Protocol of the Session on June 26, 2019

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wir haben eine gute Landesverfassung. Das EULG ist genau so gut und hat sich weitestgehend bewährt. Wir werden noch operationelle Veränderungen anstreben, aber dafür brauchen wir nicht einmal eine Gesetzesänderung.

Auf dieser gesetzlichen Grundlage und mit operationellen Ver besserungen bringen wir die Arbeit unserer Ausschüsse und dieses baden-württembergischen Parlaments in Europa – so wie Europa in Baden-Württemberg – demokratisch und nach haltig weiter.

Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück. Sie sparen dem Land damit Steuermittel und ersparen der AfD eine Blamage.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Jetzt spricht für die CDUFraktion Herr Kollege Deuschle.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich mir die Über schrift des vorliegenden Gesetzentwurfs ansah, kam mir spon tan der Satz in den Sinn: „Der Laie staunt, der Fachmann wun dert sich.“ Die AfD, also genau die Partei, die mit dem EU

Austritt Deutschlands liebäugelt, möchte die Mitwirkung des Landtags genau in jener Institution stärken.

(Zurufe von der AfD, u. a. Abg. Udo Stein: Das stimmt gar nicht! So nicht richtig!)

Netter Versuch, liebe AfD.

Der vorliegende Gesetzentwurf kommt daher wie der sprich wörtliche Wolf im Schafspelz. Denn wenn es einen Landtag in Deutschland gibt, der sich Europa und die politische Mit gestaltung in Europa auf die Fahne geschrieben hat, dann ist das der Landtag von Baden-Württemberg. Das ignorieren Sie.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD)

Der baden-württembergische Landtag hat sich gerade wegen des bestehenden Artikels 34 a – der Kollege Frey hat es aus geführt – als europapolitischer Akteur etablieren können, und dies dank einer Anpassung der Landesverfassung – noch ganz ohne die AfD – im Zuge der beiden europäisierenden Verfas sungsänderungen, nämlich 1995 und zuletzt 2011.

Ausgewiesene Verfassungsrechtler wie etwa Professor Fabi an Wittreck von der Universität Münster loben unseren Arti kel 34 a als besonders beteiligungsstark. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Professor Voßkuhle, ist so gar der Auffassung, dass unsere Landesverfassung den Be deutungsverlust des Landtags nicht nur stoppen, sondern teil weise sogar rückgängig machen kann.

(Abg. Winfried Mack CDU: Hört, hört!)

Das gilt gerade mit Blick auf Absatz 2, wonach die Landes regierung an Stellungnahmen des Landtags gebunden ist, wenn es sich um Vorhaben handelt, die die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder unmittelbar betref fen, oder wenn eben Hoheitsrechte von den Ländern auf die EU übertragen werden sollen. Sind die Gesetzgebungszustän digkeiten der Länder wesentlich berührt, dann muss die Lan desregierung die Stellungnahmen des Landtags zumindest be rücksichtigen.

Herr Sänze, das, was Sie hier ausgeführt haben, dass der Land tag überhaupt kein Mitspracherecht an dieser Stelle hätte, ist schlichtweg falsch. Lesen Sie Artikel 34 a durch, und kom men Sie zu einer Einsicht. Vielleicht können Sie auch etwas von den Reden, die jetzt noch kommen, lernen. Aber das, was Sie behauptet haben, ist schlichtweg falsch.

Zum Ausdruck kommt die starke Stellung unseres Landtags auch, wenn wir uns zum Vergleich die Landesverfassungen der anderen Bundesländer anschauen. In EU-Angelegenhei ten sieht neben Baden-Württemberg nur noch Bayern diese strikte Bindung der Landesregierung bei ihrem Stimmverhal ten im Bundesrat vor. In den anderen Bundesländern – Hes sen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen – gibt es überhaupt keine europabezogenen Unterrichtungspflichten. Daher versuchen Sie hier etwas schlechtzureden, womit wir wirklich an der Spitze aller 16 Bundesländer liegen und was einmalig ist, und das ist unsere Gesetzgebung hier in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Baden-Württemberg ist also Vorreiter, wenn es um die Einbe ziehung des Landesparlaments in die Willensbildung und Ent scheidungskette auf europäischer Ebene geht.

Jetzt können Sie natürlich sagen: „Ja, das ist uns alles noch viel zu wenig.“ Aber mit dem, was Sie in Ihrem Gesetzent wurf im Detail vorschlagen, würde die Mitwirkung des Land tags alles andere als verbessert, sondern das Gegenteil wäre der Fall.

Es fängt damit an, dass die Landesregierung den Landtag nicht mehr nur über die Vorhaben der Europäischen Union von er heblicher politischer Bedeutung für das Land unterrichten soll, wie es jetzt in Artikel 34 a heißt. Nein, Sie wollen über alles, was in Brüssel geschieht,

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Natürlich!)

hier im Landtag beraten. Sie wollen den Landtag quasi mit In formationen überfluten, die für uns hier vor Ort überhaupt nicht relevant sind. Sehen Sie es mir nach: Es liegt schon der Verdacht vor, dass Sie, nachdem Sie Ihre parlamentarische Tä tigkeit hier ohnehin nur auf das Kommentieren und Kritisie ren beschränken, jetzt noch einmal zusätzlich Sand ins Ge triebe der Parlamentsarbeit streuen wollen mit dem Verweis: „Das kommt ja alles aus Brüssel.“ Aber auf diesen Rattenfän gertrick werden wir nicht hereinfallen,

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD)

sondern wir werden die allumfassende Informationspflicht, die Sie vorschlagen, meiden und uns auf die wichtigen Kern kompetenzen des Landes immer dann, wenn es um Angele genheiten der Europäischen Union geht, konzentrieren und dann schnell und effektiv hier im Land Antworten liefern, da mit Brüssel die Aufgaben, die es zu Recht meistern will, auch wirklich meistern kann.

Gehen wir einmal ins Detail. Sie wollen die Bildung eines Bundesstaatswillens durch den Prozess der Bildung von Lan desstaatswillen ersetzen – so schreiben Sie. Sie wollen, ins Ju ristendeutsch übersetzt, dass sich der Landtag auch dann ein mischt, wenn Bundesangelegenheiten durch die EU-Gesetz gebung betroffen sind. Dass dies verfassungsrechtlich über haupt nicht zulässig ist, sei jetzt einmal dahingestellt, weil Sie die Gesetzgebungskompetenz außerhalb des Landtags angrei fen. Aber das zeigt natürlich im Kern, dass es Ihnen nicht um den Inhalt geht, sondern um die Überschrift. Wer, bitte, kann schon gegen mehr Mitgestaltung des Landtags in EU-Ange legenheiten sein? Das war Ihre Idee. Sie hat allerdings nicht lange gehalten.

Meine Fraktion wird Ihren Gesetzentwurf, wenn man ihn denn überhaupt so nennen darf, ablehnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich darf das Wort für die SPD-Fraktion Herrn Abg. Hofelich erteilen.

Werte Frau Präsidentin, Kollegin nen und Kollegen! Ich darf die Gelegenheit nutzen, bei die sem Gesetzentwurf herauszuarbeiten, wo in der Gesamtsitu ation, wie sich der Landtag zu Europa verhält, unsere künfti gen Interessen liegen und wie wir bisher vorangekommen sind. Das ist zumindest ein Nutzen der heutigen Debatte. An sonsten schließe ich mich dem Vorschlag an, dass wir uns viel leicht auch aus Effektivitätsgründen die weitere Debatte er sparen könnten. Aber das liegt bei der AfD.

Meine Damen und Herren, ich will noch einmal den Lissa bon-Vertrag ansprechen. Er hat einen Fortschritt für Europa gebracht. Wir alle können uns nicht freuen, dass er nicht wirk lich so gelebt wird, wie es der Euphorie über ihn am Anfang entsprochen hätte. Aber er hat einen Fortschritt gebracht, und diesem Fortschritt mussten wir im Landtag auch gerecht wer den. Deswegen sind die Gesetze eingebracht worden, die heu te von Kollegen bereits angesprochen worden sind.

Der Lissabon-Vertrag hat auch den wichtigen Weg eingeschla gen, dass wir vom Einstimmigkeitsprinzip zum Mehrheits prinzip – einem im Übrigen konditionierten Mehrheitsprinzip – übergegangen sind. Ich sage an dieser Stelle auch: Ich fin de es gut, wenn wir jetzt darüber sprechen, dass dieses Ein stimmigkeitsprinzip nun in mehr Mehrheitsentscheidungen überführt wird. Dadurch werden wir auch ein besseres Euro pa bekommen. Da bin ich sicher, meine Damen und Herren, und da bin ich auch dafür.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Stefan Räpple AfD: Was ist mit der Souveränität der Natio nalstaaten?)

Dazu komme ich gern noch, Herr Kollege. Zu den Oberhis torikern komme ich nachher gern noch.

Ich bin auch dafür, dass wir das, was wir vereinbart haben, jetzt bei den Wahlen auch durchhalten – aus aktuellem Anlass –, dass das Spitzenkandidatenprinzip für die Kommissions spitze auch angewandt wird. Tatsächlich kommt es so, wie Frau Merkel in den Wald hineinruft, von Herrn Macron her aus. Das ist eine Fehlentwicklung, die wir in den letzten Mo naten erlebt haben. Aber ich sage als Parlamentarier: Ich wür de mich freuen, wenn wir das Spitzenkandidatenprinzip bei der Kommissionsspitze auch durchhalten könnten, meine Da men und Herren, auch wenn ich weiß, dass das in der jetzigen Situation eine etwas blauäugige Forderung ist.

Aber wir brauchen mehr Demokratie auch aus dem LissabonVertrag heraus. Mehr Demokratie wird nicht in der sogenann ten eingebläuten Propaganda des Zentralstaats sein, wie er nach Ansicht der AfD im Wahlkampf vertreten worden ist, sondern sie wird in einem dezentralen Europa der Regionen sein, in dem es eine Balance zwischen Solidarität und Subsi diarität gibt. Das ist unser Grundverständnis hier in BadenWürttemberg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD: Hört, hört!)

In dieser Balance wird es auch darum gehen, dass wir z. B. eine gemeinsame europäische Sozialpolitik weiterentwickeln.

Ich komme jetzt auf den eigentlichen Kern des Gesetzesvor habens. Wir haben damals, im Jahr 2011, einen Prozess abge schlossen, bei dem ich dem Kollegen Wolfgang Reinhart im

Übrigen dankbar bin, dass er ihn damals als Europaminister getragen hat – auch sein Amtsvorgänger hat ihn mit Sicher heit schon getragen –, dass wir als Gesetzgeber so weit wie möglich gegangen sind, die Möglichkeiten des Parlaments zu stärken, sowohl mit der Verfassungsänderung, bei der durch aus die Frage der erheblichen Gründe eine Rolle gespielt hat, dass überhaupt Konformität gegeben ist, als auch mit dem EULG, das der Kollege Frey angesprochen hat, das nun wirk lich eine breite Basis bietet. Wir haben das gemacht, und wir haben damit heute auch eine Chance, noch ein Stück weiter zukommen. Ich weiß vom Vorsitzenden des Europaausschus ses, Willi Stächele, dass wir uns gerade mit Bayern in der Rol le sehen, dass wir uns weitere Punkte überlegen, bei denen der Landtag weitere Rechte und weitere Möglichkeiten haben könnte.

Der AfD-Gesetzentwurf zielt aber auf etwas anderes. Er zielt nicht auf eine Fortentwicklung der Gesetzeslage, sondern er zielt auf eine Abwehrlage in der Gesetzgebung. Das ist das, was wir, der Landtag, nicht wollen, meine Damen und Her ren.

(Beifall des Abg. Andreas Kenner SPD)

Weil das so ist, sage ich: Sie kommen Ihrer Aufgabe als Ge setzgeber nicht nach. Gesetze zu erlassen heißt, etwas zu re geln. Und das, was Sie heute hier vorhaben, ist, etwas zu „zer regeln“. Dem widersprechen wir, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Vereinzelt Bei fall bei den Grünen und der CDU)

Die AfD hat natürlich eine Spur: „Wir sind die Zahlmeister Europas, schlechter Deal für uns.“ Das kennen wir alles. Die Spur ist auch die, dass man sagt: „Die baden-württembergi schen Steuermittel werden unter Umgehung des Parlaments nach Brüssel gegeben.“ Das haben wir alles erlebt. Das ist das, was Sie sozusagen sublim im Hintergrund zu bringen versu chen. Das geht aber nicht auf, meine Damen und Herren. 66 % der Deutschen sagen – das ist zunächst einmal das reine Ja –: Wir haben unter dem Strich mehr von Europa, auch wirt schaftlich, als es umgekehrt der Fall ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Es ist ein Mythos, was Sie bei den Bürgern so alles herauszu hören glauben. Europa ist bei den Bürgern auf dem Vor marsch, und das hat sich bei den letzten Wahlen auch wieder gezeigt – auch wenn ich persönlich über den Ausgang dieser Wahlen nicht sehr glücklich bin; das ist wohl klar.

Übrigens sind Sie hierüber sicher auch nicht glücklich. Wenn es stimmt, was Sie sagen, dann haben Sie, meine Damen und Herren, übrigens ein ziemlich schlechtes Ergebnis erreicht.

Aber einmal abgesehen davon: Wir bestimmen hier über den Haushalt, und wir bestimmen auch über die von den Ressorts zu treffenden Einzelentscheidungen in den Ausschüssen mit. Deswegen befinden wir uns in Bezug auf Europa über die ge setzliche Situation hinaus viel stärker in der parlamentarischen Mitwirkung, als es hier unterstellt wird.