Protocol of the Session on March 9, 2017

[Torsten Schneider (SPD): Ha, ha!]

Sie bekommen hier jeden Monat 3 000 Euro. Wofür eigentlich? Für Anträge „Deutschlandkarte und ZDF“? Um

sich die Bäuche zu halten, wenn Sie mit Ihrem Populismus hier vorn stehen oder dazwischenrufen? Fragen Sie einmal die Kollegin Bießmann aus Hellersdorf-Nord oder den Kollegen Lindemann. Fragen Sie die beiden Kollegen einmal, die kommen aus dem gleichen Bezirk wie ich, gehen Sie mit dem Antrag in den Bezirk und fragen Sie: Was sind das für Bürgerthemen in HellersdorfMarzahn? Es geht mit der AfD um die Trennung von Amt und Mandat. Mit Verlaub, das ist ein bisschen wenig.

[Georg Pazderski (AfD): Ich hätte Ihnen mehr zugetraut! – Weitere Zurufe von der AfD]

Lassen Sie mich gleichwohl noch einmal sagen, dass wir durchaus in diesem Haus darüber diskutieren können, ob die Trennung von Amt und Mandat – also von Senatorenamt und Abgeordnetenhausmandat – möglich oder sinnvoll ist.

In Nordrhein-Westfalen beispielsweise gibt es eine Regelung – ich zitiere aus Artikel 52 der Verfassung von Nordrhein-Westfalen:

Der Landtag wählt aus seiner Mitte in geheimer Wahl ohne Aussprache den Ministerpräsidenten.

Da muss der Ministerpräsident qua der Verfassung Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags sein. Hamburg hat eine andere Regelung. Dort dürfen Mitglieder des Senats kein Bürgerschaftsmandat ausüben. Eine solche Regelung kann man natürlich diskutieren, aber man sollte es seriös tun.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Dann fangen Sie mal an!]

Mit welchem Recht wollen Sie eigentlich einer direkt gewählten Abgeordneten das Mandat abnehmen, nur weil diese gleichzeitig zur Wirtschaftssenatorin ernannt wird? Haben die Wähler nicht einen Anspruch darauf, dass das Wahlkreisbüro der direkt gewählten Abgeordneten ebenfalls vor Ort verfügbar und Frau Pop dort ansprechbar ist? Wie wollen Sie mit solch einer Regelung eigentlich den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl vereinbaren, weil nämlich nicht mehr der Wähler entscheidet, sondern Sie mit der Verfassung von Berlin entscheiden wollen, ob jemand ein Mandat annehmen kann oder nicht? Hat sich das Berliner Parlament seit der Konstituierung 1946, in der es keine Trennung von Amt und Mandat gab, nicht eigentlich deutlich bewährt? Aber natürlich kann man auch die anderen Fragen stellen: Fehlen die Senatoren nicht tatsächlich in den Ausschüssen, denn die Fraktionäre müssen deren Ausschussarbeit übernehmen?

[Frank-Christian Hansel (AfD): Wie? Was?]

Wird das Kontrollrecht der Legislative betroffen, wenn zwischen Regierungsmitgliedern und Abgeordneten Personenidentität besteht? – Ich finde, liebe Kollegen von der AfD, hierauf gibt es keine einfachen Antworten. Es gibt hier auch kein Schwarz oder Weiß, wie Sie es sich so

einfach vorstellen. Wir werden die Vor- und Nachteile einer Trennung von Senatorenamt und Abgeordnetenhausmandat im Ausschuss diskutieren. Sie wissen, dass das immer wieder eine Fragestellung ist, die in allen Fraktionen und allen Parteien diskutiert wird – auch in meiner eigenen. Insofern werden wir eine Ausschussberatung haben und dann abwägen, ob eine solche Regelung möglich oder sinnvoll ist und ob man die rechtlich einführen möchte. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Rissmann das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Das Anliegen, Mandat und Amt zu trennen, ist nicht neu und wird gefühlt in jeder Wahlperiode gebracht, in der Regel von kleineren, neueren Fraktionen. Waren es einstmals die Grünen, die nun in den Ämtern angekommen sind, und diese Trennung praktisch nicht mehr so ernst nehmen, obwohl eigene Beschlüsse in ihrer Binnenstruktur sie dazu verpflichten,

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall bei der AfD und der FDP]

waren es in der letzten Wahlperiode die Piraten, ist es nun die AfD. Die Argumente zu diesem Thema sind eigentlich ausgetauscht. Es ist nichts Neues passiert.

Es gibt allerdings in Bezug auf uns in Berlin zwei interessante Punkte, die mich auf die Ausschussberatungen hoffen lassen. Erstens bedaure ich, dass die Abgeordnete Pop nicht im Raum ist, weil sie in dieser Plenardebatte wahrscheinlich einen nützlichen Beitrag leisten könnte.

[Beifall von Florian Graf (CDU) – Beifall bei der AfD und FDP]

Sie könnte uns nämlich darlegen, was neben den Gründen, die der Kollege Kohlmeier schon genannt hat, keine Trennung von Amt und Mandat herbeizuführen, noch dafür spricht, dass die derzeitige gesetzliche Regelung beibehalten wird. Ich vermute nämlich, dass Frau Pop ein weiteres Argument hat als lediglich ihr fehlendes Vertrauen in die Beständigkeit dieser Koalition.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Ein zweiter Aspekt lässt mich auf die Ausschussberatung hoffen, nämlich die Ausführungen meines Kollegen Kohlmeier. Er hat vergessen darzustellen, dass auch die sozialdemokratische Partei unterdessen – wenn ich richtig informiert bin – eine Beschlusslage hat, nach der man Amt und Mandat trennen sollte.

(Sven Kohlmeier)

[Daniel Buchholz (SPD): Nein! Da sind Sie falsch vorbereitet, Kollege!]

Die sozialdemokratische Partei ist die einzige hier im Haus, die das nicht umsetzt. Wenn ich nach rechts und links schaue, gibt es einige sozialdemokratische Senatorinnen und Senatoren, die gleichzeitig ein Abgeordnetenmandat ausüben. Der Kollege Kohlmeier wird mir bestimmt auch erklären können, warum die Partei dort schon weiter ist als die Senatorinnen und Senatoren, die die SPD als Abgeordnete ins Parlament entsandt hat. Insofern bin ich offen für die Ausschussberatung.

Für uns gilt ein überbordendes Argument, das in seiner Gewichtigkeit sicher nicht zu unterschätzen ist. Es ist gelebte Parlamentstradition in Deutschland, dass wir diese Verbindung zulassen. Es ist in allen deutschen Ländern und im Bundestag so. An der Stelle bin ich konservativ. Wenn man einen eingeschlagenen Weg, der sich im Großen und Ganzen über Jahrzehnte bewährt hat, nicht mehr weitergehen wollte, dann bräuchte es gute Argumente. Ich bin gespannt, ob Grüne und SPD mir die dann im Ausschuss bringen werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Als Nächster redet für die Fraktion Die Linke der Abgeordnete Herr Schlüsselburg. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Trennung von Regierungsamt und Parlamentsmandat ist eine ernste politische und verfassungsrechtliche Debatte. Der vorliegende Gesetzentwurf der AfD – das will ich schon an dieser Stelle deutlich sagen – wird diesem gewichtigen Thema nicht gerecht. Er ist handwerklich schlecht und auch in seiner Begründung ein intellektueller Offenbarungseid.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Sie versuchen nichts weiter, als einen Keil zwischen Ramona Pop und die Grünen zu treiben und vielleicht auch zwischen die SPD-Basis und ihre Senatoren. Ihnen geht es nicht um die Sache, sondern um billige mediale Effekthascherei. Wenn es anders wäre, hätten Sie sich mehr Mühe gegeben – Kollege Kohlmeier hat es erwähnt.

Ich will an dieser Stelle zwei Stichpunkte nennen. Erstens ist schon der juristische Eingangssatz Ihres Gesetzentwurfs falsch. Sie werden im Gesetz- und Verordnungsblatt keine Berliner Landesverfassung finden, sondern nur die Verfassung von Berlin. Aber mit konkreten Bezeichnungen haben Sie es ja nicht so genau, wie wir bereits in ihrem ZDF-Wetterkartenantrag gesehen haben.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Es war nicht die Wetterkarte, mein Lieber!]

Zweitens braucht es überhaupt kein Ausführungsgesetz für die Trennung von Amt und Mandat. Die gibt es meines Wissens auch in Hamburg und Bremen nicht. Verfassungsändernde Gesetzentwürfe sollten mit der nötigen Sorgfalt erarbeitet werden. Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist schlicht und ergreifend unterkomplex. – So viel zu Ihrem Antrag.

Ich möchte ein paar kurze Ausführungen machen: Verfassungsrechtlich gibt es in der Verfassung von Berlin bisher keine Trennung von Senatorenamt und Abgeordnetenmandat. Im Grundgesetz gibt es keine strikte Gewaltenteilung, sondern eine Gewaltenverschränkung. – Das wurde schon gesagt. – Rein rechtlich ist es also zulässig, sowohl dem Parlament als auch einer Regierung anzugehören. Es führt aber zu einem erheblichen verfassungsrechtlichen und auch politischen Spannungsverhältnis. Das ist das eigentliche Problem.

Es ist problematisch, wenn sich ein Regierungsmitglied gleichzeitig als Abgeordneter kontrollieren soll. In der Praxis werden Sie deswegen auch kaum eine Anfrage finden, die ein Senatorenabgeordneter an den Senat stellt. Es ist einem Regierungsmitglied auch kaum möglich, sein Abgeordnetenmandat zeitlich auszuüben, geschweige denn als Abgeordneter und nicht als Senator in den Ausschüssen zu arbeiten. Damit schwächt man die Arbeitsfähigkeit der eigenen Fraktion. Das ist so.

Das aus meiner Sicht gewichtigste verfassungsrechtliche Argument für die Trennung von Amt und Mandat besteht aber in einem anderen, inzwischen auch in Berlin bestehenden Grund. Die Senatoren unterstehen als Teil des Kollegialorgans Senat gemäß Artikel 58 Abs. 2 der Verfassung von Berlin der Richtlinienkompetenz des Regierenden Bürgermeisters. Sind sie zugleich Abgeordnete, steht das ganz praktisch in Konflikt mit dem freien Mandat. Hier ist ein Interessenkonflikt insoweit vorprogrammiert, als dass schwerlich erwartete werden kann, dass ein Senator als Abgeordneter zum Beispiel gegen Senatsinitiativen stimmt.

Aus diesen und anderen Gründen hat meine Partei, Die Linke, eine klare Position und Praxis. Wir trennen Amt und Mandat, und das haben zuletzt Klaus Lederer, Elke Breitenbach und Katrin Lompscher unter Beweis gestellt.

[Beifall bei der LINKEN]

Das bedeutet aber nicht, dass wir die Entscheidung der SPD-Senatoren oder auch die von Ramona Pop in Bausch und Bogen verurteilen. Solange wir hier in diesem Haus keine verfassungsändernde Mehrheit für die Trennung von Amt und Mandat haben, entscheidet jedes Mitglied des Abgeordnetenhauses selbst, ob und wann es sein Mandat niederlegt. Diese Koalition hat allein keine solche Mehrheit, und ich zweifle mach den Ausführungen

(Sven Rissmann)

des Kollegen Rissmann von der CDU auch daran, dass sich das in dieser Wahlperiode noch ändert. Damit liegt es also an den Wählerinnen und Wählern,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Genau!]

beim nächsten Mal Parteien und Kandidaten zu wählen, die sich klar, wie wir Linken, für eine Trennung von Amt und Mandat nicht nur aussprechen, sondern auch entsprechend handeln. Es muss also politisch gelöst werden.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das schaffen wir!]

Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Frage, meine zwei Damen und viel zu viele Herren von der AfD. Dieses Thema hat für Sie heute ernsthaft Priorität? Ein Thema das aktuell lediglich fünf Personen betrifft. Zur Gleichstellung von Frauen – einen Tag nach dem Frauentag – kam von Ihnen nur Fünfzigerjahreromantik, kein Wort zum Thema Kinder- und Altersarmut und kein Wort zur Sanierung von Straßen und Brücken. Aber bitte! Machen Sie ruhig so weiter! Unsere Koalition kümmert sich um Probleme, die alle Berlinerinnen und Berliner haben und wird Lösungsvorschläge vortragen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Lachen bei der CDU, der AfD und der FDP]

Noch ein Argument: In Ihrem Antrag kritisieren Sie – das hat Herr Vallendar hier am Pult auch gemacht – die Verschwendung der halben Diäten, die einige Senatoren erhalten. Ich bin in Anbetracht Ihrer mangelhaften Leistung in diesem Haus der Meinung, dass die Diäten, die Sie hier erhalten, eine Steuergeldverschwendung sind. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]