Protocol of the Session on September 26, 2019

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Kollege Dr. Nelken das Wort.

[Stefan Förster (FDP): Jetzt kommt die Marx-Engels-Gesamtausgabe!]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden hier zum zweiten Mal über diesen Antrag der FDP-Fraktion, und zwar überflüssigerweise. Ich fange mal damit an, was ich am Ende meiner Rede in der ersten Lesung gesagt habe: Der FDP Antrag ist nicht nur ohne Turbo, sondern – im Gegenteil – von mangelnder fachlicher Qualität. Sie entschleunigen damit die Parlamentsarbeit.

Was jetzt Herr Gräff gesagt hat, setzt – außer, dass er sich versprochen hat, nehmen wir es einmal hin – dem Ganzen die Krone auf, indem er über etwas ganz anderes geredet hat, als Sie beantragt haben.

Kommen wir zu Ihrem Antrag zurück, Herr Czaja, und auch zu Ihrer Kurzintervention. Ich denke einfach, Berlin wird – musterbauordnungstreu wie immer – in der nächsten Novelle die Typenbaugenehmigung aufnehmen. Das ist völlig unstrittig und gar kein Problem.

[Sebastian Czaja (FDP): Aha!]

Alles, was Sie sonst dazu sagen, ist grundsätzlich falsch. Ich frage mich, Herr Czaja, Sie sind doch kein bauvorlagenberechtigter Ingenieur oder Architekt.

[Sebastian Czaja (FDP): Stimmt!]

Aber Sie arbeiten als Projektentwickler. Dann hätten Sie doch mal in Ihrer Firma die Kollegen fragen können, wie in Berlin ein Gebäude im Hochbau genehmigt wird. Das, was Sie hier erzählt haben, hat mit der Baugenehmigungsrealität und den Verfahren nichts zu tun. Die Behauptung, die Sie uns hier unterjubeln wollen, durch eine Typenbaugenehmigung würden die Baugenehmigungsverfahren beschleunigt, stimmt überhaupt nicht.

[Sebastian Czaja (FDP): Doch!]

Wenn Sie ein Gebäude mit Typenbaugenehmigung in Treptow genehmigt bekommen haben, dann können Sie dafür in Wilmersdorf oder Köpenick dafür keine Baugenehmigung bekommen. Könnten Sie nicht. Denn was ist eine Baugenehmigung?

[Zurufe von der FDP]

Was ist eine Baugenehmigung?

[Steffen Zillich (LINKE): Was ist eine Baugenehmigung? Zuhören!]

Hören Sie doch mal zu! – Was ist eine Baugenehmigung? – Der Baukörper insgesamt, der wird sowieso nicht im Baugenehmigungsverfahren geprüft, sondern was heute, nach den jahrelangen Deregulierungen, die Sie gemacht haben, von einer Genehmigungsbehörde genehmigt wird: Sie reichen das ein, von einem vorlageberechtigten Architekten geprüft – der muss das dann auch unterzeichnen, dass der Baukörper nach Recht und Ordnung erstellt wird –, dann müssen Sie den Statiker zureichen, dann müssen Sie das Brandschutzgutachten zureichen, und

dann erst geht das Genehmigungsverfahren zum Planungsrecht und zu allen anderen Behörden.

[Sebastian Czaja (FDP): Erklären Sie mir mal, wie es anderswo geht!]

Nein, jetzt hören Sie mal zu! – Für die erste Prüfung der Vollständigkeit der Unterlagen hat die Baugenehmigungsbehörde zwei Wochen Zeit. Dann beteiligen sie die anderen Bereiche. Das müssen Sie bei jeder Baugenehmigung, auch bei der Typenbaugenehmigung, machen.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Ach, was!]

Und wenn alle Zuarbeiten zurückkommen, haben die vier Wochen Zeit, um die Genehmigung zu erteilen. Daran ändert sich überhaupt nichts, wenn Sie eine Typenbaugenehmigung abgeben. Denn sowohl in Treptow als auch in Köpenick oder Charlottenburg brauchen Sie die planungsrechtliche Einordnung, brauchen Sie die Zustimmung der unteren Straßenverkehrsbehörde, brauchen Sie Grundwassersachen. Also, Sie brauchen alles Mögliche, was Sie jetzt auch brauchen, genauso. Das Einzige, was Sie vielleicht nicht brauchen würden, ist die bautechnische Begutachtung des Gebäudes selber. Aber diese prüft das Amt auch gar nicht. Der vorlageberechtigte Ingenieur, der einreicht, muss mit seiner Unterschrift bestätigen, dass es allen Vorschriften entspricht. Sie haben hier also ziemlichen Mist erzählt! – Entschuldigung!

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Baurecht und Bauordnungsrecht sollte man kennen, bevor man etwas aufschreibt!]

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fresdorf?

Ich komme zum Schluss. Sie haben hier sehr fern von der Sache geredet, obwohl Sie es eigentlich besser wissen sollten.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN

der SPD und den GRÜNEN –

Wir machen das noch mal

zusammen, bauen! –

Zuruf von der LINKEN –

Ihr baut doch gar nicht

in der Stadt!]

Dann hat für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Laatsch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Lieber Herr Czaja! Wie gerne würde ich Ihnen zustimmen, aber

leider liegen Sie hier – wie Ihnen jetzt schon mehrere erklärt haben – völlig daneben. Wir haben in Berlin das Bauanzeigeverfahren. Das heißt, widerspricht die Behörde nicht binnen vier Wochen, ist die Baugenehmigung erteilt. Insofern bedarf es einer solchen Beschleunigung an der Stelle überhaupt nicht. Es ist also nicht richtig, dass man in Berlin nicht zügig bauen könnte. Ich denke, da haben wir ganz andere Hindernisse.

Die Grenzen des derzeitigen Verfahrens liegen in der Definition „Sonderbauten“. Was sind Sonderbauten, geregelt in § 63 Bauordnung? – Sie beginnen bei 1 600 Quadratmeter Bruttogeschossfläche und 22 Metern Traufhöhe. Das heißt nichts anderes, als dass alles, was darunter liegt, unter die Regelung fällt, die ich Ihnen gerade erklärt habe. Was heißt das jetzt konkret? Was für ein Gebäude kann ich hinstellen? – Das ist ein Haus mit fünf Etagen und drei Wohnungen à 80 Quadratmeter pro Etage. Das heißt, bei 15 Wohnungen à 80 Quadratmeter brauche ich überhaupt kein besonderes Genehmigungsverfahren. Da mache ich eine Bauanzeige, und wenn die Behörde nach vier Wochen nicht reagiert hat – wie wir das hier in Berlin gewohnt sind –, ist das Ding schon genehmigt. Von daher ist das gar nicht notwendig.

Die nächste Begrenzung ist in § 62 Bauordnung geregelt, die Begrenzung auf 2 500 Quadratmeter Bruttogrundfläche für das Projekt insgesamt. Das bedeutet, ich kann mit diesem Bauanzeigeverfahren acht Objekte dieser Art bauen – ein bisschen kleiner muss ich sie machen, ein paar Zentimeter –, acht Häuser à 15 Wohnungen à 80 Quadratmeter. Das sind 120 Wohnungen à 80 Quadratmeter, die ich ohne Weiteres mit einem Bauanzeigeverfahren bauen kann. Das dient also nicht der Beschleunigung. Ich glaube, die Stolpersteine liegen in Berlin an ganz anderen Stellen, unter anderem in der Bauplanwut, die hier ausgebrochen ist und die das Bauen mit allerlei Auflagen belegt, zum Beispiel, dass neuerdings nicht mehr der Staat für die Vorsorge zuständig ist, sondern der Bauherr, was ich eine ganz schräge Vorstellung finde.

Herr Czaja! In diesem Sinne finden wir ganz bestimmt in nächster Zeit eine Lösung. Was wir unbedingt machen müssen, ist, die Bauordnung zu entrümpeln. Da bin ich absolut bei Ihnen. Wir müssen dafür sorgen, dass Bauen günstiger wird, dass Bauen schneller geht. Auch in der nächsten Bauordnung – wir haben es gerade gehört – gibt es schon Typenbaugenehmigungen. Das ist ja im Moment Standard in Deutschland, dass man das so macht. In diesem Sinne wird das ganz bestimmt kommen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir die Bauordnung entrümpeln und dass wir das schnellstmöglich durchziehen.

Was wir nicht mittragen können, Herr Czaja, ist paralleles Recht. Das erleben wir jetzt schon bei den MUFs. Jeder ordentliche Berliner muss seinen Bauantrag stellen und den gesamten Weg durch die Institutionen in dieser

(Dr. Michail Nelken)

Stadt gehen, nur wenn man MUFs baut, also für Menschen, die nicht aus Berlin kommen, dann geht das alles schneller. Das wollen wir nicht!

[Beifall bei der AfD]

Herr Czaja! Wir finden ganz sicherlich eine Lösung. Ich freue mich schon darauf, wenn wir gemeinsam daran arbeiten. – Bis dahin herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Otto das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und zu Hause an den Geräten! Es geht um die Turbo-Baugenehmigung für Berlin. Hier hat sich eine Fraktion, in dem Fall die FDP, darüber Gedanken gemacht, wie man schneller bauen kann. Das ist sehr löblich. Das ist auch unser Ziel. Und jetzt ist die Frage, wie wir dorthin kommen.

Was ist eine Typengenehmigung? – Sie wollen Typengenehmigungen einführen. Das Stichwort ist hier referenzielle Baugenehmigung. Das bedeutet – da hat auch schon der Kollegen Nelken viel Richtiges gesagt –, dass man ein Gebäude von einer Behörde genehmigen lässt, und dieses Gebäude ist dann auch an anderen Orten – man muss natürlich immer die Randbedingungen vor Ort beachten; das ist völlig korrekt gesagt worden – so aufstellbar.

Wir haben das bereits für die Standsicherheit. Das steht in § 66 Berliner Bauordnung:

Einer bauaufsichtlichen Prüfung bedarf es ferner nicht, soweit für das Bauvorhaben Standsicherheitsnachweise vorliegen, die von einem Prüfamt für Standsicherheit allgemein geprüft sind (Typenprüfung); Typenprüfungen anderer Länder gelten auch im Land Berlin.

Also, für die Standsicherheit haben wir das schon. Die Gebäude, die woanders nicht umfallen, werden auch in Berlin nicht umfallen. Das ist schon mal ein Fortschritt.

[Beifall von Daniela Billig (GRÜNE)]

Aber Typengenehmigung, wie das hier diskutiert wird, ist mehr. Das würde über die Standsicherheit hinaus vielleicht auch den Brandschutz, die Haustechnik, die Barrierefreiheit und alles Mögliche andere umfassen. Das lässt man einmal genehmigen, und schon hat man die Unterlage dazu und einen Stempel von einer Behörde, möglicherweise auch in einem anderen Bundesland, und dann darf man es in Berlin bauen. Das ist eine gute Vorstel

lung. Und ich bin mir sicher, nachdem das in der Musterbauordnung und in einigen anderen Landesbauordnungen aufgetaucht ist, könnte und sollte das auch in Berlin in die Bauordnung eingehen.