Protocol of the Session on February 4, 2015

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Aha!)

Man muss gemeinsam mit den Lehrer- und Elternverbänden auch schauen, wie man das Beratungssystem verbessert, weil wir den Elternwillen ganz klar in den Vordergrund stellen und davon überzeugt sind, dass die Eltern auch die Aufgabe über nehmen können, die entsprechende Schulwahl für ihre Kin der vorzunehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Die bessere Schule, wo keiner sitzen bleibt, das ist das Ergebnis!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Kleinböck.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Jetzt kann ich meine Frequenz wieder runterfahren!)

Das können Sie, Herr Zim mermann. – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Herr Präsi dent! Ich will einmal mit einer Aussage des Kollegen Hauk von vor einem Jahr beginnen. Sie haben damals gesagt:

Aber wir können nicht einerseits Erziehungsrechte für El tern einfordern und andererseits... die Eltern aus der Ver antwortung entlassen und ihnen vorschreiben, auf welche Schule sie ihr Kind schicken müssen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das stimmt, ja!)

Das unterstreiche ich ganz ausdrücklich.

Mit der Aufhebung der verbindlichen Grundschulempfehlung 2012/2013 haben wir mit dem latenten Misstrauen gegenüber dem Elternwillen Schluss gemacht. Seitdem gibt es ein ganz ausführliches Beratungsverfahren. Ich denke, das ist für die allergrößte Anzahl dieser Empfehlungen auch richtig und ziel führend.

Warum haben wir diesen Schritt denn vollzogen? Zum einen haben wir wahrnehmen müssen, dass das Verhältnis zwischen

Lehrkräften und Eltern an den Grundschulen erheblichen Be lastungen ausgesetzt war, sobald sich die Frage nach dem Übergang auf die weiterführende Schule stellte. Zugleich wur de bereits auf viele Grundschüler ein massiver psychischer Druck ausgeübt. Die Kollegin Boser hat es gerade angespro chen: Wir waren auch viele Jahre lang Spitzenreiter bei der Nachhilfe.

Zum anderen sagen zahlreiche Studien, dass es bei der Emp fehlung der weiterführenden Schule ein soziales Ungleichge wicht gibt. Schüler mit Migrationshintergrund und Kinder aus sozial belasteten Familien erhalten trotz gleicher Leistung sel tener eine Gymnasialempfehlung als Kinder aus gut situier tem Haus.

Meine Damen und Herren, durch den Wegfall der verbindli chen Grundschulempfehlung hat sich also nicht nur das Ver hältnis zwischen Lehrern und Eltern entspannt, sondern ha ben wir auch ein Stück Ungerechtigkeit im Bildungssystem beseitigt.

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Das war unser erklärter Wille.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich gehe da von aus, dass Sie die Verbindlichkeit der Grundschulempfeh lung nicht wieder einführen wollen. Jetzt suchen Sie sich ein neues Spielfeld, um die Regierung anzugreifen, und da kommt das Thema Nichtversetzte wieder in den Blick. Ihre These lau tet: Wenn die weiterführende Schule die Grundschulempfeh lung kennt, kann sie die Kinder adäquat fördern. Allerdings frage ich mich dann schon, ob Sie wissen, worin die Informa tionen der Grundschulempfehlung bestehen. Wenn Sie sich den Vordruck einmal anschauen, sehen Sie: Das ist genau ein Kreuzchen bei der empfohlenen weiterführenden Schule. Dort finden sich keine Informationen über die Entwicklung der Per sönlichkeit,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die hätten wir aber gern!)

keine Informationen über die Entwicklung des Leistungs stands, keine Informationen über das Lern- und Arbeitsver halten der Schülerinnen und Schüler. Wir bestreiten natürlich nicht, dass wir auch den Anstieg der Zahl der Nichtversetzten in Klasse 5 registriert haben. Als Begründung wird immer wieder angeführt – das haben wir beim vorherigen Tagesord nungspunkt gehört –, dass die Heterogenität der Schülerschaft zugenommen hat.

(Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Herrn Abg. Zimmermann?

Herr Kollege, bitte. Aber schnell – oder die Zeit anhalten.

Nein, nur für die Fra ge wird die Zeit angehalten; die Antwort wird in die Redezeit einbezogen.

Herr Kollege Kleinböck, wie bewerten Sie die Aussage eines Schulleiters einer Grundschu le in meinem Wahlkreis – mehrere Lehrkräfte haben sich in den letzten Wochen in gleicher Weise geäußert –, der sagt: „Herr Zimmermann, wir haben mit viel Herzblut mit den El tern das sogenannte qualifizierte Beratungsgespräch geführt. Es kam Zustimmung zu unserer Einschätzung, wohin das Kind gehen soll. Doch dann haben wir erfahren – nicht nur in einem Fall, sondern in mehreren Fällen –, dass die Eltern nach diesem Gespräch eine völlig andere Entscheidung getroffen haben.“

Der Schulleiter sagt zu seinen Lehrkräften: „Steckt nicht zu viel Energie hinein; die Eltern verlassen das Lehrerzimmer und entscheiden sich völlig anders.“

Wenn das Schule macht, wird auch das qualifizierte Bera tungsgespräch nicht mehr den angestrebten Stellenwert ha ben.

Wie bewerten Sie solche Aussagen?

Lieber Kollege Zimmer mann, wenn Sie das so als Frage formulieren, ist das ein Plä doyer dafür, die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung wieder einzuführen. Das wollen wir nicht. Dazu müssen wir, wie wir es im Antrag formuliert haben, überlegen, wie wir die se Beratung verbessern können. Das kann nicht anders funk tionieren, meine Damen und Herren.

Aber ich will Ihnen zu dem Thema Heterogenität etwas sa gen. Ich habe vor Kurzem einen Unterrichtsbesuch gemacht; es war eine Prüfungslehrprobe. Ich habe in der Lehr-LernAnalyse lesen dürfen: Diese Berufsschulklasse, eine Einzel handelsklasse, setzt sich derzeit aus elf Schülerinnen und 13 Schülern im Alter von 17 bis 30 Jahren zusammen: ein Abi turient, ein Fachhochschulabsolvent, zehn Realschüler, sieben Hauptschüler, fünf Schülerinnen und Schüler ohne einen Schul abschluss. Das ist Heterogenität. Wir müssen davon ausgehen – es hilft halt nichts –: Auch die Realschulen und die Gymna sien müssen sich mehr mit dem Thema „Individuelle Förde rung“ auseinandersetzen. Das klappt ja in den beruflichen Schulen schon ganz gut.

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will auch noch einmal kurz darauf hinweisen, dass in der Vergangenheit trotz der ver bindlichen Grundschulempfehlung die Zahl der Nichtversetz ten in bestimmten Klassenstufen massiv angestiegen war. In der Realschule war das die Klasse 9, im Gymnasium die Klas se 10. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Anstieg hat Sie damals, als Sie in Regierungsverantwortung waren, nicht so arg interessiert.

Ich will eines deutlich machen: Wir haben in Deutschland 1,5 Millionen junge Menschen ohne Schulabschluss und ohne Ausbildung. Wir wissen, dass ein erheblicher Anteil dieser Menschen aus Baden-Württemberg kommen. Deshalb, liebe Opposition: Wenn es darum geht, sich sachlich mit der Situ ation auseinanderzusetzen, bin ich bei Ihnen. Das ist zielfüh rend. Aber das schrille Geschrei, das die Eltern, die Lehrkräf te sowie die Schülerinnen und Schüler verunsichert, trägt si cher nicht zur Lösung bei.

Wir haben mit einigen Maßnahmen begonnen, die Entwick lung positiv zu beeinflussen. Angeführt wurden schon die Poolstunden für Realschulen, die Sie bis vor drei Jahren über haupt nicht interessiert haben. Wir haben die Zahl der Pool stunden für die individuelle Förderung in der Unterstufe der Gymnasien auf 1,7 erhöht. Wir haben die Schulsozialarbeit eingeführt. Gerade die von Kollegin Boser angesprochene Lernstandsdiagnose in Klasse 5 wird ein wesentlicher Schritt sein, mit dem wir vorankommen.

All dies hätten Sie von der CDU bereits veranlassen können. Sie haben es nicht getan. Auch in Ihrem Änderungsantrag fin den sich keine Aussagen zu den zusätzlichen Ressourcen, lie be Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. Mit Wor ten allein ist den Schulen nicht geholfen. Aber das haben wir hier schon des Öfteren erlebt: Sie reden, wir handeln.

(Lachen des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Dr. Kern das Wort.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich bin schon ein Stück weit entsetzt, wie locker-flockig die Vertreter von den Grünen und der SPD über eine dramatische Situation,

(Oh-Rufe von der SPD)

die sich seit dem Regierungswechsel in diesem Bereich erge ben hat, hinweggehen.

(Beifall bei der CDU)

Das zeigt: Sie haben sich noch nicht ein einziges Mal mit den betroffenen Kindern beschäftigt, die sich in einer äußerst schwierigen Situation befinden.

(Oh-Rufe von der SPD – Zuruf des Abg. Gerhard Kleinböck SPD)

Haben Sie sich einmal gefragt, wie sich ein Kind im Alter von ungefähr zehn Jahren in der fünften Klasse fühlt, wenn es auf einer Schule ist, in der es nach seinem momentanen Entwick lungsstand nicht optimal gefördert werden kann?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Gemeinschaftsschule!)

Wissen Sie, wie sich ein Kind da fühlt? Wir sollten einmal von den Zahlen, die vom Kollegen Wacker vollkommen zu Recht vorgetragen wurden, weggehen und den Blick auf das einzelne betroffene Kind lenken.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! So ist es!)

Diese Kinder freuen sich normalerweise, wenn sie auf eine weiterführende Schule gehen,