Protocol of the Session on November 28, 2000

Frau Stamm, ich halte es nicht für richtig, dass Sie jetzt behaupten, irgendjemand habe die Aufrechterhaltung des Importverbotes aus England in den Wind gewischt. Wie war es denn wirklich? Der von Rot-Grün Landwirtschaftminister Deutschlands hat zunächst gegen die Aufhebung des Importverbotes gestimmt und dann ist ihm wie damals Seehofer entgegengehalten worden, das sei ein Verstoß gegen das EU-Recht und man werde die Aufhebung des Importverbotes erzwingen. Da muss ich schon sagen, dass in diesem Zusammenhang Minister Funke eine Verhandlungsleistung erbracht hat, die beachtlich war; er hat sich der Stimme enthalten und damit erreicht, dass wenigstens die Kennzeichnungsregelung, die es bis dahin nicht gegeben hat, in der EU eingeführt wurde. Sie ist zwar noch unbefriedigend und muss verbessert werden. Aber auch hier haben sich die Länder zunächst dagegen gewehrt, die Kosten für eine durchgreifende Kennzeichnung zu übernehmen. Und daran scheiterte letzten Endes auch die durchgreifende Kennzeichnung, wie wir sie eigentlich haben wollten.

(Beifall bei der SPD)

Wir gehen noch ein Stück weiter, meine Damen und Herren. Das sollte uns zu überlegen geben. Wir wissen nämlich letzen Endes über diese Probleme gar nichts, wenn Wissen richtig Bescheid wissen bedeutet.

Es gibt auch die Vermutung, dass die Krankheit über Tierfutter für Haustiere übertragen wird; wir reden hier immer nur von Nutztieren. So rate ich allen Tierliebhabern, Tierfutter nicht mehr aus BSE-verdächtigem Rindfleisch herzustellen.

Wir hatten es damals schon schwer. Heute erklären wir alle mit fester Stimme, Tiermehlverfütterung an Wieder

käuer finde überhaupt nicht statt. In dem Zusammenhang möchte ich zitieren, was ein „Fachmann“ aus der Regierung- ich nenne seinen Namen nicht; falls er sich jetzt nicht dazu bekennt, können Sie seinen Namen aber in dem entsprechenden Landtagsprotokoll nachlesen – im Jahr 1994 zu unserem einschlägigen Antrag erklärt hat:

In der Bundesrepublik wäre das Verbot der Tiermehlverfütterung 1994 an Wiederkäuer nicht nötig gewesen. Es wurde gegen den Rat und die Warnung der Fachleute durchgesetzt. Dieser Forderung wurde nachgegeben, obwohl die Hypothese durch nichts belegt sei, dass sich die Menschen anstecken könnten. In dem vorliegenden Antrag der SPD wäre ein weiterer Schritt gefordert, nämlich die Tiermehlverfütterung von Schweinen zu verbieten. Da es absolut keine Hinweise gebe, dass sich Menschen oder Schweine anstecken könnten, sei es nicht nötig, das gut funktionierende Verfahren kaputtzumachen. Beim geringsten Verdacht einer Gefahr würden die Tierärzte die ersten sein, die den Kreislauf unterbrächen.

Das war 1994 die selbstgerechte Position Ihres Hauses, Frau Staatsministerin Stamm.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Dass wir dorthin gekommen sind, wo wir heute stehen, liegt daran, dass man 1994 so unsensibel reagiert und unsere einschlägigen Anträge abgelehnt hat. Ich kann weitere Beispiele aufzählen. So haben wir bereits damals ein durchgreifendes Kennzeichnungsgebot gefordert. Doch haben wir uns nicht durchsetzen können. Ich meine, es ist gut, dass wir heute mit dem vorliegenden umfangreichen Dringlichkeitsantrag der drei Landtagsfraktionen das Thema sozusagen abhaken. Ich hoffe, dass wir es damit abhaken, dass wir das fordern und gemeinsam durchzusetzen versuchen, was wir bereits 1994 gefordert haben und was mittlerweile Allgemeingut ist. Wir werden also gemeinsam versuchen, einiges durchzusetzen, und zwar gegenüber der Europäischen Union und entgegen dem, was so manche völlig anders denkenden Interessenvertreter wollen.

Meine Damen und Herren, ich bin auch froh darüber, dass der Landwirtschaftsminister heute klipp und klar erklärt hat, eine absolute Sicherheit vor BSE bestehe auch in Bayern nicht.

(Zurufe von der SPD: Das ist neu!)

Ja, das ist absolut neu. Doch sage ich meinen eigenen Kollegen: Wir haben es hier mit einer Sprachregelung zu tun. Ich habe die bisherige Sprachregelung für nicht gut gehalten. Da wurde so getan, als wäre BSE-Freiheit garantiert. Das war nicht gut. Jetzt bitte ich darum, nicht in Hysterie zu verfallen, wenn heute jemand sagt: Wir können nicht garantieren, dass es nicht auch in Bayern einen BSE-Fall geben könnte. Bitte verfallen Sie angesichts dessen nicht in Hysterie. Was die Risikoabschätzung für den einzelnen Menschen angeht, komme ich mir vor wie in der Zeit nach der Katastrophe von Tschernobyl. Damals hat sich gezeigt: Die Gefahr, durch Angst

krank zu werden, kann größer sein, als die Gefahr, aufgrund eines schädlichen Einflusses von außen zu erkranken. Das gilt auch für BSE. Zu dieser Aussage stehe ich.

Trotz alledem dürfen wir keine Nachlässigkeiten hinnehmen. So bitte ich das Sozialministerium darum, bald mit der EU Kontakt aufzunehmen und den von Frau Kollegin Schopper eben zitierten Satz zu analysieren. Ich verstehe ihn nicht so ganz. In den angesprochenen Notizen ist davon die Rede, dass in Bayern Gehirne nicht mehr untersucht worden seien, die offensichtlich wegen Autolyse nicht mehr für eine histologische Untersuchung geeignet gewesen seien. Ich möchte keinen Vorwurf daraus ableiten, dass etwas nicht untersucht wird, was nicht für eine Untersuchung geeignet ist. Doch bitte ich darum, einmal nachzuprüfen, wie es dazu gekommen ist, dass die betreffenden Gehirne nicht mehr für eine Untersuchung geeignet waren,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

obwohl diese doch von Tieren stammten, bei denen ein Verdacht auf BSE angezeigt erschien.

Wir wussten es schon 1994: Der EU-weite Verzicht auf die Verfütterung von Tiermehl kostet die Europäische Union rund 6 Milliarden DM jährlich. Diese Summe muss aufgebracht werden. Wenn man hört, dass die Lebensmittel immer billiger werden, sodass die Bauern kaum noch über die Runden kommen und Probleme haben, die Erzeugungskosten zu decken und noch etwas zu verdienen, muss man zu der Feststellung kommen: Wenn auch noch die eben genannten Kosten den Bauern aufgehalst werden, bedeutet dies das Ende der hiesigen Fleischproduktion. So muss selbstverständlich sein: Wenn die Tiermehlverfütterung nun abgeschafft werden muss, etwas, was nicht notwendig geworden wäre, wenn BSE nicht aufgetreten wäre, müssen die sich daraus ergebenden Kosten von all denen getragen werden, die zur Verursachung des Problems beigetragen haben, und zwar EU-weit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dazu muss sich die EU bekennen. – Meine Damen und Herren von der CSU, ich bin froh darüber, dass Sie mit uns dafür stimmen werden, dass ein Verbot der Tiermehlverfütterung schnellstmöglich per Bundesgesetz eingeführt wird. Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, ich bin froh, in der Presseerklärung über die heutige Kabinettssitzung lesen zu können, dass Sie den einschlägigen Gesetzentwurf der rot-grünen Bundesregierung unterstützen. Das zeigt Einsicht. Das ist etwas Gutes. Die Staatsregierung wird diesem Gesetzentwurf also zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist auch notwendig, für die Entsorgung des noch vorhandenen Tiermehls zu sorgen. So enthält der vorliegenden Dringlichkeitsantrag folgenden Passus – dazu stehen wir; da werden wir mitarbeiten –:

die Bundesregierung soll gemeinsam mit den Ländern eine Regelung für eine unschädliche Entsorgung für Tiermehl schaffen und dabei einen Nachweis für die Entsorgung vorsehen.

Wir sollten uns über noch etwas klar sein: Wenn wir ein Verbot der Verfütterung von Tiermehl in unserem Land fordern, besteht der vernünftige und logische nächste Schritt darin, derlei auch für alle anderen Staaten der EU zu verlangen. So fordern wir in unserem vorliegenden Antrag, den Import von Fleisch aus Ländern zu verbieten, die sich nicht an das absolute Verbot der Verfütterung von Tiermehl an landwirtschaftliche Nutztiere halten, worunter nicht nur Wiederkäuer zu verstehen sind. Im Gegenzug werden die betroffenen Länder wahrscheinlich ein Importverbot für Fleisch aus Deutschland verlangen. Doch sage ich Ihnen: Angesichts der Gefahr, die BSE, sollte sich diese Erkrankung weiter ausbreiten, für die Menschheit bedeutet, ist der wirtschaftliche Schaden, der durch die Einstellung des Rindfleischhandels innerhalb der EU und mit Drittländern entstehen könnte, in jedem Falle hinzunehmen. Denn die Gefahr, dass sich BSE ausbreitet, ist für die Bevölkerung schlimmer – 1994 hätte man das in kleineren Dimensionen beheben können – als mit der Einschränkung des Handels mit Rindfleisch. So müssen wir verlangen – das werden wir nachher gemeinsam beschließen –, dass künftig grundsätzlich auch kein Fleisch aus EU-Staaten zu uns kommt, die sich dem Tiermehlverfütterungsverbot nicht angeschlossen haben.

Ich finde es auch richtig, dass wir nun mehr Schnelltests verlangen. Wichtig ist auch, Testverfahren zu entwickeln, die wirklich zuverlässig sind, sodass man anschließend weiß, ob man es mit BSE zu tun hat oder nicht. Ich muss in diesem Zusammenhang wieder sagen: Bitte keine Schuldzuweisungen in unsere Richtung. Meine Damen und Herren von der CSU, ich glaube, es ist keine zwei Monate her, dass Sie unseren Antrag auf mehr Schnelltests an Rindern in Bayern abgelehnt haben.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Sie brachten damals Argumente vor, die nicht ganz von der Hand zu weisen sind. Ich gebe zu: Diese Tests bringen keine 100-prozentige Sicherheit. Damals haben Sie jedenfalls den angesprochenen Antrag abgelehnt. Mittlerweile haben Sie offensichtlich dazugelernt. Dann sollten Sie auch einräumen: Wir haben dazugelernt. Die Situation hat uns dazu gebracht, heute anders zu stimmen als vor zwei Monaten. – Das ist ein Wort. Aber bitte keine Schuldzuweisungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In der Presserklärung zur heutigen Kabinettssitzung wird ein Verbot des Imports von Rindfleisch aus Großbritannien und anderen Hochrisikoländern nach Deutschland gefordert. Das reicht nicht aus. Ich meine, das Kabinett sollte sich mit dem vorliegenden Dringlichkeitsantrag befassen, den wir heute verabschieden werden. Es sollte seine Forderung, ein Importverbot für Rindfleisch aus Hochrisikoländern auszusprechen, so erweitern, wie wir es jetzt gemeinsam fordern. So wollen wir ein Importverbot für Rindfleisch aus allen Ländern, in denen der

derzeit vermutete Hauptweg zur Übertragung von BSE noch besteht. Das ist die Verfütterung von Tiermehl. Gegen diese Länder muss vorgegangen werden, koste es, was es wolle. Das muss uns der Schutz unserer Bevölkerung wert sein. Wir wissen um die wirtschaftlichen Auswirkungen. Aber die genannte Forderung müssen wir durchsetzen, auch gegen die geltenden EU-Bestimmungen, wenn es sein muss, bis zum Europäischen Gerichtshof.

Es wäre doch einmal – das waren meine Worte von vor mehr als sechs Jahren – interessant, zu erfahren, ob die Europäische Union Vorschriften, die den freien Handel unterstützen sollen, nicht zurücknehmen kann, wenn es darum geht, die europäische Bevölkerung vor Krankheiten zu schützen. Gesundheit ist schließlich ein weitaus höheres Gut als der freie Handel.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Dr. Gröber. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Im Zusammenhang mit der Diskussion und dem erfreulicherweise gemeinsam gestellten Dringlichkeitsantrag ist bereits eine umfangreiche politische Nabelschau betrieben worden. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir es heute nicht dabei belassen, uns gegenseitig Vorwürfe zu machen. Aus meiner Sicht ist jetzt entscheidend, dass wir auch an die denken, die heute absolut zu kurz gekommen sind. Aus medizinischer Sicht sage ich, die Krankheitsfälle bei Menschen sind uns zwar nicht bekannt, aber wir wissen, dass diejenigen, die riesige psychische und wirtschaftliche Probleme haben, die Landwirte sind.

(Beifall bei der CSU)

Die Landwirte standen unter den wechselhaften Einwirkungen von – zugegebenermaßen gut gemeinten – politischen Entscheidungen, die immer in der Abwägung standen, nicht noch mehr Schaden anzurichten und gleichzeitig das Richtige zu tun. Sie haben die wechselhaften Aussagen der Wissenschaft und die Tatsache, dass die Wissenschaft laufend Fortschritte gemacht hat, hinnehmen müssen. Sie sind diejenigen, die im Feuer stehen. Deshalb darf eines heute nicht passieren, nämlich dass wir noch mehr Unsicherheit verbreiten, als ohnehin leider durch die Medien vorhanden ist.

(Beifall bei der CSU)

Die Aussage von Herrn Starzmann ging dabei in die richtige Richtung. Man kann es nicht oft genug betonen. Bevor ich ein paar medizinische Ausführungen mache, sage ich: Ich lasse mir mein Steak in Bayern nicht versalzen und nicht verschmecken. Ich vergewissere mich, dass das Fleisch aus Bayern kommt, und freue mich, wenn ich es esse. Es ist zehnmal gefährlicher, mit dem Flugzeug zu fliegen oder sonst etwas zu machen, als in Bayern ein Steak zu essen. Ein gesundes Steak trägt auch dazu bei, dass man gesund bleibt. Das will ich deutlich sagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten uns aber doch Gedanken darüber machen, dass wir als Menschen einen Weg gegangen sind, der äußerst risikoreich ist. Nachdem schon sehr viel zu dem Thema gesagt worden ist, möchte ich als Arzt aus medizinischer Sicht Rückschau halten und auf Punkte aufmerksam machen, an denen wir erkennen müssen, wo die Risiken unseres Handelns liegen.

Es ist bekannt, dass bereits 1986 Scrapie als BSE-auslösende Ursache in England erkannt worden ist. BSE zählt zu der Gruppe der so genannten spongiformen Enzephalopathien, die bei Mensch und Tier bislang als äußerst selten galten. 1985 waren sechs verschiedene Krankheitsbilder der übertragbaren spongiformen Enzephalopathien bekannt. Es handelt sich um drei Formen beim Menschen, nämlich Creutzfeldt-Jakob, GerstmannSträussler und Kuru – darauf komme ich noch –, und drei Formen bei Tieren. Die bekannteste tierpathogene Erkrankungsform ist Scrapie, eine Erkrankung bei Schafen und Ziegen, die bereits 1730 beschrieben wurde. Wir müssen uns überlegen, warum kommt das alles jetzt auf uns zu. Da die Tiere durch ihren trabenden Gang auffielen und sich häufig kratzten, wurde die Krankheit in Deutschland Traberkrankheit genannt, in England Scrapie. Histologisch fand man eine langsam voranschreitende schwammartige Veränderung des Gehirns der betroffenen Tiere. 1985 traten neben BSE bei neun weiteren Spezies Tiererkrankungen auf, und zwar im Wesentlichen bei in Gefangenschaft gehaltenen Tieren.

Ich komme zurück auf Kuru. Wir merken, wie problematisch es ist, die normale biologische Kette in einem bestimmten Umfang zu durchbrechen. Kuru – „der lachende Tod“, wie die Krankheit genannt wurde – war eine neurologische Erkrankung bei einem Volk der Fore auf Papua Neuguinea in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts, also um 1950. Von der Krankheit waren jene befallen, die in einem makaber anmutenden Bestattungsritual die Hirne der Verstorbenen verspeist hatten. Das ist noch nicht lang her. Die Übertragbarkeit der Erkrankung konnte tierexperimentell nachgewiesen werden. Der Forscher Gajdusek, der für seine Untersuchungen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, infizierte Affenhirne mit Hirngewebe von den an Kuru verstorbenen Menschen. Sechs Monate später waren alle Affen tot. Es wurde eine Infektion vermutet, obwohl die Krankheit degenerativ – das ist das Problem – und nicht wie eine Infektion oder Entzündung ablief. Nach Unterbindung des Übertragungswegs, also des Kannibalismus, verschwand die Erkrankung.

Wir kommen dem Ergebnis näher. Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist eine seit langem bekannte Krankheit, die mit schleichenden Wesensveränderungen, Depression, sozialem Rückzug bis hin zu Lähmungen, Muskelzucken und Halluzinationen einhergeht. Fast alle der Patienten waren über 60 Jahre, und die Krankheitsdauer war kurz. Was müssen wir daraus lernen? – Auch wenn die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sehr selten ist – eine Erkrankung pro Jahr unter einer Million Menschen –, sind doch, auch wenn man das nie geglaubt hat, plötzlich so genannte iatrogene, also durch Werkzeuge bei Operationen verursachte, Übertragungen bekannt geworden. Insbesondere wenn man Wachstumshor

mone von infizierten Menschen anderen gegeben hat, hat man Creutzfeldt-Jakob übertragen können. In einigen Fällen wurde auch geäußert, dass dies bei Hirnoperationen passiert sein könnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir lernen also, in der Forschung mit einem völlig neuen Krankheitsbild laufend verantwortungsbewusst umzugehen. Wir sind äußerst bestürzt, wenn wir erkennen, dass wir etwas gemacht haben, was wir gar nicht wussten. Ich komme jetzt zu der anderen Problematik. Es ist letztlich auch eine Art von Kannibalismus, dass man damit begonnen hat, Schafen Schafe in verarbeiteter Form zu füttern. Es gilt als sicher, dass BSE durch die Verfütterung von ungenügend sterilisiertem Tierkörpermehl aus Resten geschlachteter Schafe und Ziegen, unter denen sich Scrapie-infizierte Tiere befunden hatten, ausgelöst wurde. Rinder und Kälber, die üblicherweise bereits in frühem Alter mit Futterkonzentraten ernährt wurden, erhielten das so produzierte proteinreiche Futter nicht.

Als Mitte der Achtzigerjahre die ersten BSE-Fälle auftraten, galten zirka 30% der englischen Schafherden als Scrapie-infiziert. Vermutlich setzten 1981 in Großbritannien – hören Sie gut zu – eingeleitete Energiesparmaßnahmen die BSE-Seuche in Gang. Warum? – Zu einem frühen Zeitpunkt hatte man erkannt, dass Tiermehl, wenn es streng behandelt wird, keine Probleme bereitet. In erster Linie ging es um die Inkubation des Materials bei 130 Grad und organische Lösungsmittel bei hohen Temperaturen – acht Stunden bei 70 Grad –, die zur Eluierung von Fett aus Gewebe beitrugen. Anschließend erfolgte die teilweise Entfernung von Restbeständen des Lösungsmittels durch die Behandlung mit heißem Dampf über 15 bis 30 Minuten. Es gibt statistische Beweise, dass es faktisch keinen Ausbruch gab, solang das so gemacht wurde, obwohl die Tiere das gefressen haben und der Kannibalismus an sich schon das Problem war. Erst durch einen weiteren Fehler, nämlich durch die Sparmaßnahmen und die Unvorsichtigkeit, kam es zu der verheerenden Folge. Man hat die Temperatur auf 110 Grad reduziert und vieles andere.

Das heißt, wir haben überhaupt keine andere Wahl, als dieses Tiermehl – wo auch immer – zu entsorgen. Aber es ist falsch, Panik zu machen und zu sagen, dass wesentlich mehr passiert, wenn ein Bauer noch einen Sack Tiermehl verfüttert, weil es noch kein Gesetz gibt. Wir müssen in die Zukunft denken. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass wir erkennen, dass nur durch den Verzicht auf Tiermehl die speziesübergreifende Infektion von Rindern – man spricht hier vom vertikalen Infektionsweg – ausgeschlossen werden kann. Die plötzlich ansteigende Inzidenz der BSE-Seuche zwischen 1988 und 1992 auf das Siebzehnfache war vermutlich bedingt durch das Recycling von BSE-infizierten Rindern in Tierkörperbeseitigungsanstalten und durch den hieraus resultierenden Wegfall der Speziesbarriere. Es war also wieder der Kannibalismus, der horizontale Infektionsweg.

Ich sage das ganz bewusst, denn nur die Rückführung auf wissenschaftliche Erkenntnisse und nicht die Schuldzuweisungen können uns weiterbringen. Obwohl wir immer vom jetzigen Stand der Technik und der Wissen

schaft reden, müssen wir sehen, dass die Wissenschaft morgen schon auf einem anderen Weg ist.

Wir können sagen, dass nach jetziger Erkenntnis letzten Endes beim Rindfleisch nur wenige infektiöse Gewebe, wie Gehirn und Ähnliches, jedoch nicht Muskelfleisch die Krankheit übertragen können, dass es aber letztlich dennoch einen Rest an Unsicherheit gibt. Wenn ich also mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass eine Herde nicht BSE-infiziert ist, ist die Wahrscheinlichkeit, sich durch Muskelfleisch zu infizieren, sehr gering. Aber der jetzige Wissensstand bedeutet, dass Rinderprionen offensichtlich im Verhältnis zu den Prionen anderer Spezies in der Übertragung auf andere Spezies ein enorm gesteigertes Virulenzpotenzial aufweisen. Außerdem spielen Rindfleischprodukte in der Ernährung des Menschen eine wichtige Rolle und es findet bovines Material in der Arznei- und Kosmetikindsutrie eine ubiquitäre Verwendung.

Frau Schopper, Sie haben auch gesagt, wir müssten uns noch über den Fleischkonsum unterhalten. Aber dies ist der falsche Weg. Qualifiziertes, wirklich gut und in einer Linie verfolgt produziertes Fleisch ist ein hervorragendes Nahrungsmittel. Wenn Frau Schopper noch da wäre, würde ich sie am liebsten fragen, ob sie das Risiko eingeht, irgendein genverändertes Pflanzenprodukt aus dem Ausland anstellte des Rindfleisches zu bevorzugen. Man darf nichts verteufeln, sondern wir müssen offen in die Zukunft gehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir versichern mit diesem gemeinsamen Antrag, dass wir gemeinsam einen Weg beschreiten, der die Qualität aus Bayern hervorhebt, dass wir diesen Weg mit hervorragenden Wissenschaftlern begleiten und in Zukunft der Bevölkerung noch offener sagen werden, wie sich die Dinge verhalten; denn niemand kann für den anderen die Garantie übernehmen: kein Arzt für den Patienten, kein Politiker für das Volk, aber gemeinsam können wir diese schwierige Situation meistern.