(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Aber jeder Prozess endet! – Unruhe – Glocke des Präsiden ten)
Genau hierin liegt aber der feine Unterschied. Wenn ich in ei nem Prozess ein „Kann“ habe, gibt es die Möglichkeit der Ent scheidung. Wenn ich stattdessen aber ein „Muss“ habe, darf ich nicht mehr entscheiden. Das heißt, ich baue schon einmal eine Mauer für Menschen auf, die den Weg mit uns gehen wol len. Wir grenzen sie damit innerlich schon ab. Daher ist die doppelte Staatsangehörigkeit nach wie vor eine Forderung von uns, obwohl die Polizei in diesem Bereich für sich eine gute Lösung gefunden hat.
Die Frage muss doch sein: Wie gestalten wir das Arbeitsfeld? Wie attraktiv machen wir den Beruf des Polizisten, was für Eingangschancen hat man, was für Aufstiegschancen hat man? Wie genau kann der Weg sein? Da müssen wir Folgendes im Blick haben: Die Polizei ist noch eine traditionsorientierte und traditionsgeprägte Organisation – sehr stark von Männern ge prägt. Wir haben schon jetzt die Problematik, dass Frauen in nerhalb der Polizei ihren Weg nicht so klar gehen können, wie es ein Mann machen kann.
Wenn „Migrationshintergrund“ und „Frau“ zusammentreffen, kann man tatsächlich von einer möglichen Verschärfung der Situation sowie von Problemen und Barrieren sprechen. Hier kann man davon sprechen, dass Migrantinnen noch stärker als andere eingeschränkt werden.
Herr Zimmermann, haben Sie etwas Geduld. – Laut einer Studie zum Thema „Beurteilungen im Polizeidienst“ werden Frauen und Teilzeitbeschäftigte tatsächlich im Durchschnitt schlechter beurteilt. Hier in Baden-Württemberg – ganz aktu elle Zahlen – sind im Polizeidienst in den Besoldungsgruppen A 12 und A 13 3,4 % Frauen beschäftigt. In der Besoldungs gruppe A 15 sind es 1,8 % Frauen. In höheren Besoldungs gruppen finden Sie gar keine Frau mehr.
Der Frauenanteil derer in der Polizei, die von Baden-Würt temberg nach Münster, nach Hiltrup, geschickt werden, liegt bei 1 bis 2 %. In anderen Bundesländern gibt es bei denen, die dort hingeschickt werden, einen Frauenanteil von 10 bis 20 %.
Das sind ganz klare Zahlen, die man sehen muss. Diese Zah len kann man nicht wegstreiten, weil sie Fakt sind.
Integration muss von beiden Seiten gelebt werden, und Inte gration funktioniert, wenn alle mitmachen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Auch Herr Zimmermann!)
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion hat diese Aktuelle Debatte – ich darf mit Ihrer Erlaubnis zitieren – wie folgt be gründet:
Die Erhöhung des Anteils der Polizistinnen und Polizis ten mit einer Migrationsbiografie ist ein wichtiges sicher heitspolitisches und auch integrationspolitisches Ziel der Landesregierung, das die begleitende Aufmerksamkeit des Landesparlaments verdient.
Herr Kollege Blenke, wir werden jederzeit bejahen, dass das die begleitende Aufmerksamkeit des Landesparlaments ver dient.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Wir sind immer aufmerksam! Diese Landesregierung verdient immer unsere Aufmerksamkeit!)
Weil diese Begründung richtig ist, hat sich auch – Sie haben das freundlicherweise erwähnt – die Landesregierung vor ei ner Reihe von Jahren – zu Zeiten eines Thomas Schäuble oder eines Heribert Rech – auf einen richtigen Weg begeben. Das hat nun zu passablen Zahlen geführt; Herr Kollege Sakella riou, Sie haben sie genannt. Seit einigen Jahren gibt es Um fragen unter den Anwärterinnen und Anwärtern. Es geht schon um die Einstellungen in den Jahren 2009 bis 2011, und in die sen Jahren lag der Migrantenanteil bereits bei 16,8 %. Im März dieses Jahres ist sogar ein Anteil von über 22 % ermit telt worden. Das ist, auch wenn wir insgesamt einen Migran tenanteil von etwas über 26 % haben, keine schlechte Zahl. Man darf schon einmal feststellen: Das ist eigentlich ein or dentliches Ergebnis, und das ist vermutlich das weitaus beste Ergebnis aller Bundesländer.
Bei diesem Vergleich muss man allerdings fairerweise dazu sagen: Es gibt Länder, die keinen nennenswerten Migranten anteil haben. Dann stellt sich das wieder anders dar. Aber trotzdem ist es erfreulich, dass wir da so gut im Rennen lie gen.
Frau Häffner, ich glaube, Sie mussten vielleicht deswegen, weil es da gar nicht so schlecht aussieht, ständig auf andere Gebiete ausweichen, um Probleme zu finden, wobei ich da sa gen muss: Das Frauenproblem wäre nicht ganz so krass, wenn bei den neuen zwölf Präsidenten bei der Polizei eine Frau da bei wäre.
Ich habe übrigens auch die Frage dabei, was aus der Ankün digung vom Sommer 2011 geworden ist, dass man an den Sprachanforderungen etwas ändern könnte. Das hat hier im Parlament etwas Unruhe, Irritationen und Fragen ausgelöst. Ich glaube, mittlerweile ist klar, dass man die Anforderungen nicht absenken kann. Ein Polizist, der kein Deutsch kann, macht natürlich nicht den besten Eindruck. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob das Beherrschen einer zweiten Sprache als dicker Pluspunkt gewertet werden könnte. So könnte man der Sache elegant beikommen.
Im Übrigen ist das, was wir hier besprechen, natürlich nicht nur eine Frage, die die Polizei betrifft. Da geht es vielmehr auch um weitere Bereiche, beispielsweise Kinderbetreuung oder Schule und die Staatsverwaltung generell. Wir wollen, dass sich die Migrantenanteile auch in allen Teilen des Staa tes widerspiegeln. Dafür gibt es zwei bis drei gute Gründe. Vieles ist schon gesagt worden. Deswegen fasse ich mich an dieser Stelle kurz.
Der erste Grund ist Chancengleichheit. Wir wollen nicht Tei le der Bevölkerung von bestimmten Berufen und Funktionen dauerhaft ausschließen. Das geht nicht. Es muss jeder den gleichen Zugang zu den Tätigkeiten, die angeboten werden, haben – auch beim Staat und in der Verwaltung.
Zweitens: Wir wollen nicht, dass der Staat den Menschen mit Migrationshintergrund als eine Art fremde Macht gegenüber steht und ein Denken genährt wird: „Das sind wir, und das sind die anderen.“ Das erleichtert die Integration nicht gera de.
Wir kommen zum dritten Argument; es hat etwas mit Kom munikation zu tun, der Kommunikation zwischen Migranten und Administration. Durch die Verbesserung der Kommuni kation – das ist richtigerweise gesagt worden – erreichen wir natürlich auch eine bessere Leistung. Die Polizei kann ihrer Aufgabe besser nachkommen, wenn sie entsprechend hohe Migrantenanteile hat und damit die Kommunikation unter Umständen gerade in kritischen Situationen verbessern kann. Das gilt, wie gesagt, für die Polizei, aber offensichtlich auch für andere Bereiche. Ich habe gerade die Bereiche Kinderbe treuung und Schule genannt.
Wir sind uns bei diesem Thema einig; das ist völlig klar. Sie, Herr Innenminister, haben sicher die volle Unterstützung des Hauses, wenn Sie diesen richtigen Weg weiter beschreiten.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Wir haben am gestrigen Nachmittag im Zusammenhang mit der Großen Anfrage aller Fraktionen zum Thema „Integration in Baden-Württemberg“ eine sehr intensive, umfangreiche und teilweise auch kontro verse Diskussion geführt. Wir können beim Thema der heuti gen Aktuellen Debatte an einem Beispiel richtig gut und po sitiv deutlich machen, wie berufliche Integration nahezu vor bildhaft betrieben werden kann, nämlich am Beispiel der Po lizei in Baden-Württemberg.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels unserer Gesellschaft in Deutschland und auch in Baden-Württemberg gewinnt kulturelle Vielfalt zunehmend an Bedeutung, und zwar nicht nur bei der Polizei, sondern – Herr Goll, Sie haben es richtigerweise angesprochen – in allen Bereichen der öf fentlichen Institutionen und Einrichtungen, in den Behörden unseres Landes. Unsere Polizei ist sich dabei sehr wohl be wusst, dass kulturelle Vielfalt der Polizei eng mit dem eige nen Anspruch und eng mit dem eigenen Selbstverständnis ih rer Arbeit verbunden ist. Zu diesem Selbstverständnis unse rer Bürgerpolizei – ich jedenfalls habe die Vorredner so ver standen, dass das auch in diesem Haus so gesehen wird – ge hören ganz einfach Vielfalt, kulturelle Vielfalt, Weltoffenheit und ein vorurteilsfreies Miteinander, und zwar innerhalb der Polizei wie auch im Miteinander mit der Bürgerschaft unse res Landes.
Deshalb haben wir uns seit zwei Jahren dem Thema „Gewin nung von Menschen mit Migrationshintergrund für die Arbeit in der Polizei“ stärker gewidmet, als dies in der Vergangen heit der Fall war. Ich will nicht verhehlen: Das machen wir aus unterschiedlichen Ansätzen heraus. Wir versprechen uns davon, dass es gelingt, die interkulturelle Kompetenz der Po lizei noch weiter zu verbessern, z. B. indem vorhandene Bar rieren – die es unbestreitbar noch gibt – abgebaut werden. Gleichzeitig geht es uns darum, die polizeiliche Aufklärungs arbeit zu stärken und beispielsweise die Zeugenbereitschaft zu erhöhen und Konfliktlösungen im Polizeialltag zu optimie ren. Dabei haben wir gute Erfahrungen gemacht, was uns ver anlasst, diesen Weg weiter zu beschreiten.
Deshalb ist es unser Ziel, den Personalkörper der Polizei in Baden-Württemberg den gesellschaftlichen Verhältnissen in unserem Land anzupassen. Ich meine, da sind wir auf einem guten Weg.
Meine Damen und Herren, Ziel ist natürlich, die Akzeptanz der Polizei gerade bei Menschen mit Zuwanderungshinter grund zu steigern – wenngleich ich schon sagen möchte: Die Akzeptanz der Polizei ist auch innerhalb der deutschen Be
völkerung noch steigerungsfähig, auch wenn die Polizei grundsätzlich gute Noten erhält. Wir erleben nämlich Entwick lungen, die uns grundsätzlich Sorge machen, beispielsweise was Gewalt gegen Polizeibeamte anbelangt.
Bei diesem Ansatz, die Akzeptanz bei Menschen mit Zuwan derungshintergrund noch weiter zu steigern, können uns die Migrantinnen und Migranten in der Polizei selbst am besten helfen, ein vorurteilsfreies Miteinander zu pflegen, ein wert schätzendes und kultursensibles Umgangsverhalten an den Tag zu legen, es zu praktizieren und im polizeilichen Alltag zur Geltung zu bringen.
Meine Damen und Herren, Migrantinnen und Migranten in der Polizei tragen dazu bei – das gilt in anderen Bereichen auch; Herr Blenke, Sie haben als Beispiele die nicht polizei liche Gefahrenabwehr, Feuerwehr, Rettungsdienste und Hilfs organisationen angesprochen –, kulturell bedingte Missver ständnisse, die es nun einmal im Alltag nicht selten gibt, zu überwinden. Ein Stichwort war etwa, Sprachbarrieren abzu bauen oder zu überwinden.