Protocol of the Session on June 26, 2019

Aber einmal abgesehen davon: Wir bestimmen hier über den Haushalt, und wir bestimmen auch über die von den Ressorts zu treffenden Einzelentscheidungen in den Ausschüssen mit. Deswegen befinden wir uns in Bezug auf Europa über die ge setzliche Situation hinaus viel stärker in der parlamentarischen Mitwirkung, als es hier unterstellt wird.

Wir sind aus meiner Sicht also auf dem richtigen Weg. Aber es gibt Dinge, die wir fortentwickeln müssen – ich komme

demnächst zum Ende, Frau Präsidentin; ich sehe die Uhr –; es gibt Dinge, die während der letzten Jahre eine Rolle ge spielt haben. Es geht um die Umsetzung der Gesetze, die wir haben – die Verfassungsänderung, aber eben auch das EULG. Darüber müssen wir schon reden.

Es gibt ein Spannungsverhältnis zwischen der Exekutive und der Legislative, das sich auch in Baden-Württemberg nicht immer so darstellte, wie wir es uns gewünscht haben. Es trat dabei nämlich ein Bremseffekt ein. Die Fristen sind oft nicht eingehalten worden. Die Auswahl der Themen, die in die par lamentarische Beratung kommen, ging oft auf eine selbstherr liche eigene Auswahl der Ressorts zurück. Die Kommunika tion zwischen dem Parlament und den jeweiligen Regierungs vertretern, also den Ministern, war nicht in Ordnung. Oftmals war man sich zu schade, das eigene Anliegen im jeweiligen Ressort im Ausschuss zu vertreten. Da gibt es einiges, das man ansprechen kann.

Die Komplexität der Sache selbst hat auch oft dazu geführt, dass man gesagt hat: Na ja, ich nehme ein bisschen Abstand von dem Thema; Europa ist nun mal komplex.

Aber klar ist, meine Damen und Herren: Europapolitik gehört in diesem Land ins Parlament. Deswegen erwarten wir auch von der Regierung, dass sie ihre Aufgabe ernst nimmt und dass Europapolitik im Parlament stattfindet. Dann werden wir die Regelungen, die wir richtigerweise geschaffen haben, tat sächlich leben können.

Eines ist auch klar:...

Jetzt ist die Zeit aber wirk lich um, Herr Abg. Hofelich. – Bitte.

... Die Staatlichkeit Baden-Würt tembergs setzt voraus, dass wir, der Landtag, unsere Rechte vollumfänglich wahrnehmen. Dafür sollten wir uns heute auch ganz klar aussprechen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Andreas Deusch le CDU)

Herr Abg. Dr. Schwei ckert, bitte, für die FDP/DVP.

Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Wenn ein Gesetzentwurf vor gelegt wird, sind hierfür drei Intentionen denkbar. Entweder möchte man etwas einführen, was es noch nicht gibt. Oder man möchte etwas besser machen. Oder man möchte – Kol lege Hofelich hat es gesagt – etwas „zerregeln“ oder, wie ich sagen würde, kaputt machen.

Schauen wir uns einmal an, was die AfD hier vorlegt. Herr Sänze hat selbst gesagt, dass es nur wenige Länder gibt, die so etwas haben wie ein EULG, ein EU-Landtagsbeteiligungs gesetz. Daher muss man sagen: Baden-Württemberg ist spit ze, was die Beteiligung des Landtags in europäischen Ange legenheiten betrifft.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Genau!)

Einführen muss man also nichts.

Die nächste Frage ist: Muss man etwas besser machen? Da stimme ich ja überein, dass man etwas besser machen muss. In Artikel 34 a der Landesverfassung heißt es:

Die Landesregierung unterrichtet den Landtag zum frü hestmöglichen Zeitpunkt über alle Vorhaben der Europä ischen Union, die von erheblicher politischer Bedeutung für das Land sind...

Genau darum geht es. Kommt man diesem Anspruch nach oder nicht? Herr Sänze, ich weiß nicht, ob Sie es mitbekom men haben: Vor einem Jahr hat die FDP/DVP-Fraktion im Eu ropaausschuss den Vorstoß unternommen – der auch von den anderen Fraktionen getragen wurde –, einmal zu analysieren, wie viele solcher Unterrichtungen es im Europaausschuss denn überhaupt gab. Dabei haben wir festgestellt – Stand vor einem Jahr; am 11. Juli haben wir es beraten; am 29. Mai war es eingereicht worden; es ist also ein Jahr her –: Es gab 115 Unterrichtungen im Ausschuss.

Festgestellt wurde auch, dass nur 27 dieser 115 Unterrichtun gen von den Ministerien kamen. Da gab es Ministerien, die dieses EULG, diese Beteiligung, sehr vorbildlich leben, bei spielsweise das Justizministerium – gut, klar; da steht Euro pa ja auch im Namen; da erwarte ich auch, dass sie es gut le ben. Aber gerade beim Innenministerium oder beim Verkehrs ministerium – Kollege Frey hat selbst das Innenministerium mehrfach kritisiert und darauf hingewiesen, dass man Fristen versäumt und nicht rechtzeitig informiert hat – ist noch viel Luft nach oben, meine Damen und Herren.

Dann geht es darum, dass wir, wenn wir Beteiligung leben wollen, dies auch einfordern. Wir müssen diese Rechte also im täglichen Doing einfordern und dann überlegen: Braucht man diesen Gesetzentwurf? Dieser Gesetzentwurf umfasst vier inhaltliche Änderungen.

Kollege Deuschle hat schon sehr gut herausgearbeitet, dass man nun plötzlich deutlich mehr in dieses Beteiligungsver fahren hineinbringen möchte. Da sehe ich ebenso wie der Kol lege Deuschle die große Gefahr, dass, wenn man über alles redet – teilweise sogar über bundesstaatliche Konferenzen, die stattfinden –, die wirklich wichtigen Dinge durchfallen. Das ist genau das: Wenn man möchte, dass seine Arbeitsgrup pe mit Arbeit zugeschüttet wird, damit hinten am besten nichts rauskommt, dann beschreitet man genau den Weg, den die AfD jetzt vorschlägt. Denn es gibt ohne Einschränkung Ge setzgebungszuständigkeiten des Bundes und der Länder, die jetzt plötzlich da reinkommen sollen. Das ist der erste Punkt.

Und über alles muss frühestmöglich informiert werden, nicht nur über das, was im EULG steht. Das ist der zweite Punkt.

Der dritte Punkt, der auch aufhorchen lässt: dass man auch al le Zustimmungsgesetze im Bundesrat mit EU-Bezug darun ter fassen könnte. Das heißt, wir würden nicht nur das Grund sätzliche beraten, das auf europäischer Ebene passiert, son dern wir würden auch das Umsetzungsgesetz noch einmal so beraten. Das würde dahin gehen, dass Sie über weitere Geset ze, die Sie dann einbringen müssten, die Landesregierung bin den.

Meine Damen und Herren, dann könnten wir im Prinzip die Arbeit und den Föderalismus einstellen. Sie können Ihrer AfD-Fraktion im Bundestag sagen: „Stellt das Arbeiten ein,

denn das machen wir jetzt hier im Land Baden-Württemberg und binden das Ganze.“ Das ist ein schönes Vertrauensver hältnis, das Sie mit Ihren Kollegen im Deutschen Bundestag pflegen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP, der Grünen und der CDU)

Wenn wir das machen würden, hätte das Ganze, was in die sem Gesetzentwurf steht, die Auswirkung, dass zum einen die wichtigen Sachen untergingen und wir uns mit Klein-Klein beschäftigten. Es würde dazu führen, dass wir massiv die Ex ekutivkompetenz einer Landesregierung einschränkten, die verfassungsmäßig gewollt ist und hinter der wir auch stehen. Und Sie würden sehr stark in die Rechtsetzungskompetenz der Bundesebene eingreifen. Im Prinzip ist das, was Sie ma chen wollen, Wallonien by CETA 4.0. Das ist genau das, was Ihr Ziel ist.

Aber vielleicht ist es ja so, dass man genau das will, dass man genau das möchte, dass wir nicht mehr arbeitsfähig sind, dass man genau möchte, dass ein Wallonien 4.0 kommt und man über Volksentscheide – ich sage es jetzt einmal relativ einfach – Partikularinteressen aus Baden-Württemberg auch auf eu ropäischer Ebene durchsetzen kann.

(Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Dann müssen Sie lesen, was in dem Gesetzentwurf steht.

Und last, but not least: Wenn das käme, was Sie hier einrei chen, würde das EU-Landtagsbeteiligungsgesetz, bei dem wir ja festgestellt haben, dass wir Vorreiter sind, dass wir etwas Gutes haben, ad absurdum geführt und man würde nicht – das, was Sie immer ins Fenster stellen – das Parlament mit zu we nigen Informationen aushungern, sondern man würde es zu Tode füttern mit Dingen, die auf anderer Ebene gesetzlicher Regelungen bedürfen.

Meine Damen und Herren, Sie machen damit nichts Neues, was man brauchen würde. Sie machen auch nichts besser. Vielmehr machen Sie etwas Gutes, was wir haben, kaputt.

Lassen Sie uns daran arbeiten – da bin ich bei Ihnen –, dass die Ministerien ihrer Verantwortung mehr nachkommen, und das einfordern. Da erreichen wir mehr als mit diesem Gesetz entwurf, dessen Umsetzung definitiv keine Verbesserung brin gen, sondern alles deutlich schlechter machen würde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Für die Regierung hat das Wort Herr Minister Wolf.

Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Präambel un serer Landesverfassung heißt es, dass das Land – ich zitiere –

... als lebendiges Glied der Bundesrepublik Deutschland in einem vereinten Europa, dessen Aufbau föderativen Prinzipien und dem Grundsatz der Subsidiarität ent spricht, zu gestalten...

ist. Diesen Grundsätzen ist die Landesregierung verpflichtet, und wir nehmen diese Grundsätze sehr ernst. Mehr noch: Wir sehen die europäische Einigung als Gestaltungsauftrag an, den wir, das Land, mit Leben füllen müssen. Vor diesem Hinter grund haben wir uns in unserem Europaleitbild zu einer Eu ropäischen Union bekannt, die von unten nach oben aufge baut ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der heute von der AfD vor gelegte Gesetzentwurf hat nach meiner Einschätzung gar nicht so sehr das Ziel, am Ende des Tages tatsächlich Wirklichkeit zu werden, sondern er verfolgt einmal mehr das Ziel, der Be völkerung den Eindruck zu vermitteln,

(Abg. Stefan Räpple AfD: Das ist eine Mutmaßung!)

dass in Europa über die Köpfe der Menschen hinweg entschie den werde,

(Zuruf von der AfD: Ist ja auch so!)

dass in Europa Belange der Nationalstaaten, der Regionen ig noriert würden und dass wir hier dazu verurteilt seien, diesem Treiben tatenlos zuzusehen.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Zur Kenntnis zu nehmen! – Abg. Dr. Christina Baum AfD: Genau!)

Diese durch Sie vermittelte Botschaft ist – mit Verlaub – klar falsch, und das müssen wir in diesem Haus zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Es ist sehr viel dazu gesagt worden. Ich will das im Detail auch noch einmal tun. Aber erlauben Sie mir schon – in der gebotenen Kürze –, am Anfang auf § 2 des Gesetzes über die Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäi schen Union, EULG, vom 17. Februar 2011 hinzuweisen. In dessen § 2 Absatz 1 heißt es:

Die Landesregierung unterrichtet den Landtag zum frü hestmöglichen Zeitpunkt in einem Berichtsbogen über al le Vorhaben der Europäischen Union, die von erheblicher politischer Bedeutung für das Land sind und entweder die Gesetzgebungszuständigkeiten des Landes betreffen oder wesentliche Interessen des Landes unmittelbar berühren.

Wer hier den Eindruck vermittelt, das Land stünde außen vor und sei zum Zuschauen verurteilt, der informiert die Bevöl kerung dieses Landes falsch, und das müssen wir an dieser Stelle richtigstellen.