Protocol of the Session on April 18, 2012

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Das kann doch nicht die Antwort sein; das ist doch kein ver antwortungsbewusstes Handeln.

Jetzt kommt etwas ergänzend hinzu: Die Mineralölsteuer er bringt etwa 42 Milliarden € pro Jahr. Diese Steuer ist mit ei nem sehr geringen Verwaltungsaufwand verbunden. Die KfzSteuer ist dagegen schon verdammt verwaltungsaufwendig, weil alle 35 oder 40 Millionen Pkws einzeln erfasst werden müssen, weil Anordnungen, Mahnungen etc. verschickt wer den müssen. Da kann man sich wirklich getrost fragen, ob die se Steuer aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung nicht einfach abgeschafft und stattdessen eine entsprechend höhe re Mineralölsteuer erhoben werden sollte. Auch das wäre ei ne Form der Nutzerfinanzierung.

Aber Sie wollen – und das als CDU! – die Kfz-Steuer, die be reits verwaltungsaufwendig ist, noch weiter bürokratisieren. Denn ein Mautsystem für ganz Baden-Württemberg oder so gar für die gesamte Bundesrepublik bedeutet doch, dass der Autofahrer mit Ausfahrt aus der Garage über irgendein Tele system erfasst werden müsste. Wenn die Strecken, die zurück gelegt werden, abrechnungstechnisch erfasst würden, könn ten hieraus sogar Ehekrisen entstehen, weil dadurch gewisse Einblicke gewonnen werden könnten.

(Heiterkeit – Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Das war doch der Ministerpräsident, der die Sprache da rauf brachte!)

Dann muss das Geld kassiert werden; es muss gemahnt wer den. Das ist doch eine abenteuerliche Bürokratie, die Sie da aufbauen wollen. Dazu brauchen wir gar kein Modell, um zu wissen – das ist völlig klar –: Das lehnen wir ab. Wir sind der Meinung, an der Steuerfinanzierung der Verkehrswege muss festgehalten werden. Wir müssen beim Bund entschieden da für kämpfen – das sollten wir aber gemeinsam tun –, dass hier für Mittel bereitgestellt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Haußmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der CDU zur Straßenver kehrsfinanzierung enthält die Aussage, dass vom Bund 120 Millionen € hierfür jährlich bereitgestellt worden seien. In zwischen wissen wir aber aus der Korrektur, dass es 280 Mil lionen € jährlich sind. Wir sind uns jedoch über alle Frakti onsgrenzen hinweg einig – wir haben einen gemeinsamen Ent schließungsantrag gestellt –, dass eine Änderung des Vertei lungsschlüssels anzustreben ist. Da besteht Einigkeit unter den Fraktionen des Landtags von Baden-Württemberg.

Ich habe aber schon ein bisschen das Gefühl, dass nun, nach dem die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 erfolgt ist, eine wei tere Sau durchs Dorf getrieben wird, und zwar unter dem Be griff „Citymaut“. Das ist schon ein aktuelles Thema.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wie?)

Am 1. April gab es eine Pressemitteilung des Verkehrsminis teriums.

(Zurufe: Am 1. April!)

Ich dachte auch, es handle sich um einen Aprilscherz. Es war aber keiner.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So viel Ap ril gibt es gar nicht!)

Verkehrsminister Hermann hat darin eine Citymaut gefordert, und zwar in Höhe der Kosten, die aufgrund des geltenden ÖPNV-Tarifs in Stuttgart an einem Tag anfallen. Dabei bewe gen wir uns also je nach Entfernung zwischen 6 und 13 € pro Tag. Es gab daraufhin – Sie alle haben es gelesen – natürlich viel Widerstand und viele Proteste. Ferner wurde gefordert, dass darüber hinaus noch umfangreiche Mautsysteme einge führt werden sollten. Gestern habe ich gehört, dass OB Pal mer dieses Thema gleich aufgegriffen hat. Er sagte, er könne sich dies für Tübingen auch vorstellen, und sprach dabei von 1 € pro Tag. Damit bekämen wir jedoch Zustände, wie sie im Mittelalter herrschten. Damals hat man abschnittweise Zoll verlangt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wegelage rer!)

Ich meine, das kann in Baden-Württemberg nicht unser Ziel sein. Wir werden diesen Weg mit Sicherheit nicht mitgehen.

Wenn man das Thema dann weiter betrachtet und dazu den Antrag und die Stellungnahme heranzieht, dann wird deutlich, dass sich das Verkehrsministerium dafür ausspricht, eine Pflicht zur Maut auch für kleinere Lkws vorzusehen. Das wür de jedoch das Handwerk, den Mittelstand, die Unternehmen und damit natürlich auch die Verbraucher in Baden-Württem berg sehr heftig treffen. Ich glaube, im Sinne einer mittel standsfreundlichen Wirtschaftspolitik wäre dies nicht der rich tige Weg.

Da nicht ausdrücklich drinstand, dass man keine Mautpflicht bei Busverkehren möchte, sehe ich natürlich auch die Gefahr, dass das Thema auch für die Busverkehre nochmals auf die Agenda kommt.

Insofern möchte ich seitens der FDP/DVP-Landtagsfraktion vier Positionen ansprechen.

Da ist zum einen das Thema Vignettenlösung. Wenn ich dar an denke, wie man sich schon seit Jahren mit dem Thema Maut auseinandersetzt – mit dem Datenschutz, mit der Form, mit der Technik –, dann erwarte ich in den nächsten Jahren hierzu keine Lösung, die pragmatisch funktioniert. Deswegen plädieren wir, die FDP/DVP-Landtagsfraktion, für die Ein führung einer Autobahnvignette bei gleichzeitiger Reform der Kfz-Steuer. Wir sind deshalb für eine Vignette – das machen uns andere Länder auch vor –, weil wir damit weitere Ver kehrsteilnehmer, weitere Autofahrerinnen und Autofahrer aus der EU in die Nutzerfinanzierung einbeziehen. Es funktioniert in anderen Ländern auch. Ich frage mich seit Jahren: Wieso funktioniert das bei uns nicht?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Weil es zu einfach wäre!)

Deswegen ist das ein Thema, das unsere Landtagsfraktion seit längerer Zeit verfolgt.

Wir müssen darüber hinaus als zweiten Punkt sehen: Die In frastruktur ist stark überlastet. Ich glaube, Ziel der Straßen verkehrspolitik muss auch ein Stück weit sein, dass wir uns auf die Engpässe fixieren und konzentrieren und dort gezielt investieren. Das heißt, dass man sich vielleicht auch einmal etwas mehr am volkswirtschaftlichen Nutzen orientiert und die Länderquote auch einmal infrage stellen darf. Das wird möglicherweise ein Punkt sein, über den die Verkehrsminis ter diskutieren.

Dritter Punkt: Die Projektfinanzierungen, die immer nach Haushaltsplan und nach Haushaltsjahr gehen, sollten in Zu kunft überjährig ablaufen, damit es auch mehr Planungs- und Realisierungssicherheit gibt. Wir kennen das von den ab schnittsweisen Realisierungen der Projekte.

Der vierte Punkt, den ich zum Schluss ansprechen will, ist das Thema „Innovation im Bereich der Mobilität“. Das betrifft die Bereiche Verkehrsmanagement, Mobilitätsdienste und Zu kunftstechnologien. Ich will nur ein praktisches Beispiel nen nen: Das ist die temporäre Seitenstreifenfreigabe, wie sie in anderen Bundesländern schon praktiziert wird. Da könnte man schnell wirksame Maßnahmen ergreifen, ohne dass man gro ße Investitionen tätigen muss.

Also: Hände weg von der Citymaut und stattdessen Orientie rung an einer Vignettenlösung bei gleichzeitiger Reform der Kfz-Steuer.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Für die Landesregie rung erteile ich Frau Staatssekretärin Dr. Splett das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Antrag wur de zum einen abgefragt, welche Vorhaben des Bundesfernstra ßenbaus in Baden-Württemberg realisiert werden könnten, wenn ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stünden. Zum anderen – darum drehte sich jetzt im Wesentlichen die Debat te – geht es um das Thema „Nutzerfinanzierung der Straßen verkehrsinfrastruktur“ und um die Frage, ob Baden-Württem berg hier Modellregion werden könnte.

Wir haben in der Stellungnahme aufgeführt, welche baurei fen Projekte von der gravierenden Unterfinanzierung im Bun desfernstraßenbau betroffen sind. Zum Zeitpunkt der Beant wortung des Antrags waren es 19 planfestgestellte Vorhaben; inzwischen sind es 20. Für diese Vorhaben arbeiten wir der zeit – auch das ist Ihnen bekannt – an einer Priorisierung. Ak tuell führen wir eine Anhörung zu den Kriterien der Priorisie rung durch. Sobald diese Anhörung ausgewertet ist, werden wir eine Bewertung der einzelnen Straßenbauprojekte vorneh men. Wir wollen damit erstmalig in einem transparenten Ver fahren eine Entscheidungsgrundlage für die Umsetzungsrei henfolge schaffen.

Dies ist notwendig vor dem Hintergrund der gravierenden Un terfinanzierung, die sowohl für die laufenden als auch für die noch nicht begonnenen Maßnahmen des Vordringlichen Be darfs besteht. Für das Jahr 2012 hat der Bund dem Land für Neubaumaßnahmen 136 Millionen € zur Verfügung gestellt. Mit dem Infrastrukturbeschleunigungsprogramm hat der Bund nochmals 68 Millionen € für Bedarfsplan- und Erhaltungs maßnahmen draufgelegt.

Der Finanzbedarf allein für die laufenden Baustellen liegt aber deutlich über diesen Ansätzen und kann nur durch Umschich tungen aus anderen Bereichen und in der Hoffnung auf Mit telrückflüsse gedeckt werden.

Allein um die laufenden Baustellen abzufinanzieren, brauchen wir insgesamt 900 Millionen €. Die noch nicht begonnenen Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs haben ein Finanzie rungsvolumen von 3,7 Milliarden €. Es dauert Jahrzehnte, bis diese Maßnahmen mit den bisherigen Mittelansätzen realisiert werden können.

Ganz klar ist, dass wir in diesem Jahr keinen Spielraum für Neubeginne bei den Bundesfernstraßen haben. Dies hat uns im Übrigen auch Bundesverkehrsminister Ramsauer in einem Schreiben vom 17. Januar 2012 bestätigt.

Wir legen die Karten offen auf den Tisch und beenden die Po litik der leeren Versprechungen. Ich werde landauf, landab, egal, wohin ich gehe, immer mit der Aussage konfrontiert: „Unsere Maßnahme ist doch wichtig. Sie ist seit Jahrzehnten geplant. Die baldige Realisierung war uns schon vor Jahren zugesagt. Wann passiert endlich etwas?“

Es lief tatsächlich über Jahre und Jahrzehnte so, dass man im mer wieder gesagt hat: „Es geht einen Schritt weiter. Wir pla nen. Wir sind dran. Wir prüfen.“ Natürlich sind die Erwartun gen vor Ort hoch. Die Enttäuschung ist groß, wenn man dann sagt: „Da kommt so schnell nichts.“

Aber das Problem hat nicht die jetzige Landesregierung ver ursacht, sondern haben diejenigen verursacht, die leere Ver sprechungen gemacht und unrealistische Hoffnungen geweckt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Thad däus Kunzmann CDU: Das ist doch Ihr Bundesfern straßenplan! Die rot-grüne Bundesregierung hat ihn doch beschlossen!)

Aber die Versprechungen in den Kommunen hat nicht nur der Bund gemacht.

(Zuruf des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU)

Übrigens muss auch die Frage erlaubt sein, wie viel Straßen neubau noch Sinn ergibt. Der Erhalt der Straßeninfrastruktur und insbesondere die Erhaltung der vielen in die Jahre kom menden Ingenieurbauwerke werden uns in den kommenden Jahrzehnten vor große Herausforderungen stellen. So sind et wa ein Drittel der rund 2 000 Brücken im Zuge von Bundes fernstraßen in einem nicht ausreichenden oder ungenügenden Zustand.

Wenn man sich diese Herausforderungen anschaut, muss man sich auch vor Augen halten, dass die demografische Entwick lung in Richtung Bevölkerungsrückgang geht. Man muss au ßerdem die Klimaschutzziele im Blick behalten, die eine Rich tungsänderung der Mobilitätspolitik notwendig machen.

Nach meiner Überzeugung wird in den kommenden Jahrzehn ten auch die Verknappung des Erdöls zu Veränderungen füh ren, die das „Weiter so!“-Prinzip im Straßenbau infrage stel len werden.

Wir bemühen uns natürlich mit Nachdruck um eine höhere Mittelzuweisung durch den Bund. Minister Winfried Hermann ist auch Mitglied der sogenannten Daehre-Kommission zur Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung. Heute ist er zur Verkehrsministerkonferenz gefahren – deswegen stehe ich jetzt hier –, um auch dort die Interessen des Landes zu vertre ten.

(Zuruf: Oje!)

Die chronische Unterfinanzierung des Bundesfernstraßenbaus ist bekannt. Daher beschäftigt sich Ihr Antrag auch mit der Frage der Nutzerfinanzierung durch eine Bemautung.