Herr Sarrazin hält keinen Vortrag, über den nicht mehr diskutiert wird, sondern er ist von mir eingeladen worden, um ein Streitgespräch mit Herrn Kenan Kubilay zu führen. Herr Kenan Kubilay ist – wer es nicht weiß; ich habe das Gefühl, manche im Raum wissen es nicht, sonst würden sie so nicht diskutieren –
der Sohn eines türkischen Zuwanderers, Journalist, Medienvertreter und Geschäftsführer eines Unternehmens in Offenbach Land, das mit Medien – Fernsehen, Zeitungen usw. – zu tun hat.
Er ist Mitglied der Integrationskonferenz des Landes Hessen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kubilay war einer der sieben Journalisten,die sich im letzten Jahr dafür eingesetzt haben, dass wir einen guten Integrationspreis verleihen konnten.
Herr Kubilay macht Integrationsarbeit in unserem Land. Ich bin der festen Überzeugung, dass uns gerade das Spannungsfeld – dafür stehe ich als Liberaler ein, Herr Kollege Merz – weiterbringen wird. Vielleicht wird die Diskussion am Dienstag ja zu dem Ergebnis führen, dass Herr Sarrazin einsieht, dass Polemik nichts mit Integration zu tun hat.
(Dr. Thomas Spies (SPD): Wer das für ein interessantes Spannungsfeld hält, hat ein Erkenntnisproblem, Herr Minister!)
Frau Kollegin Wissler, uns unterscheidet mehreres. Eines ist das Selbstbewusstsein, dass ich sage: Eine Veranstaltung in den Räumlichkeiten des Justizministeriums am kommenden Dienstag ist keine Vortragsveranstaltung mit entsprechenden Beifallskundgebungen für einen polemischen Auftritt, sondern sie dient der Diskussion, dem Diskurs auf Augenhöhe zwischen Herrn Sarrazin und Herrn Kubilay.
Zweite Bemerkung. Ich bitte herzlich darum, jetzt nicht noch einen Schritt über die Linie zu gehen; zwei Diskutanten haben das eben versucht. Keine der Äußerungen von Herrn Sarrazin sind Äußerungen von Jörg-Uwe Hahn.Also unterstellen Sie mir nicht, wie Sie es eben getan haben, ich würde die Meinung von Herrn Sarrazin übernehmen.
Seien Sie doch nicht so aufgeregt, Frau Kollegin. Ich kann es ja verstehen. Sie hatten keine Idee, was die Aktuelle Stunde bringen soll, und wollten Ihre Mündliche Frage aufpeppen. Das Thema ist versenkt, deshalb die Aufregung der LINKEN bei diesem Beispiel, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich lasse es aber nicht zu, dass Bilder aufgestellt werden, die mich in einen Zusammenhang mit Äußerungen von Herrn Sarrazin bringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin unter anderem – das unterscheidet mich ein bisschen von meinem Vorredner – über eine Anzeige der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die Voltaire zitiert hat, in die Politik gekommen:
Ich bin vollkommen anderer Auffassung als Sie, ich werde mich aber dafür einsetzen, dass Sie Ihre Auffassung äußern können.
Das ist liberal, das führt zu Meinungsaustausch, und dieser Meinungsaustausch wird am kommenden Dienstag im Justizministerium auf Augenhöhe geführt. Ich bedauere sehr, dass Sie sich an dieser Debatte nicht beteiligen.
Vielleicht wäre es ein Erkenntnisgewinn nicht nur für mich, für Herrn Kubilay und für Herrn Sarrazin, sondern auch für Sie.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich wollte Herrn Hahn eine Frage stellen!)
Ich weise Sie auf Folgendes hin. Es gibt im Ablauf der Debatte eine Änderung.Die Geschäftsführer haben sich darauf vereinbart, dass zunächst Tagesordnungspunkt 18 aufgerufen wird. Danach wird eine Aussprache über einen Dringlichen Antrag zum Thema Cicero geführt. Der Dringliche Antrag liegt aber noch nicht vor.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend Aufkündigung des Konnexitätsprinzips durch die Landesregierung bei der Umsetzung der Verordnung über Mindestvoraussetzungen in Kindertagesstätten – Drucks. 18/1789 –
Danke, darauf hatte ich gewartet. – Im vorliegenden Fall, bei der Frage der Umsetzung der Verordnung über die Mindestvoraussetzungen in Kindertagesstätten, wünschte ich, ich würde am Ende mit meinen Befürchtungen nicht recht behalten.Ich wünschte,meine Fraktion und ich hätten unrecht mit unserer Befürchtung, dass die Landesregierung und die sie tragende Koalition im Begriff sind, in der Frage der Finanzierung der Verbesserung der Bedingungen an unseren Kindertagesstätten einen doppelten Wortbruch zu begehen.
Ich wünschte, der Familienminister würde sich am Ende der Debatte an dieses Pult stellen und sagen: „Jawohl, es bleibt dabei, dass die Personalsituation in den Kitas verbessert wird, die Verordnung über die Mindestvoraussetzungen bleibt in Kraft, und es bleibt bei meinem Wort, dass gegenüber den Kommunen und den freien Trägern das Konnexitätsprinzip angewendet wird, dass also das Land für die verbesserten Personalstandards ohne Wenn und Aber in der Pflicht bleibt.“
Herr Minister Banzer, die Gelegenheit, das zu sagen, haben Sie in den letzten Wochen mehrfach verstreichen lassen. Wir hoffen, dass das nicht auch heute der Fall sein wird. Wir hatten und haben leider Anlass zu der Vermutung, dass hinter den Kulissen der angesprochene doppelte Wortbruch vorbereitet wird. Wir haben Anlass zu der Vermutung, dass hinter den Kulissen vom Finanzminister mit einigen CDU-Kollegen aus dem Landtag und einigen kommunalen Amtsträgern ein übles, offensichtlich abgekartetes Spiel gespielt wird, dessen Verlierer in erster Linie die Kinder und die Eltern in Hessen,das KitaPersonal, aber auch die Kommunen und die freien Träger sein werden.
Meine Damen und Herren, die Eltern, die Beschäftigten und die Wohlfahrtsverbände haben lange für eine bessere Personalausstattung der Kitas gekämpft. Die Kampagne der Liga „Vorfahrt für Entdecker“ hatte 2008 eine ganz ungewöhnliche Resonanz. Vor diesem Hintergrund hat sich die damalige Ministerin Lautenschläger entschlossen, einen neuen Entwurf für eine Verordnung über die Mindestvoraussetzungen vorzulegen.Der Entwurf wurde modifiziert; das Ergebnis war ein tragbarer Kompromiss – eine Erhöhung der Personalausstattung in den Kindergärten von 1,5 auf 1,75 pro Gruppe –, allerdings mit der klaren Verpflichtung,diese Ausstattung auch einzuführen. Ich konzentriere mich jetzt auf diesen Eckpunkt der Verordnung. Dies war, ich habe es schon gesagt, ein halbwegs vernünftiger Kompromiss,und damit war auch anerkannt, dass – unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls – eine substanzielle Verbesserung der Personalausstattung in den Kindergärten stattfinden musste.
Dieses Versprechen ist schon durch die Aussetzung des Vollzugs der Verordnung ausgehöhlt worden.Darüber haben wir hier im letzten Jahr mehrfach diskutiert. Jetzt ist aber die Rede von einem vollständigen Moratorium, z. B. in dem ominösen Papier aus der Tiefe des osthessischen Raumes. Ein solches Moratorium würde nichts anderes bedeuten – das steht im Grunde genommen ganz unverblümt in diesem Papier –, dass es in Zukunft wieder in das Belieben der einzelnen Kommunen oder des einzelnen Trägers gestellt würde, bessere Personalstandards anzubieten oder eben nicht. In der Praxis würde das ohne Zweifel vielerorts zu vollständigem Stillstand und man
cherorts sogar zu einem Rückschritt führen. Die Verbesserung der Qualität der Betreuung, Erziehung und Förderung der Kleinsten würde damit wieder vollständig zur Disposition gestellt. Das wäre ein Wortbruch allererster Güte. Das wäre der Wortbruch Nummer eins.
Der Wortbruch Nummer zwei betrifft die zentrale Frage der Finanzierung,den Umgang mit dem Verfassungsgebot der Konnexität. Anwendung des Konnexitätsprinzips – das war das Versprechen, das die Landesregierung den Kommunen auf der Kommunalkonferenz anlässlich des Hessentags 2009 gegeben hatte und das seitdem in allen möglichen Varianten erneuert wurde: durch Sie, Herr Minister Banzer, und durch Ihre Staatssekretärin hier im Plenum, im Ausschuss und im Landesjugendhilfeausschuss. Versprochen war eine vollständige, auch rückwirkende, spitz abgerechnete Erstattung des Landes aus eigens dafür bereitgestellten Mitteln, wie es bei der Anwendung des Konnexitätsprinzips gar nicht anders sein kann.
Auch in dieser Frage, befürchten wir, steht ein Wortbruch bevor.Was offensichtlich bevorsteht,was in ominösen Gesprächen hinter den Kulissen vorbereitet wird, von denen auch Sie gesprochen haben, ist ein Deal, der darauf hinausläuft, das Konnexitätsprinzip gegen eine teilweise Rücknahme der beabsichtigten 400-Millionen-c-Kürzung im Kommunalen Finanzausgleich einzutauschen. Damit wären nicht nur die Eltern, sondern auch die Kommunen und die freien Träger düpiert, die im Vertrauen auf die dutzendfach wiederholte Zusicherung eines vollständigen Ausgleichs der Mehrkosten in mehr Personal investiert haben. Wer sich auf die Zusagen der Landesregierung verlassen hat,wäre der Gelackmeierte.Das Wort von Minister Banzer, das Land erkenne seine Verpflichtung zum vollen Ausgleich an, wäre offensichtlich genauso wenig wert wie seinerzeit seine Versprechungen in Sachen Schulsozialarbeit.
Wenn es also so käme – darauf wollen wir ganz eindringlich hinweisen –, wie es hinter den Kulissen offensichtlich gedacht und vorbereitet wird, dann würde es sich um einen doppelten Wortbruch handeln. Das wäre eine fachliche Bankrotterklärung. Herr Minister Banzer, ich hoffe und wünsche mir sehr, dass dies im Interesse der Sache nicht der Fall sein wird, dass Sie das heute und hier richtigstellen, dass die Landesregierung dieses eine Mal zu ihrem Wort stehen wird.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Merz, wir haben das Thema Konnexität und Mindestverordnung schon sehr ausführlich beraten.Sie haben an dieser Stelle ein gewisses Misstrauen. Ich möchte aber sagen, dass wir als FDP-Fraktion im Ausschuss immer wieder erklärt haben, dass die Umsetzung der Mindestverordnung, vor allem im Hinblick auf die Verbesserung der Personalausstattung, konnexitätsrelevant ist. Das Prinzip der Konnexität greift hier.Ich bin zwar kein Jurist,