Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die extremistischen und damit auch die terroristischen Gefahren in Europa, in Deutschland und auch hier in Berlin haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Ich möchte das hier nicht weiter erläutern. Ich glaube, wir sind uns auch alle dieser Gefahr bewusst und darin einig. Der Staat als Garant der Sicherheit seiner Bürger hat die Aufgabe, schon im Vorfeld möglichst dafür zu sorgen, das sich bestehende Gefahren nicht verwirklichen. Es kommt dabei den Verfassungsschutzbehörden, jedenfalls nach Auffassung der Union, eine ganz zentrale Rolle zu. Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, extremistische Bestrebungen in einem möglichst frühen Stadium zu erkennen und zu beobachten und darüber den Senat und das Parlament zu unterrichten. In der Folge sind dann Senat und Parlament gehalten, alle möglichen Maßnahmen einzuleiten und zu treffen. Der Gesetzgeber hat seinerseits die Aufgabe, die zuständige Verfassungsschutzbehörde dann auch mit den für diese Tätigkeit erforderlichen Befugnissen auszustatten.
Herr Kollege! Ich möchte Sie fragen, ob Sie es nicht für angemessen halten, dass der zuständige Senator im Raum ist, wenn wir über dieses Thema beraten?
Ich würde mich natürlich freuen, wenn das auch auf das Interesse des zuständigen Senators stößt. Ja.
Wenn es gut wäre, würde ich darum bitten, dass man jetzt den zuständigen Senator holt. Bitte schön! – Dann warten wir so lange mit der Debatte. – Okay! Ich sehe, der Sena
Vielen Dank! – Konkret geht es heute um eine Schärfung der bestehenden Rechtslage für den Bereich der Überwachung von Einzelpersonen, von denen Gefahren für die Gesellschaft ausgehen. Unser Gesetzesantrag folgt einer entsprechenden Änderung, die im Februar 2017 im Land Bayern vorgenommen worden ist. Ich denke, auch andere Länder sollten und werden hier folgen.
Worum geht es konkret? – Es ist eine sehr technische Debatte. Der Verfassungsschutz kann – und das ist auch richtig – nicht einfach so beobachten. Voraussetzung für sein Tätigwerden ist das Vorliegen einer gefährlichen Bestrebung, also einer bestimmten Aktivität im Sinne des § 5 Abs. 2 unseres Verfassungsschutzgesetzes. Der Begriff der Bestrebungen ist in § 6 definiert. Das sind politisch motivierte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen oder Betätigungen. Bestrebungen können von Organisationen oder von Einzelpersonen ausgehen. Für den Bereich der Einzelpersonen, die nicht in einer oder für eine Organisation handeln, enthält das aktuelle Gesetz jedoch eine Einschränkung. Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 können hier nur Bestrebungen angenommen werden, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut des Verfassungsschutzgesetzes erheblich zu beschädigen. Das ist auch die Rechtslage auf Bundesebene. Das BfV ist entsprechend eingeschränkt. Aufgrund dieser Einschränkung können bestimmte Einzelpersonen nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden, obwohl von ihnen eindeutig Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder gegen die Sicherheit unseres Landes ausgehen.
Ich merke, dass das jetzt sehr technisch und ein bisschen dröge ist. Ich nehme mal ein Fallbeispiel, damit sich das alle vorstellen können: Ein junger Mann radikalisiert sich, schleichend, und er wird auffällig – z. B. im Internet. Er macht aktiv Stimmung gegen Personen, Gruppen oder andere Religionen. Er ruft zu Intoleranz auf und macht dabei unsere Gesellschaftsordnung und unsere Rechtsordnung verächtlich. Er lehnt die Autorität der staatlichen Ordnung insgesamt ab. Er fängt an, Pläne zu schmieden, wie unser Staat und unsere Gesellschaft beseitigt werden können. Er wirbt für eine Beseitigung des gesamten Staatswesens. Allerdings lehnt er Gewalt ab und beschränkt sich auf Stimmungsmache. Soll hier der Verfassungsschutz untätig bleiben? Soll hier die Gesellschaft ernsthaft zuschauen? Oder sollen sich hier der Staat und der Verfassungsschutz wappnen, um rechtzeitig eine weitere Radikalisierung und dann vielleicht doch den Übergang in den Bereich der Begehung von Gewaltdelikten im Blick zu haben?
Ich glaube, hier kann es wirklich keine andere Antwort geben, als dass man diese Schärfung vornimmt. Die aktuell bestehende Einschränkung ist nicht mehr zeitgemäß. Im Ergebnis schafft sie eine Beobachtungslücke, denn nach jetziger Rechtslage muss die Beobachtung bestimmter gefährlicher Personen durch den Verfassungsschutz – ich habe das eindeutig dargelegt – in bestimmten Fällen bzw. bestimmten Stadien unterbleiben. Das ist nicht zeitgemäß, und deswegen sollten wir § 6 Abs. 1 Satz 3 heute mit dem vorgelegten Antrag streichen.
Gestatten Sie mir noch ganz kurz – ich habe noch einige Sekunden Redezeit – einen Rückblick auf die Debatte im Verfassungsschutzausschuss, denn ich fand das wieder mal sehr interessant. Es war eine heftige Debatte, was bei so einer rein technischen Frage ungewöhnlich ist. Das hatte wahrscheinlich damit zu tun, dass es eine Idee aus Bayern ist, und das löst bei den Kollegen auf der linken Seite immer Reflexe aus. Eigentlich bemerkenswert war wiederum das Verhalten der AfD. Sie waren auch wieder dagegen – genauso wie Die Linke –, denn jede Beobachtungstätigkeit des Verfassungsschutzes lehnen Sie ja ab – genauso wie Ihre Kollegen von der Linken. Das ist doch auffällig, denn im Umgang mit dem Thema Extremismus gibt es hier eine ganz besondere Allianz zwischen Links und Rechts. Ich habe darauf schon mehrfach hingewiesen. Ganz ungefährlich ist das in Zeiten, in denen wir auf die Wehrhaftigkeit unseres Staatswesens angewiesen sind, nicht, denn wir müssen mehr denn je darauf achten, dass wir handlungsfähig sind.
Ich bin ja am Ende meiner Rede. – Daher auch heute wieder mein Appell an die Parteien der Mitte: Unterstützen Sie den vorgelegten Antrag der Fraktion der CDU! Stärken Sie unseren Verfassungsschutz, denn einen effektiven Verfassungsschutz brauchen wir dringender denn je! Spätestens seit dem Attentat am Breitscheidplatz dürfte das auch jedem bewusst sein. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Kollege Lenz! Sie sind dann doch wieder in diesen Alarmismus verfallen und haben dann am Ende einige Punkte miteinander vermischt, die jetzt
vielleicht nicht unbedingt mit Ihrem Änderungsvorschlag zum Gesetz zu tun hatten. Das kann man machen, muss man aber nicht, um es deutlich zu sagen. Ich empfand es jetzt nicht als zu emotional, zu hart in der Debatte, was wir am 6. Dezember 2017 im Verfassungsschutzausschuss besprochen und debattiert haben. Zum Meinungsaustausch gehört auch dazu, dass einmal etwas hitzige Worte fallen, aber der sachliche Ton doch im Vordergrund steht.
Ich will mich auf vier Punkte beziehen. Zum einen ist es so, dass Sie in der Begründung – das würde ich gern zitieren, worum es Ihnen im Kern ging – gesagt haben, es sei erforderlich, dem Berliner Verfassungsschutz frühzeitiger zu ermöglichen, solche Personen bereits weit im Vorfeld möglicher Gewalttaten zu beobachten. Zweitens orientiert sich die Begründung – wie Sie schon ausgeführt haben, so stand es bei Ihnen – an der Änderung des bayerischen Verfassungsschutzgesetzes vom Februar 2017. Bayern hat damit als erstes Bundesland auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert. Das ist sozusagen das, was Sie in der Begründung, im Entwurf Ihres Gesetzes zu dem Thema, hatten.
Konkret geht es Ihnen darum, was die Veränderungen betrifft – das haben Sie angesprochen –, dass Einzelpersonen ohne Personenzusammenschluss zum einen beobachtet werden sollen und zum anderen – das gehört auch zur Ehrlichkeit dazu, weil Sie es gerade eben in dem Wortbeitrag nicht ausgeführt haben –, das haben Sie gesagt, dass die Landesämter für Verfassungsschutz dann dafür die anderen Aufgaben vom Bund, was Beobachtungsaufgaben betrifft, mit abdecken sollen. Es wäre also noch einmal zusätzliche Arbeit und Mehrarbeit.
Was wollen Sie eigentlich erreichen? – In der Tat, Sie haben es gerade vorgetragen, wollen Sie die Streichung eines Satzes. Das klingt erst einmal simpel und einfach und kann den einen oder anderen vielleicht erst einmal nicht erschrecken, aber es geht darum, dass Sie sagen, dass Einschränkungen für die Beobachtung von Einzelpersonen aufgehoben werden sollen. Jetzt stelle ich noch einmal die Frage, Sie haben es skizziert: Gibt es tatsächlich diese Einschränkungen? Ist das, was Sie gerade an Beispielen gebracht haben, wirklich Realität? Wir haben, wie ich finde, im Ausschuss selbst darüber gut und vernünftig diskutiert. Der Berliner Senat, aber auch die Koalition, sieht in diesem Punkt sicherlich keinen Änderungsbedarf. Man muss auch erwähnen, dass Bayern wieder einen exklusiven Weg geht. 15 Bundesländer und der Bund haben eine Linie. Zum anderen ist es so, dass es nicht dem entspricht, die Einstellung des Verhaltens ist nicht ausschlaggebend für eine Beobachtungstätigkeit.
Auch zur Rechtsgrundlage, wie Sie ausgeführt haben, muss ich sagen, dass es nicht unbedingt dem entspricht, dass Sie in der Frage recht haben, dass die Rechtsgrundlage bisher nicht ausreicht, denn es gilt hier der Punkt,
Zum vorletzten Punkt möchte ich noch einmal erwähnen und herausheben, dass es auch jetzt schon möglich und zeitgemäß ist, Personenzusammenschlüsse sozusagen zu beobachten und vertieft anzuschauen, gerade wenn es um das Thema Gewaltorientierung und terroristische Bestrebungen geht.
Auf den Punkt gebracht: Das, was Sie aus Bayern nach Berlin mitgebracht haben, ist zwar eine nette Verpackung, entspricht aber nicht unbedingt den Tatsachen. Ich würde mich freuen – ich glaube, dass es dort auch hingehört –, dass wir nicht einen einzelnen Satz, den wir aus dem Gesetz streichen, im Ausschuss diskutieren, sondern dass wir vielleicht die Gelegenheit nutzen, wenn wir das Verfassungsschutzgesetz novellieren, im Ganzen über die Thematik zu sprechen. Die Koalitionsfraktionen lehnen diese Gesetzesänderung natürlich ab. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle wollen natürlich, dass unsere Stadt sicherer wird. Ich bezweifle, dass uns dieses Gesetz auch nur einen einzigen Schritt in diese Richtung bringen würde. Ich will noch einmal wiederholen, worum es eigentlich geht. Es wurde hier auch schon von dem Kollegen Schreiber gesagt. Die CDU möchte, dass auch solche Einzelpersonen, nicht Gruppeneinzelpersonen, überwacht werden können, von denen keine Gewalt ausgeht und die keine unmittelbare Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung darstellen. Ich frage mich, wen Sie eigentlich alles überwachen lassen wollen, geschätzte Kollegen von der CDU.
Jemand wie Anis Amri könnte als potenzieller Terrorist auch schon auf Grundlage des jetzigen Gesetzes überwacht werden. Er hätte überwacht werden müssen. Das haben Sie nicht getan.
Jetzt wollen Sie nachträglich diesen Fehler heilen, indem Sie die Zahl der potenziell zu überwachenden Personen ausweiten. Entschuldigung, diese Logik erklärt sich mir nicht.
Für uns ist das unlogisch. Deswegen ist es ein klarer Fall für den französischen Staatsrechtlicher und Philosophen
Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es unbedingt notwendig, kein Gesetz zu erlassen.
Genau dieser Fall liegt hier vor. Wir brauchen dieses Gesetz nicht. Wir hatten es schon in Berlin, gerade hier im Ostteil unserer Stadt mit einem Geheimdienst, der mit immer weiter expandierenden Möglichkeiten auf den nicht existierenden Bürgerrechten der Leute herumgetrampelt ist, jeden überwachen konnte und von niemandem kontrolliert wurde. Damit will ich nicht sagen, bevor jetzt jemand Schnappatmung bekommt, dass das MfS und unser bundesdeutscher Verfassungsschutz in einer Liga spielten, aber wenn wir nicht da hinkommen wollen, wenn wir nicht in eine totalitäre Zukunft abgleiten wollen, müssen wir heute Gesetze stoppen, die eines Tag den Weg in diese Richtung ebnen könnten. Das sage ich alles im Konjunktiv.
Wir werden uns Gesetzen nicht widersetzen, bei denen es darum geht, die Sicherheit der Berliner zu erhöhen. Das kennen Sie schon, Herr Lenz, Sie wissen genau, Sie haben es in der Hand: Schließen Sie die Grenzen! Beenden Sie die Willkommenskultur! Sorgen Sie dafür, dass es keine Anreize mehr für Dschihadisten gibt, in unsere Stadt zu kommen! Dann haben Sie mehr für die Sicherheit der Berliner getan als mit all Ihren Überwachungsgesetzen, die Sie hier beschließen wollen.
Dieses Gesetz doktert an den Symptomen der multikulturellen Gesellschaft herum und opfert die Freiheit des deutschen Volkes für einen immer größeren Überwachungsstaat. Das können wir nicht unterstützen. Es tut mir leid. Wir müssen dieses Gesetz leider ablehnen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe CDU! Sie beten hier einmal wieder Ihr goldenes Kalb an, den Verfassungsschutz. Ich finde, es hat schon ein wenig religiöse Züge, wie Sie hier immer wieder den Verfassungsschutz als Heilsbringer für den Weltfrieden verkaufen.
Worum geht es dieses Mal? – Es soll nach dem Antrag erleichtert werden, nicht nur Personengruppierungen,
sondern auch Einzelpersonen zu beobachten. Das ist jetzt schon möglich, wie Sie richtigerweise auch festgestellt haben. Bis jetzt ist es möglich, wenn die Bestrebungen einer Einzelperson auf Gewalt ausgerichtet sind oder wenn sie eine erhebliche Gefahr für die demokratische Grundordnung darstellen. Das sind die zwei Voraussetzungen. Jetzt wollen Sie diese Grenzen weiter herabsetzen und diese Voraussetzungen streichen. Ich finde das, gelinde gesagt, sinnlos und falsch.