Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Zunächst zu dem Herrn von der AfD-Frak tion: Vielleicht wissen Sie nicht, wie in Baden-Württemberg Richter gewählt werden. Bei streitigen Verfahren geschieht dies im Richterwahlausschuss, bei dem die Juristen, die Ver treter der Richter und Rechtsanwälte, die Mehrheit gegenüber den Abgeordneten haben, die in diesen Wahlausschuss ent sandt werden. Insofern brauchen Sie uns hier in Baden-Würt temberg darüber nicht belehren zu wollen.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! Gut so!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen Gesetzent wurf vorliegen, der etwas beinhaltet, was für die SPD-Frakti on eine Selbstverständlichkeit ist, nämlich die Neutralität bei Gericht. Sie haben für diese Selbstverständlichkeit fast ein Jahr gebraucht, und am Ende ist ein Gesetzentwurf herausge
kommen, der mehr durcheinanderbringt als klarstellt, Kolle ginnen und Kollegen von Grünen und CDU. Kollege Lasotta hat dies ja eindeutig zum Ausdruck gebracht.
Aber wissen Sie, Herr Kollege Lasotta: Es geht doch nicht da rum, im Nachhinein den eigenen Kompromiss zu kritisieren. Davon hat die Justiz nichts. Man hätte mehr davon gehabt, wenn der Justizminister und seine Fraktion hier einen ordent lichen Gesetzentwurf vorgelegt hätten. Das war nicht mög lich. Stehen Sie also zu dem Kompromiss, und versuchen Sie nicht, auf dem Rücken anderer, auf dem Rücken der Justiz hier noch eigene Punkte zu sammeln. So helfen Sie der Jus tiz keineswegs, Kollege Lasotta.
Natürlich können Sie nichts dafür, dass der grüne Minister präsident Kretschmann sich mit dem Thema Neutralität und der Frage, welche Rolle ehrenamtliche Richter und Schöffen in der Justiz haben, nicht so richtig auskennt. Denn die Kri tik, die vonseiten der Justiz kam – das ist ja nicht irgendeine Anhörung, sondern wir haben es hier mit der dritten Gewalt zu tun –, hatte insgesamt als Tenor, dass diese Unterscheidung nicht funktioniert, dass die Unterscheidung, die Sie zwischen den ehrenamtlichen Richtern und Schöffen und den Berufs richtern machen, dem Gedanken dessen widerspricht, welche Rechte und Pflichten die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter und die Schöffinnen und Schöffen haben.
Das ist doch gerade die Kritik des Verbands. Sie sagen: „Ja, gut, wir wollen Schöffinnen und Schöffen aus der Gesell schaft.“ Da widerspreche ich Ihnen doch gar nicht. Aber in dem Moment, in dem die Schöffinnen und Schöffen vorn sit zen und sogar einen Berufsrichter überstimmen können,
müssen Sie mir einmal sagen, welche Unterscheidung Sie hier eigentlich treffen. Es ist keine pragmatische Lösung; es ist ei ne ideologische Lösung, die mit nichts in der Justiz zu begrün den ist, Kolleginnen und Kollegen.
Dass Sie eine solche Unterscheidung treffen und damit eine Zunahme der Zahl von Befangenheitsanträgen gegenüber eh renamtlichen Richterinnen und Richtern und Schöffinnen und Schöffen bewirken – –
Jeder ehrenamtliche Schöffe und jede ehrenamtliche Schöf fin, jede einzelne Stellungnahme aus der Justiz muss damit rechnen, sich mit mehr Befangenheitsanträgen auseinander setzen zu müssen. Ob Sie damit das Ehrenamt stärken? Da mache ich ein großes Fragezeichen. Auf jeden Fall machen Sie Verhandlungen schwieriger, als sie jetzt sind, Kolleginnen und Kollegen.
Die Verbände sagen das ja eindeutig. Der Verein der Richter und Staatsanwälte sagt zu Ihrem Kompromiss – – Ich finde,
dieses Gesetz zeigt, dass die Aussage des Ministerpräsiden ten, ein Kompromiss sei ein Wert an sich, völlig falsch ist. Denn mit diesem Kompromiss stellt man Grundsätze, die wir in der Justiz haben, in der dritten Gewalt, infrage. Da haben sich die Legislative und die Exekutive anders zu verhalten, als Sie, Kolleginnen und Kollegen, es in diesem Fall tun.
Zum Ablauf des Anhörungsverfahrens sagt Matthias Grewe, der Vorsitzende des Vereins der Richter und Staatsanwälte:
An dieser Stelle erweist sich der Entwurf als nicht konse quent zu Ende geführt. Wir halten es für denkbar, dass dies Folge eines politischen Kompromisses ist. Das macht die fehlende Logik aber nicht besser. Sondern es belegt, dass das äußere Auftreten der dritten Gewalt insgesamt nicht einem „Handel“ anderer ausgesetzt sein sollte.
Wir werden versuchen, Sie mit einem Änderungsantrag im Ständigen Ausschuss noch einmal zum Nachdenken zu brin gen, indem wir die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter und Schöffinnen und Schöffen mit in diesen Gesetzentwurf hineinnehmen, nicht nur, um das Ehrenamt zu stärken, son dern um deutlich zu machen, dass sich durch dieses Gesetz an der Aufgabenzuteilung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter und Schöffinnen und Schöffen nichts, aber auch gar nichts ändern darf.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nirgendwo sonst wird der Neutralität – berechtigterweise – ein so hoher Stel lenwert beigemessen wie bei oder – besser – vor Gericht. Da bei geht es nicht nur um die für uns selbstverständliche Neu tralitätspflicht einer jeden Richterin oder eines jeden Richters, es geht vielmehr darum, jeden äußeren Anschein einer davon abweichenden Einstellung zu vermeiden, um das Vertrauen in unseren Rechtsstaat auch nicht im Ansatz zu beeinträchtigen.
Insofern begrüßen wir die Intention dieses Gesetzesvorhabens, sehen wir doch in besonderem Maß die Unvoreingenommen heit, die Neutralität, die Objektivität und Unparteilichkeit des Gerichts als Grundvoraussetzung in Bezug auf die dritte Ge walt und einen funktionierenden Rechtsstaat.
Es ist für uns aber überhaupt nicht nachvollziehbar, warum sich das beabsichtigte Verbot des Tragens von religiösen, welt anschaulichen oder politischen Symbolen ausschließlich an die hauptamtlichen Richter richten soll. Eine Differenzierung über das Tragen einer Robe hinaus – schließlich wird nur von hauptamtlichen Richtern eine solche getragen – wird der Be deutung der ehrenamtlichen Richter, insbesondere der Schöf finnen und Schöffen, nicht gerecht.
In den §§ 30 und 77 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist un missverständlich geregelt, dass Schöffen das Richteramt wäh rend der Hauptverhandlung in vollem Umfang und mit glei chem Stimmrecht wie die an der Hauptverhandlung teilneh menden Berufsrichter ausüben
und dieselbe Verantwortung für das Urteil tragen wie diese. Sie entscheiden die Schuld- und Straffrage gemeinschaftlich mit den Berufsrichtern.
In diesem Punkt wird die Absurdität des Gesetzentwurfs in der Begründung offenbar. So wird für den Verzicht auf die Neutralitätsvorschrift für Ehrenamtliche auf die Vielfalt bei den Ehrenamtlichen abgestellt, dann aber sogleich richtig fest gestellt, dass Neutralität auch für diese gilt. Wenn aber die Vielfalt keinen Einfluss auf die Neutralität haben darf, muss sich dies auch im äußeren Schein der Ehrenamtlichen ausdrü cken.
Diese konstruierte Begründung geht indes gänzlich fehl; denn schließlich rekrutieren sich auch die Berufsrichter aus allen Schichten der Gesellschaft und repräsentieren genauso unse re pluralistische Gesellschaft.
In Anbetracht der zentralen Bedeutung der Neutralität der drit ten Gewalt ist eine Differenzierung, wie sie jetzt allein aus po litischen Gründen vorgenommen wird, nicht vermittelbar. Vielmehr halten wir dies im Hinblick auf den Erhalt der Ein heit der Justiz und das Vertrauen in den Rechtsstaat insgesamt für kontradiktorisch und äußerst problematisch.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als äußerst problematisch betrachten wir auch das Verfahren an sich, nachdem zunächst ein politischer Kompromiss gesucht und schließlich auch ge funden wurde und erst dann der dritten Gewalt vorgeschrie ben wird, wie sie sich zu kleiden und wie sie entsprechend aufzutreten hat. Dieser Umgang zeigt, dass eine wirkliche Ge waltenteilung nur durch eine starke Selbstverwaltung erreicht werden kann.
Nachdem die Landesregierung an der im Entwurf formulier ten Zweiklassenregelung festzuhalten beabsichtigt, haben wir heute einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht – Herr Kollege Binder, insofern waren wir einen Schritt schnel ler –, der die sinnfremde Ausnahmeregelung für ehrenamtli che Richterinnen und Richter beseitigen soll. Im Interesse un serer funktionierenden Justiz bitten wir, diesem Änderungs antrag zuzustimmen, um die fürwahr bittere Note des an sich guten und begrüßenswerten Gesetzentwurfs zu beseitigen.
Meine Damen und Herren, in der zweiten Runde erteile ich Herrn Abg. Klos für die AfDFraktion das Wort. Sie haben nur die Möglichkeit zu einem kurzen Satz ohne Komma und so.
Danke, Frau Präsidentin. – Kolle ge Binder, natürlich nur für Sie komme ich hier nach vorn. Ich sprach von Einflussnahme, und wenn man in einem Gremium sitzt, gibt es Einflussnahme. Wenn ich mir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ansehe, sage ich Ihnen, wel cher Richter von welcher Partei in das Amt gewuppt worden ist und wie er entschieden hat.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich knüpfe an die hervorragenden Ausführungen meines Kollegen Rüdiger Klos an. Ich halte das Gesetz für eine inadäquate Maßnahme gegen die Islami sierung unserer Gesellschaft.
Denn hier werden unter der Überschrift „Gegen die Islamisie rung“ Grundlagen unserer christlichen Kultur, nämlich das Recht auf das Tragen christlicher Symbole, unterminiert.