Protocol of the Session on June 4, 2008

Nun ist mir klar, dass einige wahrscheinlich – davon gehe ich einmal aus – der Meinung sein könnten: Können homosexuelle Paare tatsächlich Kinder erziehen? Ich habe mir schon seit Längerem angewöhnt, in solchen Fragen ganz deutlich vom Kindeswohl auszugehen, und ich sage Ihnen: Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Jugendämter empfiehlt seit Jahren, auch gleichgeschlechtliche Paare als Pflegeeltern in Betracht zu ziehen. Wenn man das tut, wenn man der Meinung ist, dass gleichgeschlechtliche Paare Pflegekinder erziehen können, dann muss man deutlich die Frage stellen: Warum sollen sie dann keine Adoption hinbekommen können?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, bei der Linken und bei der FDP)

Selbstverständlich werden auch – meiner Meinung nach muss man das auch so tun – gleichgeschlechtliche Paare vor einer Adoption genauso geprüft, wie man das mit heterosexuellen Paaren auch macht. Es gibt mit Sicherheit homosexuelle Menschen, die nicht in der Lage sind, Kinder zu erziehen. Ich habe aber auch gelernt, dass heterosexuelle Paare oftmals eben auch nicht in der Lage sind, Kinder zu erziehen. Bei der Adoption geht es bei der rechtlichen Seite darum, dass man die ganzen Fragen der Erbschaften und ähnliche Dinge mehr regelt. Es geht nicht um die pädagogische Frage, ist man in der Lage, richtig oder gut zu erziehen, denn dass homosexuelle Paare das können, zeigt übrigens die Tatsache, dass in jeder achten gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft auch jetzt schon Kinder aufwachsen. Es ist nämlich so, dass zum Beispiel einige lesbische Frauen Kinder haben, in die Ehe gehen und sich dann aber für einen anderen Lebensweg, für ein anderes Lebensmodell entscheiden. Bei homosexuellen Vätern ist das ähnlich.

Ich glaube, dass sich eine moderne Gesellschaft sehr genau überlegen muss, ob man dies zulassen soll, zu–––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

lassen darf und zulassen kann. Ich bejahe das für meine Fraktion an allen Stellen, und ich glaube, dass eben gerade die Fragen der Fähigkeit der Erziehung und eben auch des Kindeswohls im Vordergrund stehen müssen. Wenn Adoption gemacht werden muss, ist in der Regel ja deshalb eine Notwendigkeit da, weil die leiblichen Eltern nicht in der Lage sind, die Erziehung vorzunehmen. Das passt ein bisschen in die vorherige Debatte, denn es geht natürlich an der Stelle auch um kulturelle Fragen: Sind wir in der Lage, Toleranz zu leben? Sind wir in der Lage, Dinge zu akzeptieren, die für unseren ureigenen Lebensentwurf vielleicht nicht die richtigen sein mögen, die aber der Staat so regeln muss, dass er zu einem Gleichheitsprinzip kommt? Das sagt im Übrigen auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

In diesem Sinne versuchen wir mit diesem Antrag, den Senat aufzufordern, auf Bundesebene tätig zu werden, weil – auch das ist uns bekannt – Bremen natürlich nicht in der Lage ist, das Gesetz auf Bundesebene einfach so zu ändern. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag!

Der angegliederte Punkt – ich versuche, mich sehr kurz zu fassen, weil die Zeit ja knapp ist –, der Bericht, weist zum einen noch deutlich auf Tätigkeitsfelder hin. Ich glaube aber, dass der Bericht durchaus auch noch ein paar Schwächen offenbart, woran man noch weiter arbeiten muss, damit wir tatsächlich zu einer Antidiskriminierungsaufgabe in diesem Gebiet kommen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Möhle hat eigentlich schon umfassend dargestellt, worum es hier inhaltlich geht. Man könnte jetzt noch relativ viel dazu sagen, was denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 22. Januar 2008 gesagt hat, aber eigentlich lässt sich das inhaltlich darauf eindampfen, dass die sexuelle Orientierung eines Menschen keinerlei Kriterium darstellen kann, ob jemand Kinder adoptiert oder nicht adoptiert.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dieser juristischen Wertung kann man sich menschlich und politisch eigentlich nur anschließen, zumal wir uns dieser in Deutschland eigentlich auch schon angeschlossen haben. Rechtspraxis ist: Eine schwule oder lesbische Einzelperson in Deutschland kann adoptieren, ein schwules oder lesbisches Paar kann adoptieren, sofern es das Stiefkind adoptiert. Das Einzige, das in Deutschland noch ausgeschlossen ist,

ist, dass ein schwules oder lesbisches Paar ein fremdes Kind adoptieren kann. Logisch ist das nicht, erklärbar ist das nicht. Das ist eigentlich nur dadurch erklärbar, dass man noch einmal künstlich einen Abstand zur Ehe aufbauen will. Der Kollege Möhle hat eben alles dazu erklärt, warum man es aus Kindessicht sehen soll. Dementsprechend bin ich der Meinung, das gehört wirklich dringend geändert.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Damit will ich es zum Antrag belassen, möchte aber noch auf die Mitteilung des Senats eingehen! Der Senat hat uns als Bürgerschaft mitgeteilt, dass er elf Gesetze in Bremen identifiziert hat, die homosexuelle Lebenspartnerschaften anders behandeln als die Ehe. Ich bin der Meinung, dass die Argumentation des Senats, warum diese auch unangetastet bleiben sollen, in Teilen nicht richtig ist. Ich stimme dem Senat zu, dass es bei dem Vorbereitungszulassungsdienstgesetz und bei dem Gesetz zur Gutachtenstelle nach dem Kastrationsgesetz völlig unstrittig ist; das kann so bleiben wie es ist. Ich glaube aber, dass wir uns als Bürgerschaft dem Ziel widmen sollen, das Bremische Verwaltungsverfahrensgesetz, das Bremische Ruhelohngesetz, das Bremische Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und die Vergabeverordnung von Studienplätzen an Hochschulen dringend zu ändern, weil das in unserer Kompetenz steht. Unser Ziel soll sein, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften von Homosexuellen mit der Ehe hier in Bremen gleichgestellt werden. Die rot-grüne Koalition wird entsprechende Gesetzentwürfe einbringen. Wir werden dann im September oder Oktober dazu kommen, und ich hoffe, dass das große Ziel, dass homosexuelle Lebensgemeinschaften der Ehe gleichgestellt werden, hier auf große Zustimmung trifft. – Ich bedanke mich!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Linke ist der Meinung, dass Homosexualität eine sexuelle Orientierung wie jede andere sexuelle Orientierung auch ist. Sie ist keine Krankheit, wie wir leider in den letzten Wochen beim Christival-Festival wiederum hören mussten – so will ich es einmal ausdrücken –, und von daher ist für Die Linke eigentlich schon seit langer Zeit klar, dass wir die vollständige Gleichstellung der schwulen und lesbischen Lebensgemeinschaften mit der Ehe fordern.

(Beifall bei der Linken) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. (A) (C)

Wenn man eine solche Gleichstellung für sich akzeptiert – und das tut Die Linke –, ist es natürlich auch nur konsequent, dass man sagt: Das muss auch seinen Niederschlag im Adoptionsrecht finden.

Von daher, denke ich, ist es klar: Wir werden dem Antrag zustimmen. – Danke!

(Beifall bei der Linken, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich darf vorausschicken, auch die FDP-Fraktion wird den Antrag zur Stärkung der Rolle von Homosexuellen im Adoptionsrecht unterstützen.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, beim Bünd- nis 90/Die Grünen und bei der Linken)

Ich will an dieser Stelle aber eines noch einmal in Erinnerung rufen. Bereits in der 15. Wahlperiode des Bundestages hat die FDP einen Gesetzentwurf zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes in den Bundestag eingebracht. Neben Forderungen zum Einkommensteuerrecht, zur Erbschaftsteuer und zum Beamtenrecht, die wir auch hier schon diskutiert haben, enthielt der damalige Entwurf der FDP auch die Forderung nach einem gemeinsamen Adoptionsrecht für Schwule und Lesben. Leider ist die Initiative der FDP damals am Widerstand der SPD, aber auch von Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gescheitert. Das muss man zur Historie, finde ich, fairerweise hier sagen.

(Beifall bei der FDP)

Unvergessen sind die Äußerungen der damaligen grünen Bundestagsvizepräsidentin, Frau Dr. Antje Vollmer, die, und ich darf mit Erlaubnis des Präsidiums aus dem Plenarprotokoll vom 29. Oktober 2004 zitieren, im Deutschen Bundestag Ihre Ablehnung begründete mit den Worten: „Wohl wissend, dass heute viele Kinder bei einem einzelnen Elternteil aufwachsen und die Pluralität der Lebensformen zunimmt, bin ich davon überzeugt, dass die Erfahrung des Lebens mit einem weiblichen und einem männlichen Elternteil, die Erfahrung von Polaritäten für Kinder im Grundsatz produktiv und essenziell ist.“ Wir könnten bereits seit Jahren ein volles Adoptionsrecht für Lebenspartner haben, wenn Rot-Grün damals die Forderung der FDP im Bundestag nicht abgelehnt hätte. Es ist daher fragwürdig, wenn sich Rot und Grün jetzt als Vorreiter für die Rechte von Schwulen und Lesben aufspielen.

Die seinerzeit von Rot-Grün vertretene Rechtsauffassung, internationale Abkommen stünden einem

vollen Adoptionsrecht entgegen, gilt plötzlich nicht mehr. Wir haben das damals auch für Unsinn gehalten, und wir begrüßen die Einsicht aufseiten der SPD und der Grünen, die sie mit diesem Antrag dokumentieren, und werden selbstverständlich diese Initiative unterstützen. Ich will nur noch einmal in Erinnerung rufen: Ich hätte mir damals gewünscht, dass sie schneller zu dieser Einsicht gefunden hätten. Ich habe auch die Hoffnung, dass es nicht bei einer Initiative Bremens, die ich richtig finde, bleibt, sondern dass Sie tatsächlich auch auf der Bundesebene Ihre entsprechenden Kolleginnen und Kollegen für dieses Ansinnen gewinnen.

(Beifall bei der FDP)

Ich würde mich freuen, wenn Sie hierzu auch noch Ausführungen machen könnten, denn das gehört eben auch mit dazu, dass man dann entsprechend auch für ein solches Anliegen wirbt und auch auf Bundesebene überzeugt. Das können wir nur schaffen, wenn wir das gemeinsam tun!

(Beifall bei der FDP)

Das, was Sie heute hier fordern, ist schon seit Jahren unsere Auffassung, und deshalb werden wir selbstverständlich Ihrem Antrag zustimmen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Perschau.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in der Fraktion darüber eine sehr lange Debatte geführt. Wir haben darüber auch abgestimmt und uns mit einer knappen Mehrheit dagegengestellt, und zwar weil wir diese lange Diskussion geführt haben, weil niemand bei uns eine Diskriminierung von Lebenspartnerschaften möchte und auch nicht möchte, dass Menschen mit einer anderen Vorstellung von Sexualität diskriminiert werden. Das wollen wir nicht, und zwar ganz bewusst nicht!

Die Sache ist trotzdem hoch kompliziert. Sie ist deshalb natürlich kompliziert, weil die Rechtslage immer schwieriger wird. Eine Diskriminierung ist nicht nur aus den Gründen ausgeschlossen, die der Kollege Tschöpe schon gesagt hat, sondern es ist natürlich auch so, dass bei einer Lebenspartnerschaft im Lebenspartnerschaftsgesetz steht, dass, wer in einer Lebenspartnerschaft lebt und nicht verheiratet ist, deshalb ein Kind nur allein annehmen darf. Aber dann heißt es weiter: Wegen der entstehenden Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind ist jedoch die Einwilligung des Lebenspartners erforderlich. Das heißt, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

eine Lebenspartnerschaft kann selbstverständlich ein Adoptivkind aufnehmen, wenn es ihr zugesprochen wird. Insofern ist es so, dass es auch bei der Einzelperson heißt, wer nicht verheiratet ist, kann nur allein ein Kind annehmen. Die sexuelle Orientierung der Einzelperson spielt keine Rolle. Ich erwähne das nur deshalb, weil wir nicht so tun sollten, als seien wir in unserer Rechtsprechung so gegen die Lebenspartnerschaft und die gleichgeschlechtlichen Verbindungen eingestellt, dass wir uns hier dramatisch auseinanderdividieren.

(Beifall bei der CDU)

Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass wir natürlich das Kindeswohl als Maßstab haben, deshalb ist es gerade bei dem Adoptionsrecht so kompliziert. Bisher ist es so, dass unser Artikel 6 des Grundgesetzes den besonderen Schutz von Ehe und Familie vorschreibt. Dieser Paragraf 6 ist die eigentliche Grundlage dafür, warum unsere Vergabestellen bei Adoptionsvergaben im Regelfall so entscheiden, dass das klassische Modell den Vorrang hat. Das heißt, wir haben zurzeit wesentlich weniger Adoptivkinder, die eine Adoption wollen, als Eltern, die sich Kinder wünschen. Da der Kinderwunsch nicht Maßstab für die Vergabe von Adoptionen ist, sondern ausschließlich das Kindeswohl, führt der Artikel 6 Grundgesetz in ganz besonderer Weise dazu, dass im Regelfall die Entscheidung für Vater und Mutter getroffen wird und nicht für die Modelle Mutter-Mutter oder Vater-Vater.

Nun ist noch ein Weiteres hinzugekommen, was man auch sehen muss. Gerade gestern hat das Bundesverfassungsgericht ein sehr wichtiges Urteil – auch für diese Frage – gefällt, und zwar heißt es in diesem Urteil „Kein Verheiratetenzuschlag für Homosexuelle“. Homosexuelle Beziehungen sind mit Ehegatten nicht vergleichbar.“ Das Verfassungsgericht stellt dabei fest, eine allgemeine rechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe bestehe im deutschen Recht nicht. Der Gesetzgeber sei dazu berechtigt, die Ehe gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens herauszuheben.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Die Rechte!)

Ja, natürlich, aber dies führt in der Praxis der Anwendung von Adoptionsvergaben zu dem Verfahren, das wir kennen.

Ich glaube, meine Damen und Herren, dass das eine sehr komplizierte Frage ist. Ich glaube, dass es noch komplizierter ist, wenn wir uns vom Artikel 6 Grundgesetz verabschieden und den besonderen Schutz von Ehe und Familie im Grundgesetz aufheben und das sozusagen in die Form von Beliebigkeiten versetzen. Ich kann nur dringend davor warnen!

(Beifall bei der CDU)

Deshalb glaube ich, dass wir bei aller ernsten Diskussion zu diesem Thema vielleicht ein bisschen forsch und auch ein bisschen kurz springen. Es wird einen langen Diskussionsprozess geben, der auch in der Rechtsbewertung sehr kompliziert und sehr schwierig ist. Ich glaube, das ist nichts für irgendeinen HurraPatriotismus, für irgendeine neue Vision oder für irgendeine neue Perspektive, sondern hier müssen ganz komplizierte Fragen, auch von unserer Rechtskultur her, beantwortet werden. Das war der Grund, weshalb wir uns mit knapper Mehrheit dagegen entschieden haben, und ich rate uns allen, dies sehr ernsthaft gemeinsam zu diskutieren und die Dinge sauber abzuwägen und keine Diffaminierungskultur an die Stelle unserer notwendigen Erhaltung von Familienkultur zu stellen.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade auch zu den Linken: Ich finde, man kann sich nicht hinstellen und sagen, Homosexualität ist eine sexuelle Orientierung wie jede andere auch. Wenn das so wäre, dann hätten wir null Diskriminierung!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)