Protocol of the Session on March 13, 2001

Wer ist eigentlich künftig für das Kassenarztrecht zuständig? Dieses war bisher bei der Krankenkassenaufsicht im Sozialministerium angesiedelt. Die Aufsicht über die Kassenärzte hat nun in der letzten Zeit ohnehin nicht mehr funktioniert. Sie erinnern sich an den Fall Schottdorf. Es wäre für uns jedoch interessant zu wissen, wer dafür formal zuständig sein wird.

Warum sollte sich etwas ändern? – Sie haben völlig Recht, Herr Kollege Herrmann. Bisher hat sich keiner darum gekümmert. Warum soll sich künftig jemand darum kümmern? (Beifall bei der SPD)

Besonders grotesk ist die Herauslösung des Arbeitsschutzes aus dem dem Namen nach immer noch erhalten gebliebenen Arbeitsministerium. Dazu möchte ich Ihnen eine kleine Anekdote erzählen. Ich habe neulich einen prominenten Vertreter Ihres Hauses getroffen, der zu mir gesagt hat: „Arbeitnehmerrechte, die eigentlich in unserem Hause vertreten werden sollen, werden aus unserem Ministerium herausgelöst und in das neue Ministerium übertragen.“ Der Frust erstreckt sich bis weit in Ihr Haus hinein. Als Frau Stamm aus dem Ministerium ausschied, hat sie gesagt: „Ich hinterlasse Ihnen, Frau Stewens, hoch motivierte Mitarbeiter.“ Ich habe den Eindruck, dass diese Mitarbeiter inzwischen hoch frustriert sind.

(Beifall bei der SPD)

Die Gewerbeaufsicht ist ein sehr sensibler Bereich. Es stellt sich die Frage, ob die Gewerbeaufsicht, der Arbeitsschutz, der wirklich elementare Arbeitnehmerrechte berührt, beim neuen Verbraucherschutzministerium richtig angesiedelt ist. Ähnliches lässt sich auch für das Landwirtschaftsministerium sagen, das geradezu zum Steinbruch für das neue Verbraucherschutzministerium geworden ist.

Die Staatsregierung hat eine Chance vertan, Lebensmittelproduktion und Verbraucherschutz zusammenzuführen, und zwar im Interesse der Verbraucher insgesamt. In Berlin hat man es vorgemacht. Sie von der Staatsregierung hätten bloß hinschauen müssen, dann hätten Sie die richtige Lösung gefunden.

Es wurde viel Geld für ein zusammengestutztes Ministerium ausgegeben. Wir haben gehört, dass statt zweier Landesämter für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit nur eines übrig bleiben wird. Bei den nachgeordneten Behörden gibt es einen wahren Gemischtwarenladen. So sind die Landratsämter zuständig für Gesundheit, für Verbraucherschutz, für Veterinärwesen usw. Demnächst werden diesen wahrscheinlich noch weitere Zuständigkeiten übertragen. Das Gesetz, das die Staatsregierung

vorgelegt hat, kann man wie folgt zusammenfassen: Es wird zusammengefügt, was nicht zusammen gehört.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Frau Kollegin Schopper. Bitte, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister Huber hat um eine dringliche Beratung gebeten, damit endlich die Aufgaben wahrgenommen werden könnten. Diese sind offenbar vorher noch nirgendwo verankert gewesen. Das scheint mir schon ein Eingeständnis des Scheiterns zu sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir beraten mit diesem Gesetzentwurf auch über die Auswirkungen der BSE-Krise. Man muss konstatieren, dass dem hektischen Treiben und dem Krisenmanagement ein Ministerium entwachsen ist, welches man eigentlich a) für einen neuen Star am Kabinettshimmel vorgesehen hatte, durch den b) ein wissenschaftlicher Sachverstand in die Reihen der CSU-Fraktion wehen sollte, für welchen c) ein Ministerium maßgeschneidert werden musste. Wir wissen, dass Herr Prof. Dr. Herrmann nicht am Kabinettstisch Platz genommen hat. Aber jeder Schneidermeister, der einen Maßanzug fertigt, würde sich überlegen, wie er den Anzug für einen anderen passend machen könnte. Nicht so der Herr Ministerpräsident. Er hat geradezu widerborstig an dem neuen Anzug, das heißt dem Ministerium, festgehalten. Die Umressortierung hätte jedoch die Chance geboten, das Ministerium politisch und personell so zuzuschneiden, dass ein Neuanfang möglich gewesen wäre. Dies wäre mit dem Rücktritt von Frau Stamm möglich gewesen.

Nach unserem Dafürhalten wäre es konsequent gewesen, ein Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt einzurichten und nicht ein Ministerium, das wie ein Kramerladen zusammengetragen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Willi Müller (CSU): Das wäre aber Vollzug und Kontrolle in einem!)

Dazu sage ich Ihnen schon noch etwas.

Ihr Prinzip ist, dass das neue Ministerium ausschließlich ein Kontrollministerium sein soll, ohne dass es die Möglichkeit hat, umzusteuern oder selbst zu gestalten. Diesem Prinzip sind Sie aber nicht treu geblieben. Ich habe heute die Presseerklärung gelesen, wie der Tiergesundheitsdienst in Zukunft gestaltet werden soll. Damit haben Sie nämlich Ihr Prinzip schon durchbrochen, weil der Tiergesundheitsdienst mit einem Bein des Bauernverbandes auch im neuen Ministerium steht. Kontrolle ist notwendig, aber sie soll von staatlichen Organen ausgeführt werden. Das ist unsere Position.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Kontrolle soll nicht durch Selbsthilfeeinrichtungen ausgeübt werden, welche die Qualität prüfen sollen. Wegen der Qualität müssen wir uns ohnehin noch darüber unterhalten, ob der Tiergesundheitsdienst seine Aufgaben so wahrgenommen hat, wie wir es für richtig halten. Ich nenne nur drei Stichworte: Futtermittelskandal, Antibiotika und Turbomast. Ich möchte wissen, ob wir doch nicht zu der einhelligen Meinung kommen, dass auf diesem Gebiet nicht alles seine Richtigkeit hatte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte noch einmal zum Zuschnitt des neuen Ministeriums zurückkommen. Es trägt ja auch die Bezeichnung „Gesundheit“ – Kollege Wahnschaffe hat es schon angeschnitten –, und mir als Gesundheitspolitikerin ist es ein wichtiges Anliegen, wie mit der Gesundheit umgegangen wird. Viele Kernstücke der Gesundheitspolitik bleiben im Sozialministerium. Ich denke nur an die Krankenhausplanung oder an die Aufsicht über die Primärkassen. Für mich ist die Verteilung der Aufgaben zwischen Herrn Sinner und Frau Stewens ein sehr willkürlicher Akt. Vielleicht ist es Ihnen noch gar nicht aufgefallen. Sie machen die Drogenpolitik zur Verbraucherpolitik. Das ist doch eine schöne Feststellung. Die Konsumentinnen und die Konsumenten werden sich darüber freuen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Herr- mann (CSU): Verbraucherschutz! Gesundheit!)

Ich empfinde es nicht als richtig, dass Sie die Gesundheitsförderung und die Prävention, welche ja aufgrund des Gesundheitsreformgesetzes elementare Bereiche der Krankenversicherung sind, in das Verbraucherschutzministerium eingliedern, weil man sich denken könnte, dass diese beiden Bereich im weitesten Sinne auch zum Verbraucherschutz gehören. Das ist keine sinnvolle und scharfe Abgrenzung der Aufgaben. Hier herrscht das Prinzip Kraut und Rüben. Ich hoffe deshalb darauf, dass wir bei den Ausschussberatungen nicht recht starr verhandeln, sondern dass Sie auch einmal einem guten Ratschlag aus der Opposition Folge leisten, um ersten Änderungen, die bereits eingeflossen sind, weitere folgen zu lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte mich jetzt gar nicht damit aufhalten, welche weiteren Aufgaben aus dem Wirtschaftsministerium und aus dem Landwirtschaftsministerium zusammengetragen worden sind. Beim Durchlesen des Gesetzentwurfes habe ich vernommen, dass die Angelegenheiten des Friedhofswesens, also die Bestattungseinrichtungen, vom Zuständigkeitsübergang ausgenommen sind. Es gibt viele Unkenrufe – auch aus den Reihen der CSU –, wonach dieses Ministerium ein Schnellschuss war und bereits in der nächsten Legislaturperiode wieder ad acta gelegt werden soll. Zumindest wäre dann für einen fachgerechten Friedhof gesorgt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Kobler.

Werte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Schopper hat jetzt versucht, ein wenig im Trüben zu fischen. Ich warne aber davor, mit vorgefertigten Meinungen, welche nicht der Wirklichkeit entsprechen, anzutreten, bevor die ersten Ergebnisse dieser Umstrukturierung vorliegen. Diese Umstrukturierung und alles das, was von der Bayerischen Staatsregierung im Zusammenhang mit der BSEProblematik gemacht wurde, haben bis in die höchsten Spitzen auf Bundesebene hohe Anerkennung gefunden. Deshalb kann diese Umstrukturierung nicht so falsch sein. So viel als Feststellung vorweg.

Die Hintergründe für die Umstrukturierung sind bekannt, sie sind von Staatsminister Erwin Huber detailliert dargelegt worden. Sie kennen sie auch aus den Drucksachen. Wir sollten heute nicht in die Einzelberatung eintreten. Damit werden wir am Donnerstag im Fachausschuss beginnen. Wir sollten versuchen, dass dieser Gesetzentwurf eine Struktur erhält, welche eine reibungslose, effiziente und erfolgreiche Arbeit sowohl im Parlament als auch in der Staatsregierung ermöglicht. Im Großen und Ganzen geht es darum, die Übertragung der Aufgabenbereiche Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz aus dem Sozialministerium und aus dem Landwirtschaftsministerium auf das neue Staatsministerium zu regeln, wobei, wie schon angesprochen wurde, das Krankenhauswesen und der Ladenschluss beim Sozialministerium belassen werden sollen. Ich glaube, damit ist eine klare Struktur vorgegeben.

Herr Kollege Wahnschaffe, ich widerspreche Ihnen in einigen Punkten nicht direkt, weil in der Tat Abgrenzungsprobleme bestehen. Wir müssen aber tolerant sein und diese Probleme hinnehmen, denn schon bei der bisherigen Struktur hat es immer wieder Abgrenzungsprobleme gegeben. Das ist nichts Neues. In einigen Bereichen wird es zu Effizienzsteigerungen kommen. In anderen Bereichen werden sicher Reibungsflächen auftreten. Wir sehen es nicht so schwarz, wie Sie hier versuchen, schwarz zu malen. Außer dass Sie die Abschaffung des Landwirtschaftsministeriums verlangen,

(Wahnschaffe (CSU): Das Aufgehen des Landwirtschaftsministeriums!)

haben Sie keine besonders konkreten Vorschläge gemacht.

Ich möchte auch noch auf die Ausführungen der Kollegin Schopper zum Tiergesundheitsdienst eingehen. Auch hier waren Sie, Herr Kollege Wahnschaffe, nicht so kämpferisch, dass Sie den Tiergesundheitsdienst weiter erhalten wollen. Zumindest aus den Medien habe ich die Information, dass Sie den Tiergesundheitsdienst ausrangieren wollen. Der Tiergesundheitsdienst spielte aber Zeit seines Bestehens eine wichtige Rolle. Er hatte sowohl Beratungs- als auch Kontrollfunktionen gegenüber den Produzenten. Er ist eine Selbsthilfeeinrichtung, die weiterentwickelt werden muss und die weiterhin bestehen muss.

Die Weiterentwicklung des Tiergesundheitsdienstes wäre ein gutes Signal nach außen, weil in der Öffentlichkeit eine große Verunsicherung eingetreten ist. Wenn ich mir die Aufgaben des Tiergesundheitsdienstes ansehe, bin ich der Auffassung, dass es richtig ist, diese Einrichtung unter das Dach oder unter die Aufsicht des neuen Gesundheitsministeriums zu stellen. Dies wäre logisch und konsequent, weil ein großer Teil der Aufgaben des Tiergesundheitsdienstes – zum Beispiel die Lebensmittelhygiene, die Tiergesundheit, die Virologie oder die Hygienekontrolle – mit der Gesundheitspolitik zusammenhängen. Wir müssen deshalb sehr nüchtern und in aller Ruhe über diesen Gesetzentwurf beraten.

Ich bin zuversichtlich, dass wir in den Ausschüssen bei den fachlichen Beratungen die Einzelheiten beleuchten werden und den Gesetzentwurf in das entsprechende Korsett bringen, was im Ergebnis eine noch effizientere und erfolgreichere Arbeit für die Staatsregierung ermöglicht.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich schlage im Einvernehmen mit dem Ältestenrat vor, den Gesetzentwurf dem federführenden Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 3 e

Gesetzentwurf der Staatsregierung

eines Bayerischen Gesetzes über die Reisekostenvergütung der Beamten und Richter (Bayerisches Reisekostengesetz – BayRKG) (Drucksache 14/5949)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird von Seiten der Staatsregierung begründet. Herr Staatsminister, bitte.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen, liebe Kollegen! Die Bayerische Staatsregierung legt ein neues Bayerisches Reisekostengesetz vor, nachdem wir das letzte Gesetz, das erneuerungsbedürftig ist, vor 35 Jahren verabschiedet haben. Wir beschränken uns jedoch nicht darauf, wie andere Länder nur Wegstreckenentschädigungen anzuheben, sondern konzipieren das Gesetz komplett neu. Wir wollen eine Rundumerneuerung dieses Reisekostengesetzes und damit die Kostenerstattung wesentlich verbessern, inhaltlich vereinfachen und den Erfordernissen der Praxis anpassen. Wir wollen die Verwaltungsabläufe überprüfen und optimieren. Gleichzeitig kommen wir dem Ziel einer Verschlankung der Verwaltung ein Stück näher.

Der Entwurf der Bayerischen Staatsregierung beinhaltet im Wesentlichen fünf wichtige Eckpunkte:

Erstens. Es wird erstmals eine einheitliche Wegstreckenentschädigung eingeführt, wenn Bedienstete aus triftigen Gründen Fahrten für Zwecke der Verwaltung mit ihren privaten Kraftfahrzeugen durchführen.

Zweitens. Die Sätze für die Wegstreckenentschädigung werden künftig angehoben. Bedienstete erhalten für den Einsatz ihrer Pkw statt wie bisher 38 bzw. 53 Pfennig künftig einheitlich 58 Pfennig. Diese erhebliche Größenordnung wird in einer Reihe anderer Länder nicht erreicht.

Drittens. Die erstmalige Einführung der „kleinen“ Wegstreckenentschädigung, das heißt, Fahrzeugbenutzung ohne triftige Gründe, macht die zeitaufwändigen Vergleichsberechnungen mit den Kosten öffentlicher Verkehrsmittel entbehrlich; denn die Sachbearbeiter haben stundenlang nachgerechnet, was der Kilometer Eisenbahn kostete, und dann zurückgerechnet.

Viertens. Gleichzeitig werden die Zustimmungsvorbehalte des Finanzministeriums und der Obersten Dienstbehörden gestrichen, um die Ressortverantwortung beim Reisenkostenrecht zu stärken. Im Prinzip sind Zustimmungsvorbehalte des Finanzministers immer gut, damit liegt das Regieren in sicherer Hand. Aber hierbei haben wir darauf verzichtet, um Vereinfachungseffekte zu erreichen.

Fünftens. Es werden drei Rechtsverordnungen in das Gesetz integriert und die materiellen Regelungen deutlich gestrafft, also eine Reihe von Einzelregelungen aufgehoben.