Spielhallen betreiben –, auch nach dem Gesetz beschieden werden, das zum 30.06.2017 seine Gültigkeit hatte, sodass hier ein Vertrauensschutz entstanden ist.

Der Änderungsantrag, den wir Ihnen heute noch auf den Tisch gelegt haben, Drucks. 19/5768, korrigiert noch einen Redaktionsfehler. Das will ich an dieser Stelle auch deutlich sagen. Es ist nicht so, wie Sie, Herr Schaus, ausgeführt haben, dass wir da eingeknickt sind – ganz im Gegenteil.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Sie haben offenbar den letzten Satz überlesen. Eine solche Härtefallregelung ist verfassungsrechtlich geboten. Wenn wir uns nicht angreifbar machen wollen, dann nehmen wir diesen Passus mit auf. Deshalb empfehle ich die Zustimmung. Wir haben leider Gelegenheit, das in der anschließenden Ausschusssitzung und in der dritten Lesung noch einmal zu diskutieren. Aber ich glaube, wir sind mit dem Gesetz einen deutlichen Schritt weiter gegangen, als das bisher der Fall war.

Wir sind vielleicht noch nicht am Ende der Fahnenstange. Auch da werden uns die weiteren Erfahrungen noch die Möglichkeit geben, nachzujustieren. In dem Sinne glaube ich aber, es ist ein vernünftiges und gutes Gesetz im Sinne

von Spielerschutz und Prävention vor Sucht, auf der anderen Seite aber auch in dem Sinne, dass wir sagen: Dort, wo wir hinschauen können, wo der Markt geregelt ist, ist das allemal besser, als wenn Spieler in die Illegalität abtauchen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Kasseckert. – Für die Landesregierung spricht Staatsminister Al-Wazir.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir im Juni in der ersten Lesung über diesen Gesetzentwurf diskutiert haben, habe ich Ihnen eine muntere Debatte versprochen. Genau die hat es an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Gelegenheiten gegeben.