Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst für die CDU-Bürgerschaftsfraktion sagen, wir begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, weil es auch einen klaren Auftrag für den Gesetzgeber bedeutet. Im Übrigen ist es kein Urteil, was völlig überraschend ist, das muss man sagen. Wir Sozialpolitiker haben ein Stück weit auch dieses Urteil ersehnt, weil es eine Rechtsklarheit bringt. Es ist aber, das muss man auch sagen, immer eine Aufgabe von Politik, zuallererst eine Regelung zu finden, und nicht von Gerichten. Insofern aber hat das Bundesverfassungsgericht in der Tat am 9. Februar einen wichtigen Spruch geleistet und den Bundesgesetzgeber aufgefordert, für transparente Bemessungsgrundlagen zu sorgen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat daraufhin sofort erklärt, dass sie auch zügig zu einer Lösung kommen will, und wir sind sehr froh, dass Bundesministerin Frau Dr. von der Leyen bereits eine Expertengruppe eingerichtet hat, denn es ist sinnvoll, dass wir hier zu klaren Grundlagen kommen und auch die Bedarfe gerade von Kindern klar erfassen. Die sind im Grunde genommen die Gewinner, denn was wir bisher in der Bedarfserrechnung für den Regelsatz hatten, war etwas Zusammengesuchtes. Dort waren zum Beispiel keine Bedarfe für Bildungsaufwendungen eingerechnet. Gerade Kinder in dem Alter, wie sie hier sind, brauchen eine finanzielle Unterstützung, aber auch eine sachgerechte Unterstützung für ihre Bildung. Daher hat das Bundesverfassungsgericht hier eine klare Aussage getroffen, auch zur Frage der Abzüge, die zum Teil auch doch relativ willkürlich getroffen wurden. So wurden zum Beispiel 15 Prozent der Energiekosten für Kinder pauschal abgezogen. Da fragt man sich: Woher nimmt man das? Da hat das Gericht auch klar gesagt, das kann so nicht sein, und das muss nachweisbar sein. Nun haben wir eine Verbraucherstichprobe aus dem Jahr 2008: Die Daten sind noch nicht aufbereitet, werden aber derzeit auch aufbereitet. Das kann ein Anhaltspunkt sein, dass wir hier zu einer Anhebung der Regelsätze kommen. Aber das Bundesverfassungsgericht hat sehr klar keine Aussage getroffen über die Höhe.
Absolut, Kollege Frehe, seine Aufgabe ist es nicht, das lässt sich auch aus dem Grundgesetz nicht ableiten, das ist am Ende Aufgabe des Bundesgesetzgebers, des Deutschen Bundestages, sodass ich hoffe, dass das Expertenteam hier eine klare Handlungsempfehlung auch dem Deutschen Bundestag geben wird. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Ich muss sagen, die Debatte der letzten Tage hat auch mich befremdet. Ich glaube, dass sich da so mancher verrannt hat, der in der Glückseligkeit eines Bierzeltes dann auf den Schwächeren herumgeschlagen hat. Das ist nicht das Menschenbild der CDU, meine Damen und Herren! Wir als Bürgerschaftsfraktion teilen diese Auffassung nicht!
Wir haben ganz kurzfristig nach diesem Urteil zur Kenntnis genommen, dass es eine Härtefallregelung für bestimmte Bedarfe gibt. Ein Bedarf ist zum Beispiel, dass Eltern, die getrennt leben und Aufwendungen haben, weil sie ihre Kinder, die in weiter Entfernung wohnen, sehen wollen, also im Sinne des Umgangsrechts, diese Fahrtkosten erstattet bekommen können. Das ist, glaube ich, gut und richtig! Es gibt dort einen Katalog der Bundesagentur für Arbeit, der mittlerweile auch vom Bundesarbeitsministerium genehmigt ist. Ich glaube, dass wir da einen Übergangszustand geschaffen haben, in dem wir zunächst diesen unabweisbaren, aber auch dauerhaften Bedarfen Rechnung tragen. Ich glaube, dass es zu früh ist, hier einfach Rezepte vorzuschlagen wie ein Grundeinkommen oder Vorschläge zu machen, die dem Urteil nicht in Gänze gerecht werden. Genauso wenig glaube ich, dass es viel Sinn macht, über Sanktionen weiter nachzudenken. Dort haben wir, Herr Frehe hat es hier auch noch einmal dargestellt, einen Katalog, der auch wirklich hart ist. Bei Personen, die wirklich in der Minderheit sind, das muss man immer wieder sagen, die es aber gibt, sind solche Sanktionen natürlich auch konsequent anzuwenden. Wir wissen, dass im Bundesgebiet ganz unterschiedlich mit diesen Sanktionen umgegangen wird. In Süddeutschland und gerade in Bayern wird da wahrscheinlich öfter zugelangt, und es gibt ja auch gewisse Statistiken, in denen man das alles nachlesen kann. Im Land Bremen selbst gibt es Differenzen, wir haben vor kurzem erst hier in der Bremischen Bürgerschaft darüber gesprochen, zwischen der Stadt Bremerhaven und der Stadtgemeinde Bremen. Da ist noch einmal genau hinzuschauen! Aber das sind Missbrauchsfälle, die wirklich nicht auf die große Masse der Hilfebedürftigen abzielen. Daher bringt uns die Schärfe in der Debatte, die hier in den letzen Tagen geführt wurde, in keiner Weise weiter.
Richtig ist, dass uns das Lohnabstandsgebot natürlich sehr wichtig ist, da diejenigen die einer Arbeit nachgehen können, auch entsprechendes existenzielles Einkommen haben müssen. Aber, meine Damen und Herren, und das wissen Sie, unsere Position ist da glasklar, was den Mindestlohn angeht: Wir halten den gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn für nicht das probate Mittel, weil er eben auch eine
Jobvernichtung mit sich bringt. Das zeigen die Erfahrungen der anderen europäischen Staaten eben auch!
Was machbar ist, und das haben wir in den letzten Tagen auch im Bundeskabinett, CDU/CSU haben das beschlossen, ist, dass man branchentypische Mindestlöhne, wenn sich die Tarifparteien darauf geeinigt haben, umsetzt. Das ist, glaube ich, der richtige Weg! Wir entlassen die Tarifparteien nicht aus ihrer Pflicht.
Wir als Bürgerschaftsfraktion sind gespannt, wie die weitere Diskussion laufen wird. Es ist ja noch der Redner der FDP hier heute da. Ich verstehe meinen Beitrag hier, dass dieses Thema sich versachlicht. Ich muss sagen, die letzten Tage haben doch gezeigt, wer etwas von Sozialpolitik versteht und wer nicht. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bislang herrscht hier im Haus Einigkeit: Wer die aktuellen Hartz-IVLeistungen verteidigt, der belegt vor allem eines, und das ist ein sehr fragwürdiges Menschenbild.
Aber auch wir müssen sagen – bislang hat sich die FDP ja noch nicht oder erst später zu Wort gemeldet –, wir sind auch hier auf die kommende Debatte gespannt. Aber wer ernsthaft glaubt, dass ein moderner Staat seine Schuldigkeit getan hat, wenn keiner seiner Bürgerinnen und Bürger verhungern oder erfrieren muss, der versteht nicht annähernd, wie unsere Gesellschaft funktioniert oder funktionieren sollte.
Ein Glück, das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil klargemacht, dass in diesem Land noch nicht alle Institutionen dem Neoliberalismus anheim gefallen sind. Menschenwürde, dieser Begriff hat noch immer die gleiche Bedeutung wie vor 60 Jahren, als das Grundgesetz als Basis eines neuen Deutschlands geschrieben wurde. Menschenwürdig zu leben, bedeutet, an dieser Stelle nicht ausgegrenzt zu sein, den eigenen Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen und dies auch als gutes Recht zu begreifen. Es sind eben keine Almosen, die je nach staatli
Glücklicherweise sahen das die Richter in Karlsruhe genauso. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein eindeutiges Signal zur Umkehr dieser gesellschaftlichen Verhältnisse. Alle Beteiligten müssen endlich begreifen, dass Hartz IV gescheitert ist. Flickschusterei und ein politisches Taktieren würden hier mehr Schaden an unserer demokratischen Gesellschaft anrichten, als sich manch Verantwortlicher heute vorstellen kann.
Schon die Umstände, die wir hier des Öfteren in der Debatte bemängelt haben, unter denen Hartz IV zustande gekommen ist, waren abenteuerlich. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollte zu Einsparungen führen, damit die – und man höre und staune! – von Rot-Grün beschlossenen Steuersenkungen für Reiche gegenfinanziert würden.
Willkürlich und ohne jedes wissenschaftliche Fundament legte das Arbeitsministerium die Regelsätze fest. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sagt, dass die derzeitige Regelung zur Grundsicherung nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfüllt. Man hat empirisch ermittelt, was die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung ausgeben. Dann hat man diese Ausgaben gekürzt um Abschläge für Überflüssiges, was Herr Frehe bereits angesprochen hat, wie Pelze, Maßanzüge oder das Segelfliegen, ohne überhaupt zu überprüfen, ob die Ärmsten 20 Prozent in unserem Lande überhaupt Geld ausgeben für Pelzmäntel, für Maßanzüge oder für das Segelfliegen.
Wir halten es für sehr unwahrscheinlich, dass die armen Menschen in Deutschland Pelzmäntel oder Segelflugzeuge kaufen. Aber auf solchen Annahmen beruhen unsere Regelsätze, und das seit ganzen fünf Jahren!
Noch zynischer wurde bei der Bedarfsberechnung für Kinder vorgegangen. Getreu der mittelalterlichen Auffassung, „Kinder sind kleine Erwachsene“, sollten ihre Regelsätze einfach gekürzte Erwachsenenleistungen sein. Hier hat man schlicht gesagt, für Kinder werden 60 Prozent wohl reichen. Das Verfassungsgericht stellt fest, dass jegliche Ermittlungen zum spezifischen Bedarf von Kindern und ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterlassen wurden. Wie weit dies auch von den realen Bedürfnissen von Kindern
entfernt ist, das wissen nur zu gut vor allem diejenigen, die Mütter und Väter unter uns sind oder solche kennen, die von Transferleistungen abhängig sind. Hartz IV ist ein fatales System, das unserer Meinung nach nicht zu retten ist. Auf jeden Fall aber ergibt sich aus dem Urteil, dass höhere Regelsätze zwingend erforderlich sind. Man kann aus dem Urteil nicht herauslesen, dass die Regelsätze gleich bleiben müssen oder können. Das ist unserer Meinung nach vollkommen ausgeschlossen!
Darum fordern wir als Fraktion DIE LINKE sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene unmittelbar die Anhebung der Regelsätze auf 500 Euro für Erwachsene und eine eigenständige Kindergrundsicherung.
Darüber hinaus muss die unwürdige Behandlung von Erwerbslosen durch Behörden beendet werden. Nach wie vor häufen sich die Beschwerden auch hier in unserem Land über den behördlichen Umgang mit Menschen, die auf Transferleistungen angewiesen sind. Sanktionen müssen abgeschafft werden! Die Bedarfsgemeinschaft muss durch ein individuelles Recht auf Basis der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen ersetzt werden! Zwangsumzüge und Schnüffeleien im Privatleben lehnen wir natürlich selbstverständlich auch ab.
Leider wird dieses Thema, das eines der wichtigsten auf der aktuellen politischen Agenda ist, von einigen Interessengruppen für ihre Zwecke instrumentalisiert. Dazu möchte ich auch etwas sagen. Ein Beispiel dafür sind die Minilöhne, die gezahlt werden. Arbeit muss sich lohnen, wird argumentiert. Darum könne man die Hartz-IV-Sätze nicht anheben. Schließlich würde dann niemand mehr für wenige Euro pro Stunde arbeiten gehen. Das ist natürlich wahr. Es soll aber auch niemand in diesem Land für Ausbeuterlöhne arbeiten!
Geschäftsmodelle, die auf sittenwidrigen Löhnen beruhen, sind keine Geschäftsmodelle und verdienen auch keinen Schutz. Darum fordert DIE LINKE einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn!
Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts folgt aber auch ein unmittelbarer Handlungsbedarf für den Senat. Wir haben als DIE LINKE seit zweieinhalb Jahren hier in diesem Haus immer wieder Anträge gestellt, um vor allem die Armut von Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern zu bekämpfen. Wir haben Anträge eingebracht zur Anhebung der Mietobergrenzen, Anträge zur Zahlung von Einmalleistungen, und wir haben auch Anträge zur Anerkennung der realen Heizkosten hier eingebracht. Es gehört zur Politik des rot-grünen Senats, dass sich sein Einsatz für die Ärmeren in unserem Land darin erschöpft, die Schuld auf den Bund zu schieben, und wenn es hochkommt, dann macht der Senat vielleicht noch eine Bundesratsinitiative. Das ist uns LINKEN einfach zu wenig!
(Beifall bei der LINKEN – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist ja jetzt ein bisschen lächerlich!)
Eine Landesregierung ist verantwortlich für die Lebensinteressen der Menschen, die ihr anvertraut sind. Deshalb kann man auch nicht nur auf die Neuregelung auf Bundesebene warten. Es muss auch schon jetzt etwas geschehen, um die Lage hier im Land zu verbessern. Man hat eben nicht die Zeit, diese Interessen weiter auf die lange Bank zu schieben. Das Urteil hat festgestellt: Das verfassungsmäßige Existenzminimum war und ist nicht gewährleistet. Zeit zu handeln! – Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben mir mein Schmunzeln an einigen Stellen dieser Debatte, liebe Frau Garling, angesehen. Ich hatte eigentlich die Hoffnung, dass die närrische Zeit schon ein wenig an uns vorübergegangen sei,
aber bei Ihrem Beitrag konnte man eigentlich auch nur am Anfang schmunzeln, weil sich nämlich in der Tat anschließend die Frage aufgedrängt hat: Für wie dumm halten Sie eigentlich die Bevölkerung im Land Bremen mit solchen Redebeiträgen? Das halte ich wirklich für skandalös. Glauben Sie denn, unsere Bevölkerung ist zum überwiegenden Teil im Stadium der Demenz angekommen, dass sie sich nicht mehr daran erinnern kann, wer diese Gesetze verabschiedet hat?
Das waren SPD und Grüne, und zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht jetzt festgestellt, dass da allerhand Pfusch am Werke war.
Ich muss schon sagen, es ist eine ziemliche Frechheit und ein Angriff auf jeden gebildeten Menschen in diesem Land, wenn Sie sagen, die SPD begrüßt, dass das Bundesverfassungsgericht uns einmal erklärt hat, wie es geht.