Protocol of the Session on October 19, 2017

mit dem täglichen Leben der Berliner in Berührung kommen und die wunderbare Vielfalt der Kieze... erleben.

Das klingt vielleicht sehr schön, auch wenn es an die Werbeparolen der Immobilienbranche erinnert.

Meine Damen und Herren! Das geht doch nur, wenn es diese Kieze noch gibt.

Das geht doch nur, wenn die Berlinerinnen und Berliner in Berlin wohnen können und nicht durch Zweckentfremdung und die Umwandlung von Wohnraum vertrieben werden.

Das geht auch nur, wenn die Anwohnerinnen und Anwohner auch einmal Ruhe finden können.

Die FDP fordert stattdessen, die Ladenöffnungszeiten und das Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum zu lockern.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gräff?

Ja, bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrter Herr Jahnke! Weil Sie in der Tat die Kiezstrukturen und die Stadtentwicklungspolitik angesprochen haben, frage ich: Können Sie kurz noch mal aus Ihrer Sicht schildern, wer in den letzten 20 Jahren die Stadtentwicklungssenatorin bzw. den -senator gestellt hat? – Danke schön!

Das können Sie überall nachlesen. Das muss ich hier nicht referieren. Aber auch in den letzten 20 Jahren wurde in Berlin Kiezpolitik betrieben.

Das „authentische Berlin“, das die FDP so sehr als Touristenmagnet feiert, würde es nicht mehr geben, wenn dieses Konzept, das die FDP vorlegt, umgesetzt würde. Wir wollen eine Stadt, in die die Touristen gerne kommen, weil die Berlinerinnen und Berliner hier gerne leben. Was wir nicht wollen, ist ein Stadt, in der die Berlinerinnen und Berliner durch den Tourismus verdrängt werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Buchholz das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete und Gäste! Der Tourismus ist einer der Hauptwirtschaftsfaktoren der Stadt Berlin. Tourismus schafft nicht nur Arbeitsplätze in der Hotellerie und Gastronomie, sondern auch in den Branchen Einzelhandel, Dienstleistung, Kultur und Freizeit oder in der Freizeit- und Kongressbranche. Viele Berliner profitieren von der wachsenden Attraktivität Berlins und den dadurch steigenden Besucher- und Übernachtungszahlen. Im gleichen Umfang muss auch die Tourismusinfrastruktur mitwachsen. Dass Tourismus nachhaltig und umweltfreundlich ausgerichtet sein muss, steht außer Frage.

Aber die Unternehmen der Tourismusbranche müssen auch wirtschaftlich denken. Daher schreckt die Beschreibung des neuen Tourismuskonzepts einen schon wieder auf: sozial-ökologische Neuausrichtung des Stadttourismus. Der Punkt Wirtschaftlichkeit wird dagegen in dem vorliegenden Konzept erst an zwölfter Stelle der aufgeführten 18 Schwerpunkte erwähnt. Zum Vergleich: Im Koalitionsvertrag werden der Tourismus als Wirtschaftsfaktor und die Positionierung Berlins als Kongressstandort gleich am Beginn mehrfach aufgeführt. Die Prioritäten verlagern sich weiter in die falsche Richtung.

Neben dieser Prioritätensetzung der Koalition muss man das Thema Kongressstandort gar nicht weiter ausführen. Wie bereits gesagt: Hinsichtlich des ICC und der weiteren Planung bekleckert sich die Koalition nicht mit Ruhm. Es gibt nämlich keine Planung und kein Konzept zum ICC.

Zum Runden Tisch Tourismus: Der Runde Tisch unter der Verantwortung der DEHOGA leistet seit 2003 gute Arbeit. Eine Weiterentwicklung der Themen und Projekte ist allein aufgrund der sich ständig verändernden Bedingungen erforderlich. Allerdings hatte der Senat bis 9. August 2017 nach eigener Aussage keine Pläne zur Reformierung des Runden Tisches. Der vorliegende Antrag der Koalition klingt aber sehr nach einer Reformie

rung und Neuausrichtung des Runden Tisches. Wie steht der Senat heute dazu?

Überzeugt bin ich zudem nicht, dass durch die durchaus wünschenswerte stärkere Bewerbung von Sehenswürdigkeiten in den Randlagen die Innenstadt entlastet wird. Auch die aufgeführten Punkte Konzept für tourismusinduzierte Mobilität oder Reduzierung und Vermeidung von Lärmemissionen bei der Entwicklung touristischer Schwerpunkte lassen eher auf eine Tourismusvermeidung schließen als auf eine Förderung. Das passt ins Gesamtbild, das die Koalition abgibt.

Ganz im Sinne der falschen Prioritätensetzung sagt der Antrag nichts zum Thema innere Sicherheit aus. Das ist ein wichtiges Thema für alle Berliner und Touristen. Es gab ab November 2016 Reisewarnungen der USA für Europa und insbesondere für Weihnachtsmärkte. Sogar die chinesische Botschaft sprach Reisewarnungen aus. Zu einem Tourismuskonzept gehört auch ein Punkt Sicherheit und ein Hinweis, dass man mit den Innenbehörden zusammenarbeiten möchte, um auch hier eine Verbesserung zu erzielen. Schließlich sind Taschendiebe, Antänzer, Hütchenspieler, U-Bahnschläger, ein immer unsicherer werdender Alexanderplatz sowie Betonklötze vor Volksfesten eine traurige Realität. Neuerdings geht der Trend sogar zum Mercedes-Benz Actros am Eingang zu Volksfesten als Sperrfahrzeug gegen Lkw-Anschläge. Unter Berücksichtigung all dieser genannten und auch der fehlenden Punkte können wir diesem Antrag deshalb nicht zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Torsten Schneider (SPD): Das bedauern wir aber!]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Abgeordnete Frau Gennburg das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Sehr verehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor jetzt alle weiter herumorakeln, wie denn dieses Konzept aussehen wird, ob eher Tourismusvermeidung oder Tourismusbeförderung, können wir uns alle ein bisschen entspannen und uns darauf freuen, dass wir das gemeinsam beraten und im Ausschuss weiter diskutieren werden.

Heute geht es eher um eine Grundsatzrede. Ich habe gedacht, ich halte meine Grundsatzrede zum Thema Tourismus als tourismuspolitische Sprecherin. Ich habe dazu eine kleine Quizfrage mitgebracht. Die lautet: Was haben der Flughafen BER und das wiederaufgebaute Stadtschloss gemeinsam? – Ich habe dazu zwei Antwortvorschläge. Der erste: Beide nehmen uns die Luft zum

(Frank Jahnke)

Atmen. Oder – der zweite: Beide sind hässliche Betonklötze. – Die Auflösung folgt am Ende meiner Rede.

[Paul Fresdorf (FDP): Ich sage: Es ist c!]

Heute diskutieren wir also über das Tourismuskonzept, und ich danke vor allem auch Katrin Schmidberger und Herrn Jahnke für ihre Ausführungen. Die Saison geht gerade zu Ende, der Herbst beginnt, und neulich war eine Frau bei mir in der Sprechstunde, die sagte: Frau Gennburg, wissen Sie, ich freue mich, dass jetzt endlich Herbst ist, die Saison zu Ende geht und ich bald wieder schlafen kann, weil der Ballermann bei mir um die Ecke – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kluckert?

[Florian Kluckert (FDP): Es ist keine Zwischenfrage, ich wollte die Antwort geben!]

Das können Sie ja am Ende machen.

Das steht Ihnen nicht zu. Sie können gern eine Zwischenfrage stellen. Ansonsten hat Frau Gennburg das Wort.

Auf jeden Fall geht es um die Ballermannisierung ganzer Kieze – davon wurde heute schon gesprochen – und den Ausverkauf der Stadt. Der Protest auf der Oranienstraße gestern war nicht nur eine Frage der Gewerbemieten, die irgendwie aus heiterem Himmel steigen, sondern stand auch im Kontext genau dieses Ausverkaufs von Stadt, dass eben weite Teile von Kreuzberg und anderen Bezirken inzwischen Touristen vorbehalten sind, damit eine Homogenisierung von Gewerbestrukturen einhergeht und alteingesessene Gewerbe vertrieben werden. Während wir hier heute über diesen Tourismusplan diskutieren, wird in Barcelona über einen Hotelzonenplan diskutiert, Amsterdam hat ein sogenanntes Nutellalädenverbot erlassen, womit bestimmte Gewerbe gänzlich verdrängt werden sollen, und das Stadtmarketing eingestellt. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. In Kroatien durfte ich Bilder sehen, dass Menschen, die das Bikiniverbot ignorieren, 600 Euro Strafe zahlen müssen, und in Mallorca wurde beschlossen, dass keine weiteren Hotelbetten mehr zugelassen werden sollen.

[Florian Kluckert (FDP): Super!]

Kommen wir zu dem Problemaufriss. Wir haben es mit einer Kulturalisierung und der Heritageisierung zu tun, also mit Orten, die in Reiseführern stehen, zu denen Menschenmassen pilgern und die sie sich ansehen wollen. So

kommt es, dass die Touristifizierung Stadträume immer mehr zu einem Abziehbildchen verkommen lässt und die Stadtgeschichte immer wieder auf bestimmte Orte verengt wird, wie zum Beispiel Wittenberg, das nur noch Lutherstadt ist. Berlin wird in dieser Logik zu 365. 365, darüber ist viel diskutiert worden, was das eigentlich heißen soll. Es geht darum, Berlin nur noch als Partymetropole, die niemals schläft, wahrzunehmen. Kein Problem mit Partys, aber Berlin ist doch deutlich mehr als der Umstand, dass Menschen nicht schlafen wollen. Es gibt hier viele Menschen, die schlafen wollen. Genau deshalb geht es darum, den Tourismus zu regulieren.

Ostberlin ist auch nicht nur Trabi-Safari und DDRMuseum, und Kreuzberg ist auch nicht nur 1. Mai und Krawalle. Genau darum geht es: Wir wollen die Hoheit über die Erzählung, das, was Berlin ausmacht, wie Berlin besichtigt, wie man Berlin erleben kann, zurückgewinnen.

Jetzt komme ich zur Auflösung meines Rätsels: Der BER und das HUB, das Humboldt-Forum Berlin, sitzen ein und derselben Logik auf, nämlich der Eventisierung von Stadtpolitik. Die Idee von Massentourismus ist auch ein Problem, wenn wir an den Flughafen denken, wenn wir an das Stadtschloss denken. Wir finden, damit muss endlich Schluss sein, und deswegen brauchen wir ein Tourismuskonzept. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Unruhe]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Swyter das Wort. – Bitte schön!

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Geräuschpegel zu reduzieren. – Herr Swyter hat das Wort, und nur Herr Swyter.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, Herr Jahnke, möchte ich Sie beruhigen: Ich weiß nicht, welchen Antrag Sie gelesen haben, jedenfalls unserer kann es nicht gewesen sein. Wir wollen keinen einzigen Berliner vertreiben und auch nicht wegen Touristen vertreiben. Auch Sie nicht, Herr Jahnke, bleiben Sie ruhig in Berlin. Seien Sie ganz beruhigt. Ich glaube, Sie haben da wirklich etwas falsch verstanden.

[Beifall bei der FDP]

Ich bin eher überrascht über diesen Antrag, nachdem ja nun von Rot-Rot-Grün für nächstes Jahr ein Tourismuskonzept angekündigt worden ist. Ich habe mich deshalb

(Katalin Gennburg)

gefragt: Wofür jetzt noch dieser Antrag? – Das sieht fast so aus, als wollten Sie nachsteuern bei der Auftragserteilung, möglicherweise treibt Sie die Sorge, dass dieses Tourismuskonzept zu tourismusfreundlich ausfallen wird.

Wenn ich Ihre Reden, die ich gerade gehört habe, Revue passieren lasse, muss ich sagen, dass Sie Tourismus vor allem mit Belastung verbinden. Sie sehen in der Tourismusbranche vor allem eine Berlin-Belastungsbranche. Das ist eine grundfalsche Haltung, die Sie hier haben.

[Beifall bei der FDP]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahnke?