Protocol of the Session on October 9, 2008

Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen

Anerkennung der Schutzbedürftigkeit von auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften

Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/ Die Grünen, der FDP und DIE LINKE vom 13. August 2008 (Neufassung der Drs. 17/491 vom 22.07.08) (Drucksache 17/508) 1. Lesung

u n d

Gesetz zur Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit Ehen

Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/ Die Grünen, der FDP und DIE LINKE vom 13. August 2008 (Neufassung der Drs. 17/492 vom 22.07.08) (Drucksache 17/507) 1. Lesung

s o w i e

Einsetzung eines nichtständigen Ausschusses gemäß Artikel 125 der Landesverfassung

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Rosenkötter.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Angelegenheit werden die Sozialdemokraten und die Grünen arbeitsteilig vorgehen. Ich werde ausschließlich zu der Frage des Antrags und eines Berichts reden, und der Kollege Tschöpe wird zu den verfassungsrechtlichen Dingen Stellung nehmen. Das ist so abgesprochen, das zeugt von einem ausnehmend guten Klima, und im Übrigen vertraue ich ihm da auch.

Wir möchten gern einen Bericht haben, weil wir glauben, dass eine moderne, weltoffene Stadtgesellschaft sich Diskriminierung jedweder Art nicht leisten kann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Noch heute ist es so, dass homosexuelle, lesbische Lebensentwürfe gelegentlich heftigst diskriminiert werden, und da wollen wir versuchen herauszufinden, wie zum Beispiel die Lebenslagen der Jugendlichen sind. Andere Städte haben ähnliche Berichte schon angefertigt mit dem Ziel, dass man dann sehr viel genauer Antidiskriminierungsmaßnahmen einleiten kann. Ich glaube, dass, wenn man sich die Zahlen der zum Beispiel suizidgefährdeten Jugendlichen anschaut, dann ist gerade in dem Alter und in der Frage des Coming-out eine deutliche Steigerung der Suizidgefahr bemerkbar. Wir möchten gern herausfinden – darum geht es zunächst einmal, deswegen auch ein Bericht –, wo die konkreten Problemlagen sind.

Ich kann es an dieser Stelle in der Debatte eigentlich relativ kurz machen, denn ich würde dann, wenn wir den Bericht haben und genauer wissen, wie die Lebenslagen sind, meiner Meinung nach über Maßnahmen oder über einen Maßnahmenkatalog zur Antidiskriminierung hier im Hause diskutieren müssen. Ich würde mich sehr freuen, wenn das Haus gemeinsam zunächst einmal diesen Berichtsantrag unterstützt, da es im gemeinsamen Interesse liegt, tatsächlich Diskriminierung fachgerecht zu bekämpfen. Das ist der ganze Sinn und Zweck dieses Antrags. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eingetragene Lebenspartnerinnen und -partner tragen die gleichen Verpflichtungen wie Eheleute, sie haben aber nicht die gleichen Rechte. Zur ––––––– *) vom Redner nicht überprüft.

Vermeidung andauernder staatlicher Diskriminierung von Homosexuellen ist die volle rechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe dringend geboten.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der FDP)

Um eine Diskussion vorwegzunehmen, die wir in diesem Haus schon manchmal gehabt haben: Ist das denn verfassungsrechtlich eigentlich zulässig? Herr Perschau, ich lese noch einmal gern vor, was das Bundesverfassungsgericht am 17. Juli 2002 ausdrücklich festgestellt hat: „Der besondere Schutz der Ehe in Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich- oder nahekommen.“

Die vorliegenden Anträge zielen darauf ab, in Bremen den Prozess der rechtlichen Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe abzuschließen. Hierdurch wir für uns dokumentiert, dass in einer modernen westeuropäischen Stadtgesellschaft die sexuelle Orientierung kein Kriterium mehr sein darf, Menschen mit unterschiedlichen Rechten auszustatten.

(Beifall bei der SPD)

Ich mache es kurz: Großbritannien, Belgien, die Niederlande, Skandinavien und vor allem sogar Spanien haben dies schon lange vor uns erkannt. Lassen Sie uns doch einfach auch hier in Bremen fraktionsübergreifend mit allen Mitgliedern dieses Hauses in den Zug der westeuropäischen Normalität einsteigen, und stimmen Sie alle diesem Antrag zu! – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, auch ich kann mich hier kurzfassen. Ich denke, dass das, was wir heute im Verbund vor uns liegen haben, ein gelungener Dreiklang ist. Es handelt sich, wie schon gesagt, wieder einmal um – und darauf kommt es uns auch besonders an – einen beteiligungsorientierten Fragebogen, der da am Ende herauskommen wird, das finden wir sehr gut. Wie auch schon angedeutet, es muss dazu einmal die Landesverfassung an der einen Stelle geändert werden, und auf der anderen Seite gibt es noch weitere Gesetze, die ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

in kleineren Punkten auch geändert werden müssen, damit die Diskriminierung ein Ende hat.

Ich würde sagen, alles in allem ist das ein Stück gelungener parlamentarischer Arbeit, und ich denke, wir werden damit wirklich ein Stück Normalität für das Leben von Schwulen und Lesben in unserer Stadtgesellschaft erreicht haben. Darüber, das kann man einfach nur sagen, kann man sehr zufrieden sein, darüber bin ich sehr froh und schließe mich gern dem Appell an, dass doch alle Fraktionen dieses Hauses diesen Antrag unterstützen mögen. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die aktive Förderung der Chancengleichheit von Schwulen und Lesben und ihre gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen Leben wird von der FDP in vollem Umfang unterstützt. Schwule und Lesben sollen gleichberechtigt bei Personalentscheidungen in der öffentlichen Verwaltung und den Unternehmen berücksichtigt werden. Sie sollen an allen Bereichen des öffentlichen Lebens, in der Jugendarbeit, in Schule und Ausbildung, in der Gesundheitsversorgung, der Pflege und im Kulturbereich, ohne Benachteiligung teilhaben können.

Wir teilen die Einschätzung, dass die Lebensrealität in unseren Städten Bremen und Bremerhaven in dieser Hinsicht noch nicht in allen Bereichen unseren Vorstellungen entspricht, und deshalb begrüßt auch die FDP-Fraktion die hier vorliegenden Anträge.

(Beifall bei der FDP)

Die vorgelegten Anträge tragen dieser Einschätzung Rechnung. Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen, aber vieles dafür, dass neben Eheleuten auch diejenigen, die in Form einer Lebenspartnerschaft Verantwortung füreinander übernehmen, ebenfalls in den Genuss eines besonderen Schutzes von Verfassungsrang kommen.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD)

Mit dem von den Fraktionen der SPD, der Grünen, der LINKEN und der FDP vorgelegten Antrag zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen wird die Schutzbedürftigkeit von auf Dauer angelegten Lebenspartnerschaften vom Verfassungsgesetzgeber anerkannt. Das von den vier Fraktionen eingebrachte Artikelgesetz zur Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit Ehen ändert Regelungen des Bremischen Verwaltungsverfahrens

gesetzes, des Ruhelohngesetzes sowie die Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen.

Dem Antrag der SPD und der Grünen, den Senat aufzufordern, einen Bericht zu erstellen über die Lebenssituation von Schwulen und Lesben, über die spezifischen Angebote für diese Gruppen sowie über möglicherweise vorhandene Diskriminierungspotenziale zu informieren, wird die FDP-Fraktion zustimmen. Wir glauben, dass es eine sehr richtige Entscheidung ist, auch hier einen Bericht abzufordern und uns möglicherweise dort noch weitere Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. In diesem Sinne rufe ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu auf, diesen vorgelegten Anträgen zuzustimmen! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Perschau.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fürchte, ich kann es nicht ganz so knapp machen, lieber Herr Tschöpe, weil ich glaube, dass hier doch eine ganze Reihe von Dingen beabsichtigt sind, die so einfach, wie Sie es darstellen, vermutlich nicht sind.

Lassen Sie mich mit dem ersten Antrag, einen Bericht zu fordern, anfangen! Ich will gar nicht verhehlen, dass ich mich im August sehr gefreut habe, in der Zeitung zu lesen, dass mit dem Rat & Tat Zentrum, dem Beratungszentrum der Schwulen und Lesben, gemeinsam mit der Sozialbehörde vereinbart worden ist, einen großen Fragebogen aufzulegen und in diesem Fragebogen alle Befindlichkeiten der Schwulen und Lesben im Einzelnen abzufragen, um daraus möglicherweise konkrete Maßnahmen abzuleiten und um damit vielleicht endlich einmal neben vielen anderen formalistischen Ritten durch unsere Gesetze sich dem eigentlichen Problem zuzuwenden, das auch Herr Möhle hier zu Recht angesprochen hat, nämlich die Intoleranz, die Ressentiments, die Vorurteile und die Diskriminierung, unter der Menschen ja über Jahrzehnte zu leiden hatten, die sich zur Gleichgeschlechtlichkeit oder zur Bisexualität bekannt haben.

Die Frage ist ja immer: Was müssen wir eigentlich tun, um zu erreichen, dass Menschen toleranter mit diesen Sachverhalten umgehen, dass Menschen mit anderen Menschen auch deren Lebensentwürfe akzeptieren? Deshalb muss ich Ihnen sagen, es hat mich schon außerordentlich erstaunt, warum jetzt plötzlich mit diesem Antrag, einen Bericht vorzulegen, und das bis dann und dann, hineingegrätscht wird.

Ich finde, Frau Rosenkötter hat ja heute einiges abbekommen,

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Bitte?)

und ich habe auch mit Ja gestimmt, aber eines will ich einmal sagen: Ich war überrascht und positiv beeindruckt von der Sensibilität des Verfahrens, dass man mit den Betroffenen redet, dass man mit den Betroffenen etwas vereinbart,

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Eigentlich selbstverständlich!)

dass man das abfragt und dann an die Sache herangeht, wenn die Ergebnisse dieses Fragebogens vorliegen, und man dann natürlich einen Bericht macht. Ich bin natürlich davon ausgegangen, dass, wenn der Fragebogen aufgearbeitet ist, uns dann auch ein Bericht vorgelegt wird. Deshalb, das muss ich einmal sagen, empfand ich diesen Antrag im Moment als ein bisschen verkrampften Aktionismus.

(Beifall bei der CDU)