Protocol of the Session on October 12, 2016

Auch – das ist mir besonders wichtig – die gerade durch NEU START geschaffenen Ehrenamtsstrukturen, die Einbindung, die Mitarbeit der ehrenamtlich Tätigen wollen wir stärken, wollen wir weiterentwickeln. Ehrenamtliche Bewährungshel ferinnen und Bewährungshelfer gehören bei uns auch zu star ken Säulen der Bewährungs- und Gerichtshilfe. Auch den dort ehrenamtlich Engagierten sage ich an dieser Stelle ein herzli ches Dankeschön.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Meine Damen und Herren, eine gut funktionierende Bewäh rungs- und Gerichtshilfe ist für unser Land unverzichtbar. Die se Debatte klingt vordergründig nach rein organisatorischen Fragestellungen, aber der eigentliche Hintergrund ist, beste Strukturen zu schaffen, damit Resozialisierung von Menschen, die in ihrem Leben straffällig geworden sind, gelingen kann. Das ist unser Anspruch an die Bewährungs- und Gerichtshil fe. Es handelt sich um eine äußerst anspruchsvolle Sozialar beit in einem sensiblen Umfeld mit teilweise schwierigem Kli entel.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bewährungs- und Gerichtshilfe brauchen gute Aus- und Fortbildung; darin, lie be Kolleginnen und Kollegen, sind wir uns, denke ich, über alle Fraktionsgrenzen hinweg einig.

Die Verhinderung jedes einzelnen möglichen Rückfalls und eine erfolgreiche Resozialisierung stärken die innere Sicher heit und vermeiden kostenintensive Hafttage. Angesichts der starken Auslastung unserer Gefängnisse muss auch dies im mer mehr und verstärkt für uns im Fokus stehen. Dieses Ziel kann mit dem im Entwurf vorliegenden Gesetz verwirklicht werden. Ich bitte Sie deshalb um eine breite Unterstützung und Zustimmung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, Abgeordneten der Grünen und der SPD sowie des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD)

Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort dem Kollegen Filius.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Wie in der Gesetzesbegründung ausgeführt, ist die Bewährungs- und Gerichtshilfe eine wichtige Säule der Straffälligenhilfe. Die Begleitung zur Wiedereingliederung sowie die Kontrolle straffällig gewordener Menschen auf ih rem Weg zurück in die Gesellschaft ist eine zentrale Aufgabe unseres Gemeinwesens.

Als Strafvollzugsbeauftragter kenne ich die Nöte und Ängste von Gefangenen, wenn es darum geht, wieder einen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft zu finden. Trefflich lässt sich im Strafrecht über die Intention, die Sinnhaftigkeit und den Zweck von verhängten Haftstrafen streiten. Unbestritten ist jedoch unsere Verpflichtung gegenüber den Straffälligen, die mit Haftstrafen sanktioniert wurden, die Hilfestellung zur Selbsthilfe nicht nur anzubieten, sondern auch zu leisten.

Wir brauchen dafür fähige, gebildete, starke und qualifizierte Bewährungs-, Gerichts- und Sozialhelferinnen und -helfer. Diese haben wir hier in Baden-Württemberg. Sie sorgen für Motivation, Begleitung und Unterstützung bei der Wiederein gliederung von Straffälligen in die Gesellschaft, insbesonde re ins Arbeitsleben. Sie übernehmen aber auch Kontrollfunk tionen bei der Überwachung der Bewährungsauflagen. Für diesen alles andere als leichten Job, der da geleistet wird, dan ke ich im Namen meiner ganzen Fraktion.

Die Qualität der Arbeit der Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie der Sozialarbeit steht im Vordergrund. Diese Qualität und der damit einhergehende Erfolg der geleisteten Arbeit in den letzten zehn Jahren wurden nicht nur in einem 900 Seiten umfassenden Gutachten analysiert und bestätigt. Die Rück fallquoten sind aufgrund belegter Statistiken sehr erfreulich. Wir verzeichnen heute in Baden-Württemberg die bundesweit geringsten Widerrufsquoten von Bewährungen. Das spart dem Land auch Geld; denn ein Hafttag kostet ca. 100 €.

Parallel sind die Auftragszahlen im Täter-Opfer-Ausgleich seit 2007 stark gestiegen. Auch die Gerichtshilfe hat ein hohes Ni veau. 2007 waren lediglich 100 freiwillige, ehrenamtliche Be währungshelferinnen und -helfer tätig, während sich heute 660 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ehrenamtlicher Basis in der Resozialisierung Straffälliger weitgehend eigenverant wortlich und nahezu unentgeltlich engagieren. Die ehrenamt lichen Bewährungshelferinnen und -helfer sind unverzichtbar für die Rückkopplung Gefangener in unsere Gesellschaft. Auch für diesen Dienst herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP sowie des Abg. Dr. Heinrich Kuhn AfD)

Letztendlich war der Grund für die Einbringung des Gesetz entwurfs in den Landtag – der Minister hat bereits darauf hin gewiesen – eine erfolgreiche Klage eines verbeamteten Be währungshelfers, der sich dem freien Träger gegenüber nicht weisungsgebunden sah. Dies war – neben dem Auslaufen des Vertrags mit dem freien Träger NEUSTART – ausschlagge bend für die gesetzliche Initiative. Selbst ohne die erfolgrei che Klage des Beamten hätte das Land erneut in Verhandlun gen zu einer wiederholten Beleihung der freien Trägerschaft treten müssen.

Nun haben wir Planungs- und Rechtssicherheit insbesondere bei den Beschäftigten. Zudem ist das Land nicht alle zehn Jah re gefordert, die Bewährungshilfe strukturell durch Ausschrei bungen infrage zu stellen.

Den Gesetzentwurf über die Sozialarbeit der Justiz, kurz GSJ, tragen wir voll und ganz mit. Den Rahmen setzt eine neue An stalt des öffentlichen Rechts, die selbstverwaltete Landesan stalt Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg. Entsprechend dem Gesetzentwurf werden wir nicht nur die bislang überzeugenden Qualitätsstandards, sondern auch die kontinuierlichen und signifikanten Qualitätssteigerungen im plementieren.

Wir werden das Personal des freien Trägers entsprechend der Betriebsübergangsregelung in § 613 a BGB mit allen Rech ten und Pflichten übernehmen. Das Gesetz in seiner Ausge staltung räumt den notwendigen Spielraum zur weiteren Op

timierung der Qualität und Wirtschaftlichkeit ein. Wir können Dritte hinzuziehen, auf ehrenamtliche Kräfte zugreifen und sie in die Arbeit einbinden sowie über die Landesgrenzen hin weg am Erfahrungsaustausch teilnehmen, um dem Zweisäu lenmodell Rechnung zu tragen.

Auch nach dem 1. Januar 2017 setzen wir auf eine voll funk tionsfähige Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie Planungs sicherheit für die Beschäftigten. Das ist unser Versprechen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Für die CDU-Fraktion er teile ich das Wort Frau Abg. Gentges.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Der bisherige freie Träger der Bewährungs- und Gerichtshilfe hat gute Arbeit geleistet. Das wurde schon wiederholt herausgestellt. Er hat hohe Standards gesetzt und effektive Strukturen geschaffen.

Weil das Bundesverwaltungsgericht die bestehende gesetzli che Regelung zur Erfüllung der Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe durch einen freien Träger als rechtswidrig beanstandet hat – der Minister der Justiz und für Europa hat das näher ausgeführt –, sind wir an dieser Stelle zum Handeln verpflichtet. Genau das erfolgt mit dem vorliegenden Gesetz entwurf. Er sieht die Errichtung einer Anstalt des öffentlichen Rechts vor, auf die die Aufgaben der Bewährungs- und Ge richtshilfe übertragen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bewährungs- und Gerichts hilfe sowie Täter-Opfer-Ausgleich sind unabdingbare Instru mente zur Herstellung von Rechtsfrieden und zur Resoziali sierung verurteilter Straftäter. Sie ergänzen wirkungsvoll un ser System strafrechtlicher Sanktionen. Gerichtshelfer ermit teln die Auswirkungen von Straftaten auf verletzte Personen und treffen Feststellungen zur Persönlichkeit von Beschuldig ten, um Umstände darzulegen, die insbesondere für die Straf zumessung von Bedeutung sind. Der Täter-Opfer-Ausgleich führt Täter und Opfer einer Straftat, wenn beide dazu bereit sind, mit dem Ziel einer außergerichtlichen Konfliktschlich tung hochprofessionell zusammen.

Die Bewährungshilfe schließlich dient der Resozialisierung von Straftätern. Der Bewährungshelfer überwacht den Straf fälligen, unterstützt ihn, berät ihn und hilft ihm aber auch in seiner Lebensführung. Ziel der Bewährungs- und Gerichtshil fe ist mithin nichts weniger, als Rechtsfrieden zu schaffen und neuen Straftaten vorzubeugen. Die NEUSTART gGmbH als bisherige Trägerin der Bewährungs- und Gerichtshilfe hat hier nachgewiesenermaßen gute Arbeit geleistet. Die Rückfallquo ten und die Qualität der Betreuung liegen deutlich im grünen Bereich.

Bei der notwendigen Neuorganisation wollen wir diese hohen Standards erhalten, und ich bin davon überzeugt, dass dies mit der Schaffung der neuen Anstalt des öffentlichen Rechts auch gelingt. Mit ihr sichern wir eine einheitliche Führung der Be währungshilfe. Der Gesetzentwurf stellt die bisherige Quali tät und die grundsätzlichen Strukturen sicher. Gleichzeitig ist die Rückverstaatlichung sozial verträglich und kostengünstig.

Die rund 450 hauptamtlichen und etwa 600 ehrenamtlichen Bewährungshelfer haben durch den Systemwechsel keine Nachteile. Die beschäftigten Beamten und Angestellten des Landes behalten ihren Status. Tarifverträge und Betriebsver einbarungen gelten fort. Rechtlich, organisatorisch und wirt schaftlich ist die geplante Anstalt des öffentlichen Rechts sinn voll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Schutz der Bevölkerung vor Straftaten, die Herstellung des Rechtsfriedens sowie die Resozialisierung straffällig gewordener Menschen haben für uns alle einen hohen Stellenwert. Diesem Anspruch wird der vorliegende Gesetzentwurf gerecht. Auch die beteiligten Ver bände haben sich positiv zu der notwendig gewordenen Rück übertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf den Staat geäußert.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Besser kann man es nicht machen!)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird die CDUFraktion dem vorgeschlagenen Gesetzentwurf in der vorlie genden Fassung zustimmen. Ich bitte Sie alle, dies ebenso zu tun.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Eines noch zum Ende: Auch ich möchte die Gelegenheit nut zen, Dank zu sagen. Auch die besten Rahmenbedingungen funktionieren nur dann, wenn die Verantwortlichen diese im Alltag mit Fleiß und Hingabe umsetzen. Aus diesem Grund gilt mein Dank von dieser Stelle aus den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, die sich Tag für Tag der schwierigen Auf gabe stellen, straffällig gewordene Menschen an ein geregel tes und straffreies Leben heranzuführen und sie damit zurück in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Sie leisten einen gro ßen Dienst für uns alle.

Hierfür und für Ihre Aufmerksamkeit herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sehr gut!)

Für die AfD-Fraktion er teile ich das Wort zu seiner ersten Rede Herrn Abg. Dr. Bal zer.

(Beifall bei der AfD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Seine Bewährungsprobe!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich begrüßen wir den Ansatz des Gesetzentwurfs der Landesregierung über die Sozialarbeit der Justiz, was die Überführung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Be währungshelfer, der Gerichtshelfer und der Sozialarbeiter in die rechtsfähige Landesanstalt Bewährungs- und Gerichtshil fe Baden-Württemberg, BGBW, beinhaltet. Denn die Justiz gehört meiner Meinung nach zur Daseinsvorsorge unseres Staates, ebenso wie die Energieversorgung, der Straßenbau oder auch der Bau von Schulen. Sonst wären wir auf dem Weg zu einem privaten Staat.

Aber zum Inhaltlichen: Wenn wir heute umgangssprachlich von Gefängnisaufenthalten sprechen, sagt das einiges über das vorherrschende Verständnis von einer Haftstrafe aus. Der Be

griff „Aufenthalt“ suggeriert ja beinahe, dass man sich fast schon im Urlaub befindet.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Wolfgang Raufelder GRÜNE)

Sehen wir uns dann noch die Stellenbeschreibungen für Tä tigkeiten im sozialen Dienst in der Justiz an, dann wissen wir auch, woher die völlige Fehlinterpretation des Begriffs „Haft strafe“ kommen kann. Eine Haftstrafe wird heute überwie gend als Reintegrationsmaßnahme vermittelt, welche dem Tä ter weiterhin einen möglichst reibungslosen Lebensweg ga rantieren soll. Wir hingegen verstehen eine Haftstrafe als ei ne Strafe, die durchaus abschrecken soll.

(Beifall bei der AfD)

Schon allein – das nur am Rande – die oftmals sehr zurück haltenden Strafen gegen voll schuldfähige Täter sind längst keine präventiven Mittel zur Abschreckung vor Straftaten mehr. Ich kann Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung als Schöf fe nach mehrjähriger Schöffentätigkeit davon berichten, dass verurteilte Täter häufig mit breitem Grinsen und dickem La chen hinausgehen. Selbst wer tatsächlich in der Justizvoll zugsanstalt – es heißt ja nicht mehr Gefängnis – landet, kann auf einen Aufenthalt mit – vorsichtig formuliert – viel Betreu ungspädagogik hoffen. Wir hingegen meinen, dass eine Haft strafe eine nachhaltig negative Erfahrung sein soll.

(Beifall bei der AfD)

Wir wollen niemandem die Möglichkeit nehmen, sich nach einer verbüßten Strafe wieder seinen Platz in der Gesellschaft zu erarbeiten.

(Zuruf der Abg. Marion Gentges CDU)

Aber wir sind grundsätzlich dagegen, dass Strafgefangene wie Hilfsbedürftige behandelt werden und sich auf ein Rundumsorglos-Paket stützen können,

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sie vermitteln ein vollkommen falsches Bild!)