Protocol of the Session on June 26, 2019

Wer hier den Eindruck vermittelt, das Land stünde außen vor und sei zum Zuschauen verurteilt, der informiert die Bevöl kerung dieses Landes falsch, und das müssen wir an dieser Stelle richtigstellen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Mit Verlaub, Herr Sänze: Ich kann mich an viele Äußerungen Ihrerseits erinnern, in denen Sie eine überbordende Bürokra tie der Europäischen Union beklagt haben.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Ja!)

Zum Teil will ich Ihnen da auch gar nicht vollumfänglich wi dersprechen. Da gibt es kritische Punkte. Aber das, was Sie hier tun, nämlich im Grunde alles zum Gegenstand der Bera tungen in unseren Ausschüssen, in unseren Parlamenten zu

machen, hätte genau diese überbordende Bürokratie, die wir eben nicht wollen, zur Folge. Insofern überlegen Sie sich mal, was Sie wirklich wollen: Wollen Sie mehr Bürokratie in Eu ropa, oder wollen Sie weniger? Wenn Sie weniger wollen, ist dieser Gesetzentwurf der falsche, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Der Landesgesetzgeber und die Landesregierung haben ein gemeinsames Interesse. Wir wollen nicht, dass die Gesetzge bungskompetenzen des Landes in irgendeiner Weise einge schränkt werden. Das gilt gegenüber der Europäischen Uni on genauso wie gegenüber dem Bund.

Ich hatte es in der letzten Aktuellen Debatte vor der Europa wahl betont: Unser gemeinsames Ziel muss eine starke Euro päische Union sein, die sich auf die Aufgaben mit einem ech ten europäischen Mehrwert konzentriert und den Regionen und Kommunen ausreichende Spielräume und Luft zum At men lässt. Ich glaube, in dieser Einschätzung gibt es durch aus auch Überschneidungen. Darauf achten wir seitens der Landesregierung auch sehr genau.

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Gedeon?

(Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos]: Nein, nein! Entschuldigung, keine Zwischenfrage!)

Herr Ge deon hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass er keine Frage stellen will. Das heißt, dass er mit meinen Ausführungen voll umfänglich einverstanden ist.

(Heiterkeit)

Diesem Ziel kommen wir am besten mit guten Argumenten auf der einen Seite und einem ständigen Dialog auf der ande ren Seite näher.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, die Europäische Union besser und subsidiärer zu machen. Auch da gibt es mit Sicherheit noch Bereiche, in denen die Europäische Union besser werden kann. Ich habe das an dieser Stelle auch immer wieder kritisch angemerkt.

Schon 1995 wurde mit Artikel 34 a in der Landesverfassung die Beteiligung des Landtags in EU-Angelegenheiten gere gelt. 2010, 2011 – heute schon mehrfach zitiert – wurden die dort enthaltenen Informationsrechte gegenüber der Landesre gierung entschieden erweitert. In diesem Prozess war BadenWürttemberg auch immer Speerspitze. Baden-Württemberg gehörte zu den ersten Ländern, die diese Beteiligung der Län der eingefordert haben. Zudem wurde eine gestufte Bindung der Landesregierung an Stellungnahmen des Landtags einge führt. Damit liegt Baden-Württemberg im Vergleich mit den anderen Ländern mit Blick auf die Beteiligungsrechte des Landtags in EU-Angelegenheiten weit vorn – weit, weit vorn! Und das lassen wir uns auch von Ihnen nicht schlechtreden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Herr Minister, jetzt möch te Herr Abg. Dr. Fiechtner eine Zwischenfrage stellen.

Bitte schön.

(Zuruf: Ach nein! – Zuruf des Abg. Willi Stächele CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Wolf. – Artikel 34 a der Landesverfassung sieht ja lediglich eine Information vor. Worin können Sie dort Mit gestaltungsmöglichkeiten erkennen?

Wir ha ben gerade mit der Einführung und der Etablierung des Euro paausschusses im Landtag von Baden-Württemberg einerseits und mit den vielfältigen Möglichkeiten unserer Landesvertre tung in Brüssel andererseits – jedes Ressort dieser Landesre gierung ist dort mit einem sogenannten Beobachter vertreten, der die Gesetzgebungsprozesse im Auge behält – ein Früh warnsystem etabliert, das uns die Möglichkeit gibt, frühzeitig in die Prozesse einzudringen, Einfluss zu nehmen – mit den unterschiedlichen Möglichkeiten sogenannter gelber Karten und den Möglichkeiten der Subsidiaritätsrüge. Wann immer wir in solchen Prozessen den Eindruck gewinnen, dass unzu lässigerweise in unsere Rechte eingegriffen wird, machen wir von diesen Instrumenten auch Gebrauch.

Herr Minister, Herr Abg. Dr. Fiechtner möchte noch einmal nachfragen.

Bitte schön.

Vielen Dank, dass Sie mir die Zusatzfrage gewähren. – Worin liegt denn jetzt konkret auf der Ebene des Landtags die Möglichkeit, et waige Entscheidungen der EU möglicherweise aktiv zu mo difizieren? Habe ich irgendetwas falsch verstanden?

Nehmen Sie das Thema Dienstleistungspaket, wo es berechtigte Kritik gab, etwa auch mit Blick auf die Handwerkerschaft und den Meisterbrief. Dort ist es gelungen, aus dieser hier geführten Debatte im Europaausschuss und aus der Erkenntnis heraus, auf der europäischen Ebene tätig werden zu müssen, unmit telbaren Einfluss auf die Generaldirektionen zu nehmen, die dann im Gesetzgebungsprozess Korrekturen zur Folge hatten, die am Ende des Tages gerade auch dem baden-württember gischen Handwerk gedient haben. Wir machen von diesen Möglichkeiten Gebrauch. Da kann man vielleicht in der Zu kunft noch besser werden, aber der Eindruck, wir hätten da nichts zu sagen, ist falsch, und dem muss ich eben entgegen treten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Stimme der Legislative – die Meinung des Landtags – in EU-Angelegenheiten wird gehört. Die Stellungnahmen des Landtags haben einen politischen Wert, sowohl bei Beratun gen im Bundesrat als auch gegenüber der Kommission. In der 15. Legislaturperiode hat sich der Landtag mit insgesamt 130 EU-Vorhaben befasst, welche die Landesregierung im Rah men der Unterrichtung des Landtags in EU-Angelegenheiten übermittelt hat. In zwölf Fällen hat der Landtag subsidiaritäts relevante Beschlüsse, Entschließungen oder Stellungnahmen

gefasst. Herr Dr. Fiechtner, das nimmt auch Bezug auf Ihre Frage. In der laufenden Legislaturperiode hat er in sieben Fäl len entsprechende Stellungnahmen abgegeben. In allen Fäl len gab es eine Übereinstimmung zwischen der Haltung des Landtags und der Landesregierung. Das zeigt: Die Zusam menarbeit zwischen Landtag und Landesregierung funktio niert. Es gibt also keinen Anlass für eine Verfassungsände rung.

Herr Minister, es gibt noch eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Schweickert. Lassen Sie die auch zu?

Herr Dr. Schweickert, bitte schön.

Herr Minister, vielen Dank. – Weil gerade von meinem Vorfrager der Eindruck er weckt worden ist, man könnte da nur eine Stellungnahme abgeben und nichts erreichen: Würden Sie mir zustimmen, dass in Artikel 34 a Absatz 2 Satz 1 genau steht – ich zitiere –: „... ist die Landesregierung an Stellungnahmen des Landtags gebunden“ und dass uns Parlamentarier aus 14 Bundesländern darum beneiden, dass wir sehr wohl die Möglichkeit haben, nicht nur informiert zu werden, sondern tatsächlich mitzuge stalten?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP, der Grünen, der CDU und der SPD)

Ich stim me Ihnen zu, dass uns mindestens 14 Bundesländer um gro ße Errungenschaften in Baden-Württemberg beneiden. Ich ha be vorhin darauf hingewiesen, dass wir in Baden-Württem berg in diesen Beteiligungsmöglichkeiten und auch in dieser Bindung der Landesregierung an Voten des Parlaments vor vielen Jahren vorausmarschiert sind. Diese große Errungen schaft, diese visionäre Positionierung zu dem, was auf der eu ropäischen Bühne passiert, das baden-württembergische Pro fil, sollten wir, wie gesagt, heute in dieser Debatte nicht schlechtreden. Im Gegenteil: Andere sind uns in dieser Form gefolgt. Wir waren Impulsgeber für diesen Demokratisie rungsprozess auf der europäischen Ebene.

Die von der AfD-Fraktion beantragten Änderungen würden den Landtag nach meiner Einschätzung eher schwächen. Die Juncker-Kommission hat in ihrer Amtszeit bislang 471 Recht setzungsinitiativen hervorgebracht; hinzu kommen unzählige nicht legislative Mitteilungen, Grün- und Weißbücher. Nicht alles betrifft Baden-Württemberg unmittelbar.

Um eine wirklich wirksame Kontrolle ausüben zu können, ist eine Auswahl auf diejenigen Vorhaben sinnvoll, bei denen Auswirkungen auf Baden-Württemberg zu erwarten sind. Man muss sich ja auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren, sonst sieht man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Dann hätten wir das Gegenteil von dem, was Sie wollen, erreicht. Eine uferlose und ungefilterte Information über sämtliche EUVorhaben würde dem Landtag einen Bärendienst erweisen.

Lassen Sie mich abschließend noch verfassungsrechtliche Be denken gegenüber diesem Gesetzentwurf erheben. Er begeg net abgesehen von praktischen Einwänden auch verfassungs rechtlichen Bedenken.

Die in Artikel 1 Nummer 2 des Entwurfs vorgesehenen erwei terten Mitwirkungsrechte sind im Hinblick auf den Gewalten teilungsgrundsatz und die Grundstrukturen unserer föderalen Ordnung nicht unproblematisch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Staatsgerichtshofs sind rechtliche Bindungen der Mitglieder der Landesregie rung durch das Parlament gerade bei der Mitwirkung im Bun desrat grundsätzlich ausgeschlossen. Es gibt für die Mitglie der des Bundesrats eben gerade kein gewaltenübergreifendes imperatives Mandat.

Verfassungsrechtlich schwierig wird es daher dort, wo der Ge setzentwurf deutlich über die bestehenden Mitwirkungsrech te gemäß Artikel 34 a der Landesverfassung hinausgeht. Wir wären damit bei einem imperativen Mandat, und das ist der deutschen Demokratie zum Glück fremd.

Meine Damen und Herren, die verfassungsrechtlichen Beden ken, auf die ich gerade eingehen musste, machen den Gesetz entwurf von vornherein nicht gangbar. Dieser Weg ist in mei nen Augen aber auch nicht erforderlich, weil die bisherige Ver fassungslage die von uns allen gewünschte weitgehende Be teiligung des Landtags bereits ermöglicht.

Deswegen mein Appell und meine Bitte: Lassen Sie uns an dieser guten Zusammenarbeit festhalten! Lassen Sie uns ge meinsam daran arbeiten, diese Zusammenarbeit noch zu op timieren, noch besser zu werden. Das ist ein ständiger Pro zess, zu dem ich mich ausdrücklich bekenne. Lassen Sie uns als Landespolitiker weiterhin mit großer europäischer Verant wortung in Sachen Weiterentwicklung der Europäischen Uni on agieren!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Herr Abg. Sänze, ist es richtig, dass Sie noch 30 Sekunden sprechen wollen? – Bitte.

Herr Minister Wolf, wohlwollend neh me ich zur Kenntnis, dass Sie mit der AfD zusammenarbeiten wollen. Ich hoffe, dass Frau Kramp-Karrenbauer das auch so sieht.

Den anderen möchte ich entgegenrufen: Das Bessere ist der Feind des Guten. Wir haben einen Verbesserungsvorschlag vorgelegt, der Ihre Rechte erhöht.

(Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Das wollen Sie nicht. Sie wollen keine Souveränität. Dann bleibt abzuwarten, wie die EU in unser Landesrecht eingreift, und die Konsequenzen tragen Sie vor Ihren Wählern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Abg. Dr. Fiechtner, bitte.