Protocol of the Session on January 30, 2020

Luthe? – Ja!

Herr Luthe! Sie haben das Wort – bitte!

Herzlichen Dank! – Herr Kollege Trefzer! Was die Notwendigkeit angeht, über die Sie gerade sprechen, die ja hier bestritten wird – ist Ihnen bekannt, dass dieser Senat die mit der Muslimbrüderschaft verbandelte Neuköllner Begegnungsstätte im letzten Jahr mit 2 300 Euro über die Landeszentrale für politische Bildung gefördert hat?

[Ronald Gläser (AfD): Unfassbar!]

(Frank Jahnke)

Vielen Dank, Herr Luthe, dass Sie uns noch mal darauf hinweisen!

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Ist das eigentlich Ihr Sprecher?]

Ja, das ist mir bekannt, und das ist hoffentlich auch den Kollegen der Koalition hier bekannt. – Ich meine, es war Herr Sarrazin, der uns gerade vor ein paar Tagen in einem Interview darauf hingewiesen hat, wie eng die Verbandelung der SPD-Führung und muslimischen, fundamentalistischen Kreisen in dieser Stadt ist, und ich finde es in der Tat bedenkenswert vor diesem Hintergrund, lieber Herr Luthe, dass sich Herr Jahnke und die SPD so unverfroren hier hinstellen und sagen: Nein, Antizionismus ist für uns kein Thema!

[Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Sie scheinen nicht zu sehen, Herr Jahnke, wie eng Antizionismus und eben der israelbezogene Antisemitismus miteinander verknüpft sind. Das kann ich Ihnen nur sagen an dieser Stelle!

Ich fahre fort und zähle die Beispiele auf, die die Dringlichkeit dieses Antrags unterstreichen: Ich erinnere hier an die anti-israelische Videosequenz vor dem Brandenburger Tor zum 30. Jahrestag des Mauerfalls, aber auch an den Fall des Berliner Refugee Clubs Impulse, der von den beiden Schwestern Nadia und Maryam Grassmann geleitet wird, deren Familien sich seit Jahren aktiv am alQuds-Marsch beteiligen. Da hätten bei der Kulturprojekte GmbH eigentlich die Alarmglocken angehen müssen. Aber erst nach einer Intervention des American Jewish Committee wurde eine Förderung in Höhe von 100 000 Euro zur Disposition gestellt. – Was sagen Sie dazu, Herr Jahnke?

Ein anderer Fall war der Theatermacher Ahmed Shah und seine kulturelle Intifada, wie er das nannte. Mit seinem Theaterstück „Intifada im Klassenzimmer“ hat Shah die israelische Besatzungspolitik auf infame Art und Weise mit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik in Verbindung gebracht, und auch hier hat es lange gedauert, bis die Förderung auf den Prüfstand gestellt wurde. Auch hier wäre eine klare Erklärung in der Lage gewesen, diese Förderung von Anfang an auszuschließen.

Ich glaube, wir sind uns einig, dass sich diese Dinge nicht wiederholen dürfen. Dafür ist der vorliegende Antrag nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein erster Schritt. Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht – ich hoffe, er liegt hier auch vor –, in dem wir auf eine Schwachstelle des vorliegenden Antrags hinweisen, denn bei Zuwendungen zeigt sich das Problem, dass Verstöße gegen die Grundsätze der Zuwendungsvergabe oftmals nicht durch die direkten Zuwendungsempfänger, sondern durch deren Projektpartner erfolgen. Mit unserem Änderungsantrag, der nur aus einem einzigen Satz besteht,

wollen wir erreichen, dass auch die Projektpartner der Zuwendungsempfänger stärker in die Pflicht genommen werden, denn ohne die explizite Verpflichtung der Zuwendungsempfänger, sich gewissenhaft über ihre Projektpartner zu informieren, bliebe die Verpflichtung ein zahnloser Tiger. Deshalb bitte ich Sie, unserem notwendigen Änderungsantrag und dem Antrag Ihre Zustimmung zu erteilen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Helm.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Wir beraten diesen Antrag jetzt in der dritten Runde. Wir haben in der ersten Lesung im Plenum darüber geredet, wir haben im Kulturausschuss darüber geredet, und jetzt tun wir es erneut. Was die antragstellende Fraktion offenbar noch nicht zur Kenntnis genommen hat, ist, dass das Anliegen des Antrags in der Landeskonzeption bereits umgesetzt ist, und zwar auf unseren gemeinsamen Antrag hin.

[Martin Trefzer (AfD): Das stimmt doch nicht!]

Wir haben hier einen überfraktionellen Antrag beschlossen, in dem wir die Senatsverwaltung dazu aufgerufen haben, sicherzustellen, dass antisemitische Organisationen und selbstverständlich auch Organisationen des israelbezogenen Antisemitismus keine Räumlichkeiten und auch keine Gelder zur Verfügung gestellt bekommen. Der Kultursenat hat eine entsprechende Umsetzung in der Landeskonzeption verankert und jegliche Nutzung von Geldern für beispielsweise Antisemitismus ausgeschlossen. Und was wir unter Antisemitismus verstehen, darauf haben wir uns hier gemeinsam geeinigt. Unsere Definition schließt eindeutig den israelbezogenen Antisemitismus mit ein.

Deswegen möchte ich Sie bitten, auf unseren gemeinsamen Weg zurückzufinden, Antisemitismus gemeinsam zu bekämpfen, auch zusammen mit unseren zivilgesellschaftlichen Partnerinnen und Partnern wie RIAS.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Seibeld?

Nein, herzlichen Dank! Das können wir gerne ein anderes Mal klären. Hierzu haben wir ja nun wirklich schon lange genug miteinander diskutiert. – Auch unseren Partnern

wie RIAS hilft dieser Antrag nicht, sondern es ist die nun neue Praxis. Ich bin gespannt, wie sie sich bewährt, aber ich muss auch sagen: All die Beispiele, die Sie bisher aufgezählt haben, sind solche, bei denen die Senatsverwaltung tätig geworden ist.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Marcel Luthe (FDP): Muslimbruderschaft!]

Deswegen: Lassen Sie uns weiterhin den gemeinsamen Weg beschreiten! Ich hoffe, das wird uns gelingen, um Antisemitismus erfolgreich in dieser Stadt zu bekämpfen, vor allem durch die Förderung von Präventionsprogrammen und die kluge Auswahl unserer Partnerinnen und Partner bei diesem Kampf. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Die CDU-Fraktion hat eine Zwischenbemerkung angemeldet. – Frau Seibeld! Sie haben das Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Helm! Wie erklären Sie sich, nach dem, was Sie gerade gesagt haben, den Beitrag Ihres Kollegen Jahnke, der gesagt hat, er halte es für eine Vorverurteilung, es sei unzumutbar, und deswegen könne man den Forderungen nicht zustimmen – wenn das Ganze in diesem Haus schon gemeinsam und fraktionsübergreifend beschlossen worden ist? Das scheint mir nicht zusammenzupassen. Entweder ist es eine Vorverurteilung und unzumutbar, oder wir haben das Ganze miteinander schon beschlossen.

[Zuruf von Anne Helm (LINKE)]

Im Übrigen haben wir keinesfalls gemeinsam beschlossen, dass die drei Punkte, die hier enthalten sind, über den Kulturbereich hinaus auch für die Jugendarbeit, die Familienarbeit, die Extremismusbekämpfung, die politische Bildung und andere Fragen gelten sollen. Den Widerspruch in Ihrer Koalition, den müssten Sie vielleicht mal auflösen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Kluckert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Frau Seibeld! Keine Antwort ist auch eine Antwort, kann ich darauf nur sagen.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Es ist jetzt übrigens 20.15 Uhr. Wir tagen erstmals länger. Das gibt mir die Gelegenheit, die Zuschauer, die nach der „Tagesschau“ hier reingezappt haben, zu begrüßen. Endlich mal ein vernünftiges Fernsehprogramm am Donnerstagabend, herzlich willkommen!

[Vereinzelter Beifall und Heiterkeit]

Zurück zu dem ernsten Thema! Vor drei Tagen, am 27. Januar, haben sich viele prominente Verbände, Organisationen und auch Parteien an der internationalen Aktion „Remember“ beteiligt, bei der der Opfer des Nationalsozialismus und der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedacht wurde. Auch wir als FDP-Fraktion haben uns selbstverständlich dieser Aktion angeschlossen. Bei dem Gedenktag geht es zum einen darum, der Befreiung und der Opfer zu gedenken, zum anderen geht es darum, an die deutsche Verantwortung für die Ermordung von 6 Millionen Juden zur Nazizeit zu erinnern. Für uns Liberale gehört zur Wahrnehmung dieser Verantwortung auch die uneingeschränkte Anerkennung des Existenzrechts Israels. Für uns gehört auch dazu, die freiheitlich demokratische Grundordnung unseres Landes zu respektieren. Beides ist für uns Liberale unverhandelbar.

[Beifall bei der FDP]

Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland müssen mit aller Entschlossenheit und mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaates bekämpft werden. Da passt es nicht, dass antisemitisches Gedankengut mit öffentlichen Fördergeldern der Berliner Verwaltung unterstützt und vorangetrieben wird. Wir können nicht auf der einen Seite eine Zunahme antisemitischer Straftaten in unserer Stadt beklagen, auf der anderen Seite aber Vereine mit öffentlichen Geldern finanzieren, die genau dieses antisemitische Gedankengut propagieren.

[Beifall bei der FDP]

Wir können uns nicht auf der einen Seite über einen Angriff auf einen jungen Mann mit Kippa in unserer Stadt empören, auf der anderen Seite aber durch die Kulturförderung dem Hass Öl ins Feuer gießen durch antisemitische Videoprojektionen zur Mauerfallfeier am Brandenburger Tor.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass diejenigen, die auf Kosten der Gesellschaft Fördergelder erhalten, auch die Regeln und Werte unserer Gesellschaft achten und respektieren. Für uns ist das uneingeschränkte Existenzrecht Israels nicht verhandelbar. Menschen, die das anders sehen, sind für uns auch nicht durch Steuergelder unterstützbar, weder durch die Kulturförderung, noch durch andere Förderungen des Landes Berlin. Deswegen werden wir dem CDU-Antrag zustimmen. – Vielen Dank!

(Anne Helm)

[Beifall bei der FDP und der CDU – Beifall von Franz Kerker (AfD), Tommy Tabor (AfD) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Jarasch. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns vor zwei Jahren fraktionsübergreifend auf den Weg gemacht und nach intensiven Diskussionen mit der jüdischen Community einen Antrag beschlossen, der den Antisemitismus umfassend und in allen seinen Formen bekämpfen will. Er ist die Grundlage für das Konzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismusprävention, das der Senat im letzten Jahr vorgelegt hat und das neben vielen anderen Maßnahmen auch vorsieht, keine Räume an Sympathisanten der BDSBewegung und keine Zuwendungsgelder an Empfänger zu vergeben, die in irgendeiner Weise antisemitisch agieren.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Das Entstehen dieses Antrags ist ungewöhnlich. Es ist aber der Thematik angemessen, dass wir das so fraktionsübergreifend gemacht haben. Wir haben danach sogar eine interfraktionelle Anfrage mit fünf der sechs Fraktionen in diesem Haus zur Erfassung und Verfolgung antisemitischer Straftaten gestellt. Wir wollen auch an diesem Thema gemeinsam dranbleiben. Auch das ist ungewöhnlich. Es ist gut, solange es der Ausdruck einer wirklich gemeinsamen demokratischen Überzeugung ist, die man sich irgendwann auch gegenseitig glaubt. Aber, dass die CDU in derselben Woche, in der wir 75 Jahre Befreiung von Ausschwitz gedacht und vielleicht zum letzten Mal bewegende Worte der Überlebenden der Vernichtungslager gehört haben, diesen Antrag einbringt, und uns damit wieder eine Debatte aufzwingt, die suggeriert, Antisemitismus sei vor allem ein Problem, das mit dem Nahostkonflikt zu tun hat, lässt bei mir ernsthafte Zweifel aufkommen, ob es uns allen mit der Bekämpfung des Antisemitismus in allen Formen so ernst ist, wie es der gemeinsame Beschluss letzten Jahres nahelegt.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wenig Zweifel über die eigentliche Gesinnung habe ich dagegen bei dem Dreieck: Sarrazin, Luthe, AfD, das sich hier munter die Bälle zuspielt, sobald es gegen Muslime geht.