Protocol of the Session on October 10, 2013

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort für die Begründung erteile ich Herrn Abg. Dr. Mur schel.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Mit Jeanshose kommt man hier normalerweise nicht rein!)

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was ist LEADER? Wo stehen wir bei LEADER? Welche neuen Entwicklungen wird es hier geben? Das ist das, was uns interessiert.

Die Abkürzung LEADER trägt das französische Wort Liaison im Namen; es geht auch um eine Liaison, nämlich um eine Verbindung zwischen Aktionen und Maßnahmen zur Stärkung der ländlichen Wirtschaft. Es handelt sich um ein Programm, das seit Jahren sehr erfolgreich hier im Land und in Europa umgesetzt wird.

Regionalentwicklung stärkt das Bewusstsein der Regionen. Das ist ein Ansatz, der von unten her definiert ist. Das heißt, lokale Aktionsgruppen sind die Akteure, die vor Ort entschei den, wo es hingehen soll. Wirtschaftskreisläufe, Wertschöp fung im Land, bürgerschaftliches Engagement – das alles sind Begrifflichkeiten, die mit dem LEADER-Programm zusam menhängen.

Wo steht LEADER heute? LEADER ist das zentrale Instru ment für eine Regionalförderung. Sicherlich wird es das auch in der Zukunft weiterhin geben. Die acht lokalen Aktionsgrup pen, die wir hier im Land haben, hatten in der vergangenen Förderperiode EU-Mittel in der Größenordnung von 33 Mil lionen € – diese Mittel wurden in der Vergangenheit noch auf gestockt – plus Kofinanzierungsmittel zur Verfügung. Damit kann man etwas machen im Land. Die vielen Projekte, die da entstanden sind – gerade auf der kommunalen Ebene, wo die se stark verankert waren –, zeigen dies auch.

Wo stehen wir jetzt? Ausgangspunkt ist, dass mit dem über geordneten Rahmen, mit dem Maßnahmen- und Entwick lungsplan III, kurz MEPL III, der Finanzrahmen neu definiert werden muss. Er steht noch nicht endgültig fest; er ist noch nicht fertig. Er wird gerade aufgestellt. Der Europäische Land wirtschaftsfonds hatte für ganz Baden-Württemberg in dem siebenjährigen Zeitraum einen Rahmen in der Größenordnung von 670 Millionen € beinhaltet. 5 % davon wurden für LEADER eingesetzt. Daran sehen Sie die Größenordnungen, von denen wir hier reden.

Wir haben vor – das ist unser erklärter Wille –, diesen Anteil von 5 % aufzustocken. Das heißt, in Zukunft werden uns da mehr Mittel zur Verfügung stehen. Das ist gar nicht schlecht, weil, wie Sie wissen, die Bundesregierung im Hinblick auf diesen neuen Förderrahmen für die Jahre 2014 ff. nicht gera de toll für unser Land verhandelt hat. Wahrscheinlich werden uns 10 % weniger Mittel als in der Vergangenheit zur Verfü gung stehen. Das heißt, wenn wir den prozentualen Anteil von 5 % auf „5 plus x“ aufstocken, dann werden wir vielleicht wie der zu einer Größenordnung wie vorher kommen. Denn wir müssen diesen Mittelrückgang quasi ausgleichen, sonst wird der ländliche Raum wegen der schlechten Verhandlungsposi tion, die die Bundesregierung hier hatte, geschwächt.

(Abg. Paul Locherer CDU: Wenn man schon kriti siert, dann muss das Land mit gutem Beispiel voran gehen!)

Es gibt eine Übergangsregelung, weil es 2014 nicht mehr ge lingen wird, den MEPL III abschließend zu definieren. Auf der Grundlage dieser Übergangsregelung mit einer Ad-hocVerordnung werden wir mindestens ein Jahr so weiterarbei ten können. Das heißt, es besteht Gewissheit, dass die regio nalen Gruppen vor Ort weitere LEADER-Projekte durchfüh ren können.

Was wird über das LEADER-Programm gefördert? Ich habe hier eine Aufzählung. Sie erlauben, dass ich daraus zitiere. Es ist interessant, die ganze Palette an Anträgen, an Ideen zu se hen, die hier eingebracht worden sind und wohl auch in Zu kunft eingebracht werden, angefangen mit Initiativen, die mit dem demografischen Wandel zusammenhängen, über Maß nahmen im Zusammenhang mit Naturschutz, Dorfentwick lung, Kunst und Kultur, Tourismus, Klimaschutz, Stärkung der Wirtschaftskraft – das ist sicherlich eines der zentralen Themen –, Bürgerbeteiligung, Innenentwicklung, Mobilitäts ansätze, ehrenamtliches Engagement, Diversifizierungspro jekte, Bildung, Maßnahmen für Frauen im ländlichen Raum, Stärkung der E-Mobilität – da finden sich quasi schon die neu en Zielsetzungen der EU wieder – bis hin zu Maßnahmen der Grundversorgung, der Vermarktung regionaler Produkte usw. Die ganze Bandbreite ist also dort abgebildet.

Wo soll es nach unserer Vorstellung hingehen? Wo sind neue Schwerpunkte? Welche neuen Möglichkeiten bieten sich über haupt? Ich glaube, das sind die spannenden Punkte, die uns in der nächsten Zeit beschäftigen werden.

Im Zuge der Neuausrichtung wollen wir mehr Wirtschafts- und Sozialpartner bekommen. Das heißt nicht, dass wir die kommunalen Vertreter hier verdrängen wollen. Aber Sie wis sen, dass bei sieben der acht lokalen Aktionsgruppen ein Landrat den Vorsitz innehat. Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Das heißt aber schlichtweg, dass die Landräte – ich schaue gerade einen an – wussten, was für ein wichtiges Programm das ist und dass man damit vor Ort etwas anfan gen kann und regionale Stärken daraus gewinnen kann.

Wir wollen mehr Wirtschafts- und Sozialpartner haben. Das heißt, schon in der Programmausschreibung, in der Interes senbekundung, die es bereits gibt, wird direkt darauf hinge wiesen und werden diese Gruppen aufgefordert, sich zu en gagieren. Die Frage muss sein, wie wir diese nachher bei der Auswahl verstärkt berücksichtigen.

Wir wollen die Gebietskulisse etwas kleiner machen. Sie wis sen, bisher war die Grenze bei 170 000 Einwohnern vorgese hen. Wir wollen diese Grenze auf 120 000 Einwohner herun tersetzen, einfach auch aus dem Grund, dass wir wollen, dass sich eine regionale Identität wiederfindet. Wenn es nur darum ginge, eine Struktur zu schaffen, die über die regionalen Gren zen hinausgeht, einfach um Projekte zu fördern, würde man Chancen vergeben. Wichtig wird einfach sein: Regionale Iden tität stärkt die Regionen, stärkt die regionalen Wertschöp fungskreisläufe. Das muss das Ziel sein. Deswegen soll es kleinere Gebietskulissen geben.

Wichtig ist mir auch, dass man das nicht nur auf den eigent lichen ländlichen Raum bezieht, sondern auch die Randzonen der Verdichtungsräume, gerade in ihren Wechselwirkungen zu ländlichen Räumen, mit einbezieht.

(Abg. Paul Locherer CDU: Vorsicht, Vorsicht! Vor sicht ist die Mutter der Porzellankiste!)

Mit der Förderung eines kommunalen Beitrags ergibt sich si cherlich auch eine Möglichkeit, in anderen Richtungen etwas zu stärken. Das wäre mir wichtig. Ich glaube, man muss weg kommen von den rein investiven Maßnahmen, die über das ELR gefördert werden, oder Naturschutzmaßnahmen, die über die Landschaftspflegerichtlinie gefördert werden. Wenn ein kommunaler Anteil darin enthalten ist, müssen auch Maßnah men gefördert werden können, die nicht rein investiv sind. Ich denke z. B. an Projekte in der Kinder- und Jugendarbeit.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Überlegt werden sollte, wie erreicht werden kann, dass solche nicht investiven Teile im Programm abgebildet sind.

Abschließend: Was ist mir noch wichtig? Wenn man sich an schaut, wie Regionalentwicklung, wie die Förderung der länd lichen Entwicklung bei uns angelegt ist, dann sieht man, dass wir eine Vielzahl von Programmen haben. Es ist ein bunter Mix von Programmen, der von außen wahrscheinlich gar nicht einfach zu durchschauen ist.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Beispielsweise gibt es das Programm RegioWIN, das feder führend beim Finanz- und Wirtschaftsministerium angesiedelt ist, bei dem aber auch noch zwei andere Ministerien einge bunden sind, u. a. auch das MLR, weil es über EFRE geför dert wird.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Viel Spaß bei der Evaluation!)

Da muss natürlich sichergestellt sein – das wird die entschei dende Stellgröße sein –, dass sich Programme nicht – so sage ich einmal – verheddern, sondern dass diese Programme nach her auch parallel laufen, damit bei den Zielsetzungen für die einzelnen Regionen hinterher tatsächlich eine Win-win-Situ ation entsteht. Das wird eine spannende Aufgabe sein.

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Ich bin zuversichtlich, dass wir auch für die Regionen die rich tigen Programme, die richtigen Antworten haben, um die länd lichen Räume in Baden-Württemberg insgesamt zu stärken.

So weit in der ersten Runde.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Traub das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Das LEADER-Programm hat sich – das ist gerade mehrfach ge sagt worden – auch in Baden-Württemberg seit vielen Jahren als äußerst innovatives Förderprogramm für unseren ländli chen Raum bewährt.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Richtig!)

In der Vergangenheit hat das von der CDU geführte Landwirt schaftsministerium mit dem LEADER-Programm stets erfolg reiche und beachtliche Entwicklungsimpulse im ländlichen Raum ermöglicht.

(Beifall bei der CDU)

Es ist ganz besonders zu begrüßen, dass sich die grün-rote Landesregierung in dieser Hinsicht ihrer Verantwortung ge genüber dem ländlichen Raum bewusst ist und das Förderpro gramm in der Förderperiode 2014 bis 2020 weiterführen möchte.

Die Förderung durch das LEADER-Programm gibt den Ak tionsgruppen mit unseren Kommunen und Verbänden aus Wirtschaft und Gesellschaft vor Ort die Schubkraft, die sie benötigen, um neue Ideen umzusetzen und sich erfolgreich und nachhaltig weiterzuentwickeln. Die Aktionsgruppen kön nen dabei selbst auf heranrückende Herausforderungen reagie ren.

Gerade in einer Zeit des demografischen Wandels benötigen wir attraktive ländliche Räume und müssen Zukunftsperspek tiven besonders für gut ausgebildete junge Menschen, insbe sondere für junge Frauen, bieten. Der ländliche Raum darf nicht preisgegeben werden, meine Damen und Herren, und – man kann dies nicht oft genug betonen – bei uns in BadenWürttemberg dürfen keine Täler zuwachsen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb waren und sind wir sehr stolz auf unseren ländlichen Raum, der mit seiner modernen Landwirtschaft, mit hervor ragender Lebensmittelproduktion, seinen Tourismusangebo ten und seiner leistungsstarken Wirtschaft ein Rückgrat unse res Landes ist. Dies muss auch in Zukunft so bleiben, und dies zeichnet unser Land auch aus.

Das Weiterführen des Programms sendet ein positives Signal an die Menschen im ländlichen Raum in Baden-Württemberg. Die dadurch ermöglichten Verbesserungen für touristische In frastrukturen sowie in Bezug auf Modernisierungs- und Aus baumaßnahmen bei Einrichtungen, die das Leben, Wohnen und Arbeiten auf dem Land attraktiver gestalten, bieten enor me Chancen und Entwicklungsimpulse, die regionalen Wert schöpfungsketten vor Ort zu stärken.

Mit Ihren Ansätzen zu Neuausrichtungen von LEADER kün digen Sie, sehr geehrter Herr Minister Bonde, an, künftig das LEADER-Programm auch für private und gewerbliche An tragsteller attraktiv machen zu wollen sowie Vereine und Ver bände verstärkt einzubinden. Dies ist nicht ganz neu. Hier wurde bereits von den früheren Regierungen seit Einführung des LEADER-Programms stets der sogenannte Bottom-upAnsatz als Instrument einer Regionalentwicklung von unten befürwortet und umgesetzt. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort in den LEADER-Regionen hat sich in den vergangenen Förderperioden bei Initiierung und Umsetzung von Projekten bestens bewährt. Die Kommunen dürfen hier allerdings nicht ausgeklammert werden.

Eine Zusammenarbeit von Kommunen und privaten Antrag stellern bietet sich nicht nur für ein breites Maßnahmenspek trum an, sondern ermöglicht auch gute Ergebnisse vor Ort.

Beste Bespiele sind, z. B. in meinem Wahlkreis, im Alb-Do nau-Kreis, u. a. der Themenradweg im Lonetal und das Pro jekt „In unserem Dorfkern leben“. Hier wurden tolle Projek te geschaffen und verwirklicht. An dieser Stelle sei auch ein Dankeschön an die engagierten Kommunen sowie an die Bür gerinnen und Bürger vor Ort ausgesprochen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Sie haben die Fördermittel auf das Beste, gerade im Interes se des Gemeinwohls, eingesetzt und genutzt.

Bewährt hat sich nach unserer Überzeugung, dass LEADER in der Ausrichtung bislang von kommunalen Akteuren we sentlich mitgetragen wurde. Es ist von meinem Vorredner an geführt worden: In der Neuausrichtung wird nun avisiert, dass Wirtschafts- und Sozialpartner verstärkt eingebunden werden sollen. Ob und wie eine sinnvolle Praxis dann, lieber Herr Kollege Dr. Murschel und Herr Minister, ohne kommunalen Vorsitz in den LEADER-Aktionsgruppen entstehen kann und wie sich dies beispielsweise ohne die Landräte in der Zukunft bewährt – das alles war so nicht schlecht –, muss sich, wenn Sie das so machen wollen, erst noch zeigen.

Für die Koordination und Zusammenarbeit von privaten An tragstellern und Kommunen haben unsere Landratsämter zum Teil bereits LEADER-Beauftragte eingesetzt, die unsere LEADER-Akteure draußen vor Ort partnerschaftlich unter stützen. Die Landräte haben nur den Vorsitz gehabt und viel leicht in einigen Fällen noch einiges mehr, aber in erster Li nie ist dies von dieser Gruppe gemacht worden.

Insbesondere ist die Neuausrichtung des LEADER-Pro gramms für Baden-Württemberg neben einigen begrüßens werten Aspekten – beispielsweise die Aufnahme weiterer Maßnahmen, innovative Themen für Frauen im ländlichen Raum, Kultur, Förderung des Ehrenamts und vieles mehr – vor allem von einigem Aktionismus geprägt. Ich glaube, das ist gut so. Ob eine Absenkung von maximalen Einwohnerzah len für LEADER-Regionen oder ein vorgeschalteter inoffizi eller Interessenaufruf eine ausschlaggebende Verbesserung des gesamten Förderprozesses mit sich bringen, ist im Mo ment noch mit einem Fragezeichen zu versehen. Vielleicht sollte man da noch weiter informieren.

Insgesamt ist aber zu begrüßen, dass das LEADER-Programm fortgesetzt und von der Landesregierung weiter unterstützt wird. Dass sich das Programm in seiner Form und Ausrich tung in Baden-Württemberg bewährt hat, zeigt vor allem das breite Spektrum der geförderten Objekte.