Protocol of the Session on June 10, 2010

Wer dem Gesetzentwurf mit dieser Ergänzung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. CSU, FDP-Fraktion und Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - SPD-Fraktion und Fraktion Freie Wähler. Damit ist das so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in

einfacher Form durchzuführen. - Widerspruch erhebt sich nicht. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. CSU-Fraktion, FDP-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Die SPD-Fraktion und die Fraktion der Freien Wähler.

Damit ist das Gesetz so angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Bayerischen Landesstiftung".

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Franz Schindler, Horst Arnold u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof (Drs. 16/2985) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Florian Streibl und Fraktion (FW) (Drs. 16/4240)

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von fünf Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich darf zunächst das Wort dem Kollegen Schindler erteilen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Anlass für den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion war die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 26.11.2009 zur Klage der Oppositionsfraktionen gegen den von CSU und FDP beschlossenen Zuschnitt der Landtagsausschüsse. Der Verfassungsgerichtshof hat damals bekanntlich entschieden, dass der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit bei der Zusammensetzung der Ausschüsse tangiert ist, wenn die CSU-Fraktion mit 92 von 187 Sitzen und damit weniger als der Hälfte in allen mit 16, 20 und 22 Mitgliedern besetzten Ausschüssen über genau die Hälfte der Sitze und damit über eine Blockademehrheit verfügt.

Der Verfassungsgerichtshof hat den entsprechenden Beschluss der Landtagsmehrheit gleichwohl verfassungsrechtlich nicht beanstandet, da über das Stärkeverhältnis der einzelnen Fraktionen hinaus auch die konkreten Mehrheitsverhältnisse zu berücksichtigen seien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, interessant an dieser Entscheidung ist nicht nur, welchen Stellen

wert das Gericht den Absprachen im Koalitionsausschuss und im Übrigen auch dem Gewicht der Koalitionsfraktion FDP beimisst. Interessant ist auch, dass diese Entscheidung mit der denkbar knappsten Mehrheit, nämlich mit 5 : 4 Stimmen, zustande gekommen ist.

Vier Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs haben gemäß Artikel 25 Absatz 5 des Verfassungsgerichtshofgesetzes ein Sondervotum abgegeben und ausgeführt, dass der Beschluss des Landtags zur Mitgliederzahl der Ausschüsse gegen das Demokratieprinzip verstoße und die Antragsteller und Antragstellerinnen in ihren Rechten aus den Artikeln 2 und 4 der Bayerischen Verfassung und ihrem Recht auf die ihrer Stellung entsprechenden Mitwirkungsmöglichkeiten im Parlament verletze.

Welche Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs die Mehrheitsentscheidung mitgetragen haben und welche Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs ein Sondervotum abgegeben haben, ist offiziell nicht bekannt und darf es auch gar nicht sein, weil nämlich gemäß Artikel 25 Absatz 5 jeder Richter zwar das Recht hat, seine von der Entscheidung oder von deren Begründung abweichende Meinung in einem Sondervotum schriftlich niederzulegen, wobei allerdings das Sondervotum ohne Angabe des Verfassers der Entscheidung anzuschließen ist.

Hinzu kommt, dass dann, wenn kein Sondervotum abgegeben wird, auch nicht mitgeteilt und bekannt wird, mit welcher Stimmenmehrheit eine Entscheidung ergangen ist. Im Gegensatz hierzu ist zum Beispiel in der Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts und auch bei einigen Landesverfassungsgerichtshöfen geregelt, dass ein Sondervotum mit dem Namen des oder der jeweiligen Richter oder Richterin zu veröffentlichen ist. In vielen Bundesländern ist es auch Praxis, dass Richter, die ein Sondervotum abgeben, den wesentlichen Inhalt selbst mitteilen.

Mit unserem Gesetzentwurf soll nun erreicht werden, dass beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof Sondervoten namentlich gekennzeichnet werden und die Möglichkeit geschaffen wird, dass die Spruchgruppen das Stimmenverhältnis in ihren Entscheidungen mitteilen können, nicht müssen.

Meine Damen und Herren, die hiergegen im Laufe der Beratungen eingebrachten Einwände greifen und überzeugen nicht, insbesondere das Argument, dass die Unabhängigkeit des Gerichts und der einzelnen Richter in Gefahr gerate, wenn sie ein Sondervotum mit ihrem Namen kennzeichnen müssen, weil sie im Gegensatz zu Richtern am Bundesverfassungsgericht wiedergewählt werden können und oft auch möchten.

Dieser Einwand ist, wie ich meine, Ausdruck der Geringschätzung des Selbstbewusstseins der Richter unseres Verfassungsgerichtshofs. Sie, meine Damen und Herren, behaupten nämlich nicht mehr und nicht weniger, als dass ein Richter oder eine Richterin möglicherweise deshalb entgegen innerster Überzeugung auf ein Sondervotum verzichte, weil er oder sie damit eventuell die Chance einer Wiederwahl verringern würde. Ja, welche Meinung haben Sie denn, mit Verlaub, von den Richterinnen und Richtern am Verfassungsgerichtshof? Wir haben offensichtlich eine viel höhere Meinung von den Personen und Persönlichkeiten, die dort tätig sind.

(Beifall bei der SPD und den Freien Wählern)

Auch das weitere Argument, nicht die einzelne Person spreche Recht, sondern die Urteile ergingen schließlich im Namen des Volkes und beim Verfassungsgerichtshof im Namen des Freistaats Bayern, überzeugt nicht. Beim Amtsgericht oder beim Landgericht ist es selbstverständlich, dass die Beteiligten und die Öffentlichkeit erfahren, wie der oder die heißt, der oder die im Namen des Volkes ein Urteil spricht. Warum sollte man daraus ein Geheimnis machen?

Auch das Argument, der Verfassungsgerichtshof sei kein ordentliches Gericht, weil die Richter gewählt werden, ist antiquiert und wird der Stellung und der Rolle der Verfassungsgerichtshofs und seiner Richter nicht gerecht. Es geht letztlich um einen Akt der Emanzipation und der Herstellung von Transparenz, die dem Gericht und den Richtern nicht schadet, sondern ganz im Gegenteil dazu führt, dass Entscheidungen dieses Gerichts transparenter werden und damit auch deren Akzeptanz erhöht wird. Deshalb wäre es gut, wenn Sie sich einen Ruck gäben und dem Gesetzentwurf doch noch zustimmen könnten.

(Beifall bei der SPD und den Freien Wählern - Harald Güller (SPD): Auch diese Rede eine Pflicht!)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Guttenberger.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dass wir eine andere Ausgestaltung als das Bundesverfassungsgericht haben. Wir haben aber auch eine andere Ausgangslage. Für uns ist es wichtig, die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter in diesem hohen Organ, an diesem Bayerischen Verfassungsgerichtshof zu haben.

In Ihrem Gesetzentwurf kommt nicht klar zum Ausdruck, ob Sie zwingend die Namen bei einem Sondervotum haben wollen oder ob Sie nur die Möglichkeit

haben wollen, die Namen anzugeben: Zwingend würde es gegen die derzeit bestehende Verfassungsbestimmung verstoßen, die Sie aber nicht ändern wollen, und nicht zwingend, ist es bereits heute möglich. Diesem Wunsch, ein Sondervotum nach außen zu tragen, ist Genüge getan, indem dies in anonymisierter Form möglich ist.

Für uns ist entscheidend, dass die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter gewahrt wird. Ich glaube, niemand von der Opposition wird ernsthaft in Zweifel ziehen wollen, dass das bislang der Fall ist und dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird.

Wir gehen also deshalb davon aus, dass sich unsere Regelung, bei der ich ein Sondervotum in anonymisierter Form abgeben kann, aus dem ich dann gegebenenfalls auch Rückschlüsse auf das Stimmenverhältnis ziehen kann, bewährt hat. Wir meinen, dass dies die Unabhängigkeit unseres Bayerischen Verfassungsgerichtshofs garantiert hat und auch in Zukunft garantieren wird und damit auch der Wert dieser Entscheidungen für die Bürgerinnen und Bürger entsprechend nach außen getragen werden kann.

Ich weiß nicht, weshalb man das infrage stellen muss. Aus unserer Sicht hat sich die derzeitige Rechtslage bewährt, und wir halten - das sage ich immer wieder es für falsch, Dinge, die sich bewährt haben und die funktionieren - und wie gesagt, auch Herr Schindler hat nicht in Zweifel gezogen, dass dieser Bayerische Verfassungsgerichtshof unabhängig entscheidet -, zu verändern. Diese positiven Erfahrungen, diese positive Grundlage zu verändern, ist nicht richtig. Sie hat sich bewährt. Dabei möchte ich es eigentlich belassen.

Wir alle wissen, dass die Richter mit mehrfacher Wiederwahlmöglichkeit bestellt werden. Sie handeln unabhängig, das haben sie all die Jahre bewiesen. Wir haben keinerlei Zweifel daran, dass sie das tun. Sie haben es bewiesen, obwohl "nur" die Möglichkeit besteht, ein Sondervotum in anonymisierter Form herauszugeben, und nur auf diese Weise Stimmenverhältnisse sozusagen rückgeschlossen werden können. Deshalb sehen wir keinerlei Veranlassung, dieses bewährte System infrage zu stellen und in irgendeiner Weise abzuändern.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Streibl.

Sehr geehrte Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! "Nomina sunt odiosa", möchte man mit Ovid sagen, wenn man die Argumente in den Verhandlungen mit der Koalition hört. Denn

durch einen Namen können Handlungen und Äußerungen einer Person konkret zugeordnet werden, und das scheint nicht gewünscht zu sein. Das ist eine Sache, die für die Koalitionsregierung fast symptomatisch ist, da die dortigen Protagonisten auch mit ihrem Namen für nichts mehr stehen.

Umso notwendiger ist es, dass unsere Verfassungsrichter die Möglichkeit erhalten - nicht mehr und nicht weniger wollen wir mit unserem Änderungsantrag erreichen -, freiwillig mit ihrem Namen für ein Sondervotum zu stehen. Hierdurch werden weder die richterliche Unabhängigkeit noch die Würde des Verfassungsgerichts in irgendeiner Weise beeinträchtigt.

Generell, meine Damen und Herren, ist es so, dass jeder Richter in Bayern mit seinem Namen für seine Entscheidung steht und zeichnet. Warum soll das nicht auch ein Verfassungsrichter tun?

(Beifall bei den Freien Wählern)

Erschreckend ist, wie wir gerade gehört haben, dass die Koalition überhaupt keinen Anlass sieht, die bisherige Regelung zu ändern. Dies zeigt, dass Transparenz für die Koalitionsregierung nicht nur in Bezug auf die Exekutive, sondern auch auf die Judikative ein Fremdwort ist und dass man anscheinend vor mehr Transparenz und Klarheit Angst hat. Ich aber bin der Meinung, dass es für die Glaubwürdigkeit und die Kompetenz gerade eines Verfassungsgerichts notwendig und geboten ist, dass die Richter mit ihrem Namen für ihre Entscheidung, auch für abweichende Entscheidungen stehen können und nicht in die Anonymität verbannt werden.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Meine Damen und Herren, im Verfassungsgericht sitzen hoch qualifizierte Juristen. Die Crème de la Crème der Justiz berät über Verfassungsfragen. Es wäre schon ein Hohn, wenn man sagen würde, dass diese exzellenten Juristen, die ihr Können schon in vielfältiger Weise unter Beweis gestellt haben, um eine Wiederwahl oder um ihre berufliche Karriere fürchten müssten, wenn sie ihren Namen nennen würden. Das kann doch nicht sein.

Deshalb, meine Damen und Herren, wollen wir mit unserem Antrag erreichen, dass die Richter die Möglichkeit erhalten, mit ihren Namen dafür zu stehen und selbst darüber zu entscheiden, ob sie mit ihrem Namen zeichnen oder nicht. Deswegen bitte ich Sie, unseren Ergänzungsantrag zu unterstützen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Tausendfreund.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer spannend, wie ein Gericht entscheidet und welche juristischen Argumente dabei ausschlaggebend waren. Gerade bei einem Verfassungsgericht, das gewichtige Entscheidungen zu treffen hat, sind die Begründungen, eventuelle Sondervoten und das Stimmenverhältnis der Richterinnen und Richter von besonderem Interesse. Schließlich sind bei Verfassungsgerichtsentscheidungen häufig die Rahmenbedingungen politischen Handelns betroffen. Das war auch bei der zitierten Entscheidung so: Vier zu fünf ging die Entscheidung zu unserer Verfassungsklage gegen die aktuelle Sitzverteilung der Landtagsausschüsse vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof aus. Die Entscheidung war knapp. Die juristische Argumentation, die schließlich zur Abweisung führte, hatte durchaus inhaltliche Schwächen. In den Sondervoten wurden gewichtige Bedenken vorgetragen, die auch eine andere Entscheidung hätten tragen können.

In solchen Fällen hätten die Beteiligten und die interessierte Öffentlichkeit gerne mehr Informationen. Sie wollen wissen, mit welchem Abstimmungsergebnis das Gericht entschieden hat, welche Richterin, welcher Richter welches Votum abgegeben hat. Manche der Richterinnen und Richter, insbesondere diejenigen, die ein Sondervotum abgegeben haben, wollen ihre Urheberschaft des Sondervotums nach außen dokumentieren und darüber sprechen dürfen.

Zunächst zur Veröffentlichung des Stimmenverhältnisses. Bislang ist es nicht vorgesehen, dass das Stimmenverhältnis der Spruchgruppen Bestandteil der Entscheidungen wird. Dies hätte für die Parteien des Verfahrens und auch für diejenigen, die Entscheidungen zu einem späteren Zeitpunkt nachlesen wollen, einen hohen Informationswert. Am Stimmenverhältnis kann schließlich abgelesen werden, wie gewichtig die jeweiligen Argumente von den jeweiligen Richtern eingeschätzt wurden und ob eine Entscheidung knapp oder eindeutig gefasst wurde. Das Gericht kann zwar das Stimmenverhältnis in einer Pressemitteilung veröffentlichen oder es ergibt sich aus der Anzahl der Sondervoten, es wird aber nicht Bestandteil der Entscheidung, wird also in den Entscheidungssammlungen nicht mit veröffentlicht. - Dieser Teil des Gesetzentwurfs wird von uns als Maßnahme der Transparenz unterstützt.

Auch für die Veröffentlichung der Namen der Richterinnen und Richter, die Sondervoten abgegeben haben, sprechen viele Argumente. Es ist schon vieles gesagt worden: Die entsprechende Regelung für das

Bundesverfassungsgericht und einige Landesverfassungsgerichte, die Möglichkeit der Richterinnen und Richter, ihre Position öffentlich zu vertreten, die Transparenz der Entscheidung des höchsten bayerischen Gerichts, dessen Aufgabe es ist, die Politik gelegentlich auch in die Schranken zu weisen, wenn die Grundsätze der Bayerischen Verfassung über Gebühr strapaziert wurden.

Allerdings bestehen bei uns auch Bedenken gegen die Nennung des Votums der einzelnen Richterinnen und Richter. Denn es besteht die Gefahr, dass das Gewicht der juristischen Argumentation in den Hintergrund tritt und nurmehr darauf geschaut wird, wer das jeweilige Votum abgegeben hat: Waren es wieder die "üblichen Verdächtigen", waren es diejenigen, die von der Opposition als Nichtberufsrichter benannt wurden, oder hat es sich um diejenigen Verfassungsrichter gehandelt, die mit einfacher Mehrheit des Landtags gewählt wurden? Ganz frei von politischen Einflüssen ist ja die Besetzung des Verfassungsgerichts auch wieder nicht.

Wir befürchten, dass die Inhalte der Entscheidungsbegründungen und der Sondervoten ihren Wert verlieren, wenn immer die Namen der Richterinnen und Richter dazu veröffentlicht werden. Wir wollen, dass die Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Fragen inhaltlich geführt und nicht an Personen festgemacht wird.