Protocol of the Session on December 16, 2020

(Zurufe, u. a. Abg. Daniel Born SPD: Wir haben es verstanden!)

Ja, wir müssen mal unseren Kopf öffnen. Es werden neue Modelle entstehen, wie die Menschen Leben und Arbeiten zu sammenbringen.

Aber so ein Gesetz, wie es uns hier vorliegt, ist völlig über flüssig und nützt gar nichts, sondern behindert uns im Den ken. Diese Regierung hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag ein Vorgehen nach dem Prinzip „one in, one out“ vorgenom men. Dieses Gesetz wäre eine gute Möglichkeit für ein „one out“ zugunsten dieser Gesellschaft. Wir brauchen es nicht. Diese Chance sollten wir nutzen.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aussprache ist damit beendet.

Wir können den Gesetzentwurf Drucksache 16/9484 zur wei teren Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau überweisen. – Damit sind Sie einverstanden. Dann ist es so beschlossen.

Punkt 18 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Bildungszeitgesetzes BadenWürttemberg – Drucksache 16/9485

Zur Begründung des Gesetzentwurfs hat noch einmal Frau Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut das Wort.

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute die Novelle des Bildungszeitgesetzes einbringen zu dür fen.

Ich möchte noch einmal ganz kurz die Genese erläutern. Im März vergangenen Jahres haben wir den ersten Teil des Vor habens einer Evaluation des Bildungszeitgesetzes abgeschlos sen, die wir gemeinsam mit dem renommierten Forschungs institut Betriebliche Bildung aus Nürnberg durchgeführt ha

ben. Wir haben dieses Forschungsinstitut mit der Evaluation beauftragt, und im März letzten Jahres wurde der Evaluati onsbericht vorgelegt.

Ende 2019 haben wir uns dann nach Anhörung der Interes senträger und Gesprächen mit Befürwortern und Kritikern des Bildungszeitgesetzes auf eine grundsätzliche Linie für die No vellierung festgelegt.

Alle drei vom Gesetz umfassten Bildungsbereiche – die be rufliche, die politische und die ehrenamtliche Weiterbildung – wollen wir in vollem Umfang erhalten. Für unseren zukünf tigen wirtschaftlichen Erfolg brauchen wir gut qualifizierte, leistungsfähige und flexible Beschäftigte. Die berufliche Wei terbildung spielt dabei zweifelsohne eine ganz zentrale Rolle. Corona wirkt auch auf den Strukturwandel wie ein Katalysa tor.

Wir erleben derzeit eine Beschleunigung der Transformation auch der Arbeitswelt. Die berufliche Bildung, die Weiterbil dung hat hier natürlich einen ganz hohen Stellenwert. Als In vestition in die Zukunft ist und bleibt die berufliche Weiter bildung das Herzstück des Bildungszeitgesetzes.

(Beifall)

Aber auch die politische Weiterbildung ist und bleibt ein wich tiger Baustein, nicht zuletzt angesichts der zunehmenden An griffe auf unsere demokratische Grundordnung und immer stärker um sich greifender Verschwörungstheorien, die wir im Moment alle ganz intensiv wahrnehmen.

Das Ehrenamt spielt bei uns in Baden-Württemberg traditio nell eine ganz besonders wichtige Rolle. Wir brauchen gera de in einer so schwierigen Zeit Menschen, die bereit sind, gro ße Teile ihrer Freizeit ehrenamtlich einzubringen, sich zu en gagieren. Das hat einen hohen Wert für uns. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Bildungszeit für das Ehrenamt und ehrenamtliche Tätigkeiten motiviert Menschen, dies weiter zuentwickeln und sich weiterzuqualifizieren.

All dies bedeutet nicht, dass es beim Bildungszeitgesetz kein Optimierungspotenzial gäbe. Vor allem der bürokratische Auf wand ist hier zu nennen; diesen wollen wir bestmöglich redu zieren, ohne dabei die positiven Auswirkungen des Gesetzes zu beeinträchtigen.

Wichtig ist uns außerdem, dass innerbetriebliche Streitigkei ten um den Bildungszeitanspruch der Beschäftigten schnellst möglich beigelegt werden können. Die größte Änderung im vorliegenden Gesetzentwurf ist daher sicherlich die geplante Einrichtung einer Schiedsstelle.

Diese Schiedsstelle soll bei Unklarheiten über die Bildungs zeitfähigkeit einer beantragten Maßnahme sowohl vom Ar beitgeber als auch vom Antragsteller angerufen werden kön nen. Mit dieser Neuregelung sollen aufwendige Rechtsstrei tigkeiten möglichst verhindert und soll das betriebsinterne Konfliktpotenzial gesenkt werden. Das war bei der Evaluati on ein Punkt, der herausgestochen ist und den wir – –

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf)

Herr Stoch, ja: herausgestochen. Grüß Gott! – Das haben wir auch aufgegriffen. Wir hatten den klaren Fokus, das Bil

dungszeitgesetz pragmatischer und praktikabler weiterzuent wickeln.

Das Bildungszeitgesetz benachteiligt in seiner bisherigen Aus gestaltung kleine Betriebe mit einem hohen Anteil von Teil zeitbeschäftigten. Durch die Kleinstbetriebsklausel sind Be triebe mit weniger als zehn Beschäftigten von der Pflicht zur Freistellung ausgenommen. Die Neuregelung geht bei der Zählung nun nicht mehr nach Köpfen vor, sondern gewichtet Teilzeitbeschäftigte entsprechend. Das bildet die Realität in der Wirtschaft ab und wird auch hier – Stichwort Bürokratie – gerade die kleinen Unternehmen entlasten.

Wir wollen zudem die Möglichkeit schaffen, einheitliche For mulare für Antrag, Ablehnung und Teilnahmenachweis einzu führen. Solche Standardformulare werden die entsprechenden Vorgänge dann spürbar erleichtern, also auch die Umsetzung verbessern.

Das Gesetz zur Änderung des Bildungszeitgesetzes justiert al so gezielt dort – und zwar nur dort – nach, wo sich in den ver gangenen Jahren Handlungsbedarf gezeigt hat.

Ich bin davon überzeugt, dass die Beibehaltung des Anspruchs auf fünf Tage Bildungszeit für alle bestehenden Bereiche in Kombination mit den Änderungen im Detail die positiven Ef fekte des Gesetzes weiter verstärken wird.

Wir haben immer gesagt: Wir nehmen die Evaluation sehr ernst. Wir haben jetzt auf der Basis der Evaluation diese No vellierung entwickelt und eingebracht. Auch hier bitte ich um wohlwollende Beratung.

Vielen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion festgelegt.

Zuerst spricht Frau Abg. Lindlohr für die Grünen.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Wir leben in sehr anstrengenden Zei ten. Das gilt ganz besonders auch für viele Arbeitnehmerin nen und Arbeitnehmer, die in der Coronakrise in vielfältiger Weise gefordert sind. Dass z. B. die Digitalisierung, aber auch andere große Trends im Wirtschaftsleben sich jetzt so sehr be schleunigen, stellt sie vor große Herausforderungen.

Deswegen ist klar: Gut qualifizierte Beschäftigte sind für den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes wichtiger denn je. Weiterbildung ist ein Wettbewerbsvorteil, und für meine Frak tion ist klar: Baden-Württemberg als dynamischer Wirtschafts standort braucht mehr Weiterbildung.

(Beifall)

Klar, dafür ist die Bildungszeit Baden-Württemberg ein Bau stein.

Es gab auch andere Bausteine, und ich bin sehr froh, dass wir mit dem Nachtragshaushalt im Herbst eine große Weiterbil dungsoffensive beschlossen haben, in der interdisziplinär die entscheidenden Ministerien – Wirtschafts-, Wissenschafts-

und Kultusministerium – ihre Dinge zusammengetragen ha ben. Somit bekommen wir hier ein angepasstes Programm für die Anforderungen, die anstehen, und für das, was die Be schäftigten in unserem Land brauchen.

Jetzt kommen wir zu einer Novelle des Bildungszeitgesetzes mit einigen Änderungen; die Frau Ministerin hat sie genannt. Wir wollen den bürokratischen Aufwand verringern und eini ges noch etwas klarer regeln. Wir versprechen uns von der neuen Schiedsstelle, deren Schaffung Ihnen die Regierung vorschlägt, dass man Konflikte, die vorkommen und bei de nen es in den Betrieben darum geht, ob ein Angebot tatsäch lich eine Bildungszeit im Sinne unseres Gesetzes ist, einfach, schnell und ohne Gang vor Gericht lösen kann. Davon haben alle etwas.

Und klar: Standardformulare machen die Dinge einfacher.

Aber im Rückblick auf jetzt zehn Jahre Bildungszeitgesetz debatten, die auf jeden Fall ich und auch viele andere hier ge führt haben, möchte ich einfach sagen: Als die damalige, grünrote Mehrheit 2011 angetreten ist, war es ein wichtiges Ziel, das natürlich vor allem die Kollegen der SPD sehr, sehr stark eingebracht haben und das uns Grünen auch wichtig war: Ba den-Württemberg war eines der wenigen Bundesländer, die einen Bildungsurlaub – wie man früher sagte –, einen Bil dungszeitanspruch, den seit den Siebzigerjahren enorm viele Länder eingeführt hatten, nicht umgesetzt hatten. Wir wollten diese Lücke schließen, und das haben wir seitens Grün-Rot gemacht, aber mit einer neuen, einer besseren Idee: Wir ha ben nicht einfach die Gesetze der Siebzigerjahre abgeschrie ben, sondern haben dafür gesorgt, dass die Bildungszeit Ba den-Württemberg Qualität hat und die Leute in allen Berei chen der beruflichen und politischen Weiterbildung sowie der Qualifizierung zum Ehrenamt tatsächlich voranbringt.

Dann gab es Streit im Wahlkampf. Jetzt sind wir fünf Jahre weiter, und Grün-Schwarz setzt dieses Gesetz im Kern fort. Damit ist mit Beteiligung vieler hier im Haus und der Konti nuität meiner Fraktion dieser Konflikt um das wichtige The ma Weiterbildung für mich gelöst. Eine große Mehrheit steht dazu, dass Baden-Württemberg eine Bildungszeit hat, eine Bildungszeit braucht, eine Bildungszeit behält. Das ist ein An spruch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und das ist ein sehr gutes Ergebnis, für das ich mich bei allen sehr herz lich bedanke.

(Beifall)

Als Nächster spricht Herr Abg. Paal für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Koalition hat vereinbart, das Bildungs zeitgesetz, das, wie es die Kollegin Lindlohr gesagt hat, in der letzten Legislaturperiode entstanden ist, zu evaluieren. Genau das haben wir getan.

Wir haben Eckpunkte erarbeitet, und die Frau Ministerin hat diese Eckpunkte soeben vorgestellt. Ich glaube, ich muss das jetzt nicht noch einmal tun.

Wir haben Gewünschtes und Gefordertes aus der Evaluierung in Machbares überführt, haben mit Verbänden und Gewerk schaften gesprochen, haben mit Vertretern des Ehrenamts –

auch sehr wichtig – gesprochen. Wir haben auch die Empfeh lungen des Normenkontrollrats angeschaut, der dieses Gesetz ja in seinen Empfehlungen zum Bürokratieabbau aufgelistet hat.