Sie begründen Ihren An trag zur Beantwortung der Frage, ob es denn erlaubt sein soll te, an öffentlichen Orten einen Gesichtsschleier zu tragen, mit der Aussage, dass dies eine Wahl der Gesellschaft sei. In der Tat haben unsere Gründungsväter beim Verfassen des Grund gesetzes diese Frage beantwortet, indem sie ganz klar eine Be tonung der Freiheit des Einzelnen in unsere Verfassung über nommen haben.
Frau Dr. Baum, lassen Sie mich noch ganz kurz, weil es wohl eine elementare Frage dieses Gesetzentwurfs ist, etwas näher hierauf eingehen. Wenn Sie in dieser Frage, die die Grundge setzväter beantwortet haben, eine Änderung wollten, müssten Sie eine Verfassungsänderung vornehmen. Eine Verfassungs änderung ist entsprechend Artikel 79 Absatz 1 unseres Grund gesetzes grundsätzlich möglich. Unzulässig ist allerdings ei ne Verfassungsänderung in Bezug auf Artikel 1, der die Men schenwürde betrifft, und Artikel 20. Diese Grundsätze dürfen nicht berührt werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungs gerichts stellt die Glaubensfreiheit eine Ausprägung der Men schenwürde dar. Die Glaubensfreiheit ist mehr als religiöse Toleranz, das heißt die bloße Duldung religiöser Bekenntnis se oder irreligiöser Überzeugungen. Erst sie gewährleistet die ungestörte Entwicklung der Persönlichkeit des Einzelnen ge mäß seiner subjektiven Glaubensüberzeugung. Danach gehört die Freiheit zur Bildung eines Glaubens oder eben einer Welt anschauung ebenso wie das Äußern dieses Glaubens zum un antastbaren Kern der Menschenwürde.
Auch die Ausübung der Religion, soweit sie auf die persönli che Sphäre des Gläubigen einschließlich seiner Mitgläubigen beschränkt ist, ist demnach selbst durch den Verfassunggeber nicht beschneidbar.
Vor diesem Hintergrund, in Kenntnis der Rechts- und Verfas sungswidrigkeit, sollten Sie sich die Frage stellen, ob Sie mit dem Aufrechterhalten dieses Gesetzentwurfs nicht denjenigen einen Bärendienst erweisen, die eben die Burka nicht aufgrund ihrer religiösen Überzeugung, sondern aufgrund der politi schen Provokation tragen, wenn sie denn dann in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht obsiegen. Insoweit, den ke ich, sollten Sie Ihren Gesetzentwurf zurücknehmen.
Sind Sie der Auffassung, dass die Freiheit, wenn wir sie be wahren wollen, auch bestimmte Grenzen braucht, und zwar an dieser Stelle die Grenze, dass man das Gegenüber, mit dem man in freien Diskurs treten will, auch wenigstens erkennen können sollte?
Von großer Bedeutung, Herr Dr. Fiechtner, ist die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit. Ich bin ein ganz großer Freund unserer Verfassung.
In der Tat glaube ich daran, dass es Grenzen bedarf. Aus ge nau diesem Grund hat die FDP/DVP einen Gesetzentwurf ein gebracht, der dort eine Vollverschleierung untersagt, wo die staatliche Neutralität die Identifizierbarkeit von Personen und eine offene Kommunikation fordert und dies zu gewährleis ten ist.
Sind Sie der Auffassung, dass sich dieses offene Begegnen auch auf den privaten Be reich übertragen muss, dass z. B. der Besitzer eines Ladens oder der Anbieter von Dienstleistungen verlangen können muss, das Gegenüber, das er bedient, auch erkennen zu kön nen?
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das kann er doch! – Abg. Sascha Binder SPD: Er muss ihn ja nicht bedie nen!)
Für die Schule, für die Hochschule, für das Gericht, für Be hörden wollen wir mit unserem Gesetzentwurf eine Regelung treffen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Letztlich geht es um die Frage, ob sich die Immigranten hier unseren kulturellen Gepflogenhei ten anzupassen haben oder wir uns den ihrigen.
Das ist die Frage. Rot-Grün will uns weismachen, dass Letz teres notwendig ist, weil ansonsten die Religionsfreiheit und die religiösen Gefühle der Moslems beeinträchtigt wären. Man
könnte genauso gut sagen, dass die religiösen Gefühle der Mehrheit durch diesen Mummenschanz bzw. diesen „BurkaVermummungsschanz“ beeinträchtigt werden.
Im Übrigen: Haben Sie, meine Damen und Herren von GrünRot, Ihren Gedanken der Freiheitsrechte schon zu Ende ge dacht? Wenn Sie die totale Verhüllung als Freiheitsrecht pro pagieren, dann müssten Sie doch umgekehrt auch die totale Enthüllung als Freiheitsrecht propagieren, dann müssten Sie den Exhibitionismusparagrafen sausen lassen.