Protocol of the Session on October 9, 2019

Das haben wir schon seit drei Jahren kritisiert. Die Auswir kungen werden wir jetzt und in den nächsten Jahren sehen. – So viel zur Einleitung.

Selbstverständlich – in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs haben wir dies ausdrücklich unterstrichen – stimmt auch die AfD-Fraktion dem Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen zu. Aber klar ist auch Folgendes: Die baden-württembergischen Unternehmen müssen durch die Politik die Gürtel enger schnallen. Wenn wir dann gestern in der Landespressekonferenz erfahren mussten, dass im Haus haltsplan 2020/2021 im Wesentlichen keine zusätzlichen Mit tel für das Wirtschaftsministerium bereitgestellt werden, aber gleich 3 000 neue Stellen aufgebaut werden sollen, dann sa gen wir: Das scheint Wirtschaftsförderung nach griechischer Art zu sein.

(Beifall bei der AfD)

Und sie wird auch dieselben Ergebnisse wie in Griechenland zeitigen.

Wir stimmen für mehr Geld für die Beamten und Angestell ten. Aber wir sagen, an diese gerichtet, auch: Wir schätzen Ih re wertvolle Arbeit für das Land Baden-Württemberg. Wert schätzen Sie Ihren sicheren Arbeitsplatz, wertschätzen Sie Ih re sichere Altersversorgung, und seien Sie gewiss: Unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird das für

lange Zeit die letzte nachhaltige, größere Tariferhöhung blei ben.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD hat Herr Kol lege Stickelberger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir, die SPD-Fraktion, begrüßen diesen Gesetzentwurf. Ich sage einmal etwas Gu tes: Es ist schon gut, dass die Frau Finanzministerin bei die sem wichtigen Punkt wieder einmal persönlich anwesend ist. Wir begrüßen natürlich die systemgerechte Übertragung des Tarifabschlusses.

(Zuruf des Ministers Manfred Lucha)

Ja, Herr Lucha, damit müssen Sie schon rechnen, dass Kri tik aus dem Parlament kommt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Ja! So ist es!)

Wir haben auch die Zustimmung des Landtags zu Abschlags zahlungen rückwirkend mitgetragen, und wir begrüßen auch die Anhebung der Anwärterbezüge – viele Regelungen, die wir mittragen. Das ist schön und gut, aber kein Grund, sich zurückzulehnen.

Es geht, wie schon mehrfach angeklungen, um die Attraktivi tät des öffentlichen Dienstes, den Kampf um die besten Köp fe in diesem Land, die Gewinnung von Nachwuchs für eine leistungsfähige Verwaltung, die vor immer größeren Heraus forderungen steht – denken Sie nur an das Thema Digitalisie rung; das ist angeklungen.

Es sind viele Maßnahmen erforderlich. Kollege Rösler hat vorhin gesagt: „Ein bunter Strauß von Maßnahmen ist erfor derlich.“ Von der Landesregierung, von Ihnen, Frau Ministe rin, kommt da allenfalls ein zartes Pflänzchen. Mit kleinen Maßnahmen wird es auf Dauer nicht getan sein. Was wir brau chen, ist ein Gesamtkonzept für den öffentlichen Dienst, für dessen Attraktivität, für die Nachwuchsgewinnung, eine Ge samtstrategie ähnlich wie die Digitalisierungsstrategie, die die Landesregierung auf den Weg gebracht hat. Mit Klein-Klein ist es nicht getan.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE zu Abg. Karl Klein CDU: Hast du gehört, Karl? Mit Klein-Klein ist es nicht getan! – Vereinzelt Heiterkeit)

Sicher, es gibt da mal ein Papier. Es gibt immer mal verhalte ne Signale der Fraktionen. Es gibt ein Papier der CDU-Frak tion, es gibt Signale aus der Fraktion GRÜNE, es gibt be schlossene Veränderungen, Verbesserungen in den unteren Lohngruppen; Kollege Klein hat es eben genannt. Was wir vermissen, ist in der Tat ein Gesamtkonzept. Wo bleibt da die Ministerin mit ihrem Gestaltungswillen? Wir vermissen bei Ihnen jeglichen Gestaltungswillen, Frau Ministerin Sitzmann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vom Neuen Schloss hören wir nichts Neues; die Schlossher rin verwaltet im Grunde den Status quo. Das wird auf Dauer nicht reichen, um unsere Verwaltung fit zu machen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte.

Wie würde nach unseren Vorstellungen ein Gesamtkonzept aussehen? Welche Elemente beinhaltet es? Einiges ist schon angeklungen: flexibles Arbeiten, mehr Vereinbarkeit von Fa milie und Beruf, Arbeitszeitkonten – auch das ist ein großes Thema –, mobile Arbeitsplätze mit niederschwelliger Gestal tung, damit sie für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Beamtinnen und Beamte auch attraktiv sind.

Die Anpassung der Wochenarbeitszeit muss perspektivisch in den Blick genommen werden. Wir brauchen altersgerechte Arbeitszeitmodelle, die Möglichkeit einer freiwilligen Verlän gerung der Arbeitszeit und eine verbesserte Kinderbetreuung – da denke ich an Betriebs- und Behördenkitas.

Ich denke aber auch an Hilfen des Landes bei der Wohnungs suche, insbesondere in Ballungsräumen und in Gebieten, in denen es schwer ist, Nachwuchs zu finden. Ich darf erinnern an das – Älteren unter uns vielleicht noch präsente – Lehrer wohnhaus. Früher hat man Beamte auch deshalb gefunden, weil man ihnen eine Wohnung anbieten konnte.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da gab es Resi denzpflicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Hast du das noch erlebt? – Gegen ruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Wir brauchen eine attraktive Bezahlung mit flexibleren Auf stiegsmöglichkeiten. Wir brauchen eine Reform des Beurtei lungswesens. Wir brauchen speziell für die Beschäftigten in der Landesverwaltung ein Qualifizierungsprogramm Digita lisierung. Für die Kommunen gibt es das schon; dort gibt es Digitallotsen. Etwas Vergleichbares fehlt im Land.

Die gesellschaftliche Vielfalt muss sich auch im öffentlichen Dienst widerspiegeln. Das Chancengleichheitsgesetz muss wirklich angewandt werden, um mehr Frauen in führende Po sitionen zu bringen. Wir müssen auch mehr Menschen mit Mi grationshintergrund für den öffentlichen Dienst gewinnen.

Es gibt dazu einzelne Ansätze in den Ressorts. Was fehlt, ist in der Tat ein Gesamtkonzept dieser Landesregierung, insbe sondere ein Konzept von Ihnen, Frau Ministerin. Machen Sie dieses Thema endlich zur Chefsache.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP/DVP spricht Herr Abg. Brauer.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es vorwegzuneh men: Die FDP/DVP-Fraktion unterstützt die zeit- und inhalts gleiche Übertragung der Tarifeinigung vom 2. März 2019 auf die Beamtinnen und Beamten des Landes.

Zeitgemäße Arbeitsbedingungen, interessante Aufgaben und eine angemessene Bezahlung sind notwendig, um die Attrak tivität des öffentlichen Dienstes zu steigern. In allen Berei chen, in denen sich das Land mit Unternehmen der Privatwirt schaft im Wettbewerb um die besten Köpfe befindet, hat es oftmals das Nachsehen. Erfolgsabhängige Vergütungen, fle xible Arbeitszeiten und Aufstiegsmöglichkeiten führen dazu, dass IT-Experten, Bauingenieure, aber auch Berufsschulleh

rer mit entsprechender Qualifikation derzeit die Privatwirt schaft bevorzugen. Es geht also um mehr als um ein ordent liches Grundgehalt. Es geht darum, die Vergütung an die neue Arbeitswelt anzupassen.

Ein Schritt in die richtige Richtung wäre die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten; Herr Stickelberger hat es gerade an gesprochen. In keinem Bereich ist es so einfach wie im öffent lichen Dienst, ein Lebensarbeitszeitmodell einzuführen, be sonders bei den Lehrern. Dieses Lebensarbeitszeitmodell wür de sich der persönlichen Lebensplanung und dem Bedarf an Arbeitskräften anpassen. Diese Chance wurde hier ein weite res Mal vertan. Das ist also kein großer Wurf.

Dass die Landesregierung bei der zeit- und inhaltsgleichen Übertragung sowie bei der abgesenkten Eingangsbesoldung erst durch eine Entscheidung der obersten Gerichte tätig wur de und erst gerichtlich zu einer Beteiligung der Beamten an der allgemeinen Lohnentwicklung quasi gezwungen werden musste, ist traurig. Dass sie nun aber weiterhin versucht, fi nanzielle Spielräume im Landeshaushalt zu schaffen, indem sie den Beamten noch einmal an die Beihilfe geht, ist frech. Auch Ihre willkürliche Absenkung des Beihilfesatzes wird ei ner gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. Nehmen Sie diese zurück, bevor die Gerichte Sie dazu zwingen.

Ich habe Sie bereits in der letzten Plenardebatte an die Ge richtsentscheidungen zur Absenkung der Eingangsbesoldung und zur Absenkung der Zuverdienstgrenze für Ehepartner er innert. Einmal hat Ihnen das Bundesverfassungsgericht auf die klebrigen Finger geklopft; beim zweiten Mal hat das Bun desverwaltungsgericht Einhalt geboten. Lernen Sie aus Ihren Fehlern!

Die Beamten des Landes haben aufgrund ihrer Loyalitäts pflicht und des Streikverbots nicht viele Möglichkeiten, sich zu wehren, aber offensichtlich rechtswidrige Entscheidungen dieser Landesregierung müssen sie sich nicht gefallen lassen.

Ein weiteres trauriges Kapitel in der Beamtenbesoldung in Baden-Württemberg ist der Umstand, dass das Gebot eines Abstands von 15 % zur Sozialhilfe nicht immer eingehalten wird. Die Streichung der unteren Besoldungsgruppe A 5, wie von Innenminister Strobl in Aussicht gestellt, oder eine deut liche Anhebung in den Besoldungsgruppen A 5 und A 6 sind überfällig. Hier passiert noch zu wenig. Ich bin gespannt auf die Haushaltsberatungen für die Jahre 2020/2021.

Trotz dieser Kritikpunkte tragen wir die Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge mit, auch im Hinblick auf die erheb lichen Mehrkosten in Höhe von 900 Millionen € allein für das Jahr 2020. Diese Erhöhung ist gerecht und angemessen und führt dazu, dass der öffentliche Dienst nicht von der allgemei nen Lohnentwicklung abgekoppelt wird.

Aber auch der Beamte lebt nicht von Brot allein. Die von Ih nen bereits im Koalitionsvertrag avisierten Anpassungen des Beamtenrechts an die Lebenswirklichkeit lassen nun schon lange auf sich warten. Die Lebensarbeitszeitkonten habe ich angesprochen; die Abkehr von der 41-Stunden-Woche ist ei ne weitere.

Es wäre ein positives Signal an die Beamten, nicht nur frühe re Verschlechterungen zurückzunehmen, wie Sie es widerwil

lig getan haben, sondern endlich auch moderne Elemente in das Beamtenrecht zu integrieren.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Für die Regierung darf ich Frau Ministerin Sitzmann ans Redepult bitten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir beraten den Gesetzentwurf heute zum zweiten Mal. Es freut mich sehr, dass alle Fraktionen gesagt haben, dass sie dem Gesetzentwurf der Landesregierung über die Anpassung von Dienst- und Ver sorgungsbezügen in Baden-Württemberg 2019/2020/2021 zu stimmen wollen. Wir werden die Dienst- und Versorgungsbe züge, wie Sie alle wissen, zum 1. Januar dieses Jahres um 3,2 %, zum 1. Januar des kommenden Jahres um weitere 3,2 % und zum 1. Januar 2021 noch einmal um 1,4 % anhe ben. Die monatlichen Bezüge der Anwärterinnen und Anwär ter sind zum 1. Januar dieses Jahres um 50 € gestiegen; Sel biges erfolgt zum Januar 2020.

Diese Erhöhungen, auch die Übertragungen der Tarifergeb nisse auf die Beamtinnen und Beamten sowie die Versor gungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger in unserem Land, sind ein gutes und starkes Signal an die Beschäftigten in unserem Land und sollen zeigen, dass wir sie und ihre Ar beit hier im Land wertschätzen und dringend brauchen.

Vieles haben Sie bereits angesprochen. Der Vergleich mit an deren Tarifabschlüssen in den Jahren 2018 und 2019 zeigt: Im öffentlichen Dienst – Bund und Kommunen – wurden im Jahr 2019 die Entgelte um 3,09 % angehoben; im Einzelhandel z. B. lag die Steigerung bei 3 %. Wir sind mit den 3,2 % so mit gut in der Balance. Ich denke, deshalb ist es auch ein wich tiges und ein schönes Signal an die Beschäftigten in unserem Land, dass der Landtag hier auch einig ist und alle Fraktionen diesem Gesetzentwurf zustimmen werden, wie es angekün digt ist.

Wir tun das ja auch in dem Wissen, dass das Gesetz tatsäch lich einen Griff in die Kasse bedeutet, dass wir relevante Mehrausgaben zu stemmen haben. Die Gesamtkosten in den Jahren 2019 bis 2021 belaufen sich auf mehr als 3,3 Milliar den € für den Tarifbereich sowie die Besoldung und Versor gung und sonstige Zuschussempfänger. Die Beschäftigten in unserem Land sind jedoch das wichtigste Kapital, das wir hier haben. Deshalb ist es richtig, dass Polizistinnen und Polizis ten, Lehrerinnen und Lehrer, Richterinnen und Richter sowie Steuerfahnderinnen und Steuerfahnder unsere Anerkennung auch auf ihrem Gehaltszettel ablesen können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, wir seitens des Landes BadenWürttemberg wollen heute, aber auch in Zukunft ein attrakti ver Arbeitgeber sein. Auch deshalb müssen wir den Anschluss an die allgemeine Einkommensentwicklung erhalten.

Nun sind hier auch einige andere Punkte angesprochen wor den; auch auf sie möchte ich gern noch eingehen.