Protocol of the Session on October 10, 2013

Meine Damen und Herren, Migrantinnen und Migranten in der Polizei tragen dazu bei – das gilt in anderen Bereichen auch; Herr Blenke, Sie haben als Beispiele die nicht polizei liche Gefahrenabwehr, Feuerwehr, Rettungsdienste und Hilfs organisationen angesprochen –, kulturell bedingte Missver ständnisse, die es nun einmal im Alltag nicht selten gibt, zu überwinden. Ein Stichwort war etwa, Sprachbarrieren abzu bauen oder zu überwinden.

Im Folgenden sind wir uns sicher ebenfalls einig: Integration braucht auch Vorbilder. Deshalb haben wir den jetzt schon bei uns tätigen Türken, den Menschen aus dem ehemaligen Jugo slawien, den Italienern, den Griechen – Herr Sakellariou –, die bei uns schon Dienst leisten, zunehmend auch ein Gesicht in der Polizei gegeben.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Das heißt, wir stellen diese Menschen auch immer wieder bei Aktivitäten, bei Veranstaltungen, bei Werbemaßnahmen in den Mittelpunkt dessen, was wir dort den Menschen sagen wol len.

Wie machen wir das? Ich habe es angedeutet: Wir haben un sere Werbematerialien modernisiert. Denn sie waren nicht un bedingt so gestaltet, dass sie gerade den Menschen, auf die es uns jetzt auch ankommt, ein Gesicht gegeben haben. Das ma chen wir jetzt.

Wir verbessern unsere Internetpräsenz. Wir beschreiten neue Kommunikationswege, z. B. Facebookauftritte, durch das Po lizeipräsidium Stuttgart, in Karlsruhe, aber etwa auch bei der jetzigen Direktion Heidelberg. Wir unterstützen die Einstel lungsberater ganz bewusst und gezielt durch Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits im Dienst der Polizei ste hen. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Es ist toll, wenn gerade diese Menschen ihren Landsleuten berichten, wie sinnhaft, wie befriedigend die Arbeit im Dienst der Poli zei sein kann.

Wir sind ständig dabei, neue Projekte zu entwickeln. Wir – das Integrationsministerium und unser Haus – haben eine in terministerielle Arbeitsgruppe gebildet und Projekte entwi ckelt. Frau Öney und ich werden in der kommenden Woche in Karlsruhe gemeinsam ein solches neues Projekt vorstellen.

Herr Kollege Blenke, Sie haben ein Projekt genannt, das in Mannheim schon läuft: „Streife im Quadrat“. Wir werden jetzt in Karlsruhe ein Projekt installieren; das Stichwort heißt: „Po lizei Karlsruhe – breit gefächert“, dem Begriff „Fächerstadt“ folgend. Wir erhoffen uns natürlich, aus diesen Projekten Er kenntnisse zu erhalten, die wir auch auf andere Bereiche der

Landesverwaltung Baden-Württemberg übertragen können. Denn berufliche Integration – auch das haben meine Vorred ner gesagt – ist nicht nur für die Polizei und innerhalb der Po lizei wichtig, sondern es gibt auch jede Menge andere Betäti gungs- und Beschäftigungsfelder in der Verwaltung unseres Landes.

(Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Herrn Abg. Zimmermann?

Ja.

Herr Minister, bei dieser Ak tuellen Debatte und der Fragestellung drängen sich mir fol gende Fragen an Sie auf: Wie ist das tatsächliche Interesse der Migranten als Bewerber für den Polizeiberuf? Wie sieht das Verhältnis von Migranten und Deutschen in der Frage des Be stehens der Aufnahmeprüfung aus? Wie hoch ist der Anteil derer, die die Aufnahmeprüfung nicht bestehen, und aus wel chen Gründen bestehen sie die Aufnahmeprüfung nicht? Man muss ja einen Test machen.

(Zuruf von der SPD: Ob uns das weiterbringt?)

Ich werde die Frage gleich beantworten, Herr Zimmermann. Ich hatte gerade eingeleitet: Wie machen wir das? In diesem Zusammenhang will ich ver suchen, die Frage zu beantworten.

Ich habe gesagt: Wir sind erfolgreich unterwegs. Ich will jetzt nicht mit Zahlen operieren, die nicht ganz hieb- und stichfest sind. Warum sind sie das nicht? Es gab in den zurückliegen den Jahren keine statistischen Erfassungen und Erhebungen, wie viele Menschen mit Migrationshintergrund eigentlich bei der Polizei tätig sind. Wir haben 2009 damit angefangen, dies auf freiwilliger Basis und anonym zu erheben. Die Zahlen, die Sie genannt haben, stimmen alle der Richtung nach; sie ge hen alle nach oben. Der Streit darüber, ob es 26,8 oder 26,5 % sind, lohnt sich nicht. Denn wenn sich bei freiwilligen Abfra gen nicht alle beteiligen, ist eine Auswertung eher problem behaftet.

Aber eindeutig lässt sich feststellen: Die Einstellungszahlen der Menschen mit Migrationshintergrund gehen deutlich nach oben. Bei den Bewerbungen für das Jahr 2012/2013 bewegen sie sich – Herr Kollege Blenke, Sie haben die Zahlen genannt – in der Größenordnung von etwa 27 oder 28 %. Sie liegen jedenfalls deutlich über 20 %. Wir bewegen uns immer mehr hin zu ihrem durchschnittlichen Anteil in der Gesellschaft in unserem Bundesland.

Bei den Menschen, die eingestellt werden, Kollege Zimmer mann, also denjenigen, die als Anwärterinnen oder als Anwär ter, als Kommissaranwärterinnen bzw. Kommissaranwärter eingestellt werden, bewegen wir uns auf 20 % zu.

Bei den Einstellungskriterien, die heute noch angelegt wer den, werden Aspekte abgefragt, bei denen nicht nur manche Menschen mit Migrationshintergrund erhebliche Probleme ha ben, sondern auch andere. Es geht beispielsweise um Recht schreibkompetenz.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Herr Kollege Goll, 2011 ging es nicht um Sprachkompetenz, sondern um die Rechtschreibung. Damals hatte ich gesagt – was zu meiner großen Verwunderung zu vielen Diskussionen geführt hat –, dass ein Fehler mehr oder weniger beim Diktat im Rahmen des Einstellungstests nicht entscheidend dafür sein darf, ob jemand für den Polizeiberuf geeignet ist oder nicht. Deshalb habe ich gesagt, es müsse dem Bewerber eine zwei te Chance gewährt werden können.

Wir gehen jetzt sogar weiter. In den Projekten in Mannheim und Karlsruhe versuchen wir, Menschen bereits entsprechend zu qualifizieren, noch bevor sie sich bewerben. Wir versuchen, ihnen deutlich zu machen, worauf es ankommt und wo even tuelle Defizite liegen, die dann bis zum Stichtag, bis zum Tag der Bewerbung bzw. zum Tag des Einstellungstests, ausge räumt werden können. Meiner Meinung nach sind wir auf ei nem guten Weg.

Es wurde bereits die Frage erwähnt, wie wir die Kompetenz einer zweiten oder dritten Sprache innerhalb der Polizei zur Anerkennung bringen können. Das machen wir z. B., indem wir Menschen mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit ein stellen. Das ist nicht neu. Wir machen das seit etwa 20 Jah ren. Wir nutzen diese Möglichkeit heute jedoch stärker als in der Vergangenheit. Im Einstellungsjahrgang 2012/2013 wur den 22 Personen mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit auf grund ihrer Sprachkompetenz eingestellt. Wir haben das dienstliche Bedürfnis geltend gemacht, dass wir ihre Sprach kompetenzen benötigen. Die Bewerber kommen beispielswei se aus Rumänien, aus der Russischen Föderation, aus Frank reich, der Türkei, aus Polen, aus der Ukraine. Wir sahen dar in, uns ihre Sprachkompetenz zunutze zu machen, die Chan ce, auf ein dienstliches Erfordernis zu reagieren, und deshalb wurden sie eingestellt.

Meine Damen und Herren, dies zeigt, dass die Distanz, die es durchaus bei Menschen mit Migrationshintergrund gegeben hat, wenn es darum geht, in den Dienst der Polizei einzutre ten, immer geringer wird und die Hürde immer weiter sinkt. Es zeigt auch, dass es der Polizei in den zurückliegenden Jah ren gelungen ist, ihr positives Image auch bei Menschen mit Migrationshintergrund zu stärken. Dies ist erforderlich, weil nicht wenige dieser Menschen in ihren Herkunftsländern kei ne guten Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben.

Ich glaube, wir sind bei der Polizei in Baden-Württemberg auf einem guten Weg. Die Polizei in Baden-Württemberg hat hier eine Vorreiterrolle in der gesamten öffentlichen Verwaltung, und wir haben die Absicht, diese auch in Zukunft beizubehal ten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Das se he ich auch so! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Herr Minister, sagen Sie es in die andere Richtung! Uns müssen Sie nicht überzeugen!)

Es herrscht eine große Übereinstimmung. Gibt es noch Wortmeldungen für die zwei te Runde? – Bei der SPD nicht.

Bei der CDU gibt es eine Wortmeldung. Bitte, Frau Abg. GurrHirsch.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wegen der Quote!)

Den Zwischenruf weise ich, auch im Namen von Frau GurrHirsch, aufs Schärfste zurück.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass dem Kollegen Zimmermann hier die Richtung vorgegeben wurde, wie er sich zu verhalten hat.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Heiterkeit)

Als ich den Tagesordnungspunkt zur Kenntnis nahm, war ich doch sehr verwundert, dass wir zum zweiten Mal über dieses Thema diskutieren. Ich hatte jedoch die leichte Hoffnung – analog zu Ihnen –, dass sich seit Januar vielleicht etwas getan haben würde, nämlich dass wir heute eine Polizeipräsidentin mit Migrationshintergrund in der B-Besoldung präsentiert be kämen.

Es gibt also noch einiges zu tun. Die Strecke ist noch lang. Wir, die CDU, haben auch gedacht, es geht um alten Wein in neuen Schläuchen, zumal das Thema von uns in der Vergan genheit eigentlich sehr konsequent verfolgt wurde. Nicht nur in der Polizei hat eine Internationalisierung stattgefunden, sondern auch in der gesamten Verwaltung.

Im Integrationsausschuss haben wir uns in diesem Jahr inten siv mit diesen Themen beschäftigt. Wir haben auch mit dem Polizeipräsidenten von Mannheim ein sehr gutes Gespräch geführt. Er legte dar, wie man im Mannheimer Stadtteil Jung busch vorbildhaft zusammenarbeitet, wo vor allem viele Ru mänen und Bulgaren wohnen. Dort wurde ein Modellprojekt durchgeführt, das auf der Zusammenarbeit des Polizeipräsi diums mit den Trägern der Sozialhilfe basiert. Man hat da durch sehr gute Zugangsmöglichkeiten zu prekären Verhält nissen gefunden. Das möchte ich lobend erwähnen.

Inzwischen wurde sogar bereits eine Vereinbarung mit der bul garischen Botschaft in Berlin getroffen. Zwei bulgarische Po lizeibeamte sollen in einem zweiwöchigen Pilotversuch in die sem Gebiet eingesetzt werden und den Kollegen bei den dor tigen Problemen als Mittler zur Seite stehen. Sicher wäre es zielführend, wenn bei einem solchen Versuch auch Migran tinnen mitgenommen würden, denn gerade in diesen Berei chen gibt es, wie wir gehört haben, sehr viel Zwangsprostitu tion. Die Frauen werden dort eingesperrt. Das derzeit gelten de Prostitutionsgesetz – da geht es nicht um Schuldzuweisun gen; daran waren alle beteiligt – muss dringend geändert wer den, damit ein Zugang zu diesen Menschen erreicht wird.

(Beifall der Abg. Klaus Burger CDU und Rosa Grün stein SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, wie könnte man Weltoffen heit besser dokumentieren als dadurch, dass ausländische Po lizisten in die eigene Polizeiarbeit einbezogen werden? Im merhin gehören Rumänien und Bulgarien – die Herkunftslän der der Menschen, die in dieser Siedlung so stark vertreten sind, was auch zu mancherlei Problemen führt – zur EU.

In der Tat bedeutet die Internationalisierung der Verwaltung natürlich mehr als nur internationale Zusammenarbeit. Es gilt,

neben den sprachlichen Fertigkeiten auch das Verständnis für andere Kulturen – das klang bereits an – in die Landesverwal tung, in die Kommunalverwaltungen hineinzutragen. Wir, die CDU-Fraktion, haben in den letzten zweieinhalb Jahren alle Großstädte besucht und intensiv mit den Verwaltungen ge sprochen. Wir sind beeindruckt, wie viel bereits jetzt in den Kommunalverwaltungen teilweise schon läuft.

Das Beispiel Ulm ist ganz eindrücklich. Dort spricht man von einer internationalen Stadt. Das ist keine bloße Floskel, son dern dort werden Menschen ausländischer Herkunft ganz ge zielt in Bauämtern, in Ordnungsämtern, in Sozialämtern ein gestellt. Sie dienen gewissermaßen als Mittler für Sprache und Kultur. Sie verfügen über diesen Bonus neben ihrer verwal tungsrechtlichen Kompetenz. Diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehört unser ganzer Respekt. Wir haben nämlich gesehen, dass sie mehr tun, als nur ihr Stundenkontingent zu erfüllen. Sie bringen sehr viel Impetus mit ein, weil es ihnen darum geht, ihre Landsleute zu integrieren.

Am 10. September hat die CDU eine Anfrage zum Thema Ver waltung gestellt, weil es uns interessiert, wie viele Prakti kumsplätze es für Jugendliche mit internationaler Herkunft bereits gibt, wie ihre Repräsentanz bei den Verwaltungsschu len, bei den Verwaltungsfachhochschulen ist. Leider wurden wir von Herrn Minister Gall gebeten, den Beantwortungszeit raum zu verlängern. Sonst hätten wir die Antworten bereits in die heutige Diskussion einfließen lassen können.

Die Diskussion über dieses Thema muss fortgesetzt werden. Darüber sind wir uns alle einig. Wie Kollege Blenke vorhin schon gesagt hat, ist vor allem wichtig, dass das Ehrenamt in diesem Bereich mit noch mehr Kraft verfolgt werden muss. Wie der Kollege Pauli mir erzählt hat, bot der Freiwillige Po lizeidienst in der Vergangenheit auch eine gute Möglichkeit, junge ausländische Mitbürger in diesem Genre zu etablieren. Dabei wurden diese Menschen als Vorbild gesehen.

Schön wäre es – damit möchte ich abschließen –, wenn sich das Integrationsministerium entscheiden könnte, zukünftig ei nen Ehrenamtspreis auszuloben, sodass dann ausländische Mitglieder bei der Feuerwehr, beim DLRG, beim Technischen Hilfswerk und dergleichen auch einen Anreiz hätten, sich be sonders einzubringen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine wei teren Wortmeldungen vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 2 beendet.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz – Regionalentwicklung in Baden-Württemberg – Neuaus richtung des EU-Förderprogramms LEADER in der För derperiode 2014 bis 2020 – Drucksache 15/3053

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.