Protocol of the Session on September 26, 2019

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Helm! Selbstverständlich arbeiten wir mit voller Intensität an der Aufklärung dieser mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Straftaten. Diese Besondere Aufbauorganisation Fokus hat die Polizei im Landeskriminalamt im Mai dieses Jahres eingerichtet. Sie arbeitet im Kern mit 15 Mitarbeitenden. Besondere Aufbauorganisationen sind immer so beschaffen, dass sie personell aufwachsen können und dann wieder, wenn es weniger Arbeitsbedarfe gibt, auch schrumpfen können. Im Moment ist die Situation so, dass 15 Beschäftigte in der BAO arbeiten. Wir haben aber noch einige besonders zeitintensive Auswertungen von Datenträgern, die bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt worden sind, vor uns. Wenn diese Datenmengen vorliegen, werden wir wieder mehr Personal brauchen. Dann wird also die Organisation entsprechend aufwachsen. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass es uns gelingt, dort Beweise zu finden, die dann zur Ergreifung der Täter führen. Daran arbeiten wir intensiv.

Vielen Dank! – Frau Helm! Wünschen Sie eine Nachfrage zu stellen? – Dann bekommen Sie das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Herr Senator, für die Ausführungen! Ich habe die Nachfrage, wie sich das mit der Unabhängigkeit und dem angekündigten „neue Augen Prinzip“ der Ermittlungseinheit verträgt, dass die EG Resin in der BAO Fokus quasi aufgegangen ist.

Bitte schön, Herr Senator!

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

Frau Helm! Wir haben diese BAO Fokus unabhängig vom Staatsschutz eingesetzt und haben dafür gesorgt, dass Kolleginnen und Kollegen in dieser Besonderen Aufbauorganisation arbeiten, die bisher noch nicht mit den Vorgängen befasst waren, um durch diesen Blick – quasi von außen – bewerten zu können, ob in den vergangenen Jahren womöglich Spuren übersehen worden sind oder ob aus bisher schon eingestellten Ermittlungsverfahren, die wir uns alle nochmals anschauen, die vergangenen 15 Jahre, Hinweise zu übernehmen sind, die zur Aufklärung von heutigen Straftaten führen. Ich habe das schon bei verschiedenen Gelegenheiten so genannt: lose Enden miteinander verknüpfen. Das soll gerade der Blick von außen leisten. Die EG Resin arbeitet genauso wie die Ermittlungsgruppe Rex bei der örtlichen Polizeidirektion weiter an der Verhinderung neuer Straftaten, aber die retrospektive Bewertung wird von der BAO Fokus vorgenommen.

Die zweite Nachfrage geht an Herrn Schrader von der Fraktion Die Linke.

Vielen Dank! – Herr Senator! Ich habe noch eine Nachfrage: Aus der Antwort auf die Anfrage von Frau Helm und mir ging hervor, dass Teile der BAO Fokus auch Dienstkräfte der Pressestelle der Berliner Polizei sind. Können Sie uns noch einmal erläutern, welche konkrete Aufgabe sie in dieser BAO haben, ob sie auch mit ermitteln oder ob sie eher Presseerklärungen machen und warum die Polizei der Presse auf Anfrage nicht mitteilen wollte, wie viele das denn sind?

Herr Senator!

Na ja, Herr Abgeordneter Schrader! Zu viele Details wollen wir nicht preisgeben, aber wir wissen doch alle, dass rechtsextremistische Straftaten in Neukölln besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren und dass es Demonstrationen vor dem Polizeipräsidium gibt, dass es immer wieder Artikel gibt und dass sich auch Landesparteitage hier in Berlin tätiger Parteien mit dieser Thematik beschäftigen. Insofern ist es doch logisch nachvollziehbar, dass die Polizei dann mit Fachleuten die Frage bewertet, wie wir das öffentlich kommunizieren, und insofern ist dann auch die Pressestelle beteiligt. Das sind aber nicht die Kolleginnen und Kollegen, die an der Aufklärung der Taten arbeiten, sondern in der Frage: Wie kommunizieren wir das öffentlich, ohne zu viel Insiderwissen

bekanntzugeben und damit die Ermittlungserfolge zu gefährden?

Dann kommen wir jetzt zu den Grünen. – Frau Bangert! Bitte schön, Sie haben das Wort, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat vor dem Hintergrund der bundesweit abflachenden Konjunktur: Wie bewertet der Senat die wirtschaftliche Situation und Entwicklung Berlins?

[Ronald Gläser (AfD): Ganz toll!]

Frau Senatorin Pop!

[Florian Swyter (FDP): Die nächste abgelesene Antwort! – Zuruf von Oliver Friederici (CDU)]

Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Die Frage ist berechtigt, weil wir ja durch die Krisenmeldungen – –

[Oliver Friederici (CDU): In dem Senat immer!]

Warum müssen sie eigentlich immer dazwischenrufen, wenn man gerade zwei Worte gesagt hat? Haben Sie keine Kinderstube?

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von Oliver Friederici (CDU), Marcel Luthe (FDP) und Paul Fresdorf (FDP)]

Die Sorgen sind durchaus berechtigt, weil sich bundesweit eine stark abflachende Konjunktur andeutet. Durch den Brexit – das Chaos wird von Tag zu Tag immer irrer,

[Holger Krestel (FDP): Kein Wunder bei dem Senat!]

das wir uns aus der Ferne in London anschauen müs- sen –,

[Gunnar Lindemann (AfD): Das Chaos in diesem Senat wird immer größer!]

aber auch durch die globalen Handelskriege, die schon begonnen haben, droht die bundesweite Konjunktur abzuflachen. Der Bund rechnet mit rund 0,4 Prozent Wachstum für dieses erste halbe Jahr.

Berlin dagegen, und das ist die gute Nachricht, hat weiterhin eine sehr dynamische Konjunktur. Die Zahlen des Statistischen Bundesamts liegen seit zwei Tagen vor: Berlin hat für das erste Halbjahr ein Wachstum von 1,9 Prozent zu verzeichnen. Das ist eine gute Nachricht

für die Stadt, dass wir wirklich zum sechsten oder siebten Mal in Folge bundesweit deutlich an der Spitze des Wirtschaftswachstums liegen und den Bund auch deutlich überrundet haben. Das ist insbesondere deswegen eine gute Nachricht, weil damit einhergeht, dass Arbeitsplätze geschaffen werden. Allein seit Amtsantritt der Regierung sind über 120 000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Berlin entstanden, und der Trend ist weiterhin ungebrochen.

[Holger Krestel (FDP): Wie viele sind denn verschwunden? – Georg Pazderski (AfD): Vor allem: In welchen Sektoren sind die entstanden?]

Wenn man beispielsweise den Juli dieses Jahres betrachtet, sind im Vergleich zum Juli des Vorjahres 50 000 neue Arbeitsplätze hinzugekommen. Damit geht auch eine positive Einkommensentwicklung einher. In den letzten beiden Jahren ist das Einkommen in Berlin im Bundesvergleich am meisten gestiegen. Das braucht die Stadt auch. Wir wissen ja, dass Berlin wirtschaftlich aus einem ziemlich tiefen Keller kommt, durch die Teilung der Stadt und auch nach der Wiedervereinigung – der Verlust von Industriearbeitsplätzen, der hier stattgefunden hat, und die wirtschaftlich schlechten Daten der Nullerjahre in Berlin. Ab dann hat die Konjunktur ja, Gott sei Dank, angezogen. Wir kommen sozusagen aus einem tiefen Keller, und die Stadt braucht sowohl die guten Arbeitsplätze als auch die Lohnzuwächse. Dass das natürlich alles noch Luft nach oben hat und parallel zu der Entwicklung auf dem Mietenmarkt natürlich nicht ausreichend ist, das ist, glaube ich, jedem klar. Deswegen muss die wirtschaftliche Entwicklung in Berlin weitergehen, und dafür tun wir auch einiges. Lassen Sie mich einen Hinweis geben!

Die Stärke der Berliner Wirtschaft, dass sie eben diesen Krisen trotzt, liegt einerseits darin, dass wir nicht so stark exportorientiert sind, und auf der anderen Seite in der Digitalwirtschaft, die sehr international aufgestellt ist. Das heißt, sozusagen die Offenheit der Stadt, die Internationalität der Stadt, hilft uns sehr, Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Talente aus aller Welt kommen nach Berlin, das befeuert unsere Digitalwirtschaft, die der größte Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Stadt ist – und auch hier wieder eine Zahl, weil es ja immer wieder diejenigen gibt, die Berlin schlechtreden,

[Zuruf von Carsten Ubbelohde (AfD)]

nicht nur eine Zahl zum Wirtschaftswachstum, sondern eine Zahl zu Investitionen, weil auch immer wieder gern behauptet wird, in Berlin würde keiner mehr investieren: Im ersten Halbjahr 2019 sind laut EY-Report, den sie halbjährlich machen, über zwei Milliarden Euro nach Berlin geflossen, als Venture Capital, als Investition in die Digitalwirtschaft. Das ist ungefähr so viel, wie im gesamten letzten Jahr nach Berlin geflossen ist. Das heißt, da sehen wir auch eine Steigerung von Investitionen. Auch etliche Unternehmen, u.a. SAP, haben ange

kündigt, hier weitere Hunderte von Arbeitsplätzen zu schaffen.

Ich würde gern alle auffordern, die Stadt nicht schlechtzureden, sondern das zu sehen, was hier in der Stadt von den Unternehmern und Unternehmerinnen, von den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen geleistet wird, um die wirtschaftliche Entwicklung weiterhin so dynamisch zu halten, was der Stadt sehr gut tut.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Dann darf ich fragen: Frau Bangert, wünschen Sie eine Nachfrage zu stellen?

Ja! – Vielen Dank, Frau Senatorin Pop!

[Holger Krestel (FDP): Jetzt kommt der zweite Teil der Frage! – Georg Pazderski (AfD): Genau!]

Stichwort „Schaffung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen“: Wie bewerten Sie den Bereich, das Cluster Urban Tech? Dazu hat ja gestern die jährliche Konferenz im Radialsystem stattgefunden. Wie bewerten Sie diesen Bereich hinsichtlich der Schaffung und Potenziale von Arbeitsplätzen in Berlin?

[Paul Fresdorf (FDP): Jetzt kommt Antwort B!]

Bitte schön, Frau Senatorin!

Wir haben uns gestern auf der jährlichen Wirtschaftskonferenz mit dem Thema „Industrie in der Stadt“ beschäftigt, und ja, auch die Industrie in Berlin ist nach langen Jahren der Stagnation auf einem moderaten Wachstumskurs. Siemens hat gestern erst erklärt, dass doch nicht so viele Stellen abgebaut werden wie geplant. Es wird beharrlich an dem Thema Industrie in der Stadt gearbeitet: mit dem Steuerungskreis Industriepolitik beim Regierenden Bürgermeister, auch mit allen relevanten Akteuren, mit dem Masterplan Industrie, den meine Verwaltung aufgesetzt und in den letzten Monaten auch umgesetzt hat und der natürlich weiter in die Umsetzung geht. Wir haben nicht nur den Campus Siemensstadt in Spandau, wir haben beispielsweise in Tempelhof mit Schindler eine riesige Investition im Bereich Produktion in industrielle Arbeitsplätze.

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

Auch da zeichnet sich so etwas wie eine Renaissance der industriellen Produktion in der Stadt ab. Diese sieht etwas anders aus, als Industrie früher aussah. Es geht nicht mehr um die rauchenden Schlote, es geht tatsächlich um moderne Technologien, die zu neuen Produktionsmöglichkeiten und -ketten führen. Als Beispiel möchte ich das Thema additive Fertigung anbringen: Im Marienpark entsteht ein großer Campus unter der Überschrift: „Mobility goes Additive“, getriggert durch die Deutsche Bahn, die dort ein Rieseninvestment macht. Auf 360 000 Quadratmetern werden sich Unternehmen des 3D-Drucks ansiedeln, heute bereits schon dort vor Ort. Das zeigt eben auch, dass industrielle Produktion in der Stadt auch in kleinen Stückzahlen möglich sein wird und möglich ist. Wir haben mit BigRep beispielsweise ein inzwischen weltweit sehr anerkanntes Unternehmen, das 3D-Druck aus Berlin in die Welt bringt. Wir sehen, dass die modernen Industrien in der Stadt, die Themen Mobilität und Energie, die wir natürlich auch bei unseren Clustern gesetzt haben, in Verbindung mit den Zukunftsorten und eben auch das Thema Industrie und die Rückkehr der Industrie in die Stadt inzwischen auch erfolgreich sind.

Wir sehen hier Umsatzwachstum, und das ist gut so, weil wir wissen, dass die Arbeitsplätze gut bezahlt sind. Deswegen setzen wir sehr stark darauf. Gestern auf der Konferenz, und damit schließe ich, berichtete ein Speaker aus den USA, aus New York: Früher wollten wir alle wie San Francisco werden, nämlich rein Software- und Dienstleistungsmetropole. Heute fürchten wir uns alle davor, wie San Francisco zu werden, aufgrund des Preisanstiegs, und deswegen setzen wir sehr stark auf die Verknüpfung von digital und Industrie, um gute neue Arbeitsplätze hier schaffen zu können.

Vielen Dank! – Die zweite Nachfrage geht jetzt an Herrn Kollegen Luthe von der FDP. – Bitte schön!

Herzlichen Dank! – Da Sie gerade auf diese spontane Frage so ausführlich abgelesen haben, würde mich interessieren: Wann ist diese Frage mit Ihnen abgesprochen worden?

[Heiterkeit bei der FDP, der CDU und der AfD]

Frau Senatorin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Luthe! Es wird Sie überraschen, weil Sie das vermutlich nicht kennen, dass wir uns tatsächlich auf diese Fragestunde

vorbereiten, auf Themen, die aktuell sind. Ich glaube, es ist hilfreich für alle, wenn man die Zahlen tatsächlich hier passgenau zur Hand hat, und deswegen gucke ich ab und zu auf einen Zettel. Mir ist das nicht peinlich. Lieber etwas mehr Kenntnis haben und handfeste Zettel dabei haben, als kenntnislos zu schwadronieren. Das ist nicht so mein Ding.