Protocol of the Session on June 17, 2015

und die bei diesem Thema eine völlig andere Sprache an schlägt, die ihrer Verantwortung jedenfalls dergestalt gerecht wird, dass sie sprachlich sauber agiert, indem sie bei diesem Thema ausdrücklich von einer Verantwortungsgemeinschaft spricht. Wir alle wissen doch, denke ich, dass wir vor einer enormen Herausforderung stehen, dass sich Flüchtlingsströ me auf der ganzen Welt so entwickelt haben, wie wir es 2013, Herr Pröfrock, noch nicht absehen konnten,

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Das war mein erster Satz!)

jedenfalls nicht in dieser Dimension und in dieser Geschwin digkeit. Wir wissen doch auch, dass alle Prognosen, auf die dann auch entsprechende Entscheidungsmaßnahmen und be stimmte Handlungen der Landesregierung, auch der Kommu nen und der verantwortlichen Landkreise, abgestellt haben, auf Zahlen basieren, die uns der Bund zur Verfügung gestellt hat und die nicht einmal richtig gewesen sind – das will ich ausdrücklich sagen –, weil – da steckt jetzt kein Vorwurf drin;

auch das will ich ausdrücklich sagen – bestimmte Entwick lungen auf der Welt einfach nicht vorhersehbar gewesen sind.

Ich denke jetzt an das, was aktuell auf dem Mittelmeer ge macht wird, nämlich umfangreiche Rettungsaktionen in den zurückliegenden Monaten. Dies führt natürlich dazu, dass mehr Menschen untergebracht werden müssen, als dies hat prognostiziert werden können. Das muss man dann einfach auch akzeptieren.

Deshalb fände ich es wirklich angebracht, wenn wir gemein sam an Lösungen orientiert wären und uns nicht mit Fragen aufhalten würden wie: Warum haben Sie 2013 nicht gemacht, was wir für richtig erachtet haben? Wir hatten zwischenzeit lich nämlich auch wieder einmal eine Situation, bei der auch wir tatsächlich davon ausgingen, dass die Plätze, die in den LEAs oder in den BEAs geschaffen worden sind, auf mittle re Frist noch ausreichend sein werden, dass wir die Ziele, die wir uns in Bund-Länder-Arbeitskommissionen gemeinsam über alle Parteigrenzen hinweg gegeben haben, was beispiels weise Verfahrensbeschleunigung anlangt, was die Diskussion um sichere Herkunftsstaaten anlangt, erreichen werden. Das alles sind ja Bausteine, um mit der Situation irgendwie halb wegs vernünftig – ich muss es leider so sagen – fertigzuwer den. Da sind wir in vielen Bereichen gemeinsam unterwegs.

Morgen wird ein erneutes Gespräch der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten stattfin den, bei dem man sich über weitere Aktionen unterhalten wird, darüber, wo denn was gemacht werden kann, um mit der Si tuation umzugehen.

Dass die Landesregierung gehandelt hat, dass sie beispiels weise eine Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaa ten unterstützt hat, sollten Sie hier nicht unterschlagen, eben so dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten eine Verfah rensbeschleunigung gemacht haben, dass wir uns in einem gu ten Miteinander mit den Kommunen einig gewesen sind, dass die Menschen, die dann von den Regierungspräsidien auf die Stadt- und Landkreise verteilt werden, auch in Gemeinschafts unterkünften untergebracht werden können. Das sind doch al les große Gemeinschaftsleistungen gewesen. Da können Sie doch nicht so tun, als ob in den zurückliegenden Wochen und Monaten nichts passiert wäre.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Nur zu spät!)

Aber, wie gesagt, ich sehe hier in der Tat eine Dramatik, wenn Menschen vor der LEA stehen und die Vorgänge nicht bear beitet werden können. Da sollten wir uns auch nicht gegen seitig irgendwie die Schuld zuschieben.

Wenn Sie jetzt beispielsweise behaupten, das BAMF hätte Stellen zur Verfügung gestellt, dann muss ich dem einfach wi dersprechen. Bislang war das nämlich nichts anderes als eine Absichtserklärung, weil beispielsweise noch die haushalteri sche Umsetzung fehlte. Selbst wenn die Stellen geschaffen wären, fehlten immer noch die Personen.

Wenn die Bearbeitung von Asylverfahren in Baden-Württem berg länger dauert als in anderen Bundesländern, dann haben das nicht wir zu verantworten, sondern das Bundesamt für Mi gration und Flüchtlinge. Denn es ist ausschließlich dessen Aufgabe, mit dem Thema fertigzuwerden. Ich weise da nicht

mit dem Finger auf andere, wie Sie das tun. Das ist aber so vereinbart worden. Die personellen Ressourcen müssen erst einmal zur Verfügung stehen, damit auch wir in diesem Punkt besser werden können.

Ich will aber auch ausdrücklich sagen: Es wird nicht genügen, die Asylverfahren zu beschleunigen bzw. einer schnelleren Lösung zuzuführen. Angesichts der Tatsache, dass pro Tag Hunderte, Aberhunderte von Menschen zu uns kommen, liegt es nun wirklich auf der Hand, dass es selbst bei abgeschlos senen Asylverfahren schlicht und ergreifend weder logistisch noch aus humanitären oder anderen Gründen machbar ist, die Menschen in dem Umfang zurückzuführen. Logistisch ist es völlig undenkbar, dass das Land pro Tag 500 Menschen in die Herkunftsländer zurückführt. Denn dazu bedarf es der Mitar beit vieler anderer. Außerdem leben wir in einem Rechtsstaat. Es können daher Rechtsmittel eingelegt werden. Im Prinzip müssen wir auch mit den Herkunftsländern vereinbaren, dass und wer zurückgeführt wird. Das sind Verwaltungsabläufe, die nicht so einfach aus dem Ärmel geschüttelt werden kön nen.

Wenn wir uns einig werden, dass dies die Rahmenbedingun gen sind, unter denen gearbeitet werden muss, dann können wir uns eigentlich solche Frage-Antwort-Spiele wie jetzt spa ren. Vielmehr sollten wir uns gemeinsam bemühen, heraus zufinden, an welchen Stellschrauben es noch Veränderungs bedarf gibt. Es gibt Veränderungsbedarf. Das sehe ich aus drücklich so. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir dann ent sprechend mit der Situation umgehen.

(Glocke des Präsidenten – Abg. Matthias Pröfrock CDU: Sagen Sie doch einmal etwas dazu!)

Das Wort für eine Zusatzfrage für die Fraktion GRÜNE erteile ich dem Kollegen Lede Abal.

Sehr geehrter Herr Gall, zunächst einmal vielen Dank für die Antwort. Ich den ke, dass Sie zu dem, was das Zusammenspiel von Bundes- und Landesebene angeht, zu Recht auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit hingewiesen haben. An dieser Stelle möch te ich noch einmal ansetzen.

Vergangene Woche hatten wir im Integrationsausschuss Be such vom Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Das wird jetzt den Mitgliedern des Innenaus schusses und auch Ihnen so nicht geläufig sein. Vielleicht kön nen Sie aber darlegen oder gegebenenfalls schriftlich nachrei chen, welche Zusagen es von der Bundesregierung dazu ge geben hat, in welchem Ausmaß aufgestockt werden soll und wo das Bundesamt konkrete Ansätze für eine verbesserte Zu sammenarbeit sieht, z. B. auch, was die Übergänge zum schriftlichen Verfahren angeht. Es gab verschiedene Priorisie rungen unterschiedlicher Gruppen. Es gab das schriftliche Ver fahren, gerade bei Herkunftsländern mit einer sehr eindeuti gen Rechtslage.

Vielleicht können Sie auch noch etwas dazu sagen, wie sich das Ganze hinsichtlich der Kapazitäten in der Erstaufnahme dadurch entwickelt hat, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Karlsruhe bei der Aufnahme von Verfahren, bei der Entgegennahme von Anträgen einen Bearbeitungsrück stau hat, und welche Informationen Ihnen dazu vorliegen.

Das kann ich. Es gibt einen erheblichen Bearbeitungsrückstau, der erst einmal abgebaut werden muss.

In der Tat haben wir miteinander Vereinbarungen getroffen. Man muss aber, wie gesagt, auch anerkennen, dass selbst das, was vereinbart worden ist, nicht immer 1 : 1 umsetzbar ist. Denn wenn man mehr Personal haben möchte, dann muss die ses Personal erst einmal – ich benutze nun einmal die Spra che des Innenministers – rekrutiert werden. Das heißt, es muss auf dem freien Markt erst einmal versucht werden, dieses zu gewinnen.

Häufig machen wir die Erfahrung, dass wir hierfür zwar Men schen finden, diese aber nach 14 Tagen, drei oder vier Wochen wieder abspringen, weil die Arbeit eine enorme Belastung mit sich bringt. Das ist keine Frage. Selbst wenn Stellen geschaf fen sind und Geld zur Verfügung steht, bleibt es schwierig. Ich sage einmal, es scheitert nicht am Geld. Denn es ist uns allen bewusst, dass es nicht darum geht, Finanzlasten hin- und herzuschieben. Wir müssen die finanziellen Spielräume auch nutzen. Aber selbst wenn man sie nutzen könnte, bekommen wir nicht das entsprechende Personal.

Deswegen bezahlen wir auf Landesebene beispielsweise den jenigen, die sich aus den Landesverwaltungen, aus den Regie rungspräsidien heraus bereit erklären, im Regierungspräsidi um Karlsruhe hier Unterstützung zu leisten, einen Zuschlag, wie es in den Neunzigerjahren – ein paar ältere Kollegen wer den sich noch daran erinnern – auch üblich war. Dadurch soll wertgeschätzt werden, was dort an Arbeit geleistet wird. Von Entlohnung kann bei der Größenordnung, die das Land zur Verfügung stellen kann, nicht gesprochen werden. Es soll je denfalls honoriert werden, dass diese Menschen bereit sind, diese Aufgabe zumindest zeitweise zu übernehmen.

Über Monate hinweg waren Polizeibeamtinnen und -beamte der Bereitschaftspolizei in der LEA, um die Erstaufnahme durchzuführen. Zwischen Bund und Ländern ist die konzer tierte Aktion „Kosovo“ zur beschleunigten Rückführung ver einbart worden. Das sind alles Maßnahmen, die getroffen wor den sind.

Herr Kollege Lede Abal, wir haben die Verfahrensabläufe ver bessert, die Schnittstellen zwischen BAMF, Ersterfassung und allem, was erforderlich ist. Das fängt an bei vermeintlich ba nalen Dingen wie: Wo sind sie denn eigentlich in der LEA ver ortet? Gibt es da lange Wege? Gibt es dort Möglichkeiten, die Fristen, die Aufnahme, die Erfassung, vielleicht auch die Ge sundheitsuntersuchung und all das, was ich genannt habe, so zu konzentrieren, dass alles ein bisschen schneller geht? Das haben wir gemacht.

Wir merken jetzt gerade anhand der aktuellen Entwicklung und Situation, dass die LEAs deutlich überlastet sind. Man muss schon auch wissen, dass manches, was gut gemeint ist, in der Lebenswirklichkeit nicht immer gut funktioniert.

Mit der konzertierten Aktion „Kosovo“ wollte man durch ei ne schnellere Rückführung beispielsweise auch ein Zeichen setzen, dass es sich nicht lohnt, den Weg nach Deutschland auf sich zu nehmen. Wir haben uns auch eine Signalwirkung für die freiwillige Rückkehr versprochen, wenn wir die Men schen quasi an die Hand nehmen, sie aufklären, sie informie

ren, sie entsprechend beraten. Die freiwillige Rückkehr zu be schleunigen war kein Erfolg. Das muss ich sagen. Daran gibt es nun auch überhaupt kein Interesse mehr. Im zurückliegen den Jahr waren – die Hausnummer mag auf 100 stimmen oder auch nicht – nur 3 000 Menschen bereit, freiwillig auszurei sen. Bei allen anderen mussten oder müssen staatliche Maß nahmen greifen.

Daran wird aber deutlich, dass wir uns entsprechend mühen. Ich halte die Absicht für richtig, die Gruppen, für die wir wirk lich zu über 99 % annehmen können, dass sie kein Bleiberecht haben, direkt aus der LEA zurückführen. Das bedeutet logi scherweise, dass diese Plätze in der LEA für die anderen dann blockiert sind.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Den Vorschlag habe ich im Dezember schon gemacht!)

Die Lage in den LEAs ist nun mehr als angespannt. Deshalb ist das Integrationsministerium auf allen Ebenen bemüht und bereit, entsprechend Flächen für eine Unterbringung zu su chen. Dafür bedarf es aber auch der Bereitschaft aller, sich der Verantwortung bewusst zu werden, das Land bei dieser Auf gabe zu unterstützen.

Da wissen Sie schon auch aus eigener Erfahrung, wie ich den ke, dass dieses Unterfangen keineswegs leicht ist. Es gibt Vor behalte und Widerstände. Es bedarf sehr großer Überzeu gungsarbeit.

(Zuruf des Abg. Matthias Pröfrock CDU)

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie hier mithelfen wür den.

Gibt es weitere Fragen von der SPD oder der FDP/DVP? – Nein.

Dann käme wieder der Kollege von der CDU, Herr Abg. Pröf rock, an die Reihe.

Herr Minister, dass es sich hier um eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen handelt, war mein erster Satz. Dass wir uns im Landtag von Baden-Württemberg die baden-württembergi schen Behörden vornehmen, ist, wie ich meine, eine bare Selbstverständlichkeit. Ich verstehe gar nicht, wie Sie sich da rüber aufregen können.

Ich rege mich doch gar nicht auf.

Die Entwicklung war seit Jah ren absehbar. Ihr Vorschlag, direkt aus der LEA zurückführen, stammt vom Oktober letzten Jahres. Ich habe ihn hier in der Haushaltsdebatte im Dezember vorgetragen.

Das machen wir doch.

Was ist denn in der Zeit pas siert? Was ist jetzt der Unterschied – das frage ich jetzt noch einmal – zwischen einem Cluster und einer Bezirksstelle für Asyl? Das Staatsministerium erklärte in einem Pressege spräch, dass ein Cluster prima sei und eine Bezirksstelle für Asyl schon immer schlecht gewesen sei. Können Sie mir bit te erläutern, wie es dazu kommt?

Sehen Sie, Sie sind schon wie der auf dem Nebengleis. Wir streiten uns doch nicht über Be grifflichkeiten, sondern wir bemühen uns doch, Organisati onsstrukturen und Einheiten zu schaffen, die im Prinzip dem gerecht werden, was Sie offensichtlich auch wollen, nämlich dass wir Verfahren beschleunigen, dass wir im Prinzip die be teiligten Stellen möglichst alle an einem Ort konzentrieren, damit wir schnelle Entscheidungs- und Umsetzungswege ha ben. Ob dies dann Bezirksstelle oder Cluster heißt – ich sage es Ihnen ganz salopp –, das halte ich nun wirklich für neben sächlich.

Es kommt darauf an, dass wir Organisationsstrukturen schaf fen, die gewährleisten, dass wir schnelle Verfahren haben und dass wir die Menschen, die offensichtlich und augenschein lich kein Bleiberecht haben, die sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen können, so schnell wie möglich in die Her kunftsländer zurückführen. Jedenfalls habe ich dies als ge meinsames Ziel betrachtet. Ich jedenfalls versuche, meinen Teil dazu beizutragen – der mag an der einen oder anderen Stelle kritisiert werden, aber wohlgemerkt von mehreren Sei ten, wie ich gelegentlich feststelle –, aber letztendlich haben wir alle in unserem Bereich – jeder in seinem Bereich – un seren Anteil zu leisten.

Ich kann es beispielsweise deutlich machen, was Rückführun gen anbelangt. Auch dazu höre ich immer wieder Äußerun gen, die schlicht und ergreifend nicht der Wahrheit entspre chen. Stand Mitte Juni dieses Jahres liegt die Größenordnung der Rückführungen bei 75 % der Gesamtzahl der Rückfüh rungen im Jahr 2014. Wir verschlechtern uns da nicht.

(Zuruf des Abg. Matthias Pröfrock CDU)

Wir setzen kontinuierlich das fort, was wir uns vorgenommen haben. Wie gesagt: Rückführungen sollen so schnell wie ir gend möglich stattfinden. Aber auch das liegt nicht immer in unserem Ermessen. Sie kennen die Rechtsmöglichkeiten, die bestehen. Sie alle kennen die Varianten, die wir vorfinden: kei ne Pässe mehr, das Geltendmachen von Krankheitsgründen, auch die Nichtkooperationsbereitschaft mancher Herkunfts- oder Zielländer – das gehört schlicht und ergreifend auch da zu. Wir können keine Menschen zurückführen, wenn die Her kunfts- oder in dem Fall dann die Zielländer nicht bereit sind, diese Leute aufzunehmen. Das bedarf nun einmal umfangrei cher Abstimmungsgespräche; mit manchen funktioniert es richtig gut, mit anderen weniger gut.

Das sind einfach die Rahmenbedingungen, die tagtäglich in der Lebenswirklichkeit vorzufinden sind und die uns nicht da bei unterstützen, noch mehr zu tun. Nur am Rande sei be merkt: Es gibt zwischenzeitlich auch schon Fluggesellschaf ten, die uns dabei nicht unterstützen. Das heißt, wir haben tat sächlich auch manchmal Probleme, für entsprechende Zwe cke Flugzeuge zu chartern, um rückführen zu können. Auch das gehört zur Wahrheit.

Eine weitere Zwischenfrage, Kol lege Mack.

Herr Minister, Frau Krebs hat, als wir vorhin die Frage gestellt haben, auf ihrem Handy tip pend den Saal verlassen. Das hängt sicher damit zusammen, dass sie am 31. Oktober 2014, also vor fast acht Monaten, in der „Badischen Zeitung“ erklärt hat, das rückwärtsgewandte

Konzept der Bezirksstellen für Asyl, das die CDU und der Landkreistag forderten, könne man nicht verwirklichen, es sei gescheitert, das Staatsministerium habe eine andere Weisheit.