Ich will nun zu den Punkten kommen, die aus meiner Sicht die besonderen Herausforderungen sind, die in dieser Großen Anfrage abgefragt wurden und wo man an den Antworten ablesen kann – man hat das auch an den Redebeiträgen von Frau Wolff und Herrn Lenders gemerkt –, dass es hier noch viel zu tun gibt und die Landesregierung und die Mehrheitsfraktionen des Landtags – aus meiner Sicht leider – bisher verkannt haben, was die Aufgaben sind, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen werden,bzw.was schon jetzt hätte erfüllt werden müssen, um den Iststand auch nur einigermaßen erträglich zu gestalten.
Frau Wolff, ich unterhalte mich gerne mit Ihnen über die Frage der Freiheit des Internets. Das ist eine spannende Debatte.Aber ich finde,dass das,was wir hier debattieren, eine Frage der Infrastruktur ist. Wir reden – das ist vielleicht die einzige Kategorie, die Sie verstehen – über das Internet wie über Straßen. Dass Straßen manchmal auch von Verbrechern in Autos benutzt werden, spricht nicht gegen Straßen.
Man hat Ihrer Rede angemerkt, dass Sie offensichtlich nicht verstanden haben, welche dramatischen Umwälzung, auch in der Wirtschaftsstruktur, gerade geschehen und wie sehr gerade im ländlichen Raum – der ländliche Raum fängt manchmal schon in der Großstadt an,auch da gibt es unversorgte Bereiche – die Frage, ob man Zugang zu wirklich leistungsfähigem Breitbandinternet hat, für den wirtschaftlichen Erfolg von unglaublicher Bedeutung ist.
Herr Lenders hat gesagt, es sei alles in bester Ordnung. Frau Wolff, Sie haben gesagt, alles sei in bester Ordnung. Ich sage Ihnen, nichts ist in Ordnung. Im März hat der Wirtschaftsminister auf eine Mündliche Frage hier im Plenum gesagt, dass von 2008 bis 2013 2,3 Millionen c für das Breitbandinternet vom Land Hessen bereitgestellt werden sollen. Sie haben offensichtlich selbst gemerkt, dass das ein Witz ist, wenn Sie das einmal mit dem vergleichen, was eigentlich nötig ist. Wir haben 97 Gemeinden – der Kollege Görig hat es schon gesagt – mit Ortsteilen ohne Zugang zum Internet.Wenn wir „ohne Zugang“ sagen, dann reden wir von einer Verbindungsrate von un
ter 1 Megabit pro Sekunde.Das heißt,selbst wenn Sie eine Versorgung mit 1 Megabit pro Sekunde schaffen und dann nach bisheriger Definition eigentlich keine weißen Flecken mehr haben, müssen wir uns doch klarmachen, dass VDSL in den Großstädten inzwischen mit 50 Megabit pro Sekunde arbeitet, dass Sie also selbst dann, wenn Sie einen 1-Megabit-Zugang haben, in Situationen kommen werden,wo in der Zukunft bestimmte Anwendungen nicht mehr möglich sind.
Im März hat Wirtschaftsminister Posch gesagt,für 2008 bis 2013 sind 2,3 Millionen c für das Internet vorgesehen. Der Staatssekretär im Wirtschaftministerium hat in der kursorischen Lesung in dieser Woche gesagt, dass im selben Zeitraum dieselbe Regierung für den Landesstraßenbau 1 Milliarde c ausgeben will. Ich denke, deutlicher kann man nicht machen, dass Sie offensichtlich in Ihrer wirtschaftspolitischen Vorstellung von dem, was Fortschritt ist, im letzten Jahrhundert stehen geblieben sind, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen.
Herr Grüttner, es ist schön, dass Sie von der Regierungsbank dazwischenrufen, was Sie eigentlich nicht dürfen, aber das gibt mir Gelegenheit, Folgendes zu sagen.Am 3. Januar – das war vor der Wahl – war in der „FAZ“ zu lesen, dass Sie zum Stichwort Konjunkturpakete gesagt haben: Es könnten 50 Millionen c in das Breitbandkabelnetz für schnelle Internetverbindungen in den ländlichen Regionen gesteckt werden. – Wissen Sie, was davon übriggeblieben ist? In der „Frankfurter Rundschau“ vom 23. Juli steht: Das Land unterstützt ein Projekt im WerraMeißner-Kreis mit 750.000 c und außerdem ein Modellprojekt in Hofbieber.– Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierung und von den Regierungsfraktionen, dann verlieren wir den Anschluss an zukunftsfähige Wirtschaftsmöglichkeiten in diesem Bundesland. Wer das nicht versteht, der zeigt, dass er von vorgestern ist.
Wir haben,was den demografischen Wandel angeht,in bestimmten Bereichen des Landes in der Zukunft große Probleme. In Zukunft wird es nicht nur um die Frage gehen, was ein Haus kostet, es wird nicht nur um die Frage gehen, welche Schulen in der Umgebung sind, es wird nicht nur um die Frage gehen, wie die Verkehrsinfrastruktur aussieht, sondern die Frage wird auch sein – die wird auch jetzt schon gestellt –: Welche Zugangsrate hat der Internetanschluss? Wenn Sie dann in bestimmten Regionen sagen müssen: „Eine schlechte“, oder „Gar keine“, dann werden sich der demografische Wandel und damit die Probleme, die wir schon jetzt haben, verschärfen.
Es ist jetzt schon einiges vorgelegt worden – Stichwort: Leerrohrprogramm. Ich glaube, dass ein paar Leute immerhin schon verstanden haben, was für ein Problem wir da haben. Aber ich wünsche mir, dass dies nicht nur von ein paar Leuten verstanden wird, die vielleicht in den zuständigen Referaten der Ministerien sitzen, sondern dass auch die Regierung und die Regierungsfraktionen endlich begreifen, dass sie mit einer Wirtschaftspolitik à la Schorsch Leber – nach dem Motto: möglichst viele Auto
Ein zweiter Punkt ist in diesem Zusammenhang ganz wichtig. Die Landesregierung blendet bei den Medienaktivitäten bisher völlig aus, dass wir im Rhein-Main-Gebiet eine große Chance haben, was die Kreativwirtschaft, die Medien, die Spieleentwicklung und die Software mit allem, was dazugehört, angeht.
Auch da ist es aus meiner Sicht völlig falsch, wenn man sich immer nur vorstellt, die Wirtschaftspolitik bestehe darin, möglichst viele und möglichst breite Stücke Beton in die Landschaft zu gießen. Ich glaube, Sie müssen sich einfach einmal vergegenwärtigen – der Kulturwirtschaftsbericht hat es gezeigt –, dass wir im Rhein-Main-Gebiet schon vor drei Jahren fast 50.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in der sogenannten Kreativwirtschaft hatten. Es hat lange gedauert, bis die Stadt Frankfurt – einer ist jetzt hierhin gewechselt – das verstanden hat, und es dauert offensichtlich noch ein bisschen länger, bis die Landesregierung das ganze Potenzial endlich wahrnimmt,meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen.
Deswegen glaube ich,dass die Antwort auf die Große Anfrage eines gezeigt hat: Diese Landesregierung hat an bestimmten Punkten großen Nachholbedarf, was die Modernität von Wirtschaftspolitik und die Medienaktivitäten angeht. Wenn wir in diesem Schneckentempo weitermachen – anders kann man es nicht nennen –,können wir das digitale Zeitalter,in dem wir uns befinden,für uns nicht so nutzen, wie wir es eigentlich müssten.
Dritter Punkt. Ich wünsche mir, dass diese Große Anfrage die Leute in den Ministerien, die dazu veranlasst wurden, sie zu beantworten, auch weiterhin animiert und dass sie dann, nach „oben“ gewandt, sagen: Liebe Leute, wir haben da ein Problem; wir müssen mehr tun.
Ich fordere ausdrücklich nicht insgesamt mehr Geld.Aber schauen Sie sich einmal an, wie viel Geld für das Landesstraßenbauprogramm ausgegeben wird: 150 Millionen c in diesem Jahr und 150 Millionen c im nächsten Jahr. Dann führen Sie sich einmal vor Augen, was dieselbe Regierung – dieselbe Mehrheit – in derselben Zeit für das Breitband macht. Sie werden feststellen, dass es so wirklich nicht weitergehen kann. – Vielen herzlichen Dank.
Schönen Dank,Herr Kollege Al-Wazir.– Für DIE LINKE hat jetzt Herr Dr.Wilken das Wort. Sie haben zehn Minuten Redezeit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Einerseits freut es einen, wenn man in diesem Haus mitbekommt, dass es die Regierung durchaus versteht, auch einmal ausführliche Antworten auf Anfragen zu geben. Das ist schließlich alles andere als selbstverständlich.
Andererseits haben meine Vorredner schon darauf hingewiesen, dass nicht bei jeder Frage die Quantität der Antwort mit der Qualität übereinstimmt.
Ich will nichts wiederholen und mich deswegen nur auf den Breitbandzugang zum Internet in unserem Hessenland beschränken. In der Bewertung und in der Auswertung der Antwort der Landesregierung haben wir von den Vertretern der Regierungsfraktionen gerade zwei bemerkenswerte Positionen gehört.Herr Lenders hat ganz überzeugend die Position vertreten: Wasch mich, aber mach mich nicht nass.
Sie haben beide herumgeeiert, als es darum ging, ob das, worüber wir reden, zur Grundversorgung, zur Infrastruktur oder zur Daseinsvorsorge zählt. Aber Herr Lenders hat ganz deutlich gesagt: Wenn es privatwirtschaftlich nicht machbar ist, können wir als Staat nichts tun. – Herr Lenders, ich übergebe Ihnen die Verantwortung für die Menschen in den ländlichen Regionen, die auf die wirtschaftliche Entwicklung und auf die demokratische Teilhabe verzichten müssen. Das ist FDP-Politik in Hessen. Das haben Sie deutlich gemacht.
Frau Wolff, wenn Sie, statt inhaltlich Stellung zu nehmen, lieber die Fragesteller wegen des Umfangs oder der Pointierung ihrer Fragen kritisieren, muss ich Ihnen sagen: Sie erklären,Ihr Ziel sei es,alle Haushalte anzuschließen.Damit akzeptieren Sie zugleich die Antwort, dass es eben nicht alle Haushalte sind. Aber mein Vorredner, Herr AlWazir, hat schon darauf hingewiesen: Was heißt es denn, die Haushalte anzuschließen? Wer in diesem Raum ist denn bei der Arbeit mit der Übertragungsgeschwindigkeit von 1 Megabit pro Sekunde zufrieden? Das sind die Basisdaten, auf die sich auch die Antwort der Landesregierung stützt. Niemand von uns ist damit zufrieden.
Ich würde gar nicht einmal so weit gehen wie Herr Al-Wazir und sagen: Natürlich gibt es Übertragungsgeschwindigkeiten von 50 Megabit pro Sekunde. – Aber wir sollten einfach als Standard festlegen, dass alle Übertragungsgeschwindigkeiten, die unter 6 Megabit pro Sekunde liegen, kein Unternehmen überzeugen, in einem solchen Ortsteil einen Betrieb aufzumachen; denn sie müssen schlicht und ergreifend die Daten, auch wenn es nur um Adressdaten geht, übertragen bekommen.
Es ermöglicht auch nicht den Schülerinnen und Schülern – wir haben heute Morgen über moderne Museumspädagogik geredet –, die Angebote, die es im Internet zu Bildung, Ausbildung und Weiterbildung gibt, in adäquater Weise wahrzunehmen.Auch da schließen Sie Menschen in unserem Land von demokratischer Teilhabe und wirtschaftlicher Entwicklung aus.
Meine Damen und Herren, ich will ganz deutlich machen, wie die Position der LINKEN ist: Der Anschluss an das Internet ist öffentliche Daseinsvorsorge.
Da können wir uns auch nicht hinter die EU zurückziehen, sondern es geht darum, die demokratische Teilhabe in unserem Land zu ermöglichen. Es ist an einer Stelle, an der es die Privatwirtschaft aus Profitgründen nicht will, die staatliche Aufgabe, nachzubessern und allen Menschen – auch in Hessen – den gleichen Zugang zum Internet zu ermöglichen. – Ich bedanke mich.
Herr Dr. Wilken, Sie haben zum Schluss genau gesagt, worum es geht,was Sie eigentlich wollen.Sie sind der Meinung, die Konsequenz sei, dass dies eine staatliche Aufgabe ist und dass es zur Daseinsvorsorge zählt. Das ist genau die Konsequenz, die ich eben zitiert habe. Genau das entsteht daraus.
Aber,Herr Wilken,nehmen Sie einfach einmal zur Kenntnis: Wenn Sie das staatlich regeln – Sie sagen, es geht nur um die Teile, die für die Privaten nicht interessant sind –, führt das am Ende dazu, dass Sie überhaupt keine privaten Anbieter mehr haben, weil Sie das staatlich komplett in die Hand nehmen. Das ist Staatswirtschaft, keine soziale Marktwirtschaft.
Herr Lenders, wenn die Zuweisung der Aufgaben an den Staat, die wir zu Recht vornehmen, dazu führen würde, dass sich die Privaten überhaupt nicht mehr betätigen,
gäbe es keine schwarzen Sheriffs in unseren U-Bahnen und keine privaten Wachdienste in unseren Kaufhäusern.
Ich will darauf hinaus, dass Sie für das, was Sie hier politisch wollen, die Verantwortung übernehmen. Sie sollen die Verantwortung dafür übernehmen, dass in unserem Land Menschen von der demokratischen Teilhabe und der wirtschaftlichen Entwicklung ausgeschlossen werden. Das ist FDP-Politik in Hessen. – Danke.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die Debatte von Beginn an verfolgt hat, erkennt, dass auf der Grundlage der Struktur der Fragen dieser Großen Anfrage natürlich eine ganze Bandbreite an Feldern angesprochen wurde,auf die dann mit den jeweiligen Schwerpunktsetzungen auch in den Debattenbeiträgen eingegangen wurde. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass nahezu jedes Ressort der Hessischen Landesre
gierung bei der Beantwortung dieser Großen Anfrage beteiligt war. Genauso waren auch die Landesanstalt für privaten Rundfunk und die Staatskanzlei beteiligt. Das ist Ihr gutes Recht. Nur macht es das etwas schwierig, eine Struktur in die Debatte hineinzubekommen.