Jürgen Filius

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Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir in erster Lesung über das Gesetz zur Änderung des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes und weiterer Gesetze. Ich möchte dieses Gesamtkonvolut einen „bunten Strauß“ nennen. In der Rechtspflege, im Justizvollzugsrecht, in der juristischen Aus- und Fortbildung und in vielen weiteren Bereichen schlägt die Landesregierung Modernisierungen und Anpassungen vor.
Wir begrüßen dies außerordentlich, da es eine wichtige, grö ßere Reform und viele kleine Änderungen beinhaltet und da durch viele wichtige Fragen neu geregelt werden. Auch die rege Teilnahme am Anhörungsverfahren sowie die zahlreichen Stellungnahmen zum Gesetzentwurf zeigen uns, dass es ein sehr großes Interesse an diesem Gesetz gab.
Zwei Punkte hat der Herr Justizminister bereits aufgegriffen, auf die ich ebenfalls noch einmal näher eingehen möchte. Nicht zuletzt hat der Staufener Missbrauchsfall gezeigt, dass die Fortbildungsverpflichtung der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Gesetz konkretisiert werden soll. So hat auch die Kommission Kin derschutz in ihrem Abschlussbericht die Empfehlung gege ben, die Fortbildungsverpflichtung stärker auf die konkreten Dienstposten zu beziehen. Dies wird jetzt mit diesem Gesetz entwurf umgesetzt. Das ist ein großer Fortschritt.
Wir sind zudem sehr glücklich, dass parallel auch der Bund tätig wird und das notwendige weitere Mosaiksteinchen er gänzt. Gemäß dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt wird zukünftig noch bes ser sichergestellt, dass Familienrichterinnen und Familienrich ter die Fähigkeit zur Kommunikation mit Kindern mitbringen und damit zum Gelingen einer Kindesanhörung beitragen.
In der Anhörung und in den vorangegangenen Gesprächen ha ben wir wahrgenommen, dass die Konkretisierung der Fort bildungspflicht auf große Bedenken in der Richterschaft stößt. Ich möchte aber sagen: Wir haben größtes Vertrauen in die Richterschaft und halten die richterliche Unabhängigkeit sehr hoch. Eine Einschränkung dieser richterlichen Unabhängig keit kommt nicht infrage.
Ich denke, mit der jetzt vorliegenden Änderung und der er gänzenden Regelung im Bundesgesetz ist es uns gelungen, die richterliche Unabhängigkeit voll zu wahren, aber auch die Kompetenz gerade bei den Familiengerichten zu stärken. An dieser Stelle möchte ich allen Beteiligten für ihre Mitwirkung danken.
Zukünftig wird es aber auch sehr wichtig sein, dass nun auch die entsprechenden Fortbildungsmöglichkeiten angeboten wer den. Dafür werden wir uns ebenfalls einsetzen.
Ein zweiter Punkt, der auch zu größeren – ich sage einmal – Wallungen bei der einen Seite geführt hat, ist die Festschrei bung des § 35 b, Ratschreiberinnen und Ratschreiber einzu setzen. Das ist keineswegs eine neue Möglichkeit oder Erfin dung. Vielmehr war es den Kommunen bereits seit nahezu 70 Jahren erlaubt, dieses Instrument für Beglaubigungen vorzu sehen. Mit der Notariatsreform zum 1. Januar 2018 wurde die se Position allerdings an eine Grundbucheinsichtsstelle ge knüpft. Von etwa 1 100 Kommunen haben derzeit ca. 800 Kommunen eine solche Position besetzt.
Gründe für eine Ratschreiberstelle – das wurde von Herrn Mi nister Wolf ja auch erwähnt – gibt es genügend. Bürgerinnen und Bürger sparen sich in Zeiten des Klimawandels lange An fahrtswege und finden eine leistungsfähige Verwaltung vor Ort durch die Ratschreiber mit der Möglichkeit zur Beglaubi gung von Dokumenten.
Die Bedenken der Notarvereine und Notarkammern nehmen wir ernst. Wir haben die Argumente auch ernsthaft geprüft und abgewogen. Im Ergebnis sind wir jedoch überzeugt, dass die Befürchtungen der Notarinnen und Notare nicht eintreten wer den. Sollten wir jedoch im weiteren Vollzug des Gesetzes fest stellen, dass noch entsprechend nachjustiert werden müsste, dann werden wir das selbstverständlich auch tun. Denn wir sind gerade in Coronazeiten mehr denn je auf eine gut funk tionierende und leistungsfähige Justiz – in diesen Bereich be ziehe ich jetzt auch die Ratschreiber mit ein – angewiesen.
Bei vielen weiteren Punkten werden wir uns sicherlich alle ei nig sein. Die Robentragungsmöglichkeit für die Rechtspfle gerinnen und Rechtspfleger wurde erwähnt. Es geht aber auch um weitere Punkte wie die Gebührenerhebung, die Erteilung von Grundbuchauszügen usw. Es sind sehr viele Dinge dabei. Es wird auch mit aufgenommen, dass bei Insassen der JVAs Post der Bürgerbeauftragten nicht mehr geöffnet werden darf. Das sind alles wichtige Punkte. Es sind kleine Punkte, die den noch eine große Bedeutung haben.
Dieses Gesetz ist für die Statuierung der Fortbildung in der Justiz und für den Bürokratieabbau, insbesondere aber auch für die Bürgerinnen und Bürger und für die Vereine eine wich tige Erleichterung. Wir werden den Gesetzentwurf weiter po sitiv begleiten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor uns liegt nun der vom Justizministerium eingebrachte Gesetzentwurf zur Än derung des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes und des Landespersonalvertretungsgesetzes aus Anlass der SARSCoV-2-Pandemie.
Der Entwurf regelt den Einsatz von digitalen Video- und Te lefonkonferenzen sowie von elektronischen Umlaufverfah rensmöglichkeiten zunächst bis zum 30. Juni 2021, um die Zusammenarbeit der Vertretungsgremien in den Dienststellen in dieser doch für alle sehr beschwerlichen Zeit, in der die We ge einfach andere sind, insgesamt zu gewährleisten.
Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich die Einbringung dieses Entwurfs in dieser Zeit, in der Kontaktbeschränkungen not wendig sind und Ausnahmesituationen geschaffen werden müssen. Beim Vorliegen besonderer Umstände ist es nunmehr zwingend notwendig, für einen reibungslosen Ablauf unseres Rechtsstaatsapparats Sorge zu tragen. Das wird mit dem Ge setzentwurf entsprechend umgesetzt.
Nicht nur wegen der Pandemie – aber vor allem deswegen – besteht in der Praxis ein großes Bedürfnis nach der Möglich keit von digitalen Konferenzen und der Möglichkeit von elek tronischen Umlaufverfahren. Wenn dieser Gesetzentwurf um gesetzt wird, hat man jetzt auch Rechtsklarheit, und zwar auch rückwirkend zum 1. März 2020, sodass die Beschlussfassun gen in den Video- und Telefonkonferenzen Bestandskraft ha ben.
Für den Personalrat soll mit diesem Gesetzentwurf auch oh ne vorherige Änderung der Geschäftsordnung die Übertra gung von Befugnissen auf den Vorstand ermöglicht werden.
Die Ausgestaltung des Gesetzes – das wurde von Herrn Mi nister Wolf auch schon entsprechend erwähnt – hat eine posi tive Resonanz bei der Anhörung gefunden. Die Gesetzesän derung wurde auch von vielen gewünscht, damit man beide Möglichkeiten haben kann: dass die entsprechende Möglich keit nicht nur in der Pandemiesituation besteht, sondern auch für andere Fälle geschaffen wird.
Die erforderliche Technik ist dafür auch notwendig. Aber da sind wir, denke ich, insgesamt auf einem guten Weg, dass die technische Ausstattung vorliegt, um Videokonferenzen um setzen zu können.
Der Gesundheitsschutz erfordert es, dass wir in der Pandemie zeit, beim Vorliegen der Voraussetzungen, Sitzungen in die sem Format ermöglichen. Das ist krisenunabhängig – das wur de auch erwähnt, es gilt auch für andere Dinge – und nicht nur eine Notlösung. Aber der Gesundheitsschutz geht natürlich jetzt gerade in dieser Phase vor.
Die Kosten- und die Zeitersparnisse, die erzielt werden, weil Reisekosten nicht mehr anfallen, wurden ebenfalls erwähnt. Wie dann, wenn man wieder mehr investieren muss, die Kos ten-Nutzen-Bilanz ist, muss man noch sehen. Aber es ist auf jeden Fall eine richtige und notwendige Maßnahme.
Ich bin deswegen der Landesregierung, dem Justizministeri um, aber auch allen, die in der Anhörung dabei waren, den Verbänden und Institutionen, dankbar, dass sie ihre Überle gungen eingebracht haben. Dafür möchte ich einfach noch mals danken.
Wir werden uns morgen im Ständigen Ausschuss erneut mit dem Gesetzentwurf zu beschäftigen haben. Ich hoffe auf eine breite Zustimmung des Hauses in der zweiten Lesung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ja.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass es den Regierungsfraktionen von Grünen und CDU sowie den Fraktionen von SPD und FDP/DVP nunmehr gelungen ist, dass der vorliegende Gesetzentwurf „Gesetz über den Erlass infektionsschützender Maßnahmen“ in zweiter Lesung heute
im Plenum als gemeinsamer Gesetzentwurf beraten werden kann.
Gelungen ist dies in konstruktiven Verhandlungen der Frakti onen, die in den vorliegenden gemeinsamen Änderungsantrag mündeten. Durch diesen Änderungsantrag sind die Fraktio nen der SPD und der FDP/DVP dem Gesetzentwurf der Re gierungsfraktionen quasi beigetreten und haben deshalb ihre eigenen Gesetzentwürfe zurückgezogen. Allen an der Ver handlung Beteiligten sage ich ein herzliches Dankeschön. Denn Geschlossenheit ist in einer solchen Krise ein wichtiges Signal an die Bürgerinnen und Bürger.
Ja, das Coronavirus bestimmt weiterhin unseren Alltag. Das derzeitige Infektionsgeschehen ist zum Glück überschaubar, und die ergriffenen Maßnahmen tragen Früchte. Das ist ein Verdienst unserer Landesregierung. Sie hat mit schnellen und zielgerichteten Maßnahmen im Krisenmodus ein Abflachen der Infektionskurve erreicht. Aber der ganz besondere Dank gilt den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land, die so be sonnen und umsichtig in der Krise handeln.
Wir müssen trotz allem erkennen, dass die Pandemie keines wegs überstanden ist. Die Infektionszahlen können jederzeit wieder „aufflammen“; das zeigen die aktuellen Nachrichten aus anderen Bundesländern. Wir müssen uns bedauerlicher weise auf langfristigere Maßnahmen einstellen. Deshalb muss es jetzt darum gehen, Wege durch die Coronakrise zu finden.
Mit dem Gesetzentwurf „Gesetz über den Erlass infektions schützender Maßnahmen“ gehen wir hier einen wichtigen Schritt gemeinsam. Über den eingebrachten Änderungsantrag wird die Gültigkeit einer Rechtsverordnung zeitlich angemes sen begrenzt. Ich darf mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren:
... kann jeweils durch die Verordnungsgeberin
also die Regierung –
verlängert werden. Überschreitet die Gültigkeitsdauer ei ner Verordnung zwei Monate, bedarf die Rechtsverord nung für die Fortgeltung der Gültigkeit der Zustimmung des Landtags in seiner nächsten regulären Sitzung.
Das wäre jetzt bereits am 30. September der Fall. Dann würde das Gesetz seine erste unmittelbare Anwendung finden. Soll te der Landtag seine Zustimmung nicht erteilen, „tritt die Ver ordnung nach Ablauf von weiteren vier Wochen außer Kraft“.
Es hat sich bestätigt und bewährt, dass die Exekutive mit Rechtsverordnungen gehandelt hat. Daher soll das Heft des Handelns weiterhin bei der Exekutive liegen. Im Sinne der Gewaltenteilung ist es völlig richtig, dass die Regierung die notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr trifft. Mit dem vorliegenden Pandemiegesetz stärken wir der Exekutive den Rücken, weil wir ihr Handeln nachvollziehbar und transpa rent machen. Das Parlament ist in den Prozess eingebunden und kann auch seine Rechte, insbesondere seine Kontrollfunk tion gegenüber der Regierung, vollumfänglich ausüben. Von dem Zustimmungserfordernis nicht betroffen sind die Unter verordnungen.
Bei der Bekämpfung der Coronapandemie soll der Landtag künftig unverzüglich informiert werden. Rechtsverordnungen
müssen, nachdem sie beschlossen wurden, dem Landtag spä testens 24 Stunden nach Beschlussfassung zugeleitet werden. Dem Landtag wird die Möglichkeit eingeräumt, sich mit den Verordnungen im Plenum und durch einen beauftragten Aus schuss zu befassen; er kann damit auch hier seine verfassungs mäßigen Rechte ausüben. Der Ausschuss soll öffentlich und transparent agieren. Somit werden die Verordnungen dann in angemessener Weise im Landtag diskutiert. Wenn dies aus Zeitgründen vorab nicht möglich sein sollte, wird sich das Par lament mit den Verordnungen unverzüglich nach deren Erlass befassen.
Wir müssen ehrlich sein: Dieser Fall wird häufig eintreten, denn die Verordnungen müssen oft im Eilverfahren erstellt werden, um schnell auf neue Entwicklungen reagieren zu kön nen. So bleibt die Landesregierung zur akuten Gefahrenab wehr auch bei Eilbedürftigkeit handlungsfähig, beispielswei se wenn in Fleischfabriken – wie gerade in Nordrhein-West falen – ein lokaler Infektionsherd eingedämmt werden muss. Das ist wichtig und richtig, denn ständig wechselnde kurzfris tige Abwehrmaßnahmen eignen sich nicht für das parlamen tarische Gesetzgebungsverfahren.
Die Wahrung der Haushaltshoheit hat auch Priorität. Entnah men aus der Rücklage, die im Einzelfall den Betrag von 7,5 Millionen € überschreiten, dürfen nur dann erfolgen, wenn der Finanzausschuss seine Zustimmung erteilt hat.
Mit diesen wichtigen Eckpunkten sichern wir die Entschei dungshoheit des Parlaments vor wesentlichen langfristigen Einschränkungen der Grundrechte.
Die erfolgreiche Bewältigung der Coronakrise geht das Par lament in seinem ganzen demokratischen Spektrum an. Die Krise fordert uns, ja das ganze Land heraus und wird uns auch noch lange beschäftigen.
Abschließend darf ich mich nochmals bei allen Beteiligten – der CDU, der SPD, der FDP/DVP und uns Grünen – bedan ken, dass es ermöglicht wurde, diesen gemeinsamen Gesetz entwurf nunmehr zur Abstimmung zu stellen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Überschrift der Aktuellen Debatte heißt – von Ihnen gewählt, Herr Gögel – „Staatshilfe oder Entschädigung nach Rechtslage?“, aber das Fragezeichen haben Sie hier jetzt gar nicht erwähnt. Deswe gen kann ich nicht nachvollziehen, wo jetzt überhaupt Ihr Weg liegt.
Sie sagen auf der einen Seite, die Coronakrise mache Ihnen große Sorgen, was den Haushalt angeht. Auf der anderen Sei te kommen Sie zu analogen Anwendungen. Herr Vosgerau soll gesagt haben, analog müsste hier eine Entschädigung erfol gen. Es ist herrschende Meinung – ich komme später darauf zurück und gehe dann noch näher darauf ein –, dass ein ent gangener Gewinn bei Unternehmen gerade nicht in diesen Be reich hineinfällt.
Da beginnt schon die erste Schwierigkeit, wie Sie hier anset zen und den Bürgerinnen und Bürgern auf der einen Seite Hoffnung machen – und ihnen auf der anderen Seite wieder Angst machen, dass der Staat in der Verschuldung keine Mög lichkeit mehr habe, richtig zu handeln.
Aber wir, die Regierung und die Regierungsfraktionen, wir handeln. Wir haben einen Kompass. Bei uns gibt es kein Fra gezeichen. Bei uns ist die Richtung klar.
Die Coronakrise ist noch lange nicht vorbei. Es ist auch un bestritten, dass sie das gesamte wirtschaftliche und gesell schaftliche Leben massivst beeinträchtigt hat. Sie ist eine der größten Herausforderungen für die Bevölkerung und natür lich auch für die Wirtschaft – auf der ganzen Welt. Hier müs sen Maßnahmen ergriffen werden, die einschneidend sind.
Aber Artikel 2 des Grundgesetzes steht über alldem:
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver sehrtheit.
Dieses Recht zu schützen ist die oberste staatliche Aufgabe. Dem kommen wir nach, und dem kommen auch die Bürge rinnen und Bürger nach. Nur durch gemeinschaftliche Solida rität, Verantwortungsgefühl und Rücksichtnahme konnten wir durch diese Krise hier in Baden-Württemberg, aber auch in Deutschland so gut hindurchkommen. Wir haben hier, wie ge sagt, gehandelt.
Ich möchte jetzt mit Erlaubnis der Präsidentin ebenfalls etwas zitieren – Sie haben es ja vorhin auch erwähnt –: Frau Alice Weidel sagte damals, am 12. März:
Dänemark, Tschechien, Italien und viele weitere europä ische Länder reagieren: Sie stellen das öffentliche Leben praktisch ein. Nur in Deutschland kann sich Covid-19 un gehindert ausbreiten. Das wird fatale Folgen haben! Die Regierung muss jetzt endlich angemessene Schritte ein leiten!
Dann am 30. April genau das Gegenteil:
Die Wirtschaft ist sofort hochzufahren, die Gastronomie noch vor dem Wochenende wieder zu öffnen. Die Bürger müssen ihr Einkommen sichern können, statt auf die de saströse Chaos-Politik der Bundesregierung hoffen zu müssen!
Das sind politische Wendemanöver. Man macht es einmal so und einmal so in dieser Krise. Hier zeigt sich blanker Popu lismus.
Jetzt haben Sie ein Gutachten vorgelegt. Ich habe es vorhin schon einmal erwähnt – Frau Weidel war bei der Präsentati on auch wieder mit dabei –: Es sind hauptsächlich Kopien von Gesetzestexten und Zusammenfassungen von verschiedenen Coronaverordnungen. Der Verfasser, Herr Vosgerau, hat sich nicht einmal mit dem jetzt vorliegenden Urteil des Landge richts Heilbronn auseinandergesetzt, das in einem Eilverfah ren ganz klar gesagt hat – im Ergebnis verneinend –, dass es keine Entschädigungsposition über das hinaus gibt, was im Infektionsschutzgesetz des Bundes die Regelung ist.
Es ist wirklich herrschende Meinung – ich habe es vorhin ge rade erwähnt –, dass ein entgangener Gewinn nicht vom Ei gentumsbegriff gedeckt ist. Das hat das Gericht nochmals fest geschrieben. Da hätte er sich dann schon noch mal mit dieser Position auseinanderzusetzen gehabt. Mit dem Infektions schutzgesetz als Lex specialis werden letztendlich Entschädi gungsansprüche anderer Natur quasi abgesperrt; es gibt dann keine Zugriffsmöglichkeiten mehr.
Jetzt komme ich nochmals zu der Frage, was passiert, wenn man bei den Lockerungen den Gesundheitsschutz nicht ent sprechend berücksichtigt. Da darf ich einfach sagen: Was die Ihnen doch wohl sehr nahestehenden politischen Personen wie Präsident Bolsonaro in Brasilien und Präsident Donald Trump in den USA angeht, kann man feststellen, wie diese letztend lich mit der Coronakrise umgehen. Schauen wir uns die heu tigen Zahlen an: Es gibt am heutigen Tag in den USA 62 000 Neuinfektionen, in Brasilien 37 000 – und in Deutschland 300.
Da sieht man, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es tut der Wirtschaft ebenfalls gut, dass wir im Gesundheitsbereich die entsprechenden Maßnahmen treffen.
Das andere sind die Ergebnisse, wenn man den Gesundheits schutz nicht berücksichtigt.
Aber jetzt zu den Positionen, die Sie gerade erwähnt haben: Seien es Staatshilfen, seien es Entschädigungen; der Staat lässt seine Bürgerinnen und Bürger nicht im Regen stehen.
Nein, wir lassen niemanden im Stich, sondern hier werden wirklich große Anstrengungen unternommen, und es werden umfangreiche Maßnahmen getroffen, sei es auf der Bundes ebene oder auch hier auf der Landesebene. Wir kommen da durch zu dem Ergebnis, dass die Wirtschaft hier auch weiter hin gut laufen kann. Wer in diesen Tagen auf der Autobahn unterwegs ist, sieht: Es sind eine Unmenge Lkws unterwegs. Das heißt, es wird auch wieder entsprechend produziert.
Das ist so, Herr Sänze. Gerade Sie wollen ja, dass die Gren zen weiterhin geschlossen bleiben. Vielleicht darf die Frau Weidel aus der Schweiz noch rein.
Aber es kann natürlich unserer Exportwirtschaft in BadenWürttemberg tatsächlich schaden, wenn hier die Grenzen wei terhin geschlossen bleiben.
Das fordern Sie auch weiterhin. Daran sieht man doch, dass Sie überhaupt keinen Kompass in diesen Bereichen haben – auf der einen Seite die Sorge um die Wirtschaft und die Sor ge, dass der Staatshaushalt das nicht entsprechend schultern kann,
auf der anderen Seite aber dann wirklich populistische Forde rungen
in diesen Bereichen.
Wie gesagt: Wir haben hier groß aufgelegte Maßnahmen ge troffen, auch hier in Baden-Württemberg – ich möchte es noch
mal erwähnen –, sei es für die freischaffenden Künstler, für die es hier 1 180 € gibt, sei es für die Gastronomie oder die mittelständische Wirtschaft. Es gibt Krediterleichterungen – ich könnte eine Vielzahl nennen, was alles hier dabei ist –; ein großer Rettungsschirm im Umfang von 6,2 Milliarden € ist dabei. Aber auch auf der Bundesebene werden in enger Ab sprache mit den Ministerpräsidenten Maßnahmen getroffen. Ich bin Ministerpräsident Winfried Kretschmann sehr dank bar, und wir unterstützen seine Überlegungen sowohl zum Be reich der Gesundheit – dass hier der Schutz primär vornedran stehen muss – als auch dazu, dass die ökonomischen Auswir kungen voll berücksichtigt werden.
Ich kann nur feststellen: Wir haben hierzu eine breite Zustim mung in der Bevölkerung. Sie sehen, wir handeln. Sie han deln nicht. Sie verbreiten nur Missgunst und Angst,
und Sie versuchen, die Gesellschaft auch in dieser Frage wei ter zu spalten. Auch für die Gesundheitspolitik haben Sie kei nerlei Konzepte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der aktuellen Zeit der Coronapandemie leisten die baden-württembergischen Universitätsklinika Außergewöhnliches. Als ganz besondere Leistungsträger der Gesundheitsversorgung im Land gelang es ihnen innerhalb kürzester Frist u. a., die Kapazitäten für In tensivbetten mit Beatmungsgeräten auszubauen. Diese haben wir dank der erfolgreichen Präventionsmaßnahmen, die hier im Land getroffen worden sind, nicht in vollem Umfang be nötigt.
Herzlichen Dank für diesen täglichen Einsatz für das Wohl unserer Gesundheit, kann man fast schon sagen – im Bereich der Pandemiebekämpfung, aber auch durch andere Leistun gen, die selbstverständlich auch weiter zu erbringen sind. Ge rade in dieser besonderen Situation sind das natürlich Mehr leistungen, die es keinesfalls zum Nulltarif geben kann. Es sind vielmehr enorme finanzielle Belastungen, die bei den Universitätsklinika angefallen sind.
So frage ich nunmehr die Regierung: Welchen Stellenwert hat die Universitätsmedizin in Baden-Württemberg im Zusam menhang mit der Bekämpfung der Pandemie? Wie hat sich das finanziell für die Universitätsklinika ausgewirkt? Was hat der Bund im Rahmen des Krankenhausentlastungsgesetzes für die Universitätsklinika im Land geleistet? Welche Rolle spie len die Universitätsklinika bei der Coronaforschung hier im Land?
Vielen Dank im Voraus für die Beantwortung der Fragen.
Frau Ministerin, ich habe noch eine weitere Nachfrage. Es geht dabei um die Aufnahme von elsässischen Patienten. Hat dies Auswirkungen gehabt?
Eine weitere Nachfrage: Kann man in Bezug auf die vier Standorte sagen, wo möglicherweise ein besonderer Druck entstanden ist, was die Belegungssituation angeht, was aber vielleicht auch die finanzielle Situation betrifft? Oder ist das jetzt bei allen Universitätsklinika auf dem gleichen Level?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute den Jus tizetat für den Doppelhaushalt 2020/2021. Mit unseren Maß nahmen für die kommenden zwei Jahre knüpfen wir an die vergangenen Haushalte mit wichtigen Weichenstellungen an. Mehr noch: Unter dem ersten grün geführten Finanzministe rium Baden-Württembergs haben wir die Justiz innerhalb ei
ner Legislaturperiode mit über 1 050 neuen Stellen gestärkt wie nie zuvor in unserem Land.
Allein in diesem Haushalt sind es über 300 Stellen. Damit zei gen wir: Bei den Grünen sind die Justiz und ein funktionie render Rechtsstaat in guten Händen.
Für die Unterstützung danke ich der Finanzministerin sehr. Ebenfalls danke ich dem Justizministerium und dessen Haus spitze für die sehr gute Ausarbeitung der Bedarfe in der Jus tiz, die das Finanzministerium daher sehr gut nachvollziehen konnte.
In diesem Haushalt kommen wir auch einem zentralen Ver sprechen unseres Koalitionsvertrags nach. Erstmalig ist die hundertprozentige Abdeckung von PEBB§Y erreicht, dem System zur Personalbedarfsplanung für die deutschen Justiz behörden. Wir statten die Justiz so aus, wie es das Berech nungssystem erhoben hat. Gerichte und Staatsanwaltschaften werden mit 101 neuen Stellen verstärkt.
Ganz besonders liegt mir als Strafvollzugsbeauftragtem mei ner Fraktion der Justizvollzug am Herzen. In der Haft sollen Gefangene befähigt werden, ein Leben in sozialer Verantwor tung und ohne Straftaten zu führen. Sie sollen also resoziali siert werden. Das ist viel mehr als die Verwahrung von Men schen. In der grünen Rechtspolitik steht das Ziel der Resozi alisierung im Vordergrund. Denn der beste Schutz vor weite ren Straftaten ist, wenn Straftäterinnen und Straftäter künftig straffrei leben. Das erfordert große Anstrengungen. Ich möch te allen Menschen danken, die im Vollzug unter oft schwieri gen Bedingungen arbeiten. Ihr unermüdlicher Einsatz für die gute Sache ermöglicht es erst, einen humanen und an der Re sozialisierung ausgerichteten Strafvollzug zu betreiben.
Wir wollen, dass die Leistung honoriert wird; wir wollen auch, dass der Beruf des Vollzugsbediensteten attraktiv bleibt, und sichern die Personalgewinnung für die Zukunft. Ich freue mich daher besonders, dass wir bei den Haushaltsverhandlun gen beim Thema „Höhere Besoldungsstufen von Bedienste ten in Justizvollzugsanstalten“ erfolgreich waren. 375 Stellen im mittleren Dienst werden höher besoldet. Insgesamt profi tieren 390 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den Stellen hebungen.
Die Rahmenbedingungen für die Justizberufe müssen verbes sert werden. Um das zu erreichen, sind wir einem lang geheg ten Wunsch des Bundes der Strafvollzugsbediensteten nach gekommen. Wir wollen die Wahloptionen zwischen freier Heilfürsorge und Beihilfe einführen. Damit erhalten die Voll zugsbediensteten, die oftmals körperlich und psychisch stark beansprucht werden, hier die gleichen Rahmenbedingungen wie die Polizeibeamten.
Wir setzen uns für konstruktive Haftkonzepte ein, die präven tiv wirken und die Rückfallwahrscheinlichkeit effektiv redu zieren. Dazu gehören der Ausbau des offenen Vollzugs sowie
Konzepte zur Haftvermeidung wie „Schwitzen statt Sitzen“. Es ist aber auch klar: Wir müssen es endlich schaffen, die Er satzfreiheitsstrafen zu reduzieren und unnötige Haftstrafen wie beim Schwarzfahren abzuschaffen.
Im Interesse eines humanen Strafvollzugs sorgen wir auch quantitativ dafür, dass ausreichend Personal in den Anstalten vorhanden ist. Denn effektive Betreuung ist personalintensiv. Mit 175 zusätzlichen Stellen für den Justizvollzug setzen wir hierfür die richtigen Zeichen.
Zu einem humanen Strafvollzug gehören für uns auch vielfäl tige Resozialisierungsstrukturen. Perspektivisch möchten wir eine gesetzliche Festschreibung von Resozialisierungsange boten und -ansprüchen. Wir verstetigen mit diesem Haushalt wichtige Resozialisierungsprojekte. Dazu gehören die beiden Projekte ReSo in der Jugendvollzugsanstalt Adelsheim
und ZAP in Ravensburg. Ziel beider Projekte ist es, junge Strafgefangene bei der Wiedereingliederung nach der Haft zu unterstützen. Wir brauchen dringend mehr solcher Projekte. Sie entlasten auf Sicht den Justizvollzug und sind wichtig für unsere Gesellschaft, da sie Jugendlichen helfen, eine wirkli che Alternative zur Straffälligkeit zu entwickeln.
Mit der Verstetigung des Projekts „Wiedereingliederung von älteren Gefangenen“ setzen wir ein weiteres wichtiges Zei chen für einen humanen Strafvollzug. Insbesondere bei älte ren Gefangenen gestaltet sich der Übergang von der Haft in die Freiheit schwierig,
da die Situation häufig von körperlichen Einschränkungen so wie gesundheitlichen und psychischen Problemen gekenn zeichnet ist. Eine rechtzeitig einsetzende und standardisierte Entlassungsvorbereitung ist für diesen Personenkreis für ein würdevolles Leben in Freiheit unerlässlich.
Erfolgreich gekämpft haben wir für die Verstetigung der Schuld nerberatung im Justizvollzug. Viele Gefangene sind über Jah re hinweg hoch verschuldet und haben den Überblick über ih re Schulden verloren. In der Schuldnerberatung müssen sich die Gefangenen mit den begangenen Taten und den Interes sen der Opfer auseinandersetzen. Neben der angestrebten Ent schuldung dient die Schuldnerberatung auch der Resozialisie rung der Tätergruppe.
Besonders freue ich mich auch über die Haushaltsmittel für die sogenannten Häuser des Jugendrechts. Polizei, Staatsan waltschaft und Jugendhilfe arbeiten hier bei der Bearbeitung von Straftaten, die von Minderjährigen verübt werden, unter einem Dach zusammen. Dies ermöglicht es, die Verfahrens dauer in Jugendstrafverfahren zu verkürzen und zeitnah ab gestimmte Lösungen sowie Hilfsangebote für junge Straffäl lige vor Ort zu entwickeln.
Derzeit bestehen Häuser des Jugendrechts in vier Städten: Stuttgart, Pforzheim, Mannheim und Heilbronn. An weiteren Standorten wie in meinem Wahlkreis Ulm sowie in Offenburg,
Ludwigsburg und Karlsruhe werden weitere solcher Einrich tungen entstehen. In Ulm steht dies unmittelbar bevor.
Ein wichtiger Baustein für einen Justizvollzug, der seine Re sozialisierungsziele erreicht, sind bauliche Maßnahmen. Auch wenn es den Einzelplan 12 betrifft, will ich nicht unerwähnt lassen, dass wir auch in diesem Bereich erheblich investieren. Zuallererst möchte ich den Neubau eines Justizvollzugskran kenhauses in Stuttgart-Stammheim nennen. Ein zeitgemäßes und leistungsfähiges Krankenhaus sind wir hier den Bediens teten und Inhaftierten schuldig. Es freut mich sehr, dass wir nun Planungsraten einstellen können.
Seit den Sechzigerjahren ist man bemüht, dieses Justizvoll zugskrankenhaus neu aufs Gleis zu setzen, und nun ist dies tatsächlich gelungen. Ich glaube, das ist ein großer Erfolg.
Das Bauprogramm betrifft aber auch den Aufwuchs an Haft plätzen, etwa durch Neubauten in Modulbauweise an den Standorten Heimsheim, Ravensburg, Schwäbisch Hall und den großen Neubau in Rottweil. Notwendig sind aber auch Sanierungsmaßnahmen wie in Bruchsal, Schwäbisch Gmünd und Heilbronn.
Eine weitere wichtige Errungenschaft dieses Haushalts ist die Einrichtung eines Opferschutzbeauftragten in unserem Land. Der Opferschutzbeauftragte soll eine zentrale Stelle sein, an die sich von Gewalttaten Betroffene wenden können; er soll ihnen helfen, passende Unterstützungsangebote für ihre Situ ation zu finden. Für uns Grüne ist es ein wichtiges Anliegen, dass diese Stelle für alle Opfer zur Verfügung steht, unabhän gig davon, ob sie Betroffene eines gewalttätigen Großereig nisses oder einer individuellen Gewalterfahrung sind.
Mit dem vorliegenden Landeshaushalt stärken wir die Bür gerrechte. Mit diesem Haushalt wird Baden-Württemberg das zweite Land bundesweit sein, das Bürgerinnen und Bürger da rüber informiert, ob sie Betroffene einer Mobilfunkzellenüber wachung wurden. Das stärkt den gerichtlichen Rechtsschutz und die Transparenz im Staat. Die Senatsverwaltung für Jus tiz in Berlin ist hier vorangeschritten. Ich bin Ihnen, Herr Mi nister Wolf, sehr dankbar, dass Sie sich bereit erklärt haben, dies in Baden-Württemberg – als zweitem Bundesland – mit auf den Weg zu bringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Anbetracht der Ereignis se, die sich derzeit in vielen Ländern, aber auch bei uns voll ziehen, ist es besonders wichtig, dass wir unsere dritte Gewalt nach bestem Wissen und Gewissen schützen und ausstatten. Wir brauchen sie als verlässlichen Garant für unsere demo kratischen Grundwerte. Eine zuverlässige Justiz kann es nur mit genügend und gut ausgebildetem Personal geben. Dafür setzen wir das richtige Zeichen in diesem Haushalt. Auch ei nem modernen, humanen Strafvollzug kommen wir in diesem Haushalt einige Schritte näher.
Doch es gibt noch viel zu tun. Dafür werden wir uns auch in den kommenden Jahren weiterhin starkmachen.
Nochmals möchte ich allen Bediensteten in der Justiz, im Voll zug oder auch bei der Gerichtsbarkeit für ihren großen Ein satz danken. Denn dies ist, wie gesagt, eine unserer wesentli
chen Stützen: die dritte Gewalt, die wir mehr denn je benöti gen.
In der zweiten Runde wird dann mein Kollege Reinhold Pix noch zum Thema Tourismus sprechen.
Ihnen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit einigen Tagen liegt uns die Studie zu Paralleljustiz in Baden-Württemberg vor. Das Thema ist glücklicherweise bisher nur in Einzelfällen – dar auf wies auch Herr Kollege von Eyb bereits hin – in BadenWürttemberg aufgetaucht. Trotzdem oder gerade deshalb ist es mehr als sinnvoll, sich dieses Themas näher anzunehmen.
Zunächst einmal ist es wichtig, den Begriff „Paralleljustiz“ zu definieren. Sie liegt immer dann vor, wenn Organisationen oder Gruppen das Gewaltmonopol des Staates und die Rechts ordnung nicht anerkennen und gleichzeitig eigene Strukturen schaffen.
Der wichtigste Befund der Studie ist: Es gibt keine gefestig ten Strukturen einer Paralleljustiz in Baden-Württemberg. Al lerdings gibt es auch hier Einzelfälle, die ein nennenswertes Dunkelfeld nahelegen. Insgesamt ist die Lage aber günstiger als in anderen Bundesländern.
Daneben gibt es noch eine zweite ganz entscheidende Er kenntnis in dieser Studie – man sollte eigentlich überhaupt nicht glauben, dass dies extra betont werden muss –: Parallel justiz ist milieuspezifisch und nicht an Ethnien oder Religio nen gebunden. Es gibt unterschiedliche äußere Umstände, die das Entstehen von Paralleljustiz begünstigen. Wir müssen passgenau Ursachen bestimmen und jeweils individuell Ge genmechanismen finden.
Stellt also das Phänomen Paralleljustiz eine Herausforderung an den Rechtsstaat dar? Ja. Der Rechtsstaat ist fortwährend gefordert. Man verhütet das Entstehen von Paralleljustiz mit einem funktionierenden Rechtsstaat, mit Vertrauen in den Staat, mit gesellschaftlichem Zusammenhalt, mit Prävention, Unterstützung und Stärkung der Selbstbestimmung.
Wenn man über Paralleljustiz spricht, dann geht es um Men schen oder Strukturen, die das staatliche Gewaltmonopol in frage stellen. Wer das tut, stellt sich auch gegen die freiheit lich-demokratische Grundordnung und die darin verankerten und geschützten Individualrechte.
Für die Erhaltung des staatlichen Gewaltmonopols braucht es vor allem Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Staates. Das Ergebnis der Studie zeigt: Dieses Vertrauen besteht, denn ei ne breit strukturierte Parallelgesellschaft besteht, wie schon mehrfach berichtet, in Baden-Württemberg nicht. Das ist gut so, denn unser Rechtssystem funktioniert. An diesem Vertrau en müssen wir immer weiterarbeiten. Wer Teil der Gesell schaft ist und auf den Schutz der Gesellschaft vertrauen kann, wendet sich im Normalfall auch nicht von ihr ab.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eines betonen: Vertrauen in den Rechtsstaat zu gewinnen heißt nicht, fort während nach Strafschärfungen zu rufen; denn den Stand der Zivilisation einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit ihren Straftäterinnen und Straftätern umgeht. Das werden wir Grünen auch mit aller Kraft verteidigen.
Rechtsstaat bedeutet, dass sich der Staat Recht und Gesetz un terwirft und sich auch selbst daran hält. Der Rechtsstaat ist ei ne zentrale Errungenschaft für eine humane, freiheitliche und menschenrechtsorientierte Gesellschaft. Ihn zu verteidigen und hochzuhalten ist unsere immer bestehende Aufgabe.
Zum Vertrauen in das Gewaltmonopol gehört aber auch, dass der Staat dieses wahrnimmt und für den Schutz seiner Bevöl kerung sorgt. Ein gutes Beispiel dafür ist einer der größten Bereiche der Paralleljustiz in Baden-Württemberg: die Ro cker- und rockerähnliche Kriminalität. Hier kommt es in ei nigen Fällen zu Selbstjustiz und vor allem auch zu erheblicher Einschüchterung von Zeugen, Polizeikräften und teilweise auch Justizangehörigen.
Es ist gut, dass die Sicherheitsbehörden hier Stärke zeigen. Das LKA Baden-Württemberg hat hier eine Vorreiterrolle ein genommen und eine Vielzahl von Straftaten ermittelt. Die Jus tizbehörden haben ebenfalls rasch gehandelt.
Das gilt insbesondere für den Osmanen Germania Boxclub. Wir waren bundesweit die Ersten, die gegen die wohl als lan ger Arm Erdogans fungierende Gruppe Ermittlungserfolge er zielen konnten.
Wir müssen aber weiter wachsam sein. Es muss für die Si cherheitsbehörden weiter gelten: Gegen solche kriminellen Vereinigungen müssen wir weiter entschlossen vorgehen: mit Verboten, strafrechtlichen Ermittlungen und einem wirksa men Schutz von Zeugen und Aussteigern.
Ein anderer Bereich, in dem Paralleljustiz vorkommt, sind lei der die Haftanstalten. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass teilweise Strukturen von organisierter Kriminalität und Selbstjustiz in den Haftanstalten bestehen. Für mich ist ein deutig, dass das Gewaltmonopol des Staates auch hier gelten muss. Es darf nicht sein, dass wir die Menschen, die wir in haftieren, nicht ausreichend vor gewalttätigen Übergriffen schützen. Die grün-schwarze Koalition steht dafür ein, dass wir die Verhältnisse in den Haftanstalten verbessern und sol che Strukturen aufgelöst werden. Die Regierungsfraktionen
haben sich zum Ziel gesetzt, hier wesentliche Fortschritte in dieser Legislatur zu erreichen. Dazu dient auch unsere ge meinsame Arbeitsgruppe „Moderner Strafvollzug“.
Um die Strukturen in den Haftanstalten aufzubrechen, brau chen wir ausreichend gut ausgebildetes Personal und damit auch eine hinreichend attraktive Justizvollzugslaufbahn. Wir brauchen bauliche Anstrengungen und ausreichende Resozi alisierungsarbeit in Haft, um z. B. gegen Suchtproblematiken und anderes vorzugehen.
Wir können, nicht ohne Stolz, sagen, dass wir im Vollzug seit 2011 viel erreicht haben. Die vorliegende Studie muss uns trotzdem Anlass geben, weiter daran zu arbeiten. Liebe Kol leginnen und Kollegen, behalten wir auch diejenigen im Au ge, die wenig Fürsprecher in unserer Gesellschaft haben.
Die Studie benennt auch Fälle im Ehrschutzbereich und an dere Konflikte im milieuspezifischen, kulturell geprägten Um feld. Hier gibt es bestimmte soziale Faktoren, die die Entste hung solcher Strukturen begünstigen. Wir haben glücklicher weise keine strukturierte Clankriminalität, aber es gibt auch hier Kriminalität mit ethnisch geschlossenem Hintergrund.
Begünstigt wird dies oft dadurch, dass Menschen aus anderen Kulturkreisen ihre Erfahrungen mitbringen und in ihrem Hei matland Polizei und Justiz oft nicht als Partner, sondern als Feind kennengelernt haben. Hier muss die Erfahrung der Po lizei als Freund und Helfer erst noch gemacht werden. Des halb ist es auch so wichtig, im Bereich der Ausbildung und Einstellung bei Polizei und Justiz mit auf Diversität zu ach ten.
Ein Augenmerk müssen wir auch auf Anzeichen einer Paral leljustiz in den Bereichen Menschenhandel, Prostitution und Drogenhandel, die unabhängig von ethnischem und kulturel lem Hintergrund vorliegen, richten.
Als sicherheitsgefährdend sind auch Reichsbürger und Selbst verwalter anzusehen, die eine große Affinität zu Waffen ha ben.
Ein Ausfluss der Paralleljustiz ist aus meiner Sicht aber auch die Selbstjustiz. Diese haben wir bedauerlicherweise u. a. in Chemnitz erlebt. Es darf nicht hingenommen werden, dass Menschen in Pogromstimmung eigene Strafen schaffen und umsetzen. Auch der NSU meinte, gerechtfertigt zu sein, Men schen zu töten, die nicht dessen krudem Weltbild entsprachen.
Wir sind es allen Betroffenen schuldig, entschlossen zu han deln. Hilfsangebote und Kooperation sind hier die richtigen Mittel. Man muss Tätern und Opfern Perspektiven aufzeigen. Denn wer sich als Teil der Gesellschaft fühlen kann, ist weni ger gefährdet, in kriminelle Parallelstrukturen zu geraten. Die Studie zeigt hier eine Menge Maßnahmen auf.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich in diesem Kontext die Ar beit des Kompetenzzentrums gegen Extremismus in BadenWürttemberg, kurz: konex. Das ist die zentrale Anlaufstelle für Extremismusaussteigerinnen und -aussteiger ebenso wie für Lehrkräfte, Polizisten und Sozialpädagogen, die in ihrem Berufsalltag mit Radikalisierungen zu tun haben. Hier wird effektiv Ausstiegsberatung und Qualifizierung geleistet.
Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte zum Op ferschutz sagen, denn die Studie findet hierzu deutliche Wor te. In den letzten zehn Jahren wurden die Gesetze immer wie der so verbessert, dass der Opferschutz deutlich gestärkt wur de. Damit sind wir nicht am Ende, aber wir müssen konstatie ren, dass das Gesetz viele Möglichkeiten bietet, Opfer zu schützen.
Trotzdem attestiert uns die Studie, dass hier noch vielfach De fizite bestehen. Die Studie nennt Fälle, in denen Geschädigte und Zeugen bedroht werden, sich nicht trauen, die Wahrheit zu sagen, und keine Schutzprogramme bekommen. Die Mög lichkeiten, die die Gesetze geben, müssen also stärker umge setzt werden. Natürlich ist das eine Frage der Ressourcen. Wir haben die Justiz personell massiv gestärkt und setzen diesen Weg auch konsequent fort.
Neben einem Zuwachs an Ressourcen braucht es aber auch einen Zuwachs an Sensibilität bei allen Beteiligten. Die Stu die nennt hier viele Beispiele, bei denen Opferschutzmaßnah men bisher nicht in allen Fällen ausreichend zur Geltung ka men. Dessen müssen wir uns zukünftig noch stärker anneh men.
Ich denke, dass ein Opferschutzbeauftragter in solchen Fra gen einen wichtigen Beitrag leisten kann.
Wir, die grüne Fraktion, stehen für die Freiheitsrechte. Aber klar ist, dass alle Menschen, die in Deutschland leben, das Grundgesetz zu achten haben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Gögel, wollen Sie die Un abhängigkeit der Justiz infrage stellen,...
... diesen Fragen nachzugehen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie die Ministerin bereits ausgeführt hat, beraten wir heute in erster Lesung den Ent wurf eines Gesetzes zu dem Staatsvertrag über die Hochschul zulassung und zur Änderung des Hochschulzulassungsgeset zes. Der Gesetzentwurf setzt die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Studienplatzvergabe im Stu diengang Medizin um.
Einen Staatsvertrag über die Hochschulzulassung haben die Länder bereits im April beschlossen. Nunmehr erfolgen die entsprechende landesrechtliche Ausgestaltung und Umsetzung und die Zustimmung zum Staatsvertrag. Ziel ist es – das wur de ebenfalls schon erwähnt –, die Studienplatzvergabe in zu lassungsbeschränkten Studiengängen durch unterschiedliche Auswahlkriterien gerechter zu gestalten als bisher.
Für uns ist die Qualität der Ausbildung in den medizinischen Bereichen besonders wichtig. Wir begrüßen es sehr, dass nun in allen Ländern mehr Augenmerk auf den Bereich der Sozi alkompetenz gelegt werden soll, die in diesen Berufen beson ders wichtig ist.
Durch die Einführung einer zusätzlichen Eignungsquote, die schulnotenunabhängig ist, können weitere Auswahlkriterien verankert werden. Diese Quote wurde auf Vorschlag von Ba den-Württemberg etabliert. Hierdurch trägt der Staatsvertrag den Zielen des „Masterplans Medizinstudium 2020“ Rech nung. Da Baden-Württemberg insgesamt schon nahe an den Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ist und
weiter als viele andere Bundesländer in dieser Angelegenheit war, sind die Änderungen für uns nicht umfangreich.
Im Einzelnen sollen jetzt folgende Verteilungsquoten gelten: Wegfall der Wartezeitquote von bislang 20 %, Erhöhung der Abiturbestenquote von 20 % auf 30 %, Erhalt der Quote von 60 % über das Auswahlverfahren der Hochschule und – neu eingeführt – die schulnotenunabhängige Quote von 10 %.
Bei der Quote von 60 % über das Auswahlverfahren der Hoch schule werden Vorgaben gemacht, die ein verfassungsgemä ßes Verfahren sicherstellen. Hier müssen neben Studieneig nungstests noch schulnotenunabhängige Kriterien berücksich tigt werden. Berufliche Vorerfahrung und Freiwilligendiens te spielen hier eine entsprechende Rolle. Die hochschuleige nen Quoten können somit nicht völlig frei von der Hochschu le gestaltet werden, sondern müssen sich nach den ausgestal teten Vorgaben des Hochschulzulassungsgesetzes richten.
Durch den heute zu beratenden Gesetzentwurf wird nicht nur die Zulassung zum Medizinstudium geregelt, sondern darü ber hinaus wird auch das Zulassungsrecht für örtlich zulas sungsbeschränkte Studiengänge fortentwickelt, um sicherzu stellen, dass in den Bundesländern eine möglichst einheitli che Vergabe erfolgt.
Die ärztliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger im Land war und ist uns schon immer ein großes Anliegen. So hat Ba den-Württemberg bis jetzt schon über die Vorgaben des Kö nigsteiner Schlüssels hinaus Medizinerinnen und Mediziner ausgebildet.
Dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Hoch schulzulassungsgesetzes ist ein Anhörungsverfahren voraus gegangen. Der Gesetzentwurf hat dort eine breite Zustimmung erfahren. Wir Grünen setzen uns dafür ein, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern. Daher haben wir mit dem letzten Nachtragshaushalt bereits 150 neue Me dizinstudienplätze auf den Weg gebracht.
Wir begrüßen die enge Verzahnung der medizinischen Fakul täten mit Praxen und Einrichtungen im ländlichen Raum. So werden junge Ärztinnen und Ärzte frühzeitig an die Arbeit und die Herausforderungen im ländlichen Raum herangeführt.
Wir Grünen unterstützen den eingebrachten Gesetzentwurf, und ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Minister, die Donauraum strategie interessiert die Menschen insbesondere auch in mei nem Wahlkreis Ulm immer wieder. Jetzt kommt die entspre chende Frage: Abgesehen davon, dass es durch den Austausch mit den anderen Ländern zwischenmenschliche Kontakte gibt, wie viel profitiert die Wirtschaft in Baden-Württemberg von der Donauraumstrategie, die vom Land auf europäischer Ebe ne auch entsprechend forciert vorgetragen wird?
Herr Minister, vielen Dank, dass Sie in Ihrem Beitrag schon mitgeteilt haben, dass besonders die Innenentwicklung eine wichtige Angelegenheit ist. Gera de im Alb-Donau-Kreis, der ja teilweise auch zu meinem Wahlkreis gehört, ist das ein ganz wichtiges Thema. Dass 46 Projekte über das ELR gefördert worden sind, ist eine wirk lich prima Zahl. Dafür auch noch einmal herzlichen Dank für die Region.
Ich habe eine Frage in diese Richtung: Gibt es denn jetzt auch – Sie sagten, einen Aufwuchs werde es weiterhin geben; 75 Mil lionen € sind es jetzt gewesen – irgendwelche Vorstellungen, um ankündigen zu können, inwieweit das ELR-Programm fortgesetzt wird?
Dann noch eine Nachfrage – als Strafvollzugsbeauftragter in teressiert mich das ganz besonders –: Sie haben gerade die Hybridholzbauweise erwähnt. Haben Sie darüber schon mit dem Minister Rücksprache gehalten? Rottweil soll ja ans Netz gehen. Da würde mich interessieren, ob es da tatsächlich Mög lichkeiten gibt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Her ren! Nach zweieinhalb Jahren Arbeit findet der Untersu chungsausschuss „Das Unterstützerumfeld des Nationalsozi alistischen Untergrunds (NSU) in Baden-Württemberg und Fortsetzung der Aufarbeitung des Terroranschlags auf die Po lizeibeamten M. K. und M. A.“ mit der Abgabe des Berichts und der Handlungsempfehlungen seinen Abschluss.
Der heutige Bericht baut auf dem Vorgängerausschuss „NSU I“ in der vergangenen Legislaturperiode auf. Aufgrund des kur zen Zeitbudgets – der Herr Vorsitzende hat darauf schon hin gewiesen –, das uns im ersten Untersuchungsausschuss noch zur Verfügung stand, war für uns im zweiten Ausschuss ins besondere noch die mögliche Anwesenheit ausländischer Ge heimdienste auf der Theresienwiese zum Tatzeitpunkt abzu klären und die Funkzellenauswertung vorzunehmen.
Die Erkenntnisse des zweiten Untersuchungsausschusses be stätigen, was bereits festgestellt wurde. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos haben die junge Polizistin Michèle Kiesewet ter getötet und ihren Kollegen Martin A. schwer verletzt. Hier für sprechen klar diese Fakten – das möchte ich noch einmal in Erinnerung bringen –: die Registrierung des von ihnen ge mieteten Wohnmobils bei der Ringalarmfahndung in Obers tenfeld bei Heilbronn kurz nach der Tat am 25. April 2007, der Fund der Tatwaffen im Zwickauer Brandschutt, also in der Wohnung des Trios, der Fund der Dienstwaffen und anderer
Ausrüstungsgegenstände der Tatopfer im Wohnmobil in Eise nach, der Fund einer Jogginghose mit Blutantragungen von Michèle Kiesewetter und DNA-Spuren von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, das Bekennervideo des NSU und die Einlas sung von Beate Zschäpe vor dem OLG München.
Unter diesen Maßstäben besteht kein Zweifel daran, dass die NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die jun ge Polizistin in ihrem Streifenwagen erschossen haben. Ich bin mir sicher, jedes Schwurgericht würde zu einer Verurtei lung kommen, würden Böhnhardt und Mundlos noch leben.
Möglicherweise waren weitere Personen beteiligt, hatte das NSU-Trio Mitwisser; vielleicht gab es weitere Unterstützer. Wir haben keine Beweise, aber schließen dies nicht aus. Zu mindest gehen wir davon aus, dass der NSU ein breites geis tiges Unterstützerumfeld zur Verfügung hatte.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte betonen: Ein Untersuchungsausschuss ist kein Er mittlungsgremium und kein Gericht. Unsere Aufgabe war es, die Arbeit der Polizei und des Verfassungsschutzes zu unter suchen. Im Vorgängerausschuss haben wir uns z. B. mit zwei baden-württembergischen Polizeibeamten beschäftigt, die beim Ku-Klux-Klan waren. Leider ist das hochaktuell, wie der Fall einer Gruppe von rechtsextremen Polizistinnen und Polizisten in Hessen zeigt. Diese sollen unter dem Namen NSU 2.0 eine Rechtsanwältin und einen Rechtsanwalt mit Mi grationshintergrund aus dem NSU-Komplex bedroht haben. Aus meiner Sicht ist das eine Botschaft der Bedrohung aller Menschen mit Migrationshintergrund und unserer Gesell schaft insgesamt, die wir auf das Schärfste verurteilen.
Eine besonders wichtige und zugleich erschreckende Erkennt nis war für uns, wie viel an rechtsextremem Gedankengut und rechtsextremer Musik in unserer Gesellschaft Platz gefunden hat. Tausende von Rechtsextremen treffen sich zu Konzerten, wo sie ihre menschenverachtenden Einstellungen in Worte fassen und laut und ohne jegliche Scham von sich geben. Hier müssen wir dringend gegensteuern.
Für uns ist klar, dass rechte Musik wie eine Art Strudel ist, der die Menschen in den Sog der rechtsextremen Szene hinein zieht.
Deshalb ist es von großer Wichtigkeit, dass bereits in den Schulen Präventionsarbeit geleistet wird. Wir müssen die Ju gend in unserem Land demokratiefest machen. Politische Bil dung ist wichtiger denn je. Dies betrifft nicht nur die Schulen und die Jugendlichen, nein, vielmehr betrifft es unsere ganze Gesellschaft. Dazu gehören auch die Behörden. Für mich ist ganz klar: Die Sensibilisierung für Rechtsextremismus reicht von der Schule bis zur Demokratiebildung für Erwachsene.
Zur rechtsextremen Musik gehört auch die menschenverach tende Sprache. Zuerst steht der Gedanke, dann folgt das Wort
und dann schließlich die Tat. Daher ist es mir wichtig, dass Menschen für die Wirkung von Worten sensibilisiert werden und Begriffe kritisch hinterfragen.
Keinerlei Verständnis habe ich dafür, dass einige Politikerin nen und Politiker sich dafür einsetzen wollen, dass der § 130 StGB – Volksverhetzung – abgeschafft werden soll. Diese Strafnorm schützt die Menschenwürde vor böswilliger Ver ächtlichmachung. Ziel der Norm ist es, das friedliche Zusam menleben aller in unserem Land zu schützen. Mit der Abschaf fung wäre es möglich, alles erdenklich Menschenunwürdige in Worte zu packen. Diesen Gedanken finde ich einfach uner träglich.
Sprache ändert sich; das ist der Lauf der Zeit. Was wir jedoch zunehmend erleben, ist eine Verrohung der Sprache, vor al lem der öffentlichen Sprache. Dieser Verrohung müssen wir entgegenhalten. Worte können andere verletzen, auch wenn sie nicht strafbar sind. Meinungsfreiheit bedeutet für mich ei ne Sprache des Respekts,
die die Würde anderer achtet, selbst bei Zuspitzungen, auch und gerade im Parlament. Als Abgeordnete des Landtags tra gen wir eine besonders große Verantwortung.
Der zweite Untersuchungsausschuss NSU war wichtig. Seine Themen sind aktueller denn je. Rechtsextreme und rassisti sche Positionen sind teilweise in die Mitte der Gesellschaft eingezogen, beispielsweise auf der Straße in Chemnitz oder auch in Parlamenten. Deshalb haben wir aus dem Untersu chungsausschuss Konsequenzen gezogen, die ich Ihnen hier gern nochmals auch in einigen Stichworten nennen möchte.
Wir Grünen fordern ein wissenschaftliches Zentrum zur Er forschung und Dokumentation des Rechtsextremismus mit Sitz an einer Hochschule in Baden-Württemberg. Wir brau chen mehr wissenschaftliche Forschung zum Rechtsextremis mus, aber keinen Elfenbeinturm, sondern eine Institution, die sich mit zivilgesellschaftlichen Vereinen, mit staatlichen Ein richtungen, Behörden und Schulen vernetzt. Unser Ziel ist es, dadurch einen Blick von außen auf die Probleme zu erhalten und damit der eigenen Betriebsblindheit entgegenzuwirken.
Wir müssen außerdem den Kampf gegen rechte Einstiegsmög lichkeiten stärker angehen. Dazu zählen soziale Medien, In ternetseiten und rechtsextreme Musik, die in der Regel frei im Netz zur Verfügung stehen. Schnelle und einfache Lösungen gibt es leider nicht. Aber wir können Schulleiterinnen und Schulleiter sowie Lehrerinnen und Lehrer sensibilisieren. Da zu müssen Schulen einen modernen Fokus auf das Thema Na tionalsozialismus im Unterricht legen. Das bedeutet, wir be nötigen eine Auseinandersetzung mit den Gefahren rechtsex tremer Medien und rechtsextremer Musik in den Schulklas sen – sprich: eine Art spezielle Unterrichtseinheit.
Zurzeit erarbeitet das Kultusministerium eine neue Leitpers pektive Demokratieerziehung, um die Bildungspläne in den Schulen zu ergänzen. Dabei muss die Auseinandersetzung mit rechtsextremer Musik eine zentrale Rolle spielen.
Wir fordern ein Verbot des Waffenbesitzes für Rechtsextre me. Per Erlass haben Sie, Herr Innenminister Strobl, im Janu ar 2017 dafür gesorgt, dass Waffenbehörden bekennenden Reichsbürgern die Waffenscheine entziehen können. Diese Regelung sollte auch auf bekannte Rechtsextreme konsequent angewandt werden. Wir bitten die Landesregierung, zu prü fen, wie der Entzug von Waffen besser umgesetzt werden kann, und sich auf Bundesebene für eine entsprechende Än derung des Waffenrechts einzusetzen.
Eine unserer Handlungsempfehlungen ist es auch, die Akten der baden-württembergischen Behörden zum NSU bis auf Weiteres nicht zu vernichten. Wir wissen, dass dies nur eine Ausnahme von den geltenden Regeln und Gesetzen sein kann. Die Ausnahme ist wichtig, da noch mehrere Ermittlungsver fahren und NSU-Untersuchungsausschüsse laufen. Daher soll te entsprechend verfahren werden.
Ich komme nunmehr zum Schluss. Der Ausschuss schließt sich der Bewertung des Untersuchungsausschusses „NSU I“ vollumfänglich an. Die Indizien, ja, die Fakten, die ich ein gangs erwähnt habe, sprechen eine klare Sprache.
Mein Dank geht insbesondere an die Mitglieder des Ausschus ses, die meiner Fraktion angehören – Susanne Bay, Petra Häff ner, Alexander Salomon –, an die parlamentarischen Berate rinnen und Berater sowie an die Mitarbeiterinnen und Mitar beiter der grünen Fraktion.
Bedanken möchte ich mich aber ausdrücklich auch beim Un tersuchungsausschussbüro, beim Vorsitzenden Wolfgang Drex ler sowie bei den Obleuten von der CDU, Herrn von Eyb, von der SPD, Herrn Weirauch, und von der FDP/DVP, Herrn Wein mann, und bei allen, die mitgeholfen haben, unseren Auftrag entsprechend zu erfüllen.
Die Arbeit des zweiten Untersuchungsausschusses findet mit dem heutigen Tag ihren Abschluss. Wir geben den an uns übertragenen Untersuchungsauftrag an den Landtag zurück. Damit ist jedoch unser Eintreten gegen den Rechtsextremis mus nicht beendet. Das sind wir den Opfern und den Hinter bliebenen des NSU-Terrors schuldig.
Entsprechend dem Schlusssatz aus der Präambel unseres Ab schlussberichts müssen wir alles tun, damit sich derartige menschenverachtende Taten niemals wiederholen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Minister, in der vergange nen Woche hat wieder die Arbeitsgemeinschaft von Grünen und CDU „Moderner Strafvollzug“ getagt. Da haben auch wieder entsprechende Erkenntnisse der Straffälligen- und Be währungshilfe vorgelegen. Auch dem Ministerium sind ent sprechende Vorschläge unterbreitet worden, wie es möglich ist, in stärkerem Maß Haftvermeidung zu erreichen – Stich wort „Schwitzen statt Sitzen“ –, sodass es auch möglich wä re, jemandem aus der Haft noch etwas mit auf den Weg zu ge ben: Wenn man draußen eine Tätigkeit aufnimmt, kann die Haftstrafe auch damit beendet sein.
Meine Frage ist, in welchem Zeitrahmen diese Überlegungen, die wohl vom Justizministerium goutiert werden, in eine Um setzungsphase kommen können.
Herr Staatssekretär, Ihnen ist sicherlich der Fall mit der DLRG aus meinem Wahlkreis be kannt.
Wir haben es vorhin noch ein mal angesprochen. Es geht um die Möglichkeiten eines Neu baus. Die Debatte in meinem Wahlkreis ist da relativ querlie gend. Man fragt, ob es nicht noch Möglichkeiten gäbe, Zah lungen zu erhalten.
Jetzt ist ja bekannt, dass die Mittel endlich sind. Wir sind der Haushaltsgesetzgeber. Frage: Denken Sie, dass die Mittel, die bislang eingestellt worden sind, auskömmlich sind, oder ist aus Ihrer Sicht Nachholbedarf gegeben?
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Regierungsbefragung möch ten wir, die Fraktion GRÜNE, das Thema „Akademisierung der Gesundheitsberufe“ ansprechen, insbesondere mit Blick auf die Hebammenwissenschaft.
Am 19. Oktober wurden gemeinsam mit Frau Staatssekretä rin Bärbl Mielich und Frau Ministerin Bauer die Bachelorstu diengänge Hebammenwissenschaft und Pflege auf dem neu en Campus Gesundheitswissenschaften Tübingen/Esslingen eröffnet. Insbesondere die an einer Universität verortete pri märqualifizierende Hebammenwissenschaft in Zusammenar beit mit der Universitätsmedizin ist dabei eine bundesweite Neuerung.
Es war sicherlich ein steiniger Weg, der zurückzulegen war, um Bundesberufsrecht und Wissenschaftsfreiheit hier in Ein klang zu bringen. An der Akademisierung des Hebammenwe sens führt aus unserer Sicht kein Weg vorbei, gerade auch um auf gleicher Augenhöhe mit anderen zu stehen. Nicht zuletzt auch die Vorgaben der EU und die Empfehlungen des Wis senschaftsrats sind ja dann auch umzusetzen.
Vor diesem Hintergrund möchte ich die Regierung fragen: Wie weit ist Baden-Württemberg jetzt auf dem Weg der Akademi sierung des Hebammenberufs, und was ist an nächsten Schrit ten geplant?
Frau Ministerin, vielen Dank für die bisherige Beantwortung. – Es kommen immer wieder die Fragen auf: Brauchen wir eigentlich die Akademisierung in allen Bereichen? Ist der Bachelor überall notwendig?
Können Sie dazu Auskunft geben, dass man in diesem Zusam menhang über bestimmte Anteile spricht? Gerade von den Handwerksverbänden und von anderen wird uns immer wie der gesagt: „Passt in den Bereichen auf!“ Mich würde inter essieren, ob Sie diesbezüglich gerade für den Gesundheitsbe reich noch mehr sagen könnten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir zum zwei ten Mal den Gesetzentwurf zur Neuregelung der Anerkennung von Gütestellen. Eine von der Landesjustizverwaltung aner kannte Gütestelle nach der Zivilprozessordnung bietet die Möglichkeit zur außergerichtlichen Beilegung von zivilen Rechtsstreitigkeiten.
Wie wir bereits im Koalitionsvertrag festgehalten haben, be grüßen wir ausdrücklich diese Form der außergerichtlichen Streitschlichtung, durch die sich Gerichtsverfahren vermei den lassen und eine tragfähige Lösung von Konflikten in un serer Gesellschaft erreicht werden kann.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stellen wir den rechtli chen Rahmen auf eine verlässliche Grundlage. Wir nehmen insbesondere Veränderungen bei den Voraussetzungen und Verfahren zur Anerkennung sowie in der Verfahrensordnung von Gütestellen vor. Damit wird sichergestellt, dass die Auf gabe von fachlich qualifizierten Personen in einem verlässli chen Rahmen wahrgenommen wird.
Eine der wichtigsten Neuerungen ist sicherlich, dass fortan ei ne natürliche Person nur dann als Gütestelle anerkannt wird, wenn sie die Befähigung zum Richteramt besitzt. Damit wol len wir eine hohe Qualität und eine Professionalisierung der Güterichterverfahren sicherstellen.