Man kann sich schon bei manchen Personengruppen fragen, welchen Nutzen die Beobachtung haben soll. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass der Mao-Lesekreis von der MLPD wirklich eine ernsthafte Gefahr für unsere Demokratie darstellt. Jetzt wollen Sie das bei Einzelpersonen noch mehr ausweiten. Da frage ich mich schon, wann Sie anfangen wollen, die Leute zu bespitzeln. Wollen Sie das tun, sobald sie zu Hause in Buch von Lenin aufschlagen oder sobald sie auf der Straße mit dem Kaftan herumlaufen? Wenn Sie das wirklich so niedrig ansetzen wollen, kann der Verfassungsschutz bald wirklich alles und jeden beobachten. Dazu muss ich Ihnen ganz klar sagen, dass ich nicht in so einer Welt leben möchte.
Sie berufen sich hier auf das neue bayerische Verfassungsschutzgesetz. Das hatten Sie auch gesagt, Herr Lenz. Ich habe mir das Gesetz einmal angeschaut. Da muss man die CDU fast schon dafür loben, dass sie sich nur diesen einen Punkt herausgesucht hat. Was die da unten in Bayern gemacht haben, ist wirklich jenseits von Gut und Böse. Sie haben das Mindestalter für die Beobachtung abgeschafft. Das heißt, der Verfassungsschutz kann jetzt im Kindergarten herumspitzeln. Der Verfassungsschutz darf dort Staatstrojaner einsetzen. Er darf Funkzellenabfragen einsetzen. Verdeckte Ermittler haben dort die Erlaubnis bekommen, Straftaten zu begehen, Straftaten, für die jeder normale Bürger, jede Bürgerin, verurteilt würde. Dieses bayerische Gesetz ist wirklich ein Katalog des Schreckens. Offenbar hat sich die CDU selbst ein wenig davor gegruselt, denn anders ist es nicht zu erklären, dass Sie sich hier nur einen Punkt herausgegriffen haben. Aber trotzdem, auch diesen einen Punkt werden wir selbstverständlich ablehnen.
Ich finde: Wenn wir an diesem Verfassungsschutz wirklich etwas verbessern wollen – ich habe meine Zweifel, ob es möglich ist, das ist bekannt –, wenn wir das wirklich versuchen sollen, dann müssen wir diese Behörde besser kontrollieren, und dann müssen wir ihre Aktivitäten auf den Kernbereich beschränken, nämlich die wirklichen Gefahren für die Demokratie. Diese Debatte müssen wir führen.
Wenn Sie unseren Koalitionsvertrag aufmerksam gelesen haben, dann werden Sie feststellen: Genau das haben wir uns als R2G vorgenommen. Ich würde mich freuen, wenn Sie von der CDU sich konstruktiv daran beteiligen würden, anstatt immer nur neue Überwachungsbefugnisse zu beantragen. – Vielen Dank!
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Jörg Stroedter (SPD) und Tom Schreiber (SPD)]
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein starker Verfassungsschutz mit gut ausgebildetem Personal, mit ausreichendem Personal und mit zeitgemäßer Ausstattung ist für einen liberalen und für einen wehrhaften Rechtsstaat unverzichtbar.
Das heißt aber noch lange nicht, seinem Handeln und Agieren kritikfrei gegenüberzustehen und jede verfassungsrechtlich noch gerade zulässige Möglichkeit seiner Stärkung, ungeachtet der Konsequenzen auf die unverrückbare Geltung von Grundrechten, auszureizen. Eine gute Organisation des Verfassungsschutzes zeichnet sich dadurch aus, dass er über klare rechtliche Rahmenbedingungen verfügt, dass seine Befugnisse in normenklarer, in angemessener, in durch Parlamentarier überprüfbarer und bürgerrechtskonformer Weise geregelt sind. Und wenn dies nicht der Fall ist, ist auf die Stärkung zu verzichten; denn darunter leidet nur die Freiheit und die Selbstbestimmung unserer Bürgerinnen und Bürger in Berlin.
Die richtige Balance zu finden zwischen Befugnisvielfalt des Verfassungsschutzes, der Effektivität seines Handelns, dem unverzichtbaren Schutz von Bürgerrechten und einem effizienten Ressourceneinsatz gerät für uns Abgeordnete dabei als Zielvorgabe für die Weiterentwicklung des Rechts für die Dienste häufig aus dem Blickfeld, gerade dann, wenn es zu so schrecklichen Angriffen auf unsere individuelle Unversehrtheit wie am Breitscheidplatz kommt. Wir hätten uns daher sehr gewünscht, dass die Fraktion der Christdemokraten mit ihrem Antrag ein bisschen mehr Sorgfaltsverantwortung gezeigt und nicht nur durch Aktionismus geglänzt hätte.
Zwar ist der eingereichte Vorschlag nach unserem Dafürhalten gut gemeint, aber auch gleichermaßen verzichtbar.
Auch ohne Änderung der Gesetzeslage kann heute schon ein ausreichender Tatbestand für die Beobachtung von Einzelpersonen gegeben sein. Aber auch das ist keine Garantie für die Sicherheit. Wir werden uns daher enthalten.
Die Herausforderungen liegen doch an anderer Stelle. Eines der zentralen Probleme im Nachrichtendienstwesen ist doch, dass es in Deutschland heute 17 verschiedene Verfassungsschutzgesetze mit teilweise deutlichen Unterschieden bei den Befugnissen gibt – das bayerische Beispiel ist gerade genannt worden – und dass der Daten- und Informationsaustausch nicht funktioniert. Dieses sind die zentralen Hemmnisse, im Übrigen auch und insbesondere für die dringend gebotene größere Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und für eine wesentlich verbesserte parlamentarische Kontrolle durch das Abgeordnetenhaus, die wir schnell erreichen sollten.
Ein Königsweg wäre sicherlich auch ein Bekenntnis zu mehr Effektivität mit dem Ziel einer länderübergreifenden Organisation des Verfassungsschutzes. Das wäre in der Tat ein starkes Bekenntnis zu wirkungsvollen und zugleich rechtsstaatlich agierenden Nachrichtendiensten.
Der zweitbeste Weg: bessere Kooperation, mehr Informationsaustausch, zusätzliches und noch besser ausgebildetes Personal mit zeitgemäßer Ausbildung und nicht nur aus der Polizei rekrutiert und natürlich mit effektiver und starker parlamentarischer Kontrolle. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat eine sehr technische Debatte. Die CDU will streichen, dass Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einer oder für eine Organisation oder in einer oder für eine unorganisierte Gruppe handeln, Bestrebungen sind und beobachtet werden können, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. Ich möchte uns mal vorhalten, dass Einzelpersonen also beobachtet werden können, wenn sie aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen. Was ist ein solches Schutzgut? – Natürlich der Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, weswegen der Verfassungsschutz ursprünglich mal gegründet worden ist!
Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, worin eigentlich die Regelungslücke besteht, Herr Kollege Lenz, weshalb man das streichen muss. Da haben Sie jetzt zum ersten Mal ein Fallbeispiel eingeführt, ich habe es nur halb mitgeschrieben: Ein junger Mann radikalisiert sich. Die Frage ist: Bei wem radikalisiert er sich? Radikalisiert er sich bei Gruppen, bei irgendwelchen Islamisten, bei irgendwelchen Nazis, Linksautonomen? Mir völlig egal, aber er ist natürlich in dem Moment Kontaktperson und relevante Person einer solchen Gruppe, die ihn radikalisiert, es sei denn, er schafft es allein durch seine eigene Erkenntnis. Aber das ist in Ihrem Fallbeispiel sehr schwer vorstellbar. Da haben Sie Ihren Anknüpfungspunkt, wie also diese Person, die sich gerade radikalisiert als Kontaktperson von denjenigen, die ihn radikalisieren – durch welches Medium auch immer –, natürlich auch mitbeobachtet werden kann. – Ihr Fallbeispiel – Punkt 1 – ist also da schon mal untauglich.
Zweitens haben Sie gesagt: wenn er Pläne schmiedet – das habe ich wörtlich mitgeschrieben –, um die FDGO zu beseitigen. Hier liegt natürlich ein Schutzgut nach § 5 Abs. 2 Verfassungsschutzgesetz vor, und damit ist er eine Einzelperson, die beobachtet werden kann. Sie sehen also, dass die Lektüre des Berliner Gesetzes hilft. Ich weiß nicht, wie das in Bayern war, aber das ist natürlich gemacht worden, um Handlungsfähigkeit zu symbolisieren. Ich kann Ihnen sagen, und Sie wissen es auch, dass Einzelpersonen, die gefährlich sind, die gegen die StPO handeln, vom Berliner Verfassungsschutz beobachtet werden.
Das Spannende ist, ob sie überhaupt erst auf den Schirm kommen. Und da fand ich die Debattenbeiträge der Kollegen der anderen Fraktionen, insbesondere FDP, SPD und Linke, interessant, um die neuen Herausforderungen des Verfassungsschutzes zu skizzieren, denen wir uns stellen müssen. Es ist natürlich schwierig für den Berliner Verfassungsschutz, in eine eingeschworene islamistische Gemeinde zu kommen, dort V-Personen, verdeckte Ermittler oder was auch immer einzuschleusen, um zu gucken: Wie radikalisieren sich mögliche Islamisten oder die unter Salafismus- oder Islamismusverdacht stehenden Personen? Das ist eine neue Herausforderung des Verfassungsschutzes.
Ich fand interessant: Sie haben am Anfang als Aufgabe beschrieben, dass der Verfassungsschutz vor allem den Senat und das Parlament unterrichtet. Aber da haben Sie gezeigt, dass Sie einen ganz wichtigen Bestandteil, nämlich die Öffentlichkeit außer Acht lassen – und das steht auch im Gesetz, dass der Verfassungsschutz die Öffentlichkeit unterrichten soll –, dass wir hier vor neuen Fragen stehen, nämlich die Zusammenarbeit mit den Personen der Öffentlichkeit und der Zivilgesellschaft, etwa mit Hayat und anderen, die man hier nicht namentlich nennen muss – ich weiß, dass sie sich um die auch kümmern –, die viel näher dran sind an gefährdeten Personen. Wie
diese Zusammenarbeit funktionieren kann unter den Bedingungen eines alten Nachrichtendienstes, eines alten Geheimdienstes, der eigentlich nur für Berlin gegründet worden ist, das ist doch die spannende und auch historische Frage, wie man diesen Verfassungsschutz besser aufstellt oder ob er überhaupt dafür aufzustellen ist; denn er muss viel klarer interagieren mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, mit Personen, die in der Lage sind zu deradikalisieren, ob in den Justizvollzugsanstalten, wo sehr viele Rückkehrer aus Dschihad-Gebieten einsitzen, oder auch in relevanten Moscheen – oder das neue Phänomen der Reichsbürger, das sind ganz neue Herausforderungen.
Deswegen würde ich mich freuen, wenn wir eine Debatte führen könnten über den Anknüpfungspunkt der verfassungsfeindlichen Bestrebungen; denn das ist doch der undefinierte Begriff: Wann ist es eine Bestrebung, die wirklich geeignet ist, unsere gefestigte freiheitlichdemokratische Grundordnung zu beseitigen? – Das ist mit Sicherheit kein Lesezirkel, ob von Mao oder über irgendwelche Hardcore-Koran-Geschichten. Das sind doch wichtige Geschichten, um die wir uns kümmern müssen! Deswegen glaube ich, dass Ihre Gesetzesänderung mehr als entbehrlich ist, und deswegen muss man ihr nicht zustimmen. – Vielen Dank für die geschätzte Aufmerksamkeit!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Zu dem Gesetzesantrag Drucksache 18/0509 Neu empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen CDU bei Enthaltung FDP die Ablehnung. Wer dem Gesetzesantrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen und die AfD-Fraktion und ein fraktionsloser Kollege. Enthaltungen? – Bei der FDPFraktion und einem fraktionslosen Kollegen. Damit ist das abgelehnt.
Wahl eines stellvertretenden Mitglieds auf Vorschlag der AfD-Fraktion in den 1. Untersuchungsausschuss
Herr Abgeordneter Hanno Bachmann hat mit Schreiben vom 3. Januar 2018 mir gegenüber erklärt, seine stellvertretende Mitgliedschaft im 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode mit Wirkung vom 11. Januar 2018 – also zum heutigen Tage – aufzugeben. Die stellvertretenden Mitglieder der Untersuchungsausschüsse werden
nach § 3 Abs. 1 und 3 des Untersuchungsausschussgesetzes Berlin vom Abgeordnetenhaus aus seiner Mitte gewählt. Das Vorschlagsrecht für die Nachwahl steht der AfD-Fraktion zu.
Ich komme zur Wahl: Zur erfolgreichen Wahl ist gemäß § 74 Absatz 3 der Geschäftsordnung die einfache Stimmenmehrheit erforderlich. Von der AfD-Fraktion wird vorgeschlagen: Herr Abgeordneter Marc Vallendar. Wer den von mir Genannten zum stellvertretenden Mitglied des 1. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode zu wählen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die AfD-Fraktion, ein fraktionsloser Kollege, die FDP-Fraktion und die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Enthaltungen? – Bei den Koalitionsfraktionen und dem zweiten fraktionslosen Kollegen. Damit ist Herr Vallendar zum stellvertretenden Mitglied in den 1. Untersuchungsausschuss gewählt. – Herzlichen Glückwunsch!
Herr Abgeordneter Dr. Hans-Joachim Berg hat mit Schreiben vom 27. Dezember 2017 mir gegenüber erklärt, sein Amt als Beisitzer im Präsidium mit Wirkung vom 1. Januar 2018 niederzulegen. Nach § 12 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses soll im Falle des Ausscheidens eines Mitglieds des Präsidiums in der nächsten ordentlichen Sitzung die Ersatzwahl vorgenommen werden. Das Vorschlagsrecht steht gemäß dem in § 12 Abs. 1 Satz 4 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses vorgeschriebenen d’Hondtschen Höchstzahlverfahren der AfD-Fraktion zu.
Ich komme nun zur Wahl: Zur erfolgreichen Wahl ist gemäß § 74 Abs. 3 der Geschäftsordnung die einfache Stimmenmehrheit erforderlich. Von der AfD-Fraktion wird vorgeschlagen: Herr Abgeordneter Dr. Hugh Bronson. Wer den von mir Genannten zum Mitglied des Präsidiums zu wählen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die AfD-Fraktion und beide fraktionslose Kollegen und die FDP und die CDU. Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Enthaltungen? – Bei den Koalitionsfraktionen. Damit ist Herr Dr. Bronson zum Mitglied des Präsidiums gewählt. – Herzlichen Glückwunsch! Auf gute Zusammenarbeit!