Wir befürchten, dass die Inhalte der Entscheidungsbegründungen und der Sondervoten ihren Wert verlieren, wenn immer die Namen der Richterinnen und Richter dazu veröffentlicht werden. Wir wollen, dass die Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Fragen inhaltlich geführt und nicht an Personen festgemacht wird.
Kein Gegenargument sehen wir allerdings darin, dass die Richter und Richterinnen Angst um ihre mögliche Wiederwahl haben müssten, wenn ihre abweichenden Entscheidungen immer dokumentiert würden. Ich gehe davon aus, dass die Richter und Richterinnen des Verfassungsgerichts ihre jeweiligen Entscheidungen von derartigen Überlegungen nicht abhängig machen würden. Es besteht also keine Gefahr, dass die Unabhängigkeit des Gerichts in Frage gestellt würde, wenn dem Gesetzentwurf der SPD gefolgt würde. Im Ergebnis ist das Anliegen der SPD nachvollziehbar. Es gibt viele Gründe, die für die Veröffentlichung der Namen der Richter sprechen. Unsere Bedenken werden jedoch dazu führen, dass wir uns zu diesem Gesetzentwurf der Stimme enthalten.
Zum Schluss noch eine kleine Randnotiz: Vielfach wurde der Vergleich zum Bundesverfassungsgericht gezogen. Dieser Vergleich müsste eigentlich dazu führen, dass die Verfassungsrichter und -richterinnen künftig nicht mit einfacher Mehrheit des Landtags bestimmt werden können, sondern dass auch hier eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, damit wir einen breiten Konsens für die Personen bekommen, die im höchsten Gericht Bayerns die Kontrollfunktion gegenüber Parlament und Staatsregierung ausüben.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Beim vorliegenden Gesetzentwurf geht es um zwei Änderungen. Zum einen geht es darum, ob Sondervoten künftig nicht nur anonym, sondern auch mit Namensangabe veröffentlicht werden. Zum anderen geht es darum, ob das Stimmenverhältnis von Entscheidungen nicht nur im Falle eines Sondervotums, sondern immer mitgeteilt wird. Beides hört sich zunächst gut an. Beides klingt nach mehr Flexibilität, vielleicht sogar nach mehr Transparenz. Aber ist das wirklich so? Ich habe Zweifel.
Ich sage ausdrücklich: Ich unterstelle keinem Richter, dass er auf die Abgabe eines Sondervotums verzichtet, weil er Angst um seine Wiederwahl hat. Ich halte es aber auch für richtig, den Richtern den Schutz des Beratungsgeheimnisses zuzubilligen, wenn sie diesen wünschen. Es gibt in unserer Rechtsordnung kein Richtig oder Falsch. Es gibt eine Regelung beim Bundesverfassungsgericht; und es gibt eine Regelung bei nahezu alle anderen Gerichten. Für mich gibt es keinen zwingenden Grund, dem Bundesverfassungsgericht zu folgen. Mir persönlich ist das Beratungsgeheimnis wichtiger als der Öffentlichkeitsgrundsatz.
Das wäre aber kein Argument, dem Änderungsantrag der Freien Wähler nicht zuzustimmen, die diese Entscheidung in die Hände des Richters legen wollen. Ich stimme diesem Gesetzentwurf aber auch in dieser geänderten Fassung nicht zu; denn das entscheidende Argument lautet: Es geht nicht um den Richter als Person. Bei den Entscheidungen geht es um den Richter als Funktionsträger. Ich gehe so weit zu sagen: Sein Name spielt keine Rolle. Er entscheidet im Namen des Freistaats Bayern und nicht in seinem eigenen Namen.
Deswegen - meine ich - soll es gar nicht sein, dass die Abgabe eines Sondervotums vielleicht der Eitelkeit eines Richters oder der Befriedigung der Neugier des Publikums dient. Ich bin völlig der Meinung meiner Vorrednerin, die sagte, dass dadurch der Blick vom Wesentlichen abgelenkt wird. Es kommt nicht darauf an, wer etwas gesagt hat, sondern darauf, was gesagt wird. Wichtig sind nicht die Namen; wichtig sind die Argumente.
Damit komme ich zum zweiten Punkt, gegen den auf den ersten Blick auch nichts spricht. Warum soll das Stimmenverhältnis nicht immer mitgeteilt werden? Ich
möchte es anders formulieren: Warum sollte es mitgeteilt werden? Kolleginnen und Kollegen, es geht nicht darum, bei einer Gerichtsentscheidung dem Unterlegenen Trost zu spenden. Ich verstehe die Kolleginnen und Kollegen der Opposition, dass sie nach ihrer Niederlage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof diesen Trost bitter nötig hatten. Für sie war es tröstlich, dass die Entscheidung 5 : 4 ausgegangen ist. Ich sage aber auch: Das ist nicht der Zweck einer Gerichtsentscheidung. Der Zweck ist es, Rechtsfrieden herzustellen. Dieser Rechtsfrieden wird in jedem Fall hergestellt, auch wenn das Stimmenverhältnis nicht mitgeteilt wird.
Außerdem ist kein Bedarf dafür vorhanden. Jeder Richter, der möchte, dass das Stimmenverhältnis mitgeteilt wird, hat es selbst in der Hand, durch Abgabe eines Sondervotums dafür zu sorgen, dass eine Veröffentlichung erfolgt. Deswegen: Es gibt keinen Grund, Ihrem Gesetzentwurf zuzustimmen, aber viele gute Gründe, ihn abzulehnen. Die FDP-Fraktion wird ihn ablehnen.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Initiativgesetzentwurf auf der Drucksache 16/2985 und der Änderungsantrag auf der Drucksache 16/4240 zugrunde.
Vorweg lasse ich über den vom Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz auf Drucksache 16/4912 zur Ablehnung vorgeschlagenen Änderungsantrag der Fraktion der Freien Wähler auf der Drucksache 16/4240 abstimmen. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion der Freien Wähler. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP und der SPD. Stimmenthaltungen? - Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Den Gesetzentwurf 16/2985 empfiehlt der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz auf Drucksache 16/4912 ebenfalls zur Ablehnung. Wer dagegen dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD und der Freien Wähler. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Stimmenthaltungen? - Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Florian Streibl u. a. und Fraktion (FW) zur Änderung des Bayerischen Jagdgesetzes (Drs. 16/3336) - Zweite Lesung
Änderungsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Ulrike Müller u. a. und Fraktion (FW) (Drs. 16/4191)
Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich darf zunächst Herrn Kollegen Aiwanger das Wort erteilen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren des Bayerischen Landtags! Wir diskutieren heute - wahrscheinlich für einige Zeit zum letzten Mal - über das Thema abschussplanlose Rehwildbewirtschaftung. Ich sage bewusst "für einige Zeit"; denn dieses Thema wird wahrscheinlich nach einer gewissen Schamfrist wiederkommen. Warum? Weil das Thema gut ist.
Ich stelle fest, dass unser Gesetzesvorstoß noch vor zwei Jahren vom damaligen Landwirtschaftsminister Miller für inhaltlich gut befunden worden ist. Er hat die abschussplanlose Rehwildbewirtschaftung für gut befunden und gesagt, er hoffe, dass sich dieses Thema demnächst in Gesetzesform wiederfinde. Jetzt soll unser Vorstoß abgelehnt werden. Ich habe den Eindruck, dass die CSU diesen Vorstoß nur deshalb ablehnt, weil er von den Freien Wählern kommt. Das ist nicht das erste Mal.
Dass die SPD und die GRÜNEN diesen Vorstoß ablehnen, ist vielleicht einem behörden- und papiergläubigen Denken geschuldet. Man glaubt, etwas funktioniere nur dann, wenn der Stempel irgendeines Behördendirektors unter einem Sachverhalt steht. Wir sagen: In der Praxis funktioniert es, wenn der gesunde Menschenverstand der Beteiligten eingesetzt werden darf. Dieser gesunde Menschenverstand ist sowohl bei den Jagdgenossenschaften als auch bei den Jägern vorhanden.
Wir stellen fest: In diesem Änderungsantrag geht es nur um das Rehwild. Ich möchte nicht Argumente hochkommen lassen, dass es uns um andere Wildarten ginge. Außerdem wollen wir eindeutig feststellen, dass die Jagdgenossenschaften das Heft des Han
delns in der Hand haben. Nicht der Jäger soll den Vorstoß bei den Behörden machen können, sondern die Jagdgenossenschaft. Sie wird nicht dazu gezwungen, sondern kann dies im Einvernehmen tun. Wenn sie nicht will, bleibt alles beim Alten; wenn sich herausstellen sollte, dass es nicht funktioniert, könnten sie wieder ins alte System zurück. Ich will dies eindeutig festhalten, in diesem Fall auch für die Redner der SPD, weil ja Frau Noichl dieses Thema immer wieder anders verstanden haben wollte als wir. Die Jagdgenossenschaft bestimmt. Wenn sich herausstellt, dass die Entwicklung falsch ist, kann die Behörde die Kompetenz wieder zurückholen. Ich würde mir heute seitens der Regierung ein Wort des Ministers erhoffen. Ich weiß nicht, ob er heute spricht oder ob wieder andere rangelassen werden, um einen gewissen Schutzwall aufzubauen.
- Das hat er nicht nötig? Er hat es scheinbar doch nötig, da er draußen bayernweit in allen Bezirken herumfahren muss, um die Jägerschaft zu befrieden, um größere Eskalationen zu vermeiden. Herr Minister, wir haben auch in Niederbayern das erste Gespräch dieser Art gehabt. Sie haben gesehen: Die Emotionen kochen hoch, und die Leute sagen: Jawohl, wir wollen vor Ort mehr eingebunden sein. Das jetzige System ist nicht für alle zufriedenstellend. Das müssen Sie zugeben. Ich hoffe auf Ihre Vorschläge. Sie haben ja runde Tische mit allen Beteiligten angekündigt, um dieses Thema einer neuen Lösung zuzuführen. Sie geben damit also auch selber zu, dass Verbesserungsbedarf besteht. Ich glaube, dass wir durchaus unseren Appell erneuern sollten: Verlieren Sie dieses Thema der Abschussplanbefreiung nicht aus dem Auge. Das wird bei diesen runden Tischen sicher eine Rolle spielen.
Ich sage Ihnen an dieser Stelle heute schon zu: Wenn Sie sich am Ende durchringen könnten, doch in diese Richtung zu gehen, hätten Sie unsere Stimmen auch dann, wenn Sie heute ablehnen, weil wir es für sinnvoll erachten, die Beteiligten einzubinden.
Was waren denn die Erfahrungen draußen? Wir haben in den letzten Wochen, in den letzten Monaten landauf, landab diverse Waldbegehungen gehabt, vor allem in Gebieten, in denen vorher, durch die Behörde festgestellt, angeblich ein zu hoher Wildbestand nachgewiesen wurde, ein zu hoher Verbiss festgestellt wurde und im Prinzip eine Erhöhung der Abschussplanzahlen empfohlen oder vorgegeben wurde. Bei Waldbegehungen hat sich dann sehr häufig revierspezifisch ein ganz anderes Bild ergeben. Plötzlich haben alle Beteiligten gesagt: Na gut, hier passen wohl Rea
lität und Papier nicht zusammen; eine geplante Erhöhung ist in diesem Fall nicht statthaft. Wir haben sehr viele solche Fälle gehabt. Das zeigt, dass das, was durch ein Papier vorgegeben worden ist, am Ende in der Realität nicht so gesehen wurde und die Beteiligten gesagt haben: Jawohl, wir finden selber eine vernünftige Lösung. Warum sollen wir der Eigenverantwortung im Weg stehen? Momentan geht es um nicht mehr und nicht weniger als darum, Eigenverantwortung und Bürokratieabbau zuzulassen oder aber ganz gezielt zu behindern. Um diesen Punkt geht es. Alles andere sind Scharmützel, die parallel stattgefunden haben, beispielsweise Wald vor Wild, Wald und Wild, Wald ohne Wild und dergleichen.
Die FDP ist ziemlich unter die Räder gekommen. Sie wollte draußen vor den Jägern eine vernünftige Position vertreten, ist dann aber in der Koalition scheinbar wieder zurückgepfiffen worden. Herr Minister Brunner, Ihnen ist es selbst so gegangen. Sie haben ein Papier "Wald und Wild" unterschrieben, mussten Ihre Unterschrift dann aber revidieren und sagen, dass das wohl ein Missverständnis war, Sie stünden doch für Wald vor Wild.
Meine Damen und Herren, dies zeigt, dass mittlerweile bei diesem Thema eine Ideologisierung und ein Grabenkampf stattfindet, ein Grabenkampf sondergleichen, bei dem man sich um Wortklausulierungen die Köpfe einschlägt, dabei aber das Thema aus dem Auge verliert. Meine Damen und Herren, die Jäger und die Waldbauern sind selber in der Lage, wenn man sie lässt und wenn sie wollen, dieses Thema in die Hand zu nehmen.
Damit ist unser Gesetz sinnvoll. Unser Vorschlag ist sinnvoll. Bitte springen Sie über Ihren Schatten und ermöglichen Sie den Jagdgenossenschaften eine Option. Sie werden nicht gezwungen; sie können. Bitte stimmen Sie dem zu; das macht Sinn.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Zu der eigenartigen Auslegung der Rednerreihenfolge durch Herrn Aiwanger sage ich
Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf der Freien Wähler bezieht sich auf eine Änderung des Bayerischen Jagdgesetzes im Bereich der Abschussplanung. Er hat zum Ziel, dass der bisher behördliche Abschussplan durch eine nicht hoheitliche Vereinbarung, also durch eine privatrechtliche Vereinbarung, ersetzt wird. Die Gesetzesinitiative stützt sich dabei auf ein Pilotprojekt der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft - LWF - zur Befreiung von Vorschriften der Abschussplanung für Rehwild, das im Haushaltsausschuss des Landtages im Mai 2009 behandelt wurde. Rehwild darf nach den Vorgaben des § 21 Absatz 2 des Bayerischen Jagdgesetzes nur aufgrund eines behördlichen Abschussplanes erlegt werden. Dieser ist nach den geltenden Vorschriften und nach der Rechtslage in Gemeinschaftsjagdrevieren von Revierinhabern und Jagdvorständen aufzustellen und wird von der Unteren Jagdbehörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat bestätigt oder eben festgesetzt.
Im Jahr 2009 beauftragte das Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten in Abstimmung mit dem Obersten Jagdbeirat, in den alle mit der Jagd befassten Interessenvertreter eingebunden sind, die LWF mit dem Pilotprojekt. Das Projekt sollte auf wissenschaftlich abgesicherter Basis wesentliche Entscheidungshilfen zur Deregulierung der Abschussplanung zur Verfügung stellen.
Jetzt kommt das Interessante: In der Sitzung des Obersten Jagdbeirats vom 8. November 2006 wurde dann aber entschieden, das Pilotprojekt zu beenden. Damit unterliegen die Beteiligten ab dem Jagdjahr 2007/2008 wieder der behördlichen Abschussplanung.
Warum lehnen wir den Gesetzentwurf nach wie vor ab? - In der Begründung wird als wesentliches Kriterium auf die angeblich positiven Ergebnisse dieses Projekts, dieses Pilotversuchs verwiesen und abgestellt. Dabei wird aber übersehen, dass die Auswahl der Teilnehmer an diesem Projekt sehr selektiv erfolgt ist. Teilnehmer waren Hegegemeinschaften, in denen die Verbisssituation sehr günstig bzw. ideal war, nicht aber die problematischen Hegegemeinschaften mit hohem Verbiss.
(Hubert Aiwanger (FW): Das können Sie ja nachher wieder machen! Aber das ist es ja gar nicht wert! Er liest dasselbe vor wie letztes Mal!)