Protocol of the Session on December 7, 2006

Nun wissen alle, die kirchlich etwas bewandert sind, dass der erste Adventssonntag eigentlich der am meisten schützenswerte wäre,

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

weil es der Beginn des Kirchenjahres ist. Also, da werden ganz merkwürdige, verquere Diskussionen geführt.

Dann zum Thema „Zusammenleben in den Familien“. Es ist in der Tat so: Wer wie ich Familie, Kinder, Enkel hat, weiß, dass der gemeinsame Einkauf an einem verkaufsoffenen Sonntag eben als die Chance gesehen wird, einmal mit der ganzen Familie in aller Ruhe in die Stadt oder ins Zentrum zu gehen.

(Zurufe von der SPD)

Sie müssen doch wirklich einmal Lebenswirklichkeiten sehen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das war kein gutes Beispiel!)

Deswegen glaube ich, dass wir, wenn sich der Pulverdampf, der gar nicht zur besinnlichen Adventszeit passt, gelegt haben wird, sehr gut mit dem Kompromiss leben können, zu sagen: Unter der Woche wollen wir niemandem vorschreiben, wann er seinen Laden zu öffnen oder zu schließen hat. Das können die Menschen vor Ort regeln. Drei verkaufsoffene Sonntage im Jahr sind möglich. Darüber muss vor Ort entschieden werden. Diese Zahl muss nicht ausgeschöpft werden; das ist auch keine Frage.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wir bekennen uns in der Tat dazu, dass man eine gewisse Einschränkung für besonders sensible, aus kirchlich-historischer Tradition zu schützende Sonntage vornimmt und diese künftig eben nicht der Öffnung zugänglich macht.

Daher denke ich: Aller Pulverdampf war umsonst, und auch die Debatte kommt zu spät. Wir haben einen vernünftigen Kompromiss gefunden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Buschle.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Noll, wir waren schon erstaunt, dass ausgerechnet Sie sagen, es sei ein besonderes Vergnügen, mit der Familie einkaufen zu gehen, das Adventsvergnügen schlechthin.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Ich habe nicht gesagt: im Advent! Überhaupt!)

Überhaupt?

Bei dem einen schlägt das Herz links, bei dem anderen sitzt es auf dem rechten Fleck. Aber wenn das Denken hauptsächlich von hinten rechts bestimmt wird, wo der Geldbeutel sitzt, dann kann man es schon so empfinden. Wir empfinden es nicht so.

Gestern war hier im Foyer des Landtags ein Chor und hat dem Ministerpräsidenten ein Ständchen gesungen, unter anderem auch: „Niklaus ist ein kluger Mann, von dem die Regierung noch viel lernen kann“. Nikolaus war einer der Ersten, die die Schlacht zwischen Kommerz und Besinnung im Advent verloren haben. Nun wird er ersetzt durch einen roten Coca-Cola-Clown, eine Mischung zwischen einem Troll und Väterchen Frost, der als einzige Botschaft verkündet: Ho, ho, ho! Shopping, das macht froh!

Meine Damen und Herren, wir haben uns draußen im Land gewundert, wie oft wir auch von Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion gehört haben, sie seien der Meinung, so, wie es bisher war, sei es richtig. In Presseorganen – die nicht im Pressespiegel erscheinen – kommt das stark zum Ausdruck. Von Bürgerinnen und Bürgern, die in der Politik nicht so bewandert sind, haben wir dann oft die Frage gehört: „Hoppla, ist der bei der SPD?“

Wenn wir nun sehen, dass Sie den dritten Sonntag freigegeben haben, müssen wir Folgendes überlegen: Der Ministerpräsident sagt, er habe – in unheiliger Allianz mit den Bischöfen – eine Lösung gefunden, die nun diesen Adventssonntag zum verkaufsoffenen Sonntag prädestinierte. Dies wurde gekippt – dem Heiligen Stephanus sei Dank –, und nun sagt der Ministerpräsident, er sei nicht beschädigt. Es sei völlig in Ordnung, wie er es gemacht habe. Er könne sehr gut damit leben, dass es jetzt einen dritten verkaufsoffenen Sonntag im Jahr gibt.

Nun muss man sich fragen: Ist das nicht das typische Dilemma? Der Ministerpräsident sagt, er sei nicht beschädigt; also war ihm das gar nicht so wichtig. Hat er einen Ballon

gestartet, nicht um den Adventssonntag zu bekommen, sondern den dritten Sonntag im Jahr? Herr Noll, ich denke, da können Sie mir folgen.

Sie haben nun den dritten Sonntag im Jahr. Dazu kommt: Das Regierungspräsidium kann einen weiteren Sonntag freigeben. Also sind wir bei den vier Sonntagen, von denen wir schon immer gesprochen haben, obwohl auch uns der Schutz des Sonntags wichtig ist.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das stimmt gar nicht! Das ist nicht Beschlusslage!)

Aber am 8. November wurde es so dargestellt, Herr Noll.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Buschle, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Theurer?

Bitte sehr, Herr Theurer.

Bitte schön, Herr Abg. Theurer.

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass bisher vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr möglich waren

(Abg. Reinhold Gall SPD: Bis zu vier, Herr Kolle- ge!)

bis zu vier – und dass die Reduzierung auf bis zu drei eine Verstärkung des Sonntagsschutzes ist? Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?

Lieber Herr Kollege Theurer, ich gehe von dem aus, was Sie hier am 8. November dargestellt haben. Sie haben behauptet, die Verkürzung von vier Sonntagen auf zwei sei die Kompensation für die längeren Ladenöffnungszeiten – die übrigens dem Einzelhandel im ländlichen Raum unbestritten schaden, auch den Kleinzentren, Herr Noll. Wenn Sie mit den Leuten reden, werden Sie das erfahren.

(Beifall bei der SPD)

Nachdem Sie sich also in diesem Dilemma befinden und der Ministerpräsident angeblich nicht verloren hat, kann es also nur noch so sein, dass die Fraktion verloren hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Vielleicht haben Sie einen Trick nicht durchschaut und sind nun die wahren Verlierer. Egal, wie es sein mag, die Verlierer sitzen rechts von mir.

Allen Kolleginnen und Kollegen, die draußen im Land weiterhin sagen: „Es war gut so, wie es bisher war; es könnte auch so bleiben“, rufe ich ganz im weihnachtlichen Sinne zu: Fürchtet euch nicht. Ich verkünde euch: Die SPD steht auf eurer Seite.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Noll, ich bin Ihnen dankbar für Ihren Redebeitrag,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das freut mich aber!)

weil Ihre Argumentation unserer ganz klar gefolgt ist. So, wie Sie argumentiert haben, gehe ich davon aus, dass wir, wenn wir einen entsprechenden Antrag einbringen, mit Ihrer Zustimmung rechnen können.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Nein!)

So war Ihre Aussage gerade. Das freut uns natürlich sehr.

Grundsätzlich setzen wir beim Ladenschluss, wie Sie wissen, auf kommunale Lösungen. Das bedeutet, dass die Ladenöffnungszeiten so bleiben, wie sie bislang sind. Sie sollen dann geändert werden können, wenn die Kommunen dies per Satzung ausdrücklich beschließen. Damit haben Kommunen die Möglichkeit, den Bedarf vor Ort zu berücksichtigen und die Innenstädte zu stärken. Sie können die Öffnungszeiten auch an einzelnen Tagen pro Woche verlängern oder auch ganz von längeren Öffnungszeiten absehen.

Ich glaube, dass das im Sinne der verschiedenen Interessenlagen, die wir haben – auch an Landesgrenzen –, der richtige Weg ist, um zu optimalen Lösungen zu kommen. Ich gehe nicht davon aus, dass der Kompromiss, der jetzt vonseiten der CDU-Fraktion bzw. der Landesregierung vorgeschlagen wurde, von allen einvernehmlich begrüßt wird. Ich gehe davon aus, dass es noch den einen oder anderen Kritikpunkt geben wird. Wir sind sehr gespannt, ob Sie Ihre Position dann wieder revidieren und noch einmal etwas anderes vorschlagen.

Einen letzten Punkt möchte ich noch anfügen. Ich habe eingangs betont, dass uns der Sonntagsschutz wichtig ist. Das gilt für das ganze Jahr, das gilt aber auch für den Advent. Wir wollen den Advent nicht dem grenzenlosen Konsum opfern und nicht die Hektik an Sonntagen noch verstärken. Ich glaube, dass es viele im vorweihnachtlichen Stress gar nicht schaffen, so, wie Kollege Noll es dargestellt hat, gemütlich durch die Innenstadt zu schlendern. Grundsätzlich plädieren wir dafür, dass die Geschäfte an den Sonntagen im Advent geschlossen bleiben.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Aber unsere Kommunen können das sehr gut selbst entscheiden – vor allem, wenn es nur zwei verkaufsoffene Sonntage im Jahr gibt. Dafür setzen wir uns vehement ein.

Danke schön.