Protocol of the Session on November 28, 2000

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir versichern mit diesem gemeinsamen Antrag, dass wir gemeinsam einen Weg beschreiten, der die Qualität aus Bayern hervorhebt, dass wir diesen Weg mit hervorragenden Wissenschaftlern begleiten und in Zukunft der Bevölkerung noch offener sagen werden, wie sich die Dinge verhalten; denn niemand kann für den anderen die Garantie übernehmen: kein Arzt für den Patienten, kein Politiker für das Volk, aber gemeinsam können wir diese schwierige Situation meistern.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Schammann.

Herr Präsident, wer hat die Kuh zur Sau gemacht? Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wiederkäuer zu Kannibalismus gezwungen!“, „Wie kommt die Laborratte in das Schnitzel?“ usw. So lauten nicht erst seit vorgestern, seit wir den ersten Fall von BSE bei einem hier geborenen Rind haben, die Schlagzeilen in der Presse, sondern so lauten die Überschriften schon seit Mitte der Neunzigerjahre.

(Zuruf von der CSU)

Ich will einige neue Aspekte nennen. Dass es so weit kommen konnte, liegt nicht zuletzt an der Industrialisierung der Landwirtschaft und der Ernährungsindustrie. Es liegt an Schandpreisen für Agrarprodukte und Lebensmittel. Das gesamte konventionelle Lebensmittelge

werbe ist gezwungen, auch noch den letzten Dreck in die Nahrungskette zu bringen, um etwas zu verdienen. Diese Industrialisierung haben gerade Sie von der CSU und die alte Bundesregierung seit Jahren unterstützt und vorangetrieben. Aber eines wird dabei übersehen: Lebensmittel sind nicht mit Industrieprodukten, wie etwa Schrauben und Autos, vergleichbar, sondern Lebensmittel sind mehr als die Ansammlung einer Menge chemischer Bestandteile.

(Zuruf von der CSU)

Aber genau Sie von der rechten Seite und Ihre Freunde in der Agrarlobby und -industrie reduzieren Lebensmittel und Ernährung auf diese chemischen Formeln. Dadurch gelangen jede Menge Materialien in die Nahrung, die dort nichts zu suchen haben. Auch heute noch finden sich massenhaft Antibiotika, Leistungsförderer, Aromen und Zusatzstoffe ohne ausreichende Kennzeichnung in den Lebensmitteln. Die Entwicklung hin zu billigen Lebensmitteln hat einen hohen Preis. Überschüsse werden mit Milliarden-Aufwand verramscht, Schweinepestzüge und BSE-aufwändige Kontrollen kosten MilliardenBeträge. Weitere Kosten entstehen für die Vernichtung von Überschüssen, von Risikomaterialien und jetzt wohl auch von Tiermehl. Wer jetzt nicht begreift, dass dies der falsche Weg ist, wird es wohl nie begreifen. Wir brauchen eine andere Art der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion. Dies wäre für die Volkswirtschaften der EU weitaus billiger, als der bisherige Weg der Überschuss- und Massenproduktion sowie der Schandpreise.

Zur Entwicklung im Bund und in Bayern. Seit Mitte der Achtzigerjahre wird nicht nur in England verharmlost, gelogen, betrogen und verschleiert. Die alte Bundesregierung mit Minister Seehofer hat jahrelang versagt und nicht gehandelt. Noch auf dem Höhepunkt der Krise in Großbritannien 1991 bis 1994 wurden jährlich über 10000 Rinder zur Weitermast nach Deutschland gebracht und über 1000 Tonnen Fleisch zu uns exportiert. Bis heute gibt es keine ausreichenden Kontrollen für importiertes Fleisch usw. Besonders erwähnen möchte ich den Umweg englischer Tiere über Ostländer.

Wenn Ministerpräsident Dr. Stoiber – er ist nicht mehr da – in der letzten Woche das Verhalten der Bundesregierung als Schande bezeichnet hat, muss man das Verhalten der Bayerischen Staatsregierung genauer anschauen. Auch da kommt man nur auf den Nenner – das müssen wir, wenn man die jüngsten Kontrollberichte der EU anschaut, als Schande bezeichnen –; denn von Seiten der EU wurde nachgewiesen, dass 30% der Tiermehlproben in Bayern nicht ausreichend erhitzt waren, sodass für den Verbraucher keine ausreichende Sicherheit gegeben war. 30% der Proben von Tiermehl in bayerischen DBAs wurden beanstandet. Wir haben bereits vor Jahren versucht, Ihnen dies rüberzubringen, indem wir den Energieeinsatz mit den tatsächlich durchgesetzten Mengen verglichen haben. Auch da wurde nachgewiesen, dass weniger Energie verbraucht wurde, als eigentlich hätte verbraucht werden müssen.

Des Weiteren wurde von Seiten der EU festgestellt, dass die hoch gelobten Testreihen für Risikotiere in Bayern

klammheimlich auf die Hälfte reduziert wurden. Dem Bericht der EU zufolge hat dies das Laborpersonal selbst entschieden, Herren Minister.

(Zuruf von der CSU: Eine Ministerin!)

Wo waren Sie da mit Ihrer Kontrolle und Ihrer Aufsicht? Dass hier jahrelang Verbraucherrechte hinter den Interessen der Lobby der Agrar- und Lebensmittelindustrie zurückstehen mussten, ist eine Schande. Meine Vorredner haben bereits einiges aufgezählt. Wir haben Dutzende von Anträgen für eine vollständige Kennzeichnung von Lebensmitteln abgelehnt bekommen. Ich erinnere an die Diskussion über gentechnikfreie Lebensmittel, welche mit Kennzeichnung sehr viel zu tun hat. Herr Fraktionsvorsitzender Glück, in dieser Diskussion haben Sie gesagt, die Verbraucher hätten kein Recht auf gentechnikfreie Nahrungsmittel. Dies heißt nichts anderes, als dass die CSU bestimmt, was die Bayern essen.

(Widerspruch bei der CSU)

Dies ist überliefert und kann ich Ihnen auf den Tisch legen. Umso erfreulicher ist es, dass es heute zu einem gemeinsamen Antrag kommt. Dies ist ein erster Schritt. Sie rudern kräftig zurück und dies ist gut so. Sie hätten alles dies schon früher haben können. Jetzt gibt es diesen gemeinsamen Antrag und das Versprechen, mehr Kennzeichnung zu fordern. Ich bin gespannt, wie das Ganze zustande kommt. Vielleicht muss das Thema in den Ausschüssen noch näher erörtert werden. Ich werde genau beobachten, wie weit Sie sich tatsächlich herablassen, den Verbrauchern endlich die ganze Wahrheit über das zu sagen, was sie essen, und den Bauern endlich auf die Packungen schreiben zu lassen, etwa auf die Butter, was tatsächlich drinnen ist.

Wir müssen jetzt weitere Schäden von den Verbrauchern abwenden. Dabei ist es ganz wichtig, dass die gebeutelte Landwirtschaft nicht auf den Kosten für die Beseitigung von Risikomaterial sitzen bleibt. Es ist genauso wichtig, dass im Zusammenhang mit der Tiermehlbeseitigung oder -verwertung der Landwirtschaft keine weiteren Kosten entstehen. Das muss in Bayern, in Berlin und natürlich auch bei der EU durchgesetzt werden. Darüber sind wir uns heute offenbar einig.

Wir brauchen den Ersatz von Tiermehl durch ein Ersatzfuttermittel. Dazu müssen wir verstärkt auf Leguminosen zurückgreifen, aber auch auf Presskuchen, auf Reste der Ölgewinnung, auch auf den Anbau von Raps und Sonnenblumen auf Stilllegungsflächen.

Wir brauchen eine radikale Umkehr in der Agrarpolitik ebenso wie in der Verbraucherpolitik.

(Beifall der Frau Abg. Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir müssen wieder zu einer bodengebundenen Produktion und möglichst weitgehend zum ökologischen Landbau kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Morgen Vormittag haben wir eine Haushaltsdebatte. Dabei steht eine Reihe von Anträgen von uns zur Abstimmung, in denen wir eine stärkere Förderung des

ökologischen Landbaues und mehr Forschung in dieser Richtung beantragt haben. Der Haushaltsausschuss hat das bisher abgelehnt. Vielleicht geben Sie nach der heutigen Debatte Ihrem Herzen einen Stoß und entscheiden sich doch noch dafür, diesen Anträgen zuzustimmen. Das ist der Weg, den die Landwirtschaft braucht. Das ist der Weg, um Ruhe in die Diskussion zu bekommen und den Verbrauchern weitgehende Sicherheit zu bieten mit besten Produkten aus bayerischen Landen. Helfen Sie uns, meine sehr verehrten Damen und Herren, den ökologischen Landbau voranzubringen; das dient uns allen und besonders den Verbrauchern. – Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schammann. Der nächste Redner ist Herr Staatsminister Miller. Bitte schön.

Staatsminister Miller (Landwirtschaftsministerium) : Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit benutzen, noch einmal darauf hinzuweisen, dass ich gestern in meinem Interview im dritten Teil gesagt habe: Der Satz von mir ist so nicht gefallen. In der Presse war geschrieben worden, der Staatsminister könne eine hundertprozentige Sicherheit auf BSE-Freiheit auch für die Zukunft nicht geben. – Ich möchte das klarstellen. Diese Meldung ist sofort korrigiert worden. Ich habe immer darauf hingewiesen, dass wir in Bayern Gott sei Dank keinen Fall von BSE haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben jetzt viel gehört von Anträgen aus dem Jahre 1994, aus dem Jahre 1995, aus dem Jahre 1996 und aus dem Jahre 1997. Ich bin froh darüber, dass man die Diskussion so abgeklärt und auf hohem Niveau führen kann, aber es muss uns doch auffallen, dass es im Jahre 1997 mit Ihren Anträgen zu Ende geht.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, das stimmt nicht!)

In dieser Zeit hat die Problematik BSE nicht abgenommen, sondern sie hat sogar zugenommen. Es stellt sich doch die Frage, warum das, was in den Jahren zuvor gefordert wurde, in den Jahren 1998 bis 2000 nicht umgesetzt worden ist.

Ich darf ein Beispiel aus der letzten Woche nennen. Am Dienstag hat das bayerische Kabinett beschlossen, dass Tiermehl EU-weit in der Fütterung verboten werden muss. Am Mittwoch hat Seehofer dies aufgegriffen und dasselbe namens der Bundestagsfraktion gefordert. In dieser Zeit hat sich die Bundesregierung immer noch so verhalten wie zwei Zugtiere, die in die entgegengesetzte Richtung laufen. Der eine hüh, der andere hott. Der Bundeslandwirtschaftsminister hat gesagt, die Tiermehlverfütterung müsse beibehalten werden; die Gesundheitsministerin hat gesagt, sie müsse verboten werden. Ich sage Ihnen ganz offen, ich bin fest davon überzeugt: Wenn das bayerische Kabinett nicht am Dienstag diesen Beschluss gefasst hätte und die Diskussion dadurch in Gang gebracht worden wäre, wäre diese Einflussnahme,

ja diese Koordination nicht eingetreten. Der Kanzler musste in diesem Zwiespalt einmal eingreifen, er musste in dem Laden einmal für Ordnung sorgen.

(Zuruf von der SPD: Das ist sehr wichtig, aber so wichtig nicht!)

Lassen Sie mich noch Stellung nehmen zu dem Vorwurf, dass wir im Zusammenhang mit dem Risikomaterial blockiert hätten. Ich darf Ihnen aus dem Beschluss der Agrarministerkonferenz vom 17. September 1998 in Jena vorlesen:

Die Agrarministerinnen, Agrarminister und Senatoren der Länder nehmen den Bericht des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Kenntnis.

Jetzt kommt es:

Sie bitten den Bund, weiterhin mit Nachdruck darauf hinzuwirken, dass Deutschland als BSE-freies Land von einer etwaigen EU-Regelung über ungerechte Sonderbehandlung von spezifiziertem Risikomaterial befreit bleibt.

Dieser Antrag wurde einstimmig beschlossen, also mit den Stimmen der SPD-Minister Nordrhein-Westfalens, Schleswig-Holsteins, Niedersachsens, Sachsen-Anhalts, Brandenburgs, Hessens damals, des Saarlandes und Mecklenburg-Vorpommerns. Der Vorwurf, Bayern habe hier blockiert, geht ins Leere, denn die Mehrheit lag damals eindeutig bei den A-Ländern.

Ich möchte zu einem weiteren Punkt Stellung nehmen, weil die Bundesgesundheitsministerin schreibt, ich hätte in einem Brief Druck auf sie ausgeübt. Vor 14 Tagen hat ihr Referent angerufen und gefragt, ob es einen entsprechenden Brief in unserem Haus gebe. Wir haben nachgeschaut. Wir finden keinen Brief. Es gibt ein Ergebnisprotokoll der Agrarministerkonferenz vom 22. September in Regensburg. In dem erwähnten Protokoll heißt es:

Die Agrarministerkonferenz ist der Auffassung, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, damit Deutschland in die Kategorie ,BSE-frei‚ eingestuft wird.

Alle Agrarminister waren dieser Auffassung. Danach kam der Zusatz:

Sie sind insbesondere bereit, kurzfristig zu prüfen, ob in Deutschland die BSE-Untersuchungen über die von der EU vorgeschlagene Mindestzahl hinaus deutlich zu erhöhen sind.

An dieser Stelle habe ich folgende Protokollnotiz gemacht:

In der Sache ja, aber formal nicht zuständig, da der Agrarminister in Bayern für Veterinärfragen nicht zuständig ist.

Abschließend noch zu dem, was heute diskutiert wird: Die Bundesgesundheitsministerin hat selbst blockiert

und die A-Länder genötigt, im Bundesrat am 17. März für die Lockerung des Verbots der Einfuhr von britischem Rindfleisch zu stimmen. Wissen Sie, wer nachweislich in Deutschland hierbei an vorderster Front gekämpft hat? Das war unsere Gesundheitsministerin Frau Stamm.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Das können Sie überall nachlesen, das ist unbestritten. Auch die Verhandlungen der Bundesgesundheitsministerin mit der Kommission, an der restriktiven Regelung festzuhalten und eine Lockerung des Einfuhrverbots zu verhindern, sind erfolglos geblieben. Nicht wir haben die Einfuhrbestimmungen gelockert, sondern das waren Sie. Wir wollen hier nach vorn diskutieren, aber der Wahrheit zuliebe muss ich die Verdienste von Frau Stamm in diesem Zusammenhang würdigen. Sie können das überall nachlesen. Niemand hat so gekämpft wie sie. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner ist Herr Kollege Hartenstein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, womit wir heute konfrontiert sind, ist das Ergebnis des Versagens auf den verschiedensten Ebenen in den letzten Jahren. Da ist zunächst die Politik zu nennen, insbesondere die Landwirtschaftspolitik, die es nicht fertig gebracht hat, einen Trend zu stoppen, der da lautet, in immer kürzeren Zeiten immer mehr und immer günstiger zu produzieren. Dass das nicht gut gehen kann, wird selbst einem Laien klar werden müssen. Die Ergebnisse liegen heute vor und wir müssen uns permanent mit ihnen beschäftigen.

Nicht nachvollziehbar ist für mich aber auch das Verhalten einiger Wissenschaftler, die es insbesondere in Großbritannien nicht geschafft haben, ihre Erkenntnisse in die Öffentlichkeit zu bringen,