Protocol of the Session on April 6, 2011

(Beifall bei der CDU)

Der dritte und letzte Punkt aus meiner Sicht, der in den nächsten Tagen und Wochen uns sehr viel beschäftigen wird, ist nicht nur die Frage, wie wir ersetzen können, wir werden uns noch viel konzentrierter als bisher der Frage zuwenden, wie wir vermeiden können. Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass das wesentliche Einsparpotenzial für auch atomar erzeugte Energie darin liegt, dass wir insbesondere in die Energievermeidung investieren. Das bedeutet zum Beispiel, wie der Bundesumweltminister auch in dieser Woche angekündigt hat, dass wir wieder in die Gebäudesubstanz investieren müssen, um entsprechende Energieverschwendungen zu minimieren. Wir müssen in Technologie, aber auch in Substanz investieren, und das wird – da machen wir uns alle nichts vor – eine erhebliche Kraftanstrengung bedeuten, die auch Geld kosten wird. Die Umsteuerung, die Energiewende in regenerative oder anders erzeugte Energien ist nicht zum Nulltarif zu haben. Das muss man den Menschen, die in diesen Tagen besorgt auf die Ereignisse in Japan und Fukushima schauen, auch sagen. Es wird ein gemeinsamer Kraftakt werden, der es eben auch erforderlich macht, alle Finanzmittel in die Frage von Technologien und Umsetzung von Substanz zur Vermeidung von Energieverschwendung zu setzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird in diesen Tagen in dieser Debatte eine ganze Menge über Glaubwürdigkeit geredet.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Zu Recht!)

Natürlich zu Recht, und es ist auch völlig klar, dass der Sachverhalt, über den wir reden, von den politischen Parteien in der Vergangenheit auch unterschiedlich bewertet worden ist. Deswegen kann natürlich eine Partei, die sozusagen mit der Anti-Atomkraft-Bewegung groß geworden ist, mit sehr viel mehr Glaubwürdigkeit den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie vertreten und fordern. Meine herzliche Bitte und mein Appell ist eben nur, Herr Dr. Güldner, dass uns dies – und da bin ich sehr froh über das, was Sie gesagt haben – nicht den Weg verstellt. Es nützt uns nichts, wenn wir rückblickend sagen, wir haben es schon immer besser gewusst. Das, was die Menschen jetzt von uns erwarten, ist,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Handeln!)

dass wir gemeinsam eine tragfähige, akzeptierte und nicht nach politischen Opportunitäten ausgerichtete Lösung finden. Ich sage Ihnen zu, dass die Bremer CDU diesen Weg gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und unserem Bundesumweltminister gehen will. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Rupp, die Kosten in Milliardenhöhe, die die Bundesregierung an die Betreiber jetzt wahrscheinlich bezahlen muss, sind Kosten, die natürlich wie immer der Steuerzahler zahlen muss. Insofern, wenn ich dafür nicht die finanzielle Verantwortung trage, kann ich mich natürlich auch mit jedem anlegen. Selbstverständlich, meine Damen und Herren, bin ich auch für einen sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie, aber gleichzeitig bin ich auch ein realistisch denkender Mensch, und ich frage mich, wenn wir von heute auf morgen, wie es ja viele fordern, alle 17 Kernkraftwerke abschalten würden, was dann? Tatsache ist doch, es geht leider nicht von heute auf morgen, und wir können leider noch nicht den gesamten Energiebedarf – nicht einmal ansatzweise – durch erneuerbare Energie bedarfsgerecht abdecken. Deutschland ist weltweit die einzige Industrienation, die aus der Kernenergie aussteigt. Wir brauchen aber für den Endverbraucher eine sichere und bezahlbare Stromversorgung.

Das heißt, während andere europäische Länder und gerade die osteuropäischen Länder wie zum Beispiel Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und so weiter ein Kernkraftwerk nach dem anderen mit weitaus weniger Sicherheitsstandards als bei uns planen und bauen, müsste Deutschland nach der Abschaltung aller Kernkraftwerke den Strom sehr teuer

zum Beispiel aus Bulgarien, wie schon erwähnt, Frankreich, Tschechien, Ungarn, Polen und so weiter importieren, wo selbst neugebaute Kernkraftwerke einen erheblichen katastrophalen und extrem risikoreichen Sicherheitsstandard haben. Ich will damit sagen, der Ausstieg aus der Kernenergie ist ein gesamteuropäisches, wenn nicht sogar weltweites politisches Problem. Was nützt ein sofortiges Abschalten aller Kernkraftwerke in Deutschland, wenn wir von weitaus unsicheren Kernkraftwerken nur so umzingelt und bedroht sind? Radioaktive Gefahren und Strahlungen machen bekanntlich vor Grenzen nicht halt, und das sage ich in aller Deutlichkeit!

Viele Menschen sind zwar mit dem Gewissen gegen Atomkraft, aber mit dem Geldbeutel für die Atomkraft, bestes Beispiel: Das Magazin „Extra“ hat vor Kurzem eine Umfrage gestartet, Kernkraftwerke abschalten. Alle, aber auch alle Personen haben gesagt, sofort alle Kernkraftwerke abschalten, sofort abschalten! Aber bei der zweiten Frage, von welchem Anbieter sie ihren Strom beziehen, kam heraus, dass alle befragten Personen ihren Strom aus Kernenergie beziehen. Ich weiß nicht, wie Sie das nennen, ich jedenfalls nenne das heuchlerisch mit einem unrealistischen Wunschdenken.

Was mich an der ganzen Kernkraftdebatte besonders aufregt, ist die Unehrlichkeit – verlogen darf ich gar nicht sagen – vom Bündnis 90/Die Grünen, die aus dieser schrecklichen Katastrophe in Japan auch noch ihre guten Wahlergebnisse erschleichen. Da sitzt zum Beispiel der grüne Oberguru Jürgen Trittin lächelnd und arrogant in fast jeder Talkshow und wettert heuchlerisch gegen Kernkraft. Da kann ich nur sagen, er war doch in einer rot-grünen Bundesregierung sogar Bundesumweltminister, er hätte doch als Bundesumweltminister die politische Macht dazu gehabt, Kernkraftwerke abschalten zu können, sogar abschalten zu müssen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Es sind ja schon welche abgeschal- tet worden!)

Lieber Herr Dr. Güldner, mein politisches Motto ist, sei nett zu deinem politischen Gegner, und du treibst ihn langsam in den Wahnsinn. Bei Ihren Zwischenrufen scheint meine Methode ja schon ziemlich erfolgreich zu sein.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich muss es jetzt noch machen, bald geht es nicht mehr!)

Meine Damen und Herren, er hat als Bundesumweltminister die politische Macht dazu gehabt, Kernkraftwerke abschalten zu können, ja sogar zu müssen, denn dass die jetzt sieben bis acht abgeschalteten Kernkraftwerke ziemlich unsicher sind, das wusste der damalige Minister Trittin doch auch schon

lange. Er hat als Bundesumweltminister, aus welchen Gründen auch immer, ich weiß es ja nicht, nichts gemacht. Das Gegenteil! Waren es nicht Bündnis 90/ Die Grünen, die im Wahlkampf in Hamburg gegen das Kraftwerk in Moorburg gewesen sind?

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, absolut!)

Als Sie die politische Macht hatten, war dies ganz anders. Damals haben sie ganz anders regiert. Regieren ist immer ein grobes Eingeständnis, nicht wahr?

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Die Welt ist eine Scheibe, und Män- ner sind klüger als Frauen!)

Kompromisse aus Machtgehabe und Machtgefühl eingehen zu müssen, tut schon weh. Ich bin bestimmt kein Sympathisant der CDU, mit Sicherheit nicht,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Toi, toi, toi!)

aber was Recht ist, muss Recht bleiben! Ja, nun lachen Sie nicht, Sie können gleich lachen!

Erstens waren es die CDU und die FDP, die überhaupt erst einmal einige Kraftwerke abgeschaltet haben. Das hätte ich eigentlich viel eher vom Bündnis 90/Die Grünen, also von der sogenannten AntiAtomkraft-Bewegung, erwartet. Zweitens blieb dieser Regierung nach dieser schrecklich verheerenden Katastrophe in Japan doch gar nichts anderes übrig, als ihre Kernpolitik neu zu überdenken und neu zu bewerten. Das hätte jede andere Regierung auch machen müssen. Hätte sie nämlich gar nicht gehandelt, ja, dann hätte der aufgeblähte, kluge Oberguru Trittin – –. Das möchte ich nicht erleben, was er dann gesagt hätte.

(Glocke)

Dann hätte ich das kluge Geschrei vom Bündnis 90/ Die Grünen nicht erleben mögen.

(Unruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Bleiben Sie ganz ruhig, bleiben Sie ganz ruhig!

Wir müssen schnellstens die erneuerbaren Energien ausbauen, noch mehr fördern, damit der Strom in Deutschland kostengünstig

(Glocke)

und bedarfsgerecht mit erneuerbarer Energie abgedeckt werden kann, und das so schnell wie möglich.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Jetzt hat er es uns aber gegeben! – Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Lügen haben kur- ze Beine!)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte gern auf zwei Dinge eingehen, die Herr Dennhardt genannt hat. Natürlich ist es nicht irgendeine Form von Ende-derWahlperiode-Aktionismus, sondern wir haben eine Situation, in der jetzt erst einmal drei Monate dieses Moratorium in Kraft ist. Das ist in meinen Augen auch mehr als nichts. Ich bin aber in der Tat skeptisch, ob das durchgehalten wird, da brauchen sie mich nicht katholisch machen! Ich akzeptiere nur, dass es jetzt erst einmal so ist. Ich finde sie abgeschaltet besser, als wenn sie weiter liefen.

Wir haben jetzt natürlich die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass in diesen drei Monaten möglichst viele Argumente, Tatsachen und Sachzusammenhänge auf den Tisch kommen und möglichst viele Menschen – unabhängig von ihrer parteilichen Präferenz – davon überzeugt werden, dass es der richtige Weg ist, aus der Atomenergie auszusteigen. Zu diesem Zweck haben wir gesagt, wir selbst in Bremen können kein Atomkraftwerk abschalten, aber wir können ein paar Dinge tun.

Wir können nämlich erstens, wie wir es auch in unserem Antrag gefordert haben, die Menschen möglichst zügig darüber informieren, wie es um die Sicherheit der umliegenden Kernkraftwerke bestellt ist. Dies können wir als Bürgerschaft tun, und ich finde, das kann auch die rot-grüne Landesregierung. Wir können die Menschen auch darüber informieren, wie wir es unter Punkt drei gefordert haben: Wie ist es denn eigentlich mit bestehenden Katastrophenplänen und allem, was damit zusammenhängt? Ich bin relativ sicher, wenn diese Informationen auf den Tisch kommen und wenn wir dem Senat diese konkreten Handlungsschritte mit auf den Weg geben, sind Sie in der Lage, jetzt noch diese Dinge auf den Tisch zu legen, und wir können sie in der Tat auch im Wahlkampf diskutieren.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Wahlkampf und Katastrophenpläne?)

Selbstverständlich muss man dies tun, weil es dann noch eine ganze Reihe mehr Argumente gibt.

Ich bin davon überzeugt, dass Atomkraft keine Lösung ist und man sie dringend abschalten muss. Des––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

wegen haben wir diese beiden Forderungen aufgestellt und gesagt, darüber müssen die Leute informiert werden. Ich finde, das ist in der zeitlichen Abfolge, insbesondere vor dem Hintergrund des dreimonatigen Moratoriums, eine machbare Aufgabe.

Nebenbei bemerkt, in dem Antrag „Energiewende jetzt“ von der SPD und den Grünen sind vergleichsweise wenig konkrete Handlungsaufforderungen. Darin sind eine ganze Reihe sehr vernünftiger und sehr richtiger Aussagen hinsichtlich der Frage, was die Bürgerschaft will und welche Position sie hat. Es ist aber auch notwendig, konkrete Schritte zu unternehmen und sehr genau zu sagen, was man in der verbleibenden Zeit tun kann. Möglicherweise kann man sich das eine oder andere ja auch schon einmal für nach den Wahlen vornehmen und dem dann im Amt befindlichen Senat auch ein paar Aufträge mit auf den Weg geben, um diese Informationen dann herauszuholen.

Noch einmal zu der Frage der Skepsis: Ich habe es bewusst vermieden, diese Frage hier zu diskutieren. Die Bürgerinnen und Bürger und insbesondere die Anti-AKW-Bewegung wissen aber, dass Skepsis bei der Frage, ob bestimmte Dinge dann auch durchgesetzt werden, wenn man Wahlen gewonnen hat und in der Regierung ist, nicht nur bei SPD und CDU angebracht ist. Ich habe eine ganze Reihe von Jahren rot-grüne Bundesregierung miterlebt. Ich kenne Ihre Wahlprogramme. Ich weiß, was dann beschlossen worden ist, unter anderem, was den Atomkonsens angeht, aber auch andere Dinge. Dies macht mich in vielen Fragen skeptisch, ob die Dinge, die wir heute anders wollen, anders wären, wenn die Rot-Grünen wieder regierten. Das ist jetzt aber nicht der Punkt. Heute ist die Frage der Skepsis in dieser Frage nur begrenzt angebracht.

Wenn man einen gemeinsamen Beschluss will, ist meine Bitte noch einmal, dass Sie Punkt zwei und drei unseres Antrags in Ihren Beschlussantrag übernehmen. Ich werde deswegen einzelne Abstimmung der Punkte eins bis vier unseres Antrags beantragen. Dies tue ich hiermit für das Protokoll und bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist von der FDP ganz zu Anfang über die Energiepreise gesprochen worden. Meine Herren, wenn Sie über Energiepreise aus Atomkraftwerken sprechen, dann müssen Sie auch das ganze Bild sehen, Sie müssen die Realität betrachten! Zum einen ist feststellbar, dass für die vier Energieriesen über das Abschreiben dieser alten Atomkraftwerke ein Herstellungspreis von circa zwei Cent

pro Kilowattstunde zu erzielen ist. Aber warum ist das so niedrig?

Ganz einfach, weil die Gesellschaft nämlich die ausgegrenzten Folgekosten zahlt! Das heißt, die Atomtransporte werden ausgegrenzt, auch die Entsorgung beziehungsweise die Lagerung und die Lagerzeit werden von der Gesellschaft gezahlt. Wenn man solche immensen Positionen, die über Tausende von Jahren praktisch laufen, nicht berücksichtigt, dann haben sie natürlich günstige Preise. Wenn sie diese aber einrechnen, dann haben sie einen Energiepreis von ungefähr über einem Euro pro Kilowattstunde. Wenn sie dann noch von günstiger Atomenergie sprechen, dann frage ich mich, wie sie dies berechnen.

Auch ist darüber gesprochen worden, wir würden zu wenig Energie haben, weswegen wir importieren müssten. Das ist auch nicht richtig, denn in einer der letzten Erhebungen ist herausgekommen, dass es für die vier Energieriesen eigentlich günstiger ist, im Ausland Energie einzukaufen, zum Beispiel aus Frankreich. Frankreich ist hauptsächlich wegen der Atomkraftwerke günstiger, dementsprechend gibt es dort nicht den Energiemix, wie wir ihn vorhalten. Das heißt, im Vergleich zur eigenen Herstellung ist der Einkauf von Energie noch günstiger, aber das kann man doch nicht unterstützen! Wenn wir Tschernobyl noch einmal Revue passieren lassen, das vorhin auch schon angesprochen worden ist, ich glaube, dass viele es vielleicht vergessen haben, an dieser Katastrophe im Jahr 1986 habe ich heute noch zu kauen. Dann all die Störfälle, die wir in Europa und international haben, die als leicht eingruppiert werden, aus meiner Sicht aber schon nicht als leicht anzusehen sind!