Protocol of the Session on October 9, 2008

(Beifall bei der CDU)

Am Ende geht es um die Frage: Was tun wir wirklich, um den Menschen zu helfen? Wir haben eine verfassungsrechtliche Überprüfung des Lebenspartnerschaftsgesetzes gehabt. Das Gericht hat sehr eindeutig festgelegt, dass dieses Lebenspartnerschaftsgesetz zulässig ist, und es hat im Grunde genommen auch für zulässig erklärt, dass eine rechtliche Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft durchgesetzt und rechtlich fixiert wird. Gleichwohl hat in der Begründung des Gesetzes das Gericht aber auch gewisse Grenzen gesetzt und gesagt, dass es diesem natürlich zustimmt, so zu verfahren, „aber die Besonderheit des Schutzes von Ehe und Familie liegt darin“ – so wörtlich – „dass allein diese, nicht dagegen andere Lebensformen, von der Verfassung geschützt sind“. Vielleicht sollte man einmal darüber nachdenken, was das Verfassungsgericht damit ausdrücken wollte.

Es heißt dann weiter: „Die Lebenspartnerschaft kann mit der Ehe schon deshalb nicht in Konkurrenz treten, weil der Adressatenkreis, an den sich das Institut richtet, nicht den der Ehe berührt. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist wegen dieses Unterschiedes auch keine Ehe mit falschem Etikett, sondern ein Aliud zur Ehe. Nicht ihre Bezeichnung begründet ihre Andersartigkeit, sondern der Umstand, dass es sich in der eingetragenen Lebenspartnerschaft um zwei gleichgeschlechtliche Partner handelt, die sich binden können. Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz verbietet dem Gesetzgeber nicht, Rechtsformen für ein auf Dauer angelegtes Zusammenleben auch anderer Personenkonstellationen als der Verbindung von Mann und Frau anzubieten.“ Es sagt dann: „Durch das Merkmal der Dauerhaftigkeit werden aber solche Rechtsbeziehungen nicht zur Ehe.“

Das heißt, das Bundesverfassungsgericht sagt in seiner Begründung ganz eindeutig, dass natürlich die Rechtslage so ist, dass die Ehe schon den besonderen Schutz der Verfassung genießt, und es macht auch

deutlich, dass eine rechtliche Gleichbehandlung zulässig ist, aber nicht zwingend eine Gleichstellung, weil das Verfassungsgericht sehr deutlich macht: Gleichstellen kann man eigentlich nur das, was gleich ist. Deshalb, meine Damen und Herren, glaube ich, dass wir mit diesen Entscheidungsfragen nicht weiterkommen. Wir verbessern weder die Rechtssituation der Lebenspartnerschaften damit, dass wir dies jetzt in die Landesverfassung aufnehmen in einer etwas schlitzohrigen Formulierung, bei der man die verfassungsrechtliche Bestandsfähigkeit nicht wirklich sieht. Ich weiß nicht, wo der Nutzen für die Betroffenen liegt. Es ist natürlich auch in dem dritten Antrag so, in dem sozusagen durch die Hintertür wiederum versucht wird, die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft durchzuführen. Ich kann damit leben, das ist alles nicht mein Problem.

Wir werden uns bei dem letzten Punkt enthalten, wir werden bei der Verfassung nicht zustimmen, weil ich glaube, dass das nicht nötig ist, und wir werden uns beim ersten Punkt auch enthalten, weil ich glaube, dass dies bereits alles längst auf dem Weg ist und Sie mit Ihrem Antrag hierzu einfach schon viel zu spät sind.

Deshalb würde ich sagen – und da stimme ich wieder Herrn Möhle zu –: Lassen Sie uns nicht ernsthaft glauben, dass wir mit einer endlosen Fortsetzung der Paragrafenreiterei die tatsächliche Situation gleichgeschlechtlich lebender Menschen wirklich verbessern werden. Sie ist durch die Rechtsetzung des Verfassungsgerichts und durch das Gesetz für die Lebenspartnerschaften getan.

Lassen Sie uns wirklich endlich darauf konzentrieren, dass wir mit den Diskriminierungsrisiken, mit den ganzen Vorbehalten, die in unserer Gesellschaft ja nach wie vor vorhanden sind, umgehen und Wege finden, dies zu überwinden. Das wird man nicht mit Paragrafenreiterei machen, sondern dafür braucht man sehr viele niedrigschwellige Aktivitäten, und ich hatte den Eindruck bei der Initiative, die Frau Rosenkötter mit dem Rat & Tat Zentrum gemacht hat, dass es endlich losgehen soll. Ich wäre dankbar, wenn es auch wirklich losgeht, dass wir uns den Menschen zuwenden und nicht, dass wir glauben, dass wir durch irgendwelche verfassungsrechtlichen Hauruckmaßnahmen, die wir jetzt isoliert als einzelnes Bundesland machen, dieses Problem von der Rechtssicherheit her für die Menschen besser lösen. Die Menschen brauchen eine ganz andere Hilfe als exakt die, die Sie in den beiden verfassungsrechtlichen Initiativen anbieten.

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Rosenkötter.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bremen ist ein weltoffenes und liberales Bundesland, das zeichnet

uns aus, und das soll auch so bleiben. Der Senat macht deswegen alles, um die Lebenssituation von Lesben und Schwulen weiter zu verbessern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir sind deshalb auch auf der Ebene der Bundespolitik unterwegs.

Ein großer Meilenstein rot-grüner Bürgerrechtspolitik ist jetzt genau sieben Jahre alt, ich meine das Lebenspartnerschaftsgesetz aus dem Jahr 2001. Bremen ergänzt diesen Meilenstein mit eigenem Handeln: Als erstes Bundesland haben wir 2007 die eingetragenen Lebenspartnerschaften im Beamtenrecht der Ehe gleichgestellt. Die jetzt hier eingebrachten Anträge zur Änderung der Landesverfassung sind weitere Schritte und sind zu begrüßen.

Wir wissen alle, es liegt noch eine ganze Menge an Arbeit vor uns, eine Menge Arbeit auf dem Weg zu vollen Rechten und Pflichten, die es eben unter anderem im Steuerrecht auch noch nicht gibt. Wir haben natürlich auch immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen, und auch an der Stelle ist es wichtig, dass wir hier sehr bewusst nach vorn gehen, und deswegen freue ich mich, dass wir gemeinsam mit dem Bremer Rat & Tat Zentrum eine Fragebogenaktion initiieren konnten, die zurzeit läuft und in der ermittelt werden soll, wie sich die Lebenssituation für Schwule und Lesben darstellt. Die Ergebnisse dieser Erhebung sollen auch Grundlage für die Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik sein, aber natürlich und zuallererst auch hier als Grundlage für den Bericht an das Parlament dienen.

Meine Damen und Herren, ganz ausdrücklich begrüße ich auch die Entwicklung des Diversity Management. Immer mehr Unternehmen fördern und unterstützen gezielt Schwule und Lesben als Mitarbeiter, um ein vorurteilsfreies Arbeitsklima zu schaffen und auch in ihrer Belegschaft die Gesellschaft widerzuspiegeln. Ich freue mich deshalb sehr, dass die Bürgerschaft sich nicht nur heute diesem Thema sehr intensiv widmet. Der Weg zur gesellschaftlichen Akzeptanz und zur Gleichstellung von Schwulen und Lesben ist noch ein langer Weg, und es ist gut, wenn wir diesen Weg auch gemeinsam beschreiten. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Perschau, verstanden habe ich Ihre Rede nicht! Das eine zu tun, heißt ja nicht, das andere zu lassen. Ich glaube, Vorbedingung für einen diskriminierungsfreien Umgang mit Homo

sexuellen ist doch als Allererstes, dass wir rechtliche Diskriminierungen abbauen,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

und ich gehe nach Ihrem Vortrag davon aus, dass Sie dieses Artikelgesetz der vier Fraktionen mittragen werden, weil es diese Diskriminierungen abbaut. Sie schütteln den Kopf, habe ich das – –.

(Zuruf des Abg. P e r s c h a u [CDU])

Es baut die rechtliche Diskriminierung nicht ab, wenn gleichgeschlechtliche Lebenspartner in Zukunft bei der Vergabe von Studienplätzen genauso behandelt werden wie Eheleute? Das baut keine Diskriminierung ab, Herr Perschau? Das können Sie doch nicht im Ernst behaupten! Sie können doch auch nicht im Ernst behaupten, dass bei der Zustellung von Verwaltungsakten in der Vergangenheit an Eheleute zugestellt werden konnte, aber an den schwulen Lebenspartner nicht zugestellt werden kann. Das baut keine Diskriminierung ab? Herr Perschau, ich glaube, da sollten Sie unseren Vorschlag noch einmal lesen! Ich gestehe Ihnen an einem einzigen Punkt etwas zu: Ich glaube, dass die rechtliche Gleichstellung nicht der Endpunkt ist, sondern es ist der Beginn eines gesellschaftlichen Prozesses.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der LINKEN und bei der FDP)

Genau das hat die Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes 2001 gezeigt. Hätte Rot-Grün das damals nicht eingeführt, würden wir die Diskussion, die wir heute führen, überhaupt nicht führen, sondern dann würde es dabei bleiben, dass Schwule und Lesben überhaupt keine gemeinsamen Rechte hätten, und dann würde es dabei bleiben, dass man überhaupt nicht darüber diskutiert, ob man sie auch im Steuerrecht gleichstellt, sondern dann würde es bei der Stoiber-Meinung von 1990 bleiben, der gesagt hat: Wenn ich über die Schwulenehe diskutiere, kann ich auch gleich über Teufelsaustreibung reden. Also, das ist doch der gesellschaftliche Prozess, den wir inzwischen hinter uns gebracht haben, und deshalb stehe ich dazu, dass wir homosexuelle Partnerschaften rechtlich gleichstellen müssen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Herr Perschau, der letzte Punkt, der mich wirklich ärgert, ist genau diese Frage: Gibt es einen Unterschied zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft? Genau das hat das Bundesverfassungsgericht ganz deutlich beantwortet. Es hat gesagt: Ja, in Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz ist nur die Ehe genannt, aber wenn

der Gesetzgeber will, dann kann er auch die schwule Lebenspartnerschaft völlig gleich ausstatten, und dann formulieren Sie: „durch die Hintertür“. Nein. Ich erkläre noch einmal ganz deutlich für die SPD, für die Grünen, und ich glaube, auch für die anderen Parteien, die hier mitgemacht haben: Es geht nicht um die Hintertür, sondern ganz klar und ganz offen sollen die schwulen und lesbischen Lebenspartnerschaften in Bremen die gleichen Rechte haben wie die Ehe. Das ist das, was wir wollen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich will mich kurzfassen, aber die Rede von Herrn Perschau bedarf natürlich noch einer Beantwortung. Was mich besonders betroffen gemacht hat an Ihrer Rede, sind zwei Dinge: Zum einen sind Sie im Prinzip jede Antwort auf die Frage, was die CDU denn zu tun gedenkt, um für die hier angesprochene Gruppe der Schwulen und Lesben und insbesondere solcher, die in Partnerschaften leben, Diskriminierung in Zukunft zu verhindern, völlig schuldig geblieben.

(Beifall bei der FDP und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie haben es eingefordert, aber Sie haben nicht einen einzigen sinnvollen Vorschlag gemacht, was Ihre Fraktion denn dort zu tun gedenkt.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Zweiten – das finde ich nicht besser –: Sie haben hier den Begriff der Paragrafenreiterei gebraucht. Ich finde, es verbietet sich, wenn man über die Änderung unserer Landesverfassung spricht, das derartig herabzuwürdigen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie eine verfassungsbegleitende Politik machen wollen, wenn Sie sagen: Verfassung ist eigentlich gar nicht wichtig, das ändert nichts an der Lebensrealität von Menschen in unserem Land. Das bringt auch eine gewisse Haltung zur Landesverfassung zum Ausdruck, die ich hier – für meine Fraktion kann ich das sagen – sehr enttäuschend finde, und da hätte ich eigentlich etwas mehr von den Kollegen der CDU erwartet.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Drittens: Es geht nicht darum, das kann ich jedenfalls für die FDP-Fraktion sagen, dass wir es dabei

belassen wollen. Natürlich haben Sie vollkommen recht, wenn Sie ansprechen, dass es vielfältige, niedrigschwellige Aktivitäten braucht, um eben tatsächlich Diskriminierung in der Praxis abzubauen, aber es hat auch niemand der hier vorgetretenen Redner gefordert, dass man das in Zukunft einstellen soll,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Richtig!)

im Gegenteil: Wir wollen eine Grundlage auch von Verfassungsrang dafür schaffen, dass diese Arbeit weitergeht, und damit auch ein Signal setzen,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: So ist es!)

dass die Landesverfassung sich eben auch in expliziter Form hinter diese Gruppe stellt und ihren Schutzmantel auch auf die Lebenspartnerschaften erstreckt.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist es, worum es hier geht, und es geht darum, dass eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, würde ich auch die CDU-Fraktion hier im Hause ermuntern, ihre Haltung zu diesen Fragen doch noch einmal ernsthaft zu überdenken. Ich hoffe, dass Sie sich in den nachgehenden Beratungen konstruktiver zeigen werden, als Sie heute hier den Anschein erwecken lassen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Perschau.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch das Bundesverfassungsgericht hat ein Mehrheitsvotum und ein Minderheitsvotum, und in diesem Minderheitsvotum, das Ihnen ja auch bekannt ist, wird sehr präzise genau dieser Unterschied auch herausgearbeitet, von dem ich gesprochen habe.

Aus unserer Sicht wollen wir eine rechtliche Gleichbehandlung, aber keine Gleichstellung. Ich glaube, dass der Begriff der Gleichstellung häufig gebraucht und auch teilweise missbraucht wird, weil man nur das gleichstellen kann, was gleich ist. Das hat doch nichts mit einer Bewertung zu tun, sondern es hat etwas damit zu tun, dass wir sagen, wir wollen nicht, dass die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft in den Rahmenbedingungen schlechter behandelt wird als die Ehepaare in den rechtlichen Rahmenbedingungen. Das ist doch aber auch durch das Le

benspartnerschaftsgesetz zu sichern. Wir sind auch dafür, dass es eine rechtliche Gleichbehandlung gibt, aber wir sind nicht dafür, dass durch die Änderung der Landesverfassung das Ziel einer totalen Gleichstellung erreicht werden soll, was wir nicht für hilfreich und auch nicht für lösungsrelevant halten. Meine Kritik ist ja hier angekommen. Meine Kritik ist die, dass ich meine, wir sollten uns den Diskriminierungsfragen sehr viel intensiver zuwenden, und, Herr Dr. Möllenstädt, Ihre Kritik geht da auch völlig ins Leere. Wir werden das alles gemeinsam tun müssen. Hier ist eine sehr zu lobende Initiative ergriffen worden mit dem Rat & Tat Zentrum. Das finde ich auch gut, und wir werden daran weiter arbeiten. Ich bin sehr gespannt, nachher zu lesen, was bei dieser Fragebogenaktion herauskommt, und dann werden wir daran arbeiten müssen, weil ich glaube, das wird den betroffenen Menschen, wenn überhaupt, mehr helfen und wird Diskriminierung leichter abbauen als die gesetzlichen Maßnahmen, die Sie in der Initiative 2 und 3 haben.