Protocol of the Session on May 17, 2018

Unser größtes Problem ist und bleibt, dass die vielen guten Maßnahmen leider nicht in der Praxis greifen, weil die Fachkräfte fehlen. Das stimmt, das Problem kennen wir. Das ist tragisch. Wir dürfen uns bei der Erhöhung der Attraktivität des Berufs wohl nicht zu sehr auf den Bund verlassen. Da ist die Summe für „Gute Kita“ ja abgeschmolzen von 9 auf 3,5 Milliarden Euro. Da können wir als Land Berlin nicht allzu viel erwarten, müssen weiter initiativ sein. Das passiert ja auch. Die Senatorin hat eine Fachkräfteinitiative auf Bundesebene initiiert. Das wäre auch wichtig. Wir müssen den Beruf und die Ausbildung attraktiver machen, und wir müssen neben Maßnahmen für bessere Rahmenbedingungen, die jetzt nämlich langsam ausgeknietscht sind, endlich eine angemessene Bezahlung erreichen, sonst wird es nichts mit dem Recht auf frühe Bildung für alle. Das ist das, was jetzt ganz oben auf der Tagesordnung steht. Wir werden uns gut auf die Tarifverhandlungen Anfang nächsten Jahres vorbereiten und alles versuchen, um auch für die Sozial- und Erziehungsberufe endlich mal ein angemessenes Gehalt zu erwirken. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat Frau Bießmann das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In Berlin hat es sich dank langer Vorherrschaft links-grüner Ideen schon lange ausgequietscht. Sexy war Berlin vielleicht mal im Auge wohlwollender Betrachter, arm sind wir immer noch. Und der Senat vergeht sich nicht nur an der bröckelnden Infrastruktur, die wir von Schlagloch zu Schlagloch fahrend täglich spüren dürfen, es knirscht auch mächtig im Gebälk der Verwaltungen.

Und Personal fehlt, wohin man nur schaut. Der heutige Erziehermangel ist nicht durch eine Naturgewalt über uns gekommen, er ist Zeichen von Missmanagement und Kurzsichtigkeit. Kitas und Schulen klagen nicht erst seit ein paar Jahren über fehlendes Erzieherpersonal.

[Beifall und Bravo! bei der AfD]

Da drängt sich einem schon die Frage auf, wozu demografische Entwicklungen überhaupt erforscht werden, wenn aus den Ergebnissen wissenschaftlicher Arbeit keine Schlüsse gezogen werden. Wie wir heute wissen, lässt sich der Erziehermangel nicht kurzfristig beheben. Dazu bedarf es eines großen Maßnahmenpakets, bei dem eine bessere Bezahlung nur eine Stellschraube ist. Immer mehr Bürokratie führt dazu, Erzieher und Kitaleitungen zu Tätigkeiten zu nötigen, die sie von der pädagogischen Betreuung unserer Kinder abhalten. Kitaleitungen klagen über den Arbeitsdruck durch bürokratische Aufgaben, die in der Gänze ihrer Notwendigkeit einer Prüfung unterzogen werden müssen, und Prozesse müssen auf ihre Effizienz überprüft werden.

Absehbar ist, dass der Mangel an Erziehern sich weder kurz- noch mittelfristig lösen lässt, die Kitaleitungen könnten durch die Einstellung kaufmännischer Angestellter sofort und vergleichsweise unkompliziert entlastet werden. Hier ist nur wichtig, dass es sich um eine zusätzliche Planstelle im Kitabetrieb handelt, und diese sollte je nach Anzahl der zu betreuenden Kinder gestaffelt sein. Eine halbe Stelle ist selbst bei kleinen Kitas mit 50 Kindern zu gewähren, dreiviertel oder volle Stellen sind bei einer höheren Anzahl von zu betreuenden Kindern angezeigt. Der von nichtpädagogischen Tätigkeiten befreiten Kitaleitung würde dann mehr Zeit für die Leitung des Teams und die direkte Arbeit mit den Kindern zur Verfügung stehen. Daher: Bürokratische Prozesse evaluieren und optimieren und kaufmännische Kräfte einstellen! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die Grünen hat Frau Burkert-Eulitz das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Nachricht der FDP zur Behebung der Kitakrise ist also die, dass wir die Kitaleitungen jetzt durch Bürokaufmänner und -frauen ersetzen und dass Kitaleitung, nämlich pädagogische Arbeit, Gespräche mit den Eltern – ich wiederhole, was die Kolleginnen vor mir gesagt haben, aber durch Wiederholung lernt man ja auch dazu –, dass mit Eltern nicht mehr gesprochen wird, dass das Programm nicht weiterentwickelt wird, dass sich Kitas nicht in den Sozialraum vernetzen usw., sondern dass da eine Verwaltungskraft sitzt und die Kitaerzieher/-in

(Katrin Seidel)

nen vor sich hin arbeiten. Genau! Und wenn man mal genau hinschaut, da hat wohl ein bestimmter und allen bekannter Lobbyvertreter gewinnorientierter Kitas Ihnen irgendwie in die Feder diktiert. Anders erklärt sich das nämlich nicht, weil die gesamte Fachwelt gerade diesen Vorschlag nicht gemacht hat, sondern die Forderung war, die Kitaleitungen zu entlasten. Das haben wir gemacht.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buchholz von der AfD?

Nein, danke! – Wir haben eine Kitakrise mit einem Fachkräftemangel. Wir führen einen Diskurs mit allen, die Vorschläge dazu haben, diese Kitakrise in den Griff zu bekommen. Eins zu eins zu übernehmen, was die Schule macht, die nach einer ganz anderen Systematik arbeitet und auch finanziert und mit Personalressourcen ausgestattet wird – – Eine Schule hat in der Regel 400, 600 bis zu 1 000 Kinder, eine Kita, die 150 Kinder hat, ist eine Riesenkita. Die Realität ist so, dass die meisten kleinen Kitas 25 Kinder haben oder vielleicht mal 50 oder 60 Kinder. In der Regel werden die Träger das organisieren, wie die Verwaltungsarbeit, die Gutscheinverwaltung, die Arbeit mit dem Finanzberater usw. tatsächlich aussieht. Das machen tatsächlich auch Verwaltungsmenschen, entweder über Ressourcen, die der DaKS zur Verfügung stellt, oder eben eigene Verwaltungsangestellte, die man beim Träger schon hat. Die Kitafinanzierung macht es auch möglich. Wir haben gerade die RV Tag verhandelt. Da kam auch von keinem einzigen Vertreter die Forderung, dass für Verwaltungsleiter entsprechende Ressourcen vorgehalten werden müssen.

Was wir eigentlich von Ihnen erwarten würden, ist, dass Sie mit uns gemeinsam kämpfen, dass es Verbesserungen bei den nächsten TV-L-Verhandlungen gibt. Da sind Sie auch als Opposition in der Pflicht, da Sie in anderen Bundesländern mit in der Regierungsverantwortung sind. Gerade diese Flächenländer haben bisher kein Interesse daran gezeigt, dass die Kita-Erzieher/-innen in Berlin besser bezahlt werden. Ich bitte Sie, Kontakte aufzunehmen und mit Ihren Leuten zu sprechen, dass die Erzieher/-innen sowie die Sozialarbeiter/-innen höher eingestuft werden und wir sie endlich so bezahlen können, wie wir es wollen. Dazu rufe ich Sie auf: Begleiten Sie uns! Sorgen Sie mit uns gemeinsam dafür, dass Erzieherinnen und Erzieher und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter endlich besser bezahlt werden können! – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 18/0506 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen FDP und bei Enthaltung von CDU und AfD die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die FDP-Fraktion und die AfD-Fraktion sowie der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Bei der CDU. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Die Tagesordnungspunkte 10 und 11 stehen auf der Konsensliste. Der Tagesordnungspunkt 12 war die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter Nr. 3.6.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 13:

Barrierefreie Wahlen in Berlin ermöglichen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 23. April 2018 Drucksache 18/1010

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/0667

In der Beratung beginnt die SPD-Fraktion. – Herr Kollege Düsterhöft! Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die UN-Behindertenrechtskonvention trat am 26. März 2009 in Kraft. Das ist nun fast zehn Jahre her. Menschen mit Handicap soll eine gleichberechtigte und vor allem uneingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Auch wir als Land Berlin und unsere zwölf Bezirke sind dieser Konvention verpflichtet. In den letzten zehn Jahren wurde viel über Inklusion diskutiert, vieles wurde ausprobiert, manches umgesetzt. Und doch: Wir werden unseren eigenen Ansprüchen nicht gerecht, nicht einmal bei so etwas Banalem, aber fundamental Wichtigem wie dem Zugang zu unseren Wahllokalen. Das Wahlrecht ist der tragende Pfeiler unserer Demokratie. Jede Staatsbürgerin, jeder Staatsbürger und jede EU-Bürgerin, jeder EU-Bürger hat das Recht, am Wahltag an Wahlen teilzunehmen. Das heißt, allen Menschen muss ein gleichberechtigter Zugang zu ihrem Wahllokal ermöglicht werden, und das ohne Einschränkungen. Wir sprechen hier übrigens nicht über einige wenige Menschen, die beispielsweise auf einen Rollstuhl angewiesen sind, nein, wir sprechen über Hunderttausende Berlinerinnen und Berliner, die beispielsweise eine Gehhilfe benötigen und für die jede Stufe ein Hindernis ist.

Eigentlich ist es eine Schande, dass wir diesen Antrag heute überhaupt beraten und beschließen müssen. Die

(Marianne Burkert-Eulitz)

Umsetzung wäre eine Selbstverständlichkeit gewesen, Zeit und Mittel gab es ausreichend. An vielen Stellen fehlt es jedoch scheinbar oder offensichtlich an Entschlossenheit und am politischen Willen. Die Diskussion im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration bestätigte diese Vermutung – jedenfalls für die Koalitionsfraktionen – noch einmal sehr deutlich.

Es geht aber auch anders. Es gibt einen Bezirk, dessen Wahllokale bereits seit Inkrafttreten der Konvention zu hundert Prozent barrierefrei sind. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an Reinickendorf, die das ganz vorbildlich machen! Ganz anders sah es beispielsweise in Mitte aus. Nur 65 Prozent der Wahllokale waren dort barrierefrei gestaltet. Insgesamt sind es in Berlin im Durchschnitt ungefähr 80 Prozent. Unabhängig von der UN-Behindertenrechtskonvention muss es unser Ziel sein, dass jedes Wahllokal ausnahmslos barrierefrei ist und jeder Mensch ganz unabhängig von einem möglichen Handicap freien Zugang zu seinem Wahllokal hat. Ein Verweis auf die Briefwahl oder die Urnenwahl in einem alternativen Wahllokal ist in diesem Kontext ein Hohn.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Mir ist durchaus klar, dass das viel Arbeit für die Bezirksverwaltungen ist. Bestehende Standorte müssen ertüchtigt oder Alternativen gesucht werden. Und ja, es wird auch Geld kosten. Trotzdem darf es keine Ausreden mehr geben.

Ich freue mich sehr, dass dieser Antrag bei den Ausschussberatungen stets einstimmig beschlossen wurde. Liebe Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen! Herzlichen Dank für diese Unterstützung! Die Bezirksämter haben nach dem heutigen Beschluss durch uns noch gut ein Jahr Zeit bis zur Europawahl. Ich denke, wir werden alle gemeinsam die Umsetzung unseres Beschlusses genau verfolgen und beobachten, was vor Ort passiert. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Dregger das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Volle Zustimmung zu allem, was Sie gesagt haben, Herr Kollege! Natürlich ist es wichtig, dass wir unsere Wahlgrundsätze auch wirklich umsetzen. Dazu gehört auch die allgemeine Wahl, und das bedeutet, dass auch alle Wahlberechtigten praktisch die Möglichkeit haben, ihr Wahlrecht auszuüben. Es ist in der Tat nicht hinzunehmen, dass es hier noch Lücken für behinderte Menschen, seh- oder gehbehinderte Menschen gab. Dass Sie hier die

Initiative ergriffen haben, ist absolut zu unterstützen. Ich halte das für wichtig. Man hätte natürlich auf die Idee kommen können, das auch gesetzlich zu regeln, nicht nur per Antrag. Dann enthielte es eine klare und dauerhafte Verpflichtung des Senats. Ich gehe aber mal davon aus, dass wir aufgrund der konsensualen Haltung nicht befürchten müssen, dass sich der Senat in absehbarer Zeit nicht mehr daran hält. Deswegen erhält das unsere Unterstützung. Ich hoffe, dass wir einen zeitnahen Bericht bekommen, dass es umgesetzt worden ist. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion Die Linke erteile ich Frau Fuchs das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als behindertenpolitische Sprecherin freue ich mich ebenfalls sehr, dass wir diesen Antrag heute abschließend besprechen. Im Koalitionsvertrag steht unter der Überschrift „Inklusion in allen Lebensbereichen stärken“ folgender Satz:

Die inklusive Gesellschaft ist die Leitidee der Politik der Koalition.

Dabei geht es nicht immer nur um die ganz großen Themen, obwohl uns diese auch beschäftigten. Ich nenne nur die Umsetzung der behindertenpolitischen Leitlinien, die Weiterentwicklung des Landesgleichberechtigungsgesetzes, die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes oder auch das Wahlrecht für Menschen mit Behinderung. Diese großen Themen brauchen aber Zeit und eine gründliche Ausarbeitung zusammen mit den betroffenen Menschen. Es geht auch um kleinere, aber ebenso wichtige Schritte, die schneller umsetzbar sind.

Ganz im Speziellen geht es hier darum, das in Artikel 9 der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschriebene Recht auf politische Teilhabe für Menschen mit Behinderung durchzusetzen. Allein der Fakt, dass bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Jahr 2016 – der Kollege Düsterhöft sagte es schon – noch 20 Prozent der Wahllokale nicht barrierefrei zugänglich waren, schränkt dieses Recht deutlich ein und muss geändert werden.

Nicht immer sind dabei Umbaumaßnahmen nötig. Manchmal hilft der organisatorische und auch kreative Blick auf ein Gebäude, um Barrierefreiheit herzustellen. Auch die Menschen mit einer Sehbehinderung oder blinde Menschen haben ein Recht auf politische Teilhabe, um gleichberechtigt an den freien und geheimen Wahlen teilnehmen zu können. Durch das Bereitstellen von Wahlschablonen und/oder CDs in den Wahllokalen

(Lars Düsterhöft)

stellen wir auch in diesem Bereich die inklusive Gesellschaft etwas mehr her. Niemand ist dann mehr gezwungen, sich Hilfe bei der Wahl zu organisieren und damit seine Wahlentscheidung jemandem preiszugeben. Die freie und geheime Wahl ist für Menschen ohne Beeinträchtigung keine Frage mehr und ein wichtiges Gut unserer Demokratie. Genauso normal sollen die freien und geheimen Wahlen auch für Menschen mit Behinderung sein, und das bereits zur Europawahl 2019.

In Berlin leben ca. 616 000 Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen. Das sind 17 Prozent der Berliner Bevölkerung. Diese Menschen setzen große Hoffnungen in uns, und diese Hoffnungen sind für uns Verpflichtung und Motor zugleich. Der vorliegende Antrag ist ein erster Schritt der Teilhabe aller Menschen in unsrer Stadt, und ich freue mich auf Ihre Zustimmung.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat Herr Kollege Vallendar das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag „Barrierefreie Wahlen in Berlin ermöglichen“ ist auch aus unserer Sicht eine Selbstverständlichkeit, die Umsetzung erfahren sollte.

[Beifall von Stefan Franz Kerker (AfD)]