Protocol of the Session on October 7, 2009

Sie wissen, dass auch in den Oppositionsparteien das Thema kontrovers diskutiert wird, wie in der Gesellschaft insgesamt. Viele SPD-Gliederungen auf kommunaler Ebene haben sich für den Erhalt der Eckkneipen stark gemacht, so auch die Frankfurter SPD.Auch ein Antrag der GRÜNEN in der letzten Wahlperiode wollte immerhin in der inhabergeführten Eckkneipe das Rauchen noch gestatten.

Eine zweite Ausnahmeregelung betrifft die geschlossene Gesellschaft. In der Praxis ist dies wirklich die Familienfeier. Die Gaststätte ist dann für andere Gäste nicht zugänglich und hat für diese Zeit auch nicht mehr den Charakter des öffentlich zugänglichen Raums.

Wir legen Wert darauf – noch einmal, weil es hier in der Debatte falsch gesagt wurde –, dass Raucherklubs durch

diesen Gesetzentwurf ausdrücklich ausgeschlossen werden. Bei der Familienfeier ist nach unserer Auffassung die Wahrnehmung der Verantwortung des Einladenden gegenüber seiner Familie und Freunden deutlich wirksamer als die Ordnungsbehörde. Wer dies gesetzlich mit Verboten und Strafen regeln will, kann dann intellektuell kaum noch begründen, warum er denn in der privaten Wohnung das Rauchen gestatten möchte.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist ein infamer Vorwurf!)

Die vorgeschlagenen Regelungen zu Festzelten, Maßregelvollzug und Spielbanken vervollständigen den Gesetzentwurf. Wir hoffen, dass mit diesem Gesetzentwurf Rechtsfrieden hergestellt wird, ein Konsens in der Gesellschaft entwickelt wird, eine unversöhnliche Debatte beendet wird, ein Beitrag zu gleichartigen Regelungen in den Bundesländern geleistet wird, um den Nichtraucherschutz insgesamt rechtssicher zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Danke sehr, Herr Dr. Bartelt. – Für die Landesregierung darf ich Herrn Staatsminister Banzer das Wort geben.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Jetzt bin ich gespannt! – Günter Rudolph (SPD): Sie wollten es eigentlich auch nicht haben!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Rauchen schadet der Gesundheit.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Günter Ru- dolph (SPD): Kein Beifall bei der FDP!)

Eigentlich wissen das alle. Eigentlich wissen das alle auch schon seit Langem. Trotzdem ist der Versuch des Staates und vieler anderer vernünftiger Institutionen, den Menschen das Rauchen abzugewöhnen, eine Geschichte von vielen Misserfolgen.

Deswegen gehöre ich zu denen, die überrascht sind, dass die Regelungen zum Nichtraucherschutz, die in den letzten Jahren in Deutschland entwickelt wurden, so große Akzeptanz in der Bevölkerung bekommen haben. Wenn man einer Umfrage des Krebsforschungszentrums Heidelberg glaubt, akzeptieren rund 77 % der Bevölkerung inzwischen die Nichtraucherschutzregeln. Außerdem ist es eine seltene,aber erfreuliche Ausnahme im Bereich der Prävention, wo wir ständig wie Sisyphos arbeiten und immer den Fels nach oben rollen müssen, dass inzwischen auch die Zahl der Raucheranfänger, der jugendlichen Raucherinnen und Raucher ganz nachhaltig nach unten gegangen ist. Ich glaube, das sind Punkte, die zeigen, dass wir mit der Nichtraucherschutzgesetzgebung auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Gesetze müssen so sein, dass sie von der Bevölkerung akzeptiert werden. Insoweit glaube ich, dass wir unserem Verfassungsgericht wieder dankbar sein müssen,dass es in diesem Streit, der in der Gesellschaft hohe Relevanz und hohen Konfliktstoff geboten hat, Leitlinien eingezogen

hat, die auch für uns im Rahmen unserer Nichtraucherschutzgesetzgebung relevant sind.Die Alternative,die das Verfassungsgericht in völliger Klarheit stellt, ist eindeutig: entweder gerecht oder absolut Nein. Hier müssen wir zur Kenntnis nehmen: „Absolut Nein“ wollten wir nicht. Ich glaube auch, dass wir mit „absolut Nein“ die 77 % Akzeptanz bei der Bevölkerung in Deutschland nicht hinbekommen hätten.Also müssen wir es gerecht machen.

Natürlich hat das hessische Gesetz bisher nicht auf dem Prüfstand des Verfassungsgerichts gestanden. Aber die Leitlinien, übertragen auf Hessen, würden uns dazu bringen müssen, dass unser Gesetz den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts nicht entspricht. Dann halte ich es für problematisch, unsere Verwaltungsstrukturen, unsere Ordnungsbehörden anzuhalten, ein Gesetz umzusetzen, dem an einer wichtigen Stelle zumindest der verfassungsgerichtliche Zweifel auf der Stirn steht.

Deswegen war die Anweisung richtig, zu versuchen, das, was das Verfassungsgericht entschieden hat, in der Verwaltungspraxis unserer Ordnungsbehörden zu leben. Ich führe genau diese Anweisung als Grund an, dass wir zu dieser relativen Beruhigung in der gesamten Diskussion gekommen sind. Ich glaube, dass es deswegen richtig und konsequent ist, dies jetzt gesetzlich neu zu regeln.

Dabei können wir – das ist wiederum ein Erfolg, den der gesamte Landtag für sich in Anspruch nehmen kann – mit einem gewissen Stolz darauf verweisen, dass es Studien über den Erfolg dieses Nichtraucherschutzgesetzes gibt, den Fachleute selbst nicht glauben wollten. Aber nachdem es inzwischen acht verschiedene wissenschaftliche Studien gibt, müssen wir doch beschließen, es ernst zu nehmen, dass die Zahl der Herzinfarkte zwischen 25 und 35 % weltweit überall dort gesunken ist, wo wirksame Nichtraucherschutzgesetze greifen.

Das Gesetz wirkt also. Nichtrauchen hält Menschen länger gesund.Es kommt jetzt darauf an,dass wir das in einer Weise gesetzlich regeln, dass wir die gesellschaftliche Akzeptanz behalten, damit wir nicht pausenlos die Ordnungsbehörden auf die Gaststätten loslassen müssen, sondern dass die Gesellschaft das System insgesamt will. Das bedeutet Geben und Nehmen. Ich bin guter Dinge, dass die Vorschläge, die gemacht wurden, dazu geeignet sind, eine solche Befriedung der Diskussion zu erreichen. Im Übrigen glaube ich, dass man auch an dieser Stelle das sagen darf, was auch der geschiedene Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Struck, einmal gesagt hat: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so,wie es eingebracht worden ist.“

Insoweit glaube ich, dass es sicherlich nicht schaden kann, zu diesem Gesetz eine Anhörung zu machen. Ich bin ganz sicher, dass alle Fraktionen die Diskussionsbeiträge prüfen werden; denn eines ist am Schluss wichtig – das bitte ich jemandem abzunehmen, der als ehemaliger Landrat auch für diesen Bereich Verantwortung trug –: Wir müssen das Gesetz so formulieren, dass die Ordnungsbehörden wirksam zugreifen können und ihre Entscheidungen in jeder Kommune Hessens gleichermaßen Anwendung finden, damit keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen, die uns nachher wieder Ärger machen würden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Banzer. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Ende der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktio

nen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Nichtraucherschutzgesetzes.

Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung dem Ausschuss für Arbeit, Familie und Gesundheit zu überweisen. – Das ist so beschlossen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 14 auf:

Zweite Lesung des Dringlichen Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Erweiterung der Mitbestimmung – Drucks. 18/1136 zu Drucks. 18/420 –

Außerdem wird Tagesordnungspunkt 15 aufgerufen:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Reform des hessischen Reisekostenrechts und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Hessischen Personalvertretungsgesetzes – Drucks. 18/1137 zu Drucks. 18/860 –

Dazu ist ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 18/1196, eingereicht worden.

Zur Berichterstattung zu beiden Gesetzentwürfen, Frau Kollegin Faeser.

Ich trage die Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu dem Dringlichen Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Erweiterung der Mitbestimmung, Drucks. 18/420, vor.

Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, den Dringlichen Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.

Ich komme zur Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Reform des hessischen Reisekostenrechts und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Hessischen Personalvertretungsgesetzes, Druck. 18/860.

Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum einstimmig, Art. 1 in zweiter Lesung anzunehmen. Er empfiehlt mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE und DIE LINKE zweitens, Art. 2 bis 7 in zweiter Lesung anzunehmen. Er empfiehlt mit den Stimmen von CDU und FDP bei Stimmenthaltung von SPD,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE drittens,den Gesetzentwurf in zweiter Lesung anzunehmen.

Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser, für die Berichterstattung. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Rudolph das Wort. Redezeit: siebeneinhalb Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wintermeyer, wenn Sie nicht immer so beratungsresistent wären, hätte ich mir den Weg zum Pult ersparen können.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Axel Wintermeyer (CDU): Das erschließt sich mir nicht! – Zurufe von der CDU: Dito!)

Das dachte ich mir. Sie sind ja Jurist. Ich habe den normalen Menschenverstand angewandt.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Wir haben einen Gesetzentwurf zur Einführung von echten Mitbestimmungstatbeständen im Hessischen Personalvertretungsgesetz eingebracht. Der Antrag war insbesondere dadurch begründet, dass z. B. sogenannte ständige freie Mitarbeiter beim HR praktisch keine Möglichkeit haben, als Gruppe gehört zu werden. Dabei handelt es sich um eine Personengruppe von immerhin einigen Hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Gerade diese Gruppe, die auch wirtschaftlich in einer schwierigen Situation ist, sollte die Gelegenheit haben, ihre Interessen vorzubringen. Wir können insbesondere die Argumentation des Intendanten des Hessischen Rundfunks nicht nachvollziehen. Sie ist nur insoweit nachvollziehbar, als es natürlich angenehmer ist, wenn eine große Interessengruppe unter den Beschäftigten sich nicht zu Wort melden kann und man daher auf ihre Interessen nicht eingehen muss. Das entspricht aber nicht einer modernen Personalpolitik. Deshalb war und ist unser Antrag gut, diesem Mitarbeiterkreis Mitbestimmungsrechte zu geben. Leider hat sich die Regierungskoalition aus CDU und FDP unseren sachgerechten Argumenten wieder einmal verschlossen, was wir sehr bedauern.Trotzdem bleibt es richtig.

Ich komme zu dem Gesetzentwurf der Landeregierung. Wir haben dieser Tage eine Fülle von Gesetzen zu beraten, aber eine echte Evaluierung findet im Grunde bei keinem Gesetz statt, obwohl Sie das bei der Einführung der Befristung von Gesetzentwürfen versprochen haben. Sie sagen eigentlich bei jedem Gesetz ganz pauschal, es habe sich bewährt und müsse deshalb in seiner Geltung verlängert werden.Übrigens:Die FDP war einmal mit der Forderung nach weniger Bürokratie angetreten. Ich habe aber den Eindruck, es gibt mehr Gesetze und damit auch mehr Bürokratie.Deswegen ist das an der Stelle schon bemerkenswert.

Sie haben die Regelung nicht wieder eingeführt, dass die Personalvertretungen mitbestimmen können, wenn es um Umorganisationen und Strukturveränderungen in der hessischen Landesverwaltung geht. Ich erinnere an die „Aktion düstere Zukunft“. Damals haben Sie das Gesetz schnell geändert,damit sich die Mitarbeiter eben nicht beteiligen konnten. Genau das ist der falsche Ansatz. Moderne Personalpolitik, zumindest eine Personalpolitik des 21. Jahrhunderts, zeichnet sich dadurch aus, dass man die Mitarbeiter mitnimmt, befragt, ihre Vorschläge aufgreift. Ich glaube, die Mitarbeiter sind in aller Regel durchaus bereit, in schwierigen Situationen unpopuläre Maßnahmen mitzutragen, wenn sie das Gefühl haben, der Dienstherr nimmt sie ernst und nimmt sie mit. Genau das machen Sie nicht. Deswegen ist das ein falsches Signal. Sie haben versäumt, Mitbestimmungstatbestände im HPVG wieder einzuführen. Hessen ist im Grunde eine mitbestimmungsfreie Zone.Das ist bedauerlich.Wir wollten das ändern.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Doch,es ist so,Herr Kollege Blechschmidt.Sie haben offensichtlich immer noch die komische Vorstellung der FDP im Kopf, dass Mitbestimmung etwas ganz Schlimmes sei.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Nein!)

Gerade die mitbestimmungsgeführten Unternehmen haben auch in Krisenzeiten bewiesen,dass es gut ist,die Probleme zusammen mit den Mitarbeitern zu lösen, nicht die Mitarbeiter als die Ursache des Problems zu sehen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Oftmals bekommen die hochgelobten Manager dicke Boni, aber die Zeche zahlen die Mitarbeiter.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Das ist ein ganz anderes Ansinnen, was Sie da haben!)

Deswegen ist es mehr als bedauerlich, mehr als schade, dass Sie die Möglichkeit der Evaluierung nicht genutzt haben, dass Sie unsere sinnvollen Vorschläge abgelehnt haben und dass der bedauernswerte Zustand in Hessen im Grunde so bleibt, wie er ist. Das können wir im Moment nicht ändern; wir weisen trotzdem darauf hin. Deswegen können wir natürlich auch der Verlängerung der Geltungsdauer des HPVG so nicht zustimmen.