Ein letzter Punkt. Den haben Sie völlig vergessen, und da weicht Ihr Entwurf auch von dem ab, was der Staatsgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht gesagt haben. Was Sie völlig übersehen haben, ist der Schutz der
Beschäftigten. In den Zeiten steigender Arbeitslosigkeit, mit denen zumindest viele in naher Zukunft rechnen, ist nun einmal ein Job in einer Kneipe nicht unbedingt einer, den man sich dringend ausgesucht hat und wo man beliebig sagen kann:Ach, den lasse ich jetzt, weil es da qualmt. – Nein, der Schutz der Beschäftigten in Gaststätten sollte für uns ein hohes Gut sein.
Die Vorgabe war „inhabergeführte Gaststätte“ gewesen, weil sie davon ausging, dass weitere Beschäftigte genau nicht dem Rauch ausgesetzt sind. Eine solche Vorgabe müsste unseres Erachtens auf jeden Fall eine Regelung enthalten, dass Menschen, die in Gaststätten beschäftigt sind und keinen Vorteil davon haben, dass sich der vermeintliche oder fantasierte Umsatzzuwachs durch das Erlauben von Rauchen realisiert, nicht vor der Alternative „Gesundheit oder Job“ stehen. Die Frage, dass Rauchverbotsausnahmen nur an solchen Orten genehmigt werden können, an denen keine abhängig Beschäftigten davon betroffen sind, müsste eine Regelung wert sein.
Meine Damen und Herren, wir werden Ihren Gesetzentwurf mit großem Interesse weiter prüfen. Wir sehen mit großem Interesse der Anhörung und den fachlichen Stellungnahmen entgegen. Manchmal hat man das Gefühl, dass es die fundierte Erkenntnis schwer hat, sich durchzusetzen. In dieser Anhörung werden wir noch einmal schauen, ob wir nicht zu einer Lösung kommen, die sehr viel sachgerechter ist als das,was Sie hier vorgelegt haben. Vielleicht war es gut gemeint – gut gemacht war es auf keinen Fall.
Vielen Dank, Herr Dr. Spies. – Herr Schaus, Sie haben jetzt die Möglichkeit, für die Fraktion DIE LINKE das Mikrofon zu übernehmen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit zwei Jahren ist das hessische Gesetz zum Nichtraucherschutz in Kraft; Kollegin Schulz-Asche hat schon darauf hingewiesen. Nach anfänglicher öffentlicher kontroverser Diskussion wird es mittlerweile von fast allen akzeptiert, fast alle haben sich daran gewöhnt – außer der FDP-Männerfraktion.
Meine Damen und Herren,das Bundesverfassungsgericht hat im Juli 2008 drei zentrale Aussagen getroffen: erstens die Zuständigkeit der Länder, den Schutz der Nichtraucherinnen und Nichtraucher vor den Gefahren des Passivrauchens zu regeln – das ist sozusagen der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts –, zweitens den Schutz der Gesundheit der Gesamtbevölkerung im Auge zu haben, drittens eine Regelung für die sogenannten Eckkneipen vorzusehen.
Auf der Basis dieser bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung ist unserer Meinung nach keine weitergehende Gesetzesregelung notwendig und sollte auch nicht stattfinden. Die Existenz der Eckkneipen ist gesichert und soll durchaus in dem Rahmen, wie ihn das Bundesverfassungsgericht abgesteckt hat, auch von uns akzeptiert werden.
Der jetzige Gesetzentwurf geht aber weit darüber hinaus. Das beginnt schon bei der Definition einer Eckkneipe mit 75 m2 Gastfläche, also ohne Theke, ohne Nebenräume, ohne Toiletten, ohne Gehwege. Das sind schon sehr große Eckkneipen, die da definiert werden.
In dem vorliegenden Gesetzentwurf sind darüber hinaus weitere Ausnahmen vorgesehen: die geschlossene Gesellschaft, also im Wesentlichen Familienfeste. Dort sind vom Passivrauchen – darauf ist schon von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern hingewiesen worden – aber auch Kinder und Angestellte betroffen. Das ist für uns eine zentrale Frage.
Ich habe den Eindruck,dass sich die FDP unter Festzelten immer irgendwelche zugigen, windigen, im Wind flatternde Zelte vorstellt, die natürlich gut durchlüftet sind. In der Zwischenzeit finden wir auf den Festen aber sehr große, geschlossene, oft mit festen Außenwänden installierte gebäudeähnliche Vorrichtungen, wo viele Angestellte arbeiten müssen.
Kinder unter 18 Jahren sollen in Festzelte, wenn sie als Raucherzelte ausgewiesen sind,nicht hinein.Ich stelle mir das praktisch vor. Am Sonntagmittag, wenn die Familie auf der Dippemess, oder wo auch immer ein örtliches Fest stattfinden wird,etwas gemeinsam trinken oder essen will, dann findet eine Ausgrenzung statt: Der Papa geht hinein, holt etwas zu essen, und die Kinder müssen draußen warten, weil sie in das Festzelt nicht hineindürfen. – Ich habe große Zweifel, inwiefern das, was Sie hier vorgelegt haben, praxistauglich ist.
Weshalb die Spielbanken ausgenommen werden sollen – Kollegin Schulz-Asche hat schon darauf hingewiesen –, ist uns auch nicht klar.Oder wollen Sie behaupten,dass Spieler grundsätzlich Kettenraucher seien und deshalb das Geschäft angekurbelt werden müsste? Im Übrigen trifft es auch hier wieder Angestellte, die dort arbeiten.
Ebenso unklar bleibt die Ausweitung der Regelung bei Diskotheken und Tanzlokalen. In dem jetzigen Gesetzentwurf ist unklar, welche weiteren Veränderungen vorgenommen werden sollen. Sie übernehmen zwar die Rechtsvorschrift des § 2 Abs. 6, wonach durch Rechtsverordnung des Gesundheitsministers weitere Ausnahmen möglich sind, „wenn durch technische Vorkehrungen ein gleichwertiger Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens wie bei einem Rauchverbot gewährleistet werden kann“. Meine Damen und Herren, unabhängig davon, dass wir da einen Technikstreit bekommen werden, ist unserer Meinung nach überhaupt nicht nachvollziehbar, wie durch technische Maßnahmen ein gleichwertiger Schutz – wohlgemerkt: gleichwertiger Schutz – gewährleistet werden kann. Den gibt es nicht. Insofern ist auch die jetzt bestehende Regelung zu hinterfragen.
Was wir in dem Gesetzentwurf vorfinden, ist ein Freibrief für weitere Aufweichungen des Rauchverbots. Das ist für uns nicht akzeptabel. Unsere Position ist, dass der Nichtraucherschutz Gesundheitsschutz ist und dass der Gesetzgeber darauf bedacht sein muss, dass alle Arbeitnehmer vor gesundheitlichen Risiken zu schützen sind. Der Gesetzgeber muss darüber hinaus alle Kinder bis zum 18. Lebensjahr vor diesen gesundheitlichen Risiken schützen. Das ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf überhaupt nicht gewährleistet.
Die Eckkneipen sind, wie gesagt, durch das Bundesverfassungsgericht gesichert.Wenn sich selbstständige Wirts
leute entscheiden, sich in eine Räucherkammer zu stellen und dort ihrem Gewerbe nachzugehen, dann mögen sie das für sich entscheiden und auch für die Folgen eigenständig Verantwortung tragen. Aber der Kollege vor mir hat schon darauf hingewiesen, dass es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eben nicht freigestellt ist, darüber selbstständig zu entscheiden, ob sie sich als Bedienung, als Beschäftigte in den Gaststätten, in den Diskotheken, in den Festzelten usw. diesem Rauch aussetzen wollen. Sie haben keine Entscheidungsfreiheit. Hier ist ein entsprechend hohes Gut, nämlich der Nichtraucherschutz betroffen, der, wie es in § 5 der Arbeitsstättenverordnung klar zum Ausdruck kommt, hier auch den Vorrang hat.
Die weiteren Ausnahmeregelungen, wie sie in dem Gesetzentwurf vorgesehen sind, sind aus unserer Sicht nicht notwendig und auch nicht sinnvoll. Deshalb lehnen wir den derzeit vorliegenden Gesetzentwurf ab. Dem Nichtraucherschutz muss Vorrang gewährt werden, wie es das Bundesverfassungsgericht entschieden hat.
Herr Rentsch, lassen Sie mich das zum Schluss sagen, weil Sie von einem lebensnahen Gesetz gesprochen haben: Wie wahr, wie wahr. Die Luft ist raus. Da stimme ich Ihnen vollkommen zu.
Danke, Herr Schaus. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Dr. Bartelt zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Dr. Bartelt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht forderte in seinem Urteil vom 30. Juli 2008 die Landesgesetzgeber auf, ihre Nichtraucherschutzgesetze verfassungsgemäß neu zu formulieren.Der vorliegende Gesetzentwurf setzt diese Forderung um, damit der Nichtraucherschutz rechtssicher gemacht wird.
Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden, Behörden, Schulen und Krankenhäusern ist und bleibt der Kern des Hessischen Nichtraucherschutzgesetzes.
Es folgt der Erkenntnis, dass in Deutschland jährlich über 100.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums sterben, davon immerhin 4 % Passivraucher. Es berücksichtigt weiterhin, dass erste Erfolge der Nichtraucherschutzgesetze durch einen Rückgang entsprechender Erkrankungen messbar sind.
Diese Nichtraucherschutzgesetze werden in der Bevölkerung im Grundsatz auch befürwortet und führten auch zum Rückgang des Rauchens, insbesondere bei Jugendlichen.Auch in der Gastronomie entwickelt sich eine weitgehende Akzeptanz. Speisegaststätten konnten vereinzelt sogar Zuwächse verzeichnen.Aber kleine, getränkeorientierte Gaststätten, wie Eckkneipen, verzeichneten erhebliche Umsatzrückgänge, die in mehr als einem Drittel zu Existenzgefährdungen oder gar Betriebsstilllegungen führten. Hinter diesen Zahlen des DEHOGA stehen Menschen.
Über zahlreiche Klagen entschied nun das Bundesverfassungsgericht. Es besteht eine Ungleichbehandlung von
großen Gaststätten,die einen Nebenraum für Raucher errichten können, gegenüber kleinen Gaststätten, die dies räumlich und baulich nicht können. Die Landesgesetzgeber wurden verpflichtet,diese Ungleichbehandlung zu beenden. Als Übergangsregelung bis Ende 2009 schlug das Bundesverfassungsgericht vor, den Wirt einer Eckkneipe entscheiden zu lassen, ob seine Gäste rauchen dürfen. In diesem Fall muss die Raucherlaubnis deklariert sein und Minderjährigen der Zutritt verwehrt werden.
Diese Übergangsregelung, die für die beklagten Gesetze in Baden-Württemberg und Berlin vorgeschrieben wurde, wurde auch von Hessen und anderen Bundesländern übernommen, da derselbe Sachverhalt vorlag. Alle Länder müssen bis Ende 2009 aktiv werden, damit am Ende nicht eine rechtsfreie Lage den Nichtraucherschutz gefährdet. Der Landesgesetzgeber hat nun die Möglichkeit, diese Übergangsregelung durch Gesetz zu verfestigen und den Rechtsfrieden damit herzustellen.
Die Alternative wäre, das Rauchen in der gesamten Gastronomie generell zu verbieten. Wir haben uns nach sehr sorgfältiger Abwägung und ernsthafter Diskussion für die erste Alternative entschieden. Es ist die bessere Alternative. Ein generelles Rauchverbot würde die Eckkneipen flächendeckend vernichten, die Zahl der Arbeitslosen vermehren,
die wegen ihrer beruflichen Lebensläufe meistens keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, und die Strukturen von Gemeinden und von Stadtteilen, besonders mit sozialen Brennpunkten, gefährden.
Aus diesem Grund hat sich nach heutigem Stand auch kein Bundesland für ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie entschieden. Darüber hinaus müsste der Gesetzgeber mit Schadenersatzforderungen von Gastronomen rechnen, die durch Umbauten Nebenräume geschaffen haben.
Herr Kollege Dr. Bartelt, Sie haben gerade erwähnt, dass durch ein Rauchverbot in Gaststätten ein Zusammenbruch der kleinen Gaststätten zu erwarten wäre. Da Deutschland eines der letzten Länder ist, die einen konsequenten Nichtraucherschutz einzuführen versuchen, frage ich Sie, wie die Erfahrungen in anderen Ländern sind.
Mir ist kein anderes europäisches Land bekannt, wo es zu einem Zusammenbruch kleinerer Gaststätten durch den Nichtraucherschutz gekommen wäre.Vielleicht haben Sie andere Informationen.
Die Gaststättenkultur ist natürlich von Land zu Land unterschiedlich. Es gibt Länder, wo es einen Zusammenbruch gab, z. B. Irland.
Die Umfragen des DEHOGA basieren auf Realitäten der Eckkneipenbesitzer.Kein Unternehmer gibt in einer Umfrage gerne zu, dass seine Existenz gefährdet ist.
Der Gesetzentwurf stellt klar, dass diese Nebenräume von Jugendlichen nicht betreten werden dürfen. Ein ausnahmsloses Rauchverbot in der Gastronomie stößt auch nicht auf gesellschaftliche Akzeptanz. Nach einer Allensbach-Umfrage wünschen nur 15 % ein generelles Rauchverbot. Mehr als 50 % befürworten eine differenzierte Regelung.
Eine Rücknahme der jetzigen pragmatischen Übergangsregelung würde die kontinuierliche Meinungsentwicklung für das Nichtrauchen unterbrechen. Die Bürger müssen auch in einer solchen Frage mitgenommen werden. Der Rechtsfrieden muss hergestellt werden. Die oft sehr aggressive Sprache beider Seiten in einer unversöhnlichen Debatte soll ein Ende haben.
Diese positive Meinungsentwicklung spiegelt sich auch in der Gesetzgebung wider. Erinnern Sie sich: Noch bis 1975 war Zigarettenwerbung in Radio und Fernsehen erlaubt. Noch 1998 wurde im Bundestag ein Nichtraucherschutzgesetz abgelehnt. Sie erinnern sich an die Diskussion, ob die Formel 1 durch die Tabakindustrie gesponsert werden darf.Hier sind wir in der Meinungsbildung weiter,und das ist auch richtig so.
Wir wollen nicht, dass dieser Streit wieder aufflammt und eine unversöhnliche Debatte diese Entwicklung stoppt. Heute besteht Konsens über Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden. Wir streiten im Wesentlichen über wenige Ausnahmeregelungen in der Gastronomie. Es ist falsch, wenn bei allem Streit über diesen Punkt der Eindruck erweckt werden soll, der Gesetzentwurf ermögliche wieder das flächendeckende Rauchen in den Gaststätten, bis hin zu den realitätsfernen Formulierungen in dieser Debatte, wir wollten durch die Hintertür Raucherklubs wieder einführen, oder wir würden das Raucherabteil der Republik.
Sie wissen, dass auch in den Oppositionsparteien das Thema kontrovers diskutiert wird, wie in der Gesellschaft insgesamt. Viele SPD-Gliederungen auf kommunaler Ebene haben sich für den Erhalt der Eckkneipen stark gemacht, so auch die Frankfurter SPD.Auch ein Antrag der GRÜNEN in der letzten Wahlperiode wollte immerhin in der inhabergeführten Eckkneipe das Rauchen noch gestatten.